Das Labor von Eisenhardt war nicht das größte, aber auch nicht das kleinste bei der Organisation. Es bestand aus zwei Räumen. Dem Hauptraum, wo alle Messinstrumente standen und einem kleinen Nebenraum, der nur mit einem Feldbett bestückt war. Man konnte durch ein Fenster an der Wand vom Hauptraum in den Nebenraum schauen. Zudem war der Nebenraum mit vier kleinen Kameras bestückt worden. Der Professor hatte auch im Labor einen Schreibtisch. Dort standen mehrere Computerbildschirme darauf. Der eine Bildschirm zeigte den Nebenraum. Das waren die Kamerasichten. Zwei weiteren Bildschirme würden die Statuswerte der Testpersonen anzeigen und der dritte war für die Dokumentation der Ergebnisse. Auf dem Tisch stand auch ein Mikrofon welches zu einem Lautsprecher in dem Nebenraum führte. Es sah keines Falls so aus wie in seinem Büro. Im Labor herrschte eine sorgfältige Ordnung. Jedes Gerät hatte seinen Platz. In einem Eck des Raumes war die Halterung, die für das Fragment gedacht war angebracht. Ein großer Schlauch verband die Halterung mit dem Nebenraum. Der Professor hatte das Fragment bereits in die Halterung gelegt. Als er mit den restlichen Vorbereitungen fertig war, schaute er auf die Uhr. Es war fünf Minuten vor zehn Uhr. Perfektes Timing! Er ging aus dem Labor raus und holte die erste Testperson, Nummer drei.
Als Eisenhardt zusammen mit der Nummer drei wieder in seinem Labor war, zeigte er der Testperson den kleinen Nebenraum. „Ich werde die Kraft des Fragmentes in den Raum leiten.
Du musst einfach nur auf dem Bett liegen bleiben. Mehr brauchst du heute nicht machen. Bitte leg dich nun in den Raum auf das Feldbett“, sagte der Professor zu Mark. Dieser nickte und ging in den Raum. Dort legte Mark sich auf das Bett und der Professor fing an bei ihm mehrere Geräte anzubringen. Diese waren da, damit Eisenhardt die Werte von Nummer drei auf seinen Bildschirmen verfolgen konnte. Nachdem alles angebracht war, ging der Professor aus dem Raum und schloss ihn ab. Dann setzte er sich an seinen Schreibtisch und checkte Marks Werte und dokumentierte diese. Eisenhardt betätigte einen Schalter am Mikrofon und fragte Mark: „Bist du bereit?“ Im Bildschirm konnte er erkennen, dass Mark nickte. „Okay, dann beginne ich jetzt mit dem Experiment.“
Der Professor betätigte einen roten Knopf. Der Behälter, indem das Fragment lag wurde nun hell erleuchtet. Die Macht des Dämons wurde nun in den Raum mit Mark geleitet. Als die Macht den Raum erreichte verfiel der Proband in einen tiefen regelmäßigen Schlaf. Am Anfang war er sehr ruhig. Seine Werte blieben alle im normalen Bereich. Doch nach ein paar Minuten begann sich Mark unruhig und gehetzt auf dem Bett herum zu wälzen. Er wurde immer panischer und stöhnte hin und wieder auf. Nummer drei quälte sich durch einen sehr schlechten Traum. Der Schweiß lief ihm den ganzen Körper herab. Eisenhardt sah dem ganzen Geschehen geschockt zu. Er dokumentierte dabei alles ganz genau auf seinem Laptop. Die Werte des Probanden hatte er auch schon erfasst. Es verging eine halbe Stunde. Mark wälzte sich in der Zeit gequält umher. Auf einmal wachte er mit einem markerschütternden Schrei auf. Die Nummer drei schoss in eine sitzende Haltung und hielt sich die Hände vor sein Gesicht. Er zitterte am ganzen Körper. Der Professor sprang von seinem Stuhl auf und rannte in den Nebenraum zu Mark. Er untersuchte ihn sofort auf Verletzungen. Mark hatte einige unerklärbare Kratzer an seinem Oberarm. Eisenhardt fing an den Probanden zu verarzten. Dabei versuchte er ihn auch zu beruhigen. Mark schaute sich immer wieder gehetzt im Raum um, als würde er erwarten, dass etwas mit ihnen im Zimmer wäre.
Als der Professor es geschafft hatte Mark zu beruhigen und fertig verarztet hatte fragte er ihn: „Mark, was hast du erlebt? Erzähl mir bitte alles haargenau und lass bitte kein Detail aus.“ Mark sah ihn verängstigt an und nickte zögernd. Er begann dann nach einer kurzen Pause mit zitternder Stimme zu erzählen. „Am Anfang stand ich alleine in der Dunkelheit. Nichts war zu sehen, ich konnte nicht einmal mich sehen. Ich dachte mir dabei nicht und lief in irgendeine Richtung los. Nach einiger Zeit konnte ich in der Ferne einen Lichtschein ausmachen.
Ich beschloss darauf zu zugehen. Als ich am Rand der Lichtquelle angekommen war erkannte ich, dass das Licht eine Öllampe war, die auf dem Boden stand. Ich wollte die Lampe gerade aufheben, da bemerkte ich, dass etwas hinter mir laut in meinen Nacken atmete. Langsam, sehr langsam drehte ich mich um.“ Die Nummer drei brach nach diesem Satz ab und begann zu schluchzen. Der Professor hätte nie gedacht, dass ein so muskulöser und großgewachsener Mann so verängstigt und aufgelöst sein konnte. Er wollte Mark aber nicht unterbrechen, sondern wartete bis er sich wieder gefasst hatte und mit seiner Erzählung fortfuhr. „Hinter mir stand ein Wesen und sah mich hungrig an. I…ich weiß nicht, wie ich es ihnen beschreiben soll. Aber eins kann ich ihnen sagen Professor, es war riesig, hatte Fell und messerscharfe Fangzähne und Klauen. Seine Augen waren kupferfarben. Sie haben sich in mein Gedächtnis eingebrannt. Die Augen sahen mich wütend an, als wollte das Monster mich im nächsten Augenblick in Stücke reisen. Das Ding wollte mich anscheinend auffressen. Es hatte seinen Mund zu einem hämischen Grinsen verzogen. Ich schrie und versuchte dem Wesen zu entkommen. Es wollte mich festhalten und dabei erwischte es mich am Oberarm und hinterließ dort diese Kratzer.“ Mark deutete auf seinen Oberarm, der nun bandagiert war. „Ich rannte vor dem Monster weg. Einfach in die Dunkelheit hinein. I...ich hoffte, dass es mir nicht folgen würde. Dem war aber leider nicht so. Nach einiger Zeit verließen mich meine Kräfte und es holte mich ein.“ Die Nummer drei brach wieder mitten in der Erzählung ab und schluckte lautstark einen Kloß hinunter. „Es erwischte mich und riss sein Maul weit auf. Es wollte mich auffressen. Aber bevor es dazu kam, wachte ich mit einem lauten Schrei auf. Das war alles, was passiert war. Professor, ich möchte nicht mehr dorthin zurückgehen.“
Der Professor runzelte die Stirn und sah Mark ganz genau an. „Es tut mir leid Mark, aber ich kann dir nicht versprechen, ob du nochmal an einem Experiment teilnehmen musst oder nicht. Es kommt ganz darauf an, wie es den anderen ergeht und ob sie es schaffen den Dämon in sich aufzunehmen.“ Mark begann erneut zu zittern und legte seinen Kopf in die Hände.
***
Als Mark gegangen war schrieb der Professor seine Aufzeichnungen zu dem Experiment. Danach holte er Eduard aus seiner Zelle und ging mit ihm zu seinem Labor.
Er erklärte ihm wie bei Mark was er vorhatte und Eduard legte sich ohne zu zögern in den Raum. Als Eisenhardt das Experiment startete passierte das gleiche wie bei Mark. Eduard verfiel in einen tiefen Schlaf. Genau wie bei dem Experiment davor begann Eduard nach einiger Zeit sich gequält umher zu wälzen. Als er wieder aufwachte schilderte er dasselbe wie die Nummer drei nur, dass es kein Monster mit Fell und Fangzähnen war, sondern ein geflügelter Dämon. Er hatte feuerrote Flügel und sein Köper war schwarz mit goldenen Mustern darauf. Seine Augen waren aber wie bei Marks Erzählung kupferfarben. Er hatte spitze Zähne wie ein Vampir und langes schwarzes Haar. Der Dämon hatte Eduard in den linken Oberschenkel gebissen. Der Professor stoppte die Blutung, desinfizierte die Wunde und verband sie schließlich. Eduard machte im Gegenzug zu Mark einen gefassteren Eindruck. Aber auch er zitterte am ganzen Körper. Der Professor musste Eduard zu seiner Zelle zurück bringen, da ihm das Laufen durch die Wunde schwer fiel. Danach ging er in sein Labor zurück und schrieb seinen zweiten Bericht.
Nun holte Eisenhardt Tom. Die Nummer vierzig hatte schon vor dem Betreten des Raums fürchterliche Angst und der Professor musste ihm gut zureden. Als er ihn soweit hatte, dass der Proband den Raum betrat und sich auf das Bett legte, fragte sich der Professor, welche Form der Dämon nun haben würde. Das Experiment begann und auch die Prozedere wie bei den vorigen Beiden Testpersonen wieder. Tom begann sich gequält umher zu wälzen und erwachte eine halbe Stunde später mit einem lauten Schrei. Tom hatte eine große Angst und begann sofort nach dem er aufgewacht war zu weinen. Er hatte einen sehr starken Weinkrampf. Der Professor benötigte eine ganze Stunde um ihn zu beruhigen. Tom begann dann sehr schüchtern und zurückhaltend zu erzählen. Der Dämon war dieses Mal ein Schwarm Krähen die Tom durch die Dunkelheit jagten. Alle Krähen hatten kupferfarbene Augen die in der Dunkelheit leuchteten. Es war dieselbe Geschichte wie bei seinen Vorgängern nur, dass Tom unverletzt war. Die Vögel konnten ihn nämlich nicht einholen bis sein Traum endete.
Als Tom endlich dazu bereit war alleine zurück zu seiner Zelle zu gehen waren weitere zwanzig Minuten vergangen. Als er weg war schrieb der Professor auch diesen Bericht nieder. Der Professor dachte dabei nach. Wieso jagte der Dämon die Probanden durch die Dunkelheit? Wollte er ihnen damit Angst einjagen? Oder wollte er sie damit nur testen? Ja, dass musste es sein!
Der Dämon wollte sehen, wie schnell die Testpersonen rennen konnten und wie sie auf ihn reagieren würden. So konnte er den besten von ihnen als Wirt anerkennen, schlussfolgerte der Professor.
Der Professor sah sich seine Unterlagen an. Der letzte Proband in der Reihe war die Nummer zehn. Das Mädchen! Er machte sich sorgen um sie. Was wäre, wenn Anna zu langsam für den Dämon war. Oder noch schlimmer, sie sich vor Angst nicht von der Stelle bewegen könnte. Würde der Dämon sie dann noch schlimmer verletzten als die Jungs? Oder würde er sie gleich umbringen? Eisenhardt lief ein kalter Schauer den Rücken herunter. Er schüttelte seinen Kopf sehr schnell, um die schlechten Gedanken zu entfernen. Mit solchen Dingen konnte er sich nicht aufhalten lassen. Der Professor musste weiter machen. Aber Anna in die Dunkelheit zu dem Dämon lassen? Das wollte er nicht! Aber er konnte nichts tun. Wenn der Vorstand merken würde, dass er mit einer der Probanden keine Tests durchführen würde, dann würde man Anna einem anderen Team zuteilen. Dann konnte er nichts mehr für sie tun. Zögernd stand Eisenhardt auf und ging aus dem Labor in Richtung der Zellen um die Nummer zehn zu holen.