Vorgestern hatte ich ein Telefonat mit der Ansprechpartnerin der Selbsthilfegruppe Epilepsie Leipzig. Nette Frau, die auch Ruhe ausstrahlt, die selbst seit Jahrzehnten bei ihren eigenen Söhnen zusehen darf, wenn die einen epileptischen Anfall haben. Die schon gefühlt jeden Neurologen in Leipzig durchhaben und mit Erfahrungsaustausch nicht geizen. Leider hatten wir nicht viel Zeit, da sie noch auf einen Anruf au NRW wartet, weil sie noch für ganz Deutschland für eine weitere Krankheit zuständig ist. Sie sagte auch, dass eine Epilepsie meist mit einer Vorerkrankung zusammenhängt und nach einem MRT Befund gefragt. Ich habe allerdings vollkommen vergessen, dass mein Mann ja schon ein MRT hatte und eine Hirnschädigung damit ausgeschlossen wurde. Ich habe nämlich, nachdem ich auf den Rückruf der guten Frau gewartet habe, die vorläufige Diagnose der Uni gefunden. Da geht man von einer genetischen Epilepsie aus. Wirklich nachgeprüft wurde das aber nie, soweit ich weiß, und dementsprechend einfach hingenommen.
Ich mache mir jetzt natürlich auch Gedanken – der kam erst gestern so langsam – wenn mein Kind das jetzt auch hat. Denn die Chance, dass das ein Kind die Epilepsie vererbt bekommt, wenn ein Elternteil selbst Epilepsie hat, hat nun eine Wahrscheinlichkeit von fünf Prozent. Oder sieben, kommt darauf an, wo man nachliest. Hätte ich selbst nun auch noch Epilepsie wäre die Wahrscheinlichkeit bei zwanzig Prozent. Doch da ich ja eher mit Hochsensibilität gesegnet bin, ist mir das wohl erspart geblieben. Jedenfalls frage ich mich mittlerweile, wenn es im Bauch einmal richtig losgeht und es sehr viele schnelle, hektische Bewegungen sind, ob mein Kind schon in meinem Körper epileptische Anfälle hat. Ob das überhaupt geht. Dann schiebe ich diese Gedanken weit weg von mir, denn wie ein Arbeitskollege schon sagte: Wenn ich mir darüber auch noch Gedanken und Sorgen mache, werden die letzten Wochen meiner Schwangerschaft echt der Horror. Und auch wenn ich nicht mehr lange habe, dann sollte ich doch die letzte Zeit noch irgendwie genießen. Aber ich werde mein Kind testen lassen, wenn es auf er Welt ist. Ob ich mich darauf einmal einstellen muss und was ich tun kann, dass meinem Kind erspart bleibt. Das es auch O. erspart bleibt sich so etwas ansehen zu müssen. Nicht, dass mir dann im besten Fall noch beide wegklappen.
Auf jeden Fall sagte mir die gute Frau auf den Kopf zu, dass wir den Arzt wechseln sollten, da sie sich einfach unmöglich mir gegenüber benommen habe. Schließlich bin ich diejenige, die ertragen und durchhalten muss. In Wachau wäre ein Epilepsiezentrum, mit dem sie gute Erfahrungen gemacht hätten. Auch über unsere Ärztin der Wahl hatte sie eine Meinung, bzw. Erfahrungen abzugeben. Sie meinte, dass die zwar die Ärztin für Epilepsie in Leipzig wäre, aber alleinerziehend und mit zwei Kindern den Eindruck erwecken würde, heillos überfordert zu sein, da sie auch noch einige Patienten ihres verstorbenen Mannes übernommen habe. Dafür wurde uns eine andere Ärztin in unserer Nähe empfohlen. Da war O. gestern um einen Termin zu machen. Nachteil bei denen, die haben nur vormittags offen und freitags beispielsweise gar nicht. Weiterer Nachteil, die Ärztin zu der O. gehen soll, geht ab Januar in den Mutterschutz, sodass es für die Praxis keinen Sinn gemacht hat, ihm jetzt einen Termin bei ihr zu geben, wenn die Mutterschaftsvertretung dann jemand völlig anderes macht. Ob das jetzt so günstig ist, werden wir sehen. Zur Not geht es halt zu einem dritten oder vierten Arzt. Oder eben in das Epilepsiezentrum, damit er von oben bis unten durchgecheckt wird. O. hätte einen Termin Anfang Januar haben können (Eher wäre es beim besten Willen nicht gegangen), aber das ist wiederum bei uns schlecht. Entweder