Spoiler: Knicks vs. Celtics (stark)
Samsas Traum (stark)
Die Türen der Bahn schlossen sich bereits, als ich aufsprang und hindurchhuschte. Mein Mantel blieb dazwischen hängen, doch ich konnte ihn herausziehen, ohne Schaden zu nehmen.
Und jetzt stand ich da. Hatte es beim dritten Anlauf tatsächlich geschafft, auszusteigen. Unsicherer als in den letzten Tagen war ich deshalb trotzdem nicht. Tief in mir wusste ich, dass es eine schlechte Idee war, doch gleichzeitig war da dieser Drang, es zumindest zu versuchen. Was hatte ich auch zu verlieren? Außer meiner Integrität.
Ich orientierte mich und ging auf das Gebäude zu, das ich vermutete. Sie sahen sich alle recht ähnlich, aber es müsste das richtige sein. Außerdem stand Tinos Auto nicht weit entfernt. Das erhöhte die Chance, dass er da war und ich nicht wie der letzte Trottel im Schneegestöber stand.
Ich drückte auf die Klingel für das Obergeschoss und hoffte gleichzeitig, dass sich die Tür öffnete und versperrt blieb. Was auch immer ich mir dabei gedacht hatte: Ich hatte es nicht bis zum Ende durchdacht. Natürlich nicht. Tat ich ja nie. Aber diesmal ...
Der Türsummer löste bei mir einen Fluchtreflex aus. Fuck, er hätte sich erst über die Gegensprechanlage melden sollen! So hatte ich mir das nicht gedacht.
Entgegen dem Drang, mich einfach umzudrehen, drückte ich gegen die Tür und betrat den Hausflur. Three is the charm, right? Ich war so viel weiter gekommen als bei meinen letzten Versuchen, bei denen ich einfach in der Bahn sitzengelieben war. Wenn ich das nicht durchzog, würde ich keinen Frieden finden.
»Samsa?«, kam die skeptische Nachfrage, nachdem ich um die erste Ecke gebogen war.
»Ehm, ja. Sorry, wenn ich störe, ich ...«
»Komm erstmal hoch, ich will nicht im Hausflur rumschreien.«
Scheiße! Meine Knie wurden weich. Ich tat hier genau das, wovor ich bei meinen One-Night-Stands immer Angst gehabt hatte. Warum tat ich das?
»So, hi.« Tino umarmte mich kurz und führte mich in die Wohnung. »Du störst nicht. Auch wenn ich etwas überrascht bin. Ich hab nicht damit gerechnet, dich wiederzusehen.«
Sollte er auch nicht! Als ich vor zwei Wochen seine Wohnung verlassen hatte, hatte ich die Entscheidung getroffen, ihn nicht mehr zu sehen. Warum zur Hölle war ich also hier?
Tino war anzusehen, dass er langsam unruhig und besorgt wurde. »Ist etwas passiert?«
Ich atmete tief durch. »Nein. Eigentlich wollte ich nur fragen, ob ich nicht doch deine Handynummer haben kann.«
Er lachte und zeigte dabei das schelmische Grinsen, dass mir in den letzten beiden Wochen nicht mehr aus dem Kopf gegangen war.
Das Desaster mit Toby und Roger hätte mich eines besseren belehren sollen, doch etwas in mir hatte den Drang, diesen Mann wiederzusehen. Und ich Vollpfosten ging dem auch noch nach, obwohl ich genau wusste, dass es genauso enden würde. Ich konnte nur hoffen, dass er mich, sobald er fertig war mit Lachen, der Wohnung verwies.
»Ja klar! Komm mit in die Küche, ich hab die Nummer nicht im Kopf und muss sie vom Handy diktieren.« Verlegen rieb er sich über den Nacken und ging vor.
Mit rasendem Herzen ging ich hinterher. Dieser Kerl ... Konnte er nicht ein Mal so handeln, wie es für mein Seelenheil besser wäre?
»Hast du nicht gesehen, dass ich sie dir aufgeschrieben habe?«
Die Lüge war verlockend ... Andererseits brachte ihn die Wahrheit vielleicht zum Umdenken. »Doch. Aber ich war nicht sicher. Ich war noch zu verwirrt vom Vorabend und wollte nicht wiederkommen.«
»Umso schöner, dass du es dir doch noch anders überlegt hast.« Abrupt blieb er stehen, sodass ich fast in ihn reinlief. Sein Blick wanderte von meinen Augen zu meinen Lippen, während er sich etwas herunterbeugte.
Ich folgte der Einladung, was zwar meinem Kopf für einen Moment etwas mehr Frieden brachte, dafür aber das Herzrasen verschlimmerte.
Tinos Schmunzeln wirkte diesmal sogar noch schöner, als er mir zuzwinkerte und kurz über meinen Hals strich. Er raunte mir ins Ohr: »Ich würde dich ja gern auf der Stelle vernaschen, aber ich hab leider noch anderen Besuch. Vielleicht nachher?«
Bevor ich darüber nachgedacht hatte, nickte ich. Hey, immerhin war das doch der Grund, weshalb ich seine Nummer wollte.
»Schön.« Einen Moment stand er unbewegt da, zog die Stirn überlegend in Falten, dann erhellte sich seine Miene. »Ach ja, die Nummer.« Noch während er die Türklinke herunterdrückte, erklärte er: »Das ist übrigens mein bester Freund Nick. Nick, Samsa.«
Für einen kurzen Moment spürte ich Panik in mir aufwallen. Diese Situation ... Ich fühlte mich an den ersten Morgen bei Toby erinnert, als plötzlich Roger in der Küche gestanden hatte. Es gab jedoch zwei entscheidende Unterschiede zwischen Roger und Nick: Nick lächelte nicht, als er mich sah, und ich kannte ihn bereits. Von einem One-Night-Stand.
»Ja, weiß ich«, machte Nick klar, dass er mich kannte.
»Ah, schön.« Tino ignorierte einfach, dass sein Freund mir offensichtlich noch immer böse war, dass ich mich nicht mehr gemeldet hatte, nachdem er mir seine Nummer aufgedrängt hatte. Stattdessen nahm er sein Handy von der Ablage. »Bist du so weit?«
Ich nahm mir ein Beispiel und speicherte seine Nummer ein. Um nicht am nächsten Tag doch noch zu kneifen, klingelte ich ihn danach sofort an.
Nick bedachte mich während der ganzen Zeit zwar weiter mit Blicken, doch sagte er nichts.
Sicher würde er seinen Freund zu einem anderen Zeitpunkt vor mir warnen und hätte damit bei jedem anderen recht. In diesem Fall jedoch ... Es hatte mich so viel Überwindung gekostet, ich hatte nicht vor, dass es umsonst gewesen sein sollte.