Ein Junker winkte Tamir von den Dünen zwischen der Bastion und der Küste zu. Dieses konnte nur bedeuten, das der Herzog samt seinem Gefolge anrückte. Mit sieben Männern erwarteten sie den Herzog in dem Zelt des Hauptmannes, in dem derzeit nur die beiden Ordonanzen hausten. Das Gefolge des Herzogs umfasste mindestens fünfzig schwer gerüstete Ritter mit langen Stangenwaffen, fünfzig Krieger zu Pferd und deutlich mehr Bogenschützen samt Tross. Alle Kämpfer des Adelsmannes besaßen beste Ausrüstung und sogar Beinschienen und Brustharnische. Mit so einem kopfstarken Auflauf hatte Tamir nicht im geringsten gerechnet. Aber es ließ sich vorerst nicht ändern, denn hier gab es nicht mehr, als vier geflickte Mannschaftszelte und das gediegene Zelt des Hauptmannes. Zudem konnten sie nicht mit einer reichhaltigen Tafel für den hohen Besuch aufwarten. Gebratener Fisch und halbwegs frisches Brot waren schon die edelsten Speisen auf den Holztellern. Langsam und höchst diszipliniert kroch die Einheit des Herzoges auf sie zu, bis sie die Spitze der Berittenen erreichte. Verschiedene bunte Banner zierten die Lanzen der Ritter. In einem Halbkreis formierten sich die bestens gerüsteten Männer um sie herum, was arg an Tamirs Männern und ihm nagte. Der Kontrast hätte nicht größer sein können. Auf der einen Seite eine Truppe in poliertem Stahlrüstungen und auf der anderen Seite eine Truppe mit einem bunten Mix aus rostigen Harnischen ohne eine Verzierung und geflickten Kettenhemden. Erst einen Moment später erschien der Herzog oder zumindest eine Person, die deutlich aus der Masse der Ritter durch seine edle Kleidung und Rüstung herausstach. Das Wappen auf der Brust der Rüstung deutete an, dass es ein adeliger sein konnte. Tamir und seine Begleiter verneigten sich, so wie sie dachten, dass es angemessen sei.
Unerwartet drang ein lautes Lachen an Tamirs Ohren. "Scheiße auch, da stehen vor mir sieben vom Kampf gezeichnete Einfallspinsel, die furios eine Armee der Gegner schlugen und deren Offiziere stiften gingen, weil sie Darmkleister in den Hosen hatten. Die Feiglinge haben wir samt der Kriegskasse inzwischen einkassiert und nun wohnen sie in meiner Festung, als Gäste mit einer Halskrause und schmückenden Ketten an den Gliedmaßen." Tamir hob irritiert den Kopf. Das Lachendes Mannes klang weder feindlich noch unfreundlich. Der Herzog lachte jetzt noch herzerfrischender. "Nun hebt schon die Köpfe schließlich will ich mir die Kerle anschauen, die uns allen den Arsch gerettet haben. Ich hätte nie erwartet, dass so ein paar dürre Latten so beherzt kämpfen könnten." Tamir schaute zu dem hohen Herrn, der amüsiert zu ihnen schaute. "Jungs, nun schaut auf, denn ich bin mehr als stolz auf eure Leistung. Zumal die angeblichen edlen Krieger den Schwanz eingeklemmt haben, als es darauf ankam. Aber nun sollte mir ein Kerl alles erzählen, damit ich mir ein Bild von dem Kampf machen kann."
Tamir sammelte seinen Mut, denn der Oberst hatte immer erzählt, dass der Herzog ein fieser Kerl sei, der jeden Mann erschlug, der es wagte auch nur ein Widerwort zu haben. So boshaft wirkte der Herr nicht. Mangels jeglicher höfischer Ausbildung versuchte Tamir seine Stimme zu erheben. "Verehrter Herzog, wir taten alles, um die Gegner abzuweisen. Schließlich wohnen unsere Familien in dem Dorf hinter der Bastion. Nach dem Abgang unseres Hauptmannes und schon erheblichen Verlusten sortierten wir uns neu, denn die gewählte Aufstellung musste zu einer Katastrophe führen. Ja, wir hatten Angst um unser Leben und das Leben unserer Familien. Verzeiht, ich bin kein ausgebildeter Krieger, aber uns erschien es fragwürdig, die Gegner immer direkt vor die eigenen Linien kommen zu lassen. In einer längeren Gefechtspause sortierten wir uns um und ich übernahm unfreiwillig das Kommando über alle Einheiten, die ihr hier seht. Schließlich wollten wir noch den Abend erleben und unsere Familien beschützen. Von den ungefährdeten Abschnitten auf den Flanken beorderte ich zweihundert Kämpfer hier her und danach wehrten wir drei massive Angriffe der Gegner ab, bis keines dieser Kriegsmonster mehr lebte. Nach dem ersten Verschnaufen und der Bergung unserer verwundeten Kameraden sicherten wir die Beute und löschten noch die letzten Leben der Angreifer aus, so wie man es uns gezeigt hatte."
Tamir gewann bei seinem Vortrag an Selbstvertrauen und sammelte neue Worte. "Danach bauten wir die Verteidigungslinie um, denn es erschien uns falsch, den Teufeln Raum für ihre Angriffe zu geben. Also bauten wir eine starke Bastion aus Mauerwerk binnen der letzten Tage, damit die Gegner nicht von Strand wegkommen konnten. Zudem bauten wir schwere Waffen, um schon im Vorfeld die Anlandung der Gegner zu unterbinden. Mehr habe ich leider nicht zu berichten, außer, dass wir alle nach dem Kämpfen und dem Bau der Bastion verdammt erledigt sind und wir dringend frische Männer brauchen, um die gefallenen und verwundeten Mitstreiter zu ersetzen. Verzeiht, dass ich diese Bitte so offen vortrage, aber ohne Verstärkung weiß ich nicht, wie wir einen nächsten Angriff überstehen könnten. Nicht einmal genug zu futtern haben wir derzeit und es fehlen Bögen und Pfeile. Zudem frage ich mich, warum wir jedes Jahr eine hohe Kriegsabgabe an den Oberst zahlen mussten, ohne dass sich hier etwas verbesserte. Der Oberst sagte immer, ihr bräuchtet jedes Jahr mehr Gold, um Festungen zu bauen und um Truppen auszuheben."
Der Mut von Tamir war erschöpft, denn er rechnete immer noch mit einer harschen Strafe. Der Herzog stieg von seinem Ross und machte eine einladende Geste. "Jungs kommt zu mir und beugt euer Knie. Ich muss jetzt wohl meines Amtes wallten. Einer von euch muss jetzt leider Freisass werden und die Verantwortung für diesen Abschnitt der Küste übernehmen, nachdem die Offiziere sich als unzuverlässige Feiglinge erwiesen haben. Ich weiß, es erscheint euch als Sakrament, aber es ist nun mal notwendig um der Ordnung meines Landes zu genügen. Tamir kniete sich ebenso wie seine Freunde nieder und sprach die Worte des Herzoges nach. Vollkommen konfus sprach er den Text nach, um danach einen Klapps von dem Herzog zu erhalten. Freundlich grinsend fuhr der Herzog fort. "Der Rest folgt später, aber zuerst will ich euch euren Schatz übergebe, mir die neue Festung anschauen und den ollen Schreibkram erledigen wir später. Dreihundert Bogner und ein paar andere Sachen, wie Öl und vernünftiges Rüstzeug habe ich bereits mitgebracht. Ich denke, dass wir auch das mit dem Proviant hinbekommen, weil ich nicht meine mutigsten Streiter verlieren möchte. Natürlich soll auch an eure Familien gedacht werden, denn ich denke, dass eure Familien euer bester Rückhalt sind. "
In diesem Moment wusste Tamir, dass der Oberst sie ausgepresst hatte, um seinen eigenen Vorteil zu erlangen. Zugleich erkannte er, dass der Herzog kein böser Geist war - sondern eine jovialer Herr, der wusste, was er seinem Volk schuldete. Tamir hatte noch nicht begriffen, dass sich von diesem Moment an alles in seinem Leben verändern würde. Er wusste ja noch nicht einmal, welche Pflichten und Aufgaben mit dem Titel verbunden waren. Noch weniger wusste er, warum alles so gekommen war. Dennoch als Herr sah er sich nicht, weil alle Männer seine Freunde waren.