ist unser Kind dann schon da und ich im Wochenbett, oder wir sind gerade auf dem Weg zu dritt zu sein. Termin ist jetzt der 09.02.2021. Eine verdammt lange Zeit bis dahin, die mir Kopfzerbrechen beschert. Natürlich ist O. bis dahin ja unter Beobachtung und ärztlicher Behandlung, aber ich fand schon die Termingebung, bei der aktuellen Ärztin, für die kommenden Wochen und Monate komisch und meiner Meinung nach viel zu weit auseinandergesetzt. Natürlich ist mir klar, dass meine Sicht der Dinge durch Angst und Misstrauen getrübt ist, mein Mann ja nicht der einzige Patient seiner Ärztin ist und wir ja obendrein auch noch Ende des Jahres haben. Dennoch finde ich das alles komisch. Mir wird die Ärztin auch weiterhin suspekter, denn als O. diesen Montag allein bei ihr war und sie nach seinem Befinden fragte und wie wir das jetzt mit dem Schlaf handhaben und er unsere momentane Situation schilderte, war sie auf einmal wie ausgewechselt. „Ja, das ist ja sehr bedauerlich, dass Sie jetzt getrennt voneinander schlafen, vor allem wenn Ihnen das auf die Psyche geht. Und dann wenn auch noch das Kind da ist, ist das ja noch um einiges schwieriger.“ Ja, vielen Dank auch. Das hätte ich zu hören gebraucht. Scheißegal ob bei denen die Technik spinnt und sie deswegen Mehrarbeit hat. Dafür kann ich nichts. Das hat sie nicht an en Patienten und deren Angehörigen auszulassen. Ich bin Angehörige und will Beruhigung in dem Moment und nicht eine Frau, die mir über den Mund fährt und mich noch verunsicherter zurücklässt, als ich eh schon war und bin. Und außerdem hat sie wieder keine weiteren Infos gehabt, außer er solle so weiter machen. Das Valprorat chrono würden seinen Lamotrigin Spiegel endlich in einen Wert erhöhen, den sie gut findet. Ohne das Valprorat käme sein Wert offenbar nie über 4,4 hinaus, jetzt wäre er mit einer halben Tablette schon bei 5,0. Das gefühlt dauerhafte Gähnen, dass O. seit Einnahme hat (und mich btw. am Anfang völlig verunsichert, nervös und ängstlich gemacht hat), würde halt daran liegen, dass jetzt der Lamotriginspiegel höher ist und man dadurch etwas schläfriger wird. Der Mann soll doch aber noch arbeiten gehen und bei dem Vollbesitz seiner geistigen Fähigkeiten sein?! Natürlich hat uns mal wieder keiner über sein neues Medikament informiert. Was zu beachten ist, auf was besonders zu achten ist. U.a nämlich, dass jetzt bei jeder kleinen OP gesagt werden muss, dass er das Valprorat nimmt, weil das zu einer Blutungsneigung führt. Oder das dahingehend die Leberwerte besonders gecheckt werden müssen, weil das Präparat die Leber gesondert schädigen kann. Und das sind nur zwei der Sachen, die beachtet werden müssen. Auch das hat mir keiner gesagt, dass musste ich mir durch den Beipackzettel erlesen (Ohne dabei in Panik zu verfallen, denn die Nebenwirkungen sind echt nicht ohne und auch nicht wenige), bzw. hat mich die gute Frau von der Selbsthilfegruppe noch einmal darauf gebracht. Sie war auch völlig schockiert, als ich meinte, man habe ihm das Lamotrigin in der Uni gegeben und dann hätte er das eben nehmen müssen. Obwohl ja jeder Mensch auf diese Medikamente anders reagiert und man doch erst einmal hätte checken müssen, ob er das überhaupt verträgt. Noch ein Zeichen mehr für mich, dass ich die Uniklinik als absoluten Drecksverein sehe. Keine Aufklärung, keine Patienten- und Angehörigengespräche, Abfertigung der Menschen, als wären sie Ware. Ja ich weiß, die Krankenhäuser haben es schwer was die Betreuung der Patienten angeht, die Ärzte sind übernächtigt und überfordert, aber das geht nicht. Das geht einfach ganz und gar nicht. Wer bessere Erfahrungen mit diesem Krankenhaus gemacht hat, kann mir das gerne sagen, aber ich bin einfach nur gnadenlos enttäuscht und desillusioniert.
Auf jeden Fall ging das Telefonat mit der Frau der Selbsthilfegruppe zwar nur zwanzig Minuten, dafür hatte ich aber wenigstens einmal das Gefühl, dass mich jemand versteht. Das jemand weiß, wie ich mich fühle. Natürlich sind meine Freunde für mich da, aber die waren nicht dabei, die haben keine Liebsten die diese Krankheit haben. Das ist noch mal etwas völlig anderes, wenn es da jemanden gibt, der weiß, wie man sich fühlt. Und natürlich habe ich gefragt, ob diese Angst denn irgendwann einmal verschwindet und eigentlich hätte ich mir die Antwort selbst geben können, aber offenbar musste ich sie von jemand anderem hören. Sie selbst sei ja Mutter und das wäre natürlich noch einmal anders geartet, aber ihre Angst um beide Söhne, würde nie ganz verschwinden. Eben weil man nur zusehen und darauf achten kann, dass sie sich bei einem Sturz, oder während eines Anfalls nichts verletzten, sodass es u.U. tödlich enden kann. Irgendwie war die gute Frau aber auch nicht damit zufrieden, als ich meinte, seine Anfälle käme halt aus dem schlaf heraus, bzw. nach dem Nachtschlaf. Aber wie gesagt, dafür war das Telefonat zu kurz und ich muss mich noch einmal mit ihr auseinandersetzen und noch einmal telefonieren. Sie wollte sich zwar noch mal melden, aber das ist an dem Abend nicht noch einmal passiert und ich bin die letzten Tage auch nicht dazu gekommen.
Wir sind ja gerade erst dazu übergegangen irgendwie so was wie einen Alltag mit der neuen Situation zu etablieren, sodass ich mit Sonderdingen einfach heillos überfordert bin. Wir experimentieren immer noch herum, wie wir beide mit den neuen Gegebenheiten umgehen. O. will gerne sofort alles und auf einmal. Er hätte es gerne, wenn wieder alles wie davor wäre. Das wir wieder zusammen im Bett liegen können, zusammen einschlafen können. Wie sehr ich mir das auch wünsche, aber ich kann das einfach noch nicht. Ich bin noch nicht bereit dazu. Nicht mal für eine Nacht. Weil ich der neuen Medikation nicht traue. Weil ich seinem Körper nicht traue. Weil ich mir nicht traue. Vor zwei Tagen haben wir morgens versucht, dass wir im Bett kuscheln. Das war die reinste Überforderung für mich. Ich war völlig verspannt, konnte die Umarmung nicht erwidern, hatte einen Puls von hundertachtzig und die nackte Angst im Nacken, gleich könnte wieder alles von vorne anfangen und all meine Erfolge der letzten Tage kaputt machen. Wir sind jetzt dazu übergangen, eine Stunde vor dem Schlafen gehen im Bett zu kuscheln und uns noch etwas anzusehen, dann werden die Medikamente genommen, Zähne geputzt und danach wird ins Bett gegangen. Jeder für sich, obwohl ich ja auf dem Sofa schlafe, dass mittlerweile alles andere als bequem ist.
Deshalb haben wir ja nach einem Sofa geschaut. Eine neue, schnelle Alternative musste her. Aber Corona macht uns auch dahingehend einen Strich durch die Rechnung. Die meisten Sofas müssen ja aus dem Ausland bestellt werden (selbst die Dauerschläfersofas, mit denen ich bei Rolle schon geliebäugelt hatte. Das Möbelhaus ist übrigens das Einzige, das so was hat. Grober Fehler meiner Meinung nach), sodass das Früheste dann irgendwann Mitte, oder Ende Januar, oder gar erst im März verfügbar ist. Das ist aber eindeutig zu spät für mich. Bis dahin habe ich mir die Rücken und meine Hüfte komplett zerstört. Nachdem wir dann beim dritten Möbelhaus waren, in dem uns das gesagt wurde, war ich einfach down. Ich brauche definitiv eine Alternative zu dem Sofa. O. hatte dann die Idee mit Euro-Paletten und einer Matratze etwas hinzuzimmern. Ehe wir mal auf die Idee kamen einfach ein normales Bett zu kaufen, dass unser Kind später einfach benutzen könnte und wir in der Anfangszeit einfach das Bett des Kindes mit dran stellen, darauf sind wir erst viel später gekommen. Oder das O. dann auf das Einzelbett wechselt, während ich mit dem Kind dann im Schlafzimmer bin, hat es auch noch mal gedauert. Also haben wir dann nach einem Kinderbett geschaut. Aber erst ein Freund von uns, hat uns vorgestern auf die Idee gebracht, einfach mal bei Ebay nachzusehen. Und was soll ich sagen? Wir sind fündig geworden und haben das Bett auch gestern schon geholt. Fehlt nur noch die Matratze, die wir gestern Abend auch noch bestellt haben. Bett1.de gibt die Garantie, dass die Matratze in vier bis sechs Werktagen bei uns eintrifft. Ein Stern am Firmament für mich. Zur Feier des Tages habe ich dann auch noch neues Bettzeug gekauft, das gerade in der Waschmaschine vor sich hin rödelt. Eine kleine Hoffnung. So gut gelaunt wie gestern Abend, als das Bett dann aufgebaut im Wohnzimmer stand, war ich schon lange nicht mehr. Und sollte mir der Lattenrost zu hart sein, der dabei war, dann gibt’s eben einen neuen. Auch das ist voll easy, denn schließlich haben wir nur fünfzig Euro für das Bett hingelegt. Mit einem neuen Sofa wären wir nur noch teurer gekommen. Natürlich war das nicht geplant und natürlich habe ich nie gedacht, mal ohne meinen Mann schlafen zu müssen, aber das ist gerade das Beste und Klügste was geht. Zumindest denken wir das. Wir haben ja bisher keine weitere Variante von irgendjemandem bekommen, mit der wir irgendwie Frieden schließen könnten. Ich weiß nicht, ob ich es schaffen werde, in naher Zukunft mit ihm zusammen zu schlafen. Eigentlich war von seiner Seite der Vorschlag gekommen, dass wir versuchen wollen zu Weihnachten an allen drei Tagen zusammen in einem Bett zu schlafen. Die Vorstellung fand ich schön und auch die Zeitspanne sehr angemessen. Als O. dann aber diese Woche damit kam, dass wir das jetzt gleich am Wochenende probieren wollen, war das für mich, als hätte er mir gerade den Boden unter den Füßen weggezogen. Ich bin wieder in Tränen ausgebrochen, habe an mir gezweifelt, habe mich unter Druck gesetzt funktionieren zu müssen. Aber ich kann mir das nicht vorstellen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass schon über mich zu bringen, auch wenn das für meinen Körper definitiv eine Wohltat wäre, aber mein Gehirn ist momentan darauf programmiert, dass am Wochenende zwischen sechs und zehn Uhr etwas ganz Schreckliches passiert. Das muss ich erst einmal wieder umgeswitcht bekommen, nur habe ich absolut keinen blassen Schimmer, wie ich das machen soll, noch wie lange das dauert. Vor allem schnell genug, damit O. auch damit zufrieden ist. Das er nicht allzu lang leiden muss.
Dieses Wochenende wird eh noch einmal eine Herausforderung, denn ab Montag soll O. wieder arbeiten gehen. Eine neue Herausforderung für ihn. Eine neue Angst für mich, weil er dann zu einer Uhrzeit aufstehen muss, die wir nicht „geübt“ haben. Ich will das auch eigentlich gar nicht üben. Zumindest nicht die erste Woche. Ich habe kein gutes Gefühl dabei, wenn er der Meinung ist um fünf Uhr in der früh aufstehen zu müssen, um dann um sechs mit seinem Fahrrad auf Arbeit zu radeln. Ich weiß, dass er das prinzipiell kann, aber wie gesagt: Ich traue der Medikation nicht, ich traue seinem Körper nicht und ich traue mir nicht. Seinem Willen vertraue ich, keine Frage, aber ich weiß auch, dass sein Wille überaus gerne über die Grenzen seines Körpers geht. Also werde ich ihn morgens fahren. Und auch abholen. Für wie lange ich das durchziehen werde, kann ich auch noch nicht sagen. Einziger Vorteil nächste Woche: In Sachsen ist Buß- und Bettag und O. somit am Mittwoch zu Hause. Sollte seine Routine dann nicht klappen, kann er da ausschlafen. Aber das ist ja auch nicht auf Dauer Sinn der Sache. Ebenso wenig, dass ich ihn dann dauerhaft fahre.
Immerhin habe ich mir jetzt für das Wochenende vorgenommen, denen einen Antrag für das BEEG fertig zu machen, wie auch den Antrag für Elternzeit für O. Wir denken, dass es jetzt vor allem sinnvoll ist, dass er den ersten Monat zu Hause ist. Sollte was sein, verletzt er sich zumindest nicht auf Arbeit. Vielleicht komme ich auch dann endlich mal dazu meinen Geburtsvorbereitungskurs weiter anzusehen. Dahingehend bin ich auch noch nicht auf einem Stand, der mich beruhigt. Immerhin haben wir jetzt die Woche angefangen die Kliniktasche mal ein bisschen vorzubereiten. Die ersten Kleidungsstücke für mich zu waschen. Die Klamotten fürs Baby sind dann wohl am Wochenende dran. Hoffe ich zumindest. Nicht, dass mir dann wieder ein Wochenende erleben, dass ich keinem von euch wünsche.