"Manchmal liege ich auf einer grünen Wiese und strecke meine Hand gen Himmel. Ich versuche, dich zu finden. Aber wo und wann kann ich dich finden? Finde ich dich im Himmel, wenn ich nach diesem greife?"
Die Gedanken von Thomas kreisten ihm durch den Kopf. Am meisten geschah dies, wenn er für sich allein verträumt auf einer Wiese lag oder, wie so häufig, in einer Bar saß und nach der einen Liebe suchte, die er nie zu finden glaubte. Wie eine Person, die sich des Sieges bewusst war, streckte Thomas seine Hand zur hölzernen Decke der Bar, in der sich nach eigenem Empfinden bereits eine gefühlte Ewigkeit befand. Dabei verfehlten ihn die Blicke der anderen Gäste keineswegs, sondern taten genau das Gegenteil. Thomas war mit seiner nahezu euphorischen Pose definitiv im Mittelpunkt des Geschehens. Keiner wusste jedoch, dass sich Thomas in einer für ihn ernsthaften Lage befand. Mit seiner Hand erreichte Thomas lediglich nur die Luft um sich herum.
"Immer noch auf der Suche nach der einen Frau?", fragte der Wirt mit einem ernsten Blick, während dieser gerade einige Gläser mit einem Tuch reinigte.
"Ich versuche mich zu erinnern. Ich versuche mich an die Person zu erinnern, die mich in ihren Bann gezogen hat." Im nächsten Moment beendete Thomas seine ruhmreiche Pose und richtete seine volle Aufmerksamkeit auf den Wirt. "Du solltest sie wirklich vergessen, Thomas. Ehrlich. Mag sein, dass du dich total in sie verliebt hast aber wenn du jeden Tag an sie denkst, wirst du dich niemals für andere Menschen öffnen können, die eine viel engere Beziehung mit dir aufbauen könnten."
Vergessen. Dieses Wort hatte Thomas in der Vergangenheit schon etliche Male von seinen Freunden gehört oder den Leuten, denen er seine Geheimnisse anvertraute. Aber eigentlich wollte er es gar nicht mehr hören. Vor wenigen Monaten noch saß er mit Lola hier in der Bar. Dicht nebeneinander. Ihre Hände hatten sich fast berührt. Es war Liebe auf dem ersten Blick. Und doch verschwand sie plötzlich aus seinem Leben. Einfach so. Er hatte keine Ahnung, wohin sie verschwunden war. Dabei trug sie etwas in ihren Haaren, an das sich Thomas immer wieder zu erinnern versucht. Genau das verschwindet aber jedes Mal aus seinem Gedächtnis.
"Hey, Thomas!" Wie aus einem bösen Traum erwacht, schreckte dieser hoch. "Schon wieder in deiner eigenen Welt, was?" Thomas blinzelte. Seine Augen rollten langsam nach unten und fixierten das Bierglas in seiner Hand.
"Ich würde dann zahlen." Ohne ein Wort mehr von sich zu geben, stand Thomas auf, hinterließ seine üblichen 2,50 Euro plus Trinkgeld und begab sich mit wackeligen Schritten Richtung Ausgang. Auf dem Weg nach Hause schlenderte er durch heruntergekommene Gassen und enge Häuserschluchten hindurch, als wenn ihn jemand verfolgen würde. Zuhause angekommen, sank Thomas wie ein nasser Sack in sein Bett. In seiner jetzigen Verfassung hätte er sich noch mehr betrinken können, um seine Sorgen zu vergessen aber das würde seine Leber nicht aushalten.
"Was ist das bloß für ein Leben? Ich sehe die schönste Frau der Welt in einer Bar voller Saufbolde wie mich und dann verschwindet diese einfach so. Für immer?"
Dicke Regentropfen, die gegen die Fensterscheibe prasselten, unterbrachen Thomas` Gedanken. Eigentlich war es gerade echt gemütlich. Die beruhigenden Geräusche des Regens wiegten Thomas in einen angenehmen Schlaf, wobei er sich wünschte, nie wieder erwachen zu müssen. Am nächsten Tag konnte sich Thomas bereits genau denken, wie sein Tag ablaufen würde. Zur Arbeit kann er nicht mehr gehen, da sein Alkoholkonsum dies nicht zuließ. Also gab es nur eine plausible Möglichkeit. "Die Bar. Eines Tages werde ich sie finden....."
Sein Ziel hatte er jeden Tag vor Augen. Er gab nicht auf und hoffte, seine Angebetete eines Tages wieder in der Bar finden zu können. Doch als er sich wie gewohnt zu seinem festen Platz in der Bar begibt, schaute ihn der Wirt erwartungsvoll an. Sein Blick zeigte nur demonstrativ auf eine rätselhafte Blüte, die auf dem Tresen lag. Plötzlich schossen alle Erinnerungen wieder in Thomas` Kopf. "Das hat jemand für dich liegen gelassen. War eine ziemlich hübsche Frau, wenn ich ehrlich bin." Wie gelähmt starrte Thomas auf die weiße Orchidee, die da einfach so vor ihm lag. Ein kleiner Zettel lag daneben auf dem etwas in schönster Schreibschrift geschrieben war:
Lieber Thomas. Bei unserem ersten Treffen habe ich gemerkt, das wir irgendwie füreinander bestimmt sein müssen. Deine Ausstrahlung. Dein Lächeln. Alles war so gut für mich. Genau aus dem Grunde habe ich nach dir gesucht. Weißt du nicht mehr, dass wir uns auf einer Wiese treffen wollten, auf der sogar einige weiße Orchideen wachsen? Ich warte hier auf dich, damit wir gemeinsam gen Himmel schauen können.
Mit einem Schlag kam seine Erkenntnis wieder zurück und Thomas begab sich zu der Wiese, auf der er seine Geliebte treffen würde. Diejenige, die sein Leben verändern kann.