Anna öffnete ihre Augen und fand sich vor dem Schrein des Dämons wieder. Dieser wartete bereits am Eingang auf sie. Er lehnte am Türrahmen und sah sie mit einer Mischung aus Trauer und Melancholie an. Anna ging zu ihm und sah im tief in seine kupferfarbenen Augen. „Du weist also bereits Bescheid?“ Der Dämon nickte. „Mir hat die Zeit mit dir sehr gefallen Anna!“ „Mir auch!“ Nun sah auch Anna den Dämon traurig an. „Das wird heute unser letztes Spiel sein!“, sagte das Mädchen zu ihm. Der Dämon begann nun zu grinsen. Seine Augen funkelten vor Begeisterung. „Und auch dieses Mal wirst du mich nicht schlagen können!“ „Das werden wir noch sehen!“ Der Dämon trat nun einen Schritt zur Seite und deutete Anna mit der Hand an, dass sie eintreten solle. Sie ging an ihm vorbei und setzte sich auf ihren Platz. Der Samurai setzte sich ihr gegenüber hin. „Dann lass uns unser letztes Spiel beginnen, kleine Anna!“
***
Tom öffnete seine Augen. Er stand vor dem Schrein. Entschlossenheit funkelte in seinen Augen. Er wusste, dass die anderen Beiden es nicht schaffen würden den Dämon zu besiegen. Anna verstand sich zu gut mit ihm und Eduard hatte zu große Angst. Zum Glück war er nicht mehr so ein großer Angsthase!
Tom besaß nun den Mut und den Verstand, um den Dämon zu bezwingen. Er würde kämpfen! Nicht für ihn, sondern für alle!
Er hatte sich auch schon einen Plan zurecht gelegt. Aus Annas Erzählungen wusste er, dass wenn man sich Dinge hier vorstellte, diese auch erschienen. Nun stellte er sich zuerst einen großen Kreis aus Feuer um sich herum vor. Dafür schloss Tom die Augen. Er merkte, dass seine Augenlieder eine neue große Lichtquelle warnahmen.
Geschafft! Tom lächelte.
Als nächstes stellte er sich ein Schwert mit einer sehr scharfen Klinge vor. Auch diese erschien. Die Vorbereitungen waren beendet. Der Kampf konnte beginnen.
„Dämon! Komm aus deinem Schrein heraus und stell dich dem Kampf!“ Tom schrie mit voller Kraft.
Es dauerte nicht lange, da öffnete sich die Tür des Schreins und der Schwarm Krähen kam heraus. Tom atmete tief durch und wappnete sich. „Zeig deine wahre Gestalt, wenn du keine Angst vor mir hast!“ Die Krähen begannen alle gleichzeitig zu lachen. Hunderte von rot glühenden Augen sahen ihn ganz genau an. Die Vögel flogen in den brennenden Kreis und bildeten einen gewaltigen Haufen. Dieser verwandelte sich dann schlussendlich zu einem Samurai. Er hatte sein Katana bereits gezogen.
„Du glaubst, dass du mich besiegen könntest?“, fragte der Samurai ganz nüchtern. „Das werden wir gleich sehen“, antwortete Tom und rannte mit einem lauten Schrei auf dem Dämon zu.
Angriff!
***
Eduard öffnete seine Augen. Er stand an der hinteren Seite des Schreins. Der Dämon hatte ihm noch nie erlaubt in das Innere des Schreins zu gehen. Nur Anna war dies gestattet. In den vorherigen Experimenten waren der Dämon und Eduard langsam um den Schrein gelaufen und hatten über viele Themen geredet. Meistens ging es dabei nur über Eduard und seine Leben. Fragen, die an den Dämon gingen, wurden von ihm immer ignoriert.
Eduard sah sich um. Wo war der Dämon?
Die Tür des Schreins öffnete sich plötzlich. Der geflügelte Dämon stand in der Tür. „Hallo Eduard, dass wird heute unser letztes Gespräch sein!“ Eduard nickte entschlossen.
„Weißt du, der Professor hat zu uns gesagt, dass wir heute alle gegen dich Kämpfen sollen… aber wenn ich ehrlich bin, möchte ich das nicht!“ Der Dämon begann zu lachen. „Es ist vollkommen dir überlasse, ob du mich nun angreifst oder nicht! Jeder kämpft hier auf seine eigene Art und Weise! Ich glaube dir, dass du mich nicht attackieren wirst! Komm, im Inneren des Schreins können wir in Ruhe weiterreden!“
Der Dämon trat nun ohne auf Eduard zu warten in den Schrein. Der Proband konnte es nicht fassen. Er durfte zum ersten Mal in das Innere des Gebäudes. Zögernd folgte er ihm hinein. Die Beiden setzten sich jeweils einander gegenüber hin.
„Ich glaube, dass du mir heute etwas sehr wichtiges mitteilen möchtest!“, begann der Dämon ruhig, „Nun gut, dann beginne gleich zu erzählen! Ich werde dich nicht unterbrechen, bis du fertig bist!“
Es trat eine kurze Stille ein. Eduard musste sich kurz sammeln. Dann begann er zu reden. „Weist du, ich habe mich in den zwei Monaten, in denen ich hier gefangen bin, sehr verändert. Früher war ich ein totales Scheusal…für mich stand immer nur ich selbst im Vordergrund. Es gab nichts Besseres als mich. Aber du… du hats mir gezeigt, dass wir alle hier, egal woher wir kommen, gleich sind. Hier bin ich kein Junge aus reichem Haus, der bei allem bevorzugt wird, sondern ich bin einfach nur Eduard. Dafür wollte ich mich bei dir bedanken!
Ich glaube, dass du das gleiche bei Mark gemacht hast. Mark war immer der festen Überzeugung, dass er vor nichts und niemanden zurückweichen, geschweigenden vor jemanden Angst haben müsse. Du hast ihm eines besseren belehrt! Das einzige, was du nicht so richtig beachtet hast, dass dadurch die Psyche von Mark sehr schwach wurde und es keinem so richtig aufgefallen ist! Ich gebe dir wegen dem Tod von Mark nicht die Schuld. Du wolltest ihm eigentlich nur helfen…
Auch Tom hast du geändert. Du hast ihm gezeigt, dass er nicht vor allem Angst haben muss, da du viel angsteinflößender bist…
Was ich dir eigentlich damit sagen möchte ist, dass ich einen Entschluss gefasst habe! Wenn ich mir die beiden anderen so ansehe und mit mir vergleiche, sehe ich mich auf dem letzten Platz. Tom hat sich wahnsinnig verändert und wurde offener und mutiger. Anna hatte schon immer einen sehr guten Draht zu dir uns schafft es immer alle in ihrem Umfeld zu überraschen. Aber ich… naja ich habe nur einen besseren und einfühlsameren Charakter bekommen… Deshalb habe ich mich dazu entschieden, den anderen Beiden den Vortritt zu überlassen. Bitte wähle einen der Beiden aus. Ich bin als dein Wirt nicht in der Lage weiter zu wachsen!
Ich weiß zwar nicht, was aus mir wird, wenn ich nicht mehr gebraucht werde… Aber ich werde mich all den daraus resultierenden Konsequenzen entgegenstellen! Ich will zwar nicht sterben… aber wenn es nicht anders geht… kannst du mich auch umbringen! Ich möchte nicht dein Wirt sein! Bitte akzeptiere meine Entscheidung!“
Eduard zitterte am ganzen Körper. Er sah vor lauter Angst zu Boden.
Der Dämon sah ihn ganz genau an. „Und du bist dir ganz sicher, dass du das so willst?“ Dieser nickte entschlossen. „Nun gut. Ich akzeptiere deine Worte! Aber versprechen kann ich dir nicht, dass du heil aus dieser Sache wieder herauskommst!“
Der Dämon begann nun gefährlich zu grinsen. Seine Augen färbten sich blutrot. Eduard bekam sehr große Angst. Sein Herz rast und er zitterte am ganzen Körper. Der Proband stand hastig auf und wich ein paar Schritte zurück. Der Dämon kam ihm nun immer näher. Eduard versuchte weiter nach hinten auszuweichen. Plötzlich spürte er an seinem Rücken einen Wiederstand. War er etwa schon am Ende des Raumes angekommen. Oh nein! Nun stand er mit dem Rücken an der Tür. Direkt vor ihm blieb der Dämon stehen. Sein Augen hatten ihn fixiert. „Weißt du Eduard, du hattest einen sehr interessanten Charakter, aber nun ist unser Gespräch leider zu Ende.“
Der Junge schluckte. Was würde jetzt mit ihm geschehen?
Plötzlich ging die Schiebetür mit einem Schwung auf. Eduard begann zu wanken und drohte zu fallen. Doch der Dämon packte ihn am Kragen. Geschockt sah der Proband ihn an.
Die Gestalt des geflügelten Dämons begann sich auf einmal zu verändern. Sein ganzer Körper wurde kleiner, die Flügel verschwanden, er sah immer menschlicher aus. Nun stand der Samurai vor ihm. Anna hatte ihn so oft beschrieben, aber Eduard konnte es nicht fassen ihn nun so zu sehen. Der Samurai grinste immer noch. Seine Augen sahen Eduard amüsiert an.
„Schlaf gut Eduard von Hohenstein!“, sagte er und ließ seinen Kragen los. Eduard fiel und um ihn herum wurde alles in eine tiefe Finsternis gerissen.