Schon mehr als ein Jahr ist jetzt das letzte Update her.
Natürlich habe ich mich um keine*n Verhaltenstherapeuten*in gekümmert, sondern habe ein anderes Feld in Angriff genommen: Meine absolute und allumfassende Unzufriedenheit meinem Arbeitsplatz gegenüber. Ich arbeite seit nun fünfzehn Jahren in Berlin, seit zwölf Jahren sitze ich auf einer Stelle, die ich des Todes langweilig finde und seit fast vier Jahren verachte ich meine Vorgesetzte. Wunderbare Voraussetzungen also um da zu bleiben. Erst eine Fortbildung musste mir sehr dramatisch aufzeigen, dass ich hier nicht bleiben kann. Schließlich dankt es mir weder meine Familie, noch meine Gesundheit, wenn ich weiter meinen Frust in mich hineinfresse. Also habe ich mir während der Raunächte das Ziel gesetzt, Ende dieses Jahrs einen neuen Job in Leipzig zu haben. Und was soll ich sagen? Am 01.09. ist es dann auch endlich soweit. Ich war selten so losgelöst, da ich mittlerweile ja die Tage zählen kann. Selbst meine absolut unfähige Vorgesetzte kann ich mittlerweile also einfach ignorieren. Auch wenn die Befürchtung bleibt, dass das Team an meinem neuen Dienstort ebenfalls ein Reinfall sein könnte, will ich das so sehr, dass ich mich in völlig neues Fahrwasser begebe. Trotz meiner Unsicherheit und – ja – meiner Angst. Mein Abschied von Berlin hat auch einfach viel zu lange gedauert und ich will mich jetzt völlig in Leipzig zu Hause fühlen. Vor allem dem Winterkind bringt es gar nichts, wenn ich jetzt weiter pendle und so versuche das alte und das neue Leben zu vermischen. Das klappt sowieso nicht. Trotzdem werde ich einem Arbeitskollegen, der mittlerweile ein wunderbarer Freund geworden, schrecklich vermissen. Ich sehe mich jetzt schon weinen, wenn ich am 31.08. das Dienstgebäude verlasse.
Wenn das geschafft ist, dann werde ich es wirklich endlich versuchen und mir einen neuen Therapeuten suchen, denn mir wurde bei meinem letzten Termin schon gesagt, dass wir im Herbst unsere gemeinsame Arbeit beenden werden.
O hingegen ist seit über zwei Jahren anfallsfrei. Wir hatten schon die ein oder andere Situation, in der ich meiner Angst entgegengetreten bin und ich in Os Körper neues Vertrauen setzen konnte. Er übernimmt auch mittlerweile die schweren Nächte, die ab und an auftreten (Das Winterkind ist momentan eh in einer so harten Papa-Phase, da hab ich es eh aufgegeben). Selbst zu Silvester haben wir uns das Feuerwerk ansehen können, ohne dass ich regelrecht in Panik ausgebrochen bin. Wir waren Neujahr zwar völlig fertig, aber das liegt wohl eher daran, dass wir ein Kleinkind haben und wir alt werden. Letztens erst bin ich selbst gegen 03:00 Uhr in die Notaufnahme gefahren und er war mit unserem Kind allein und was soll ich sagen? Es ist nichts passiert. Gar nichts. Die Medikamente wirken, auch wenn das Valproat den Tremor echt krass werden hat lassen. Vor allem konnte ich beobachten, dass es schlimmer wird, wenn er weniger geschlafen hat. Das scheint aber keinen großen Einfluss auf Os Epilepsie zu haben. Zusätzlich bekommt er noch gegen sein AD(H)S nun Ritalin und auch das macht es mir einfacher. Er ist fokussierter, zieht Dinge eher durch. Ich muss nur noch sechs Mal was wiederholen und nicht ganze zehn Mal. Für mich ist das eine Erleichterung. Obwohl mich das immer mehr mit mir selbst beschäftigen lässt. Seitdem ich Mutter bin, bin ich zerstreuter als sonst. Ich verlege ständig Dinge, finde diese auch absolut nicht wieder und wenn man mich unterbricht, weiß ich teilweise nicht mal mehr, was ich von zwei Sekunden eigentlich wollte. Ich bin unglaublich schnell erschöpft, wenn das Winterkind außerplanmäßig zu Hause bleiben muss und ich mich nicht darauf einstellen kann. Ich liebe mein Kind und ich gebe das auch definitiv nicht mehr her, aber wenn es da ist, bin ich so unfokussiert und leicht reizbar… Das ich überlege mich selbst testen zu lassen. Noch ist diese Idee nicht vollständig ausgereift und ich bin nicht voller Tatendrang, aber ich spiele immerhin schon einmal mit dem Gedanken.
Auch die Panik meinerseits wegen dem Winterkind hat sich weitestgehend gelegt. Ich vertraue ihrem Körper mehr als meinem, geschweige denn Os. Und ich werde sie nicht vor dieser Krankheit schützen können. Bestimmte Arten von Epilepsie hat das Winterkind schon einmal nicht. Die hätten schon als Baby auftauchen müssen. Und selbst wenn es dann in der Pubertät oder später, wie bei ihrem Vater, auftreten sollte, dann finden wir Wege. Mittel und Wege. Daran muss ich glauben. Zumal meine Aufmerksamkeit momentan eher darauf liegt, dass das Winterkind besser sprechen lernt und bald geht es ja auch nicht mehr in die Krippe, sondern ist ein Kindergartenkind. Leute, wie die Zeit verfliegt. Bald ist das Winterkind ganze drei Winter alt!
Manchmal bin ich dennoch traurig, dass ich in unserem ersten Babyjahr so damit beschäftigt war Angst zu haben. Das ich es nicht geschafft habe dieses Jahr mit ihr zu genießen, sondern versucht habe, alle ihrer Bedürfnisse zu erfüllen. Nicht aus dem Wunsch heraus, dass mein Kind ein zufriedenes und glückliches Baby ist, sondern damit ihr Vater keinem weiteren Stress ausgesetzt ist und keinen weiteren Anfall bekommt. Aber, Surprise! Stattdessen hat er eben einen nach einer Weisheitszahn-OP bekommen. Und auch die letzten Monate der Schwangerschaft waren die Hölle für mich. Und nicht, weil ich generell eine Problem-Schwangerschaft gehabt hätte, stattdessen war ich einfach von Angst getrieben, hatte das Gefühl, dass ich alles alleine meistern muss. Und die Freunde, die in der Zeit für mich da waren, waren allerdings physisch nicht zu greifen. Jetzt habe ich ein etwas größeres Netzwerk, auch wenn das ausbaufähig ist.
Manchmal würde ich gerne wieder dahin zurück und das alles noch mal bewusster wahrnehmen. Die Dinge mehr wertschätzen. Denn ich kann mich glücklich schätzen so ein gesundes, aufgewecktes und wundervolles Kind zu haben.
Wir kommen auch endlich unter den Eltern der Kita an, treffen uns ab und zu mit anderen. Einfach um das Winterkind zu bespaßen und auch selbst wieder mehr Kontakt zu Erwachsenen zu haben, die nicht denken, dass man mit Kind völlig unflexibel ist und sich dann immer rarer machen. Ich versuche mir mehr Zeit zu nehmen, die Dinge zu tun die mich erfüllen (Auch wenn die Rammstein-Thematik mir momentan jedwede Kreativität aussaugt, aber man ist ja für kleine Dinge dankbar). O und ich werden im September sogar auf ein Konzert gehen. Zusammen! Wir haben es beide nötig und es ist nicht weit weg, um zum Winterkind zu gelangen, wenn die Kurze überhaupt nicht bei der Ziehoma schlafen will. Ich muss noch lernen auch ihr mehr zuzutrauen. Mehr zu vertrauen. In das Winterkind. In O. In mich. In das Leben.