Sich genüsslich streckend räkelte sich Francine unter ihrer Bettdecke. Es war darunter mollig warm und sehr behaglich. Nur unwillig öffnete sie die Augen. Den Traum, den sie eben erlebt hatte, wollte sie am liebsten nicht gehen lassen. Dazu war er viel zu schön. Doch was war das? Verwirrt drehte sich die Sklavin auf die Seite, öffnete ihre Augen und blickte geradewegs in das lächelnde Gesicht ihres Herrn. Schon wollte sie aufspringen und sich den Regeln gerecht benehmen. Monsieur Albert würde es niemals gutheißen, dass sie mitten am Tag so faul im Bett lag.
„Warte“, rief Albert allerdings und hielt sie zurück. „Bleib liegen. Es ist so schön, dich neben mir zu fühlen.“ Er zog die junge Frau in seine Arme.
„Aber…“, versuchte Francine, sich aus seinen Armen zu winden.
„Nichts aber!“, erwiderte Albert mit seinem befehlsgewohnten Ton. Dieser bewegte Francine sofort dazu, zu gehorchen. Doch dann nahm seine Stimme wieder einen zärtlich klingenden Ton an. „Bitte, hör mir zu“, sagte er mit einem Lächeln zu ihr.
Francine sah ihren Herrn fragend an und nickte nur. In ihrem Inneren grummelte es, als hätte sie Bauchschmerzen. Sie wusste, ihrem Gebieter jetzt zu widersprechen, würde nur eine Strafe nach sich ziehen.
„Ich habe mir Gedanken gemacht“, begann Albert nach einer Weile ein wenig zögerlich. „Gedanken über uns.“ Er sah Francine an, die seinen Blick offen erwiderte. Als sie etwas sagen wollte, verschloss Albert ihre Lippen mit einem Finger und sprach weiter. „Ich bin zu einem Ergebnis gekommen, das uns beide betrifft.“
Francine wurde es erneut übel. Sollte ihr Herr nicht zufrieden sein mit ihr als seine Sklavin? Sollte sie womöglich sein Haus verlassen und erneut einer ungewissen Zukunft als Dirne in einem Pariser Bordell entgegenblicken? Zu ihrem Ehemann wollte sie keinesfalls zurück, ins Freudenhaus von Madame Agnes auch nicht. Was sollte sie nur tun? Sie war der Verzweiflung nahe.
„Ehe du Fragen stellst, lass mich bitte ausreden“, sagte Albert nun, der Francines Reaktion genauestens beobachtet hatte. „Francine, meine Liebe, zwischen uns besteht etwas ganz Besonderes. Etwas, das ich nie für möglich gehalten habe. Du bist die beste Sklavin, die ich jemals mein Eigen nennen konnte. Und doch bin ich der Meinung, du hast es nicht verdient, wie ein Stück Dreck behandelt oder erniedrigt zu werden.“ Albert machte eine kurze Pause. Er wusste, er durfte Francine jetzt nicht erschrecken. „Nein, bitte habe keine Bange. Ich will dich nicht wegschicken. Das liegt mir fern. Ich möchte viel lieber, dass du bei mir bleibst. Für immer!“ Albert stand auf und kniete sich vor das Bett. Er nahm Francines Hand und küsste sie innig. Dann sah er zu ihr auf, direkt in ihre Augen. „Francine, ich liebe dich, mehr als ich jemals einen anderen Menschen geliebt habe.“ Albert errötete sogar, als er weitersprach. „Francine, bitte werde die Frau an meiner Seite, werde meine Madame Albert. Ich kann dir gerade eben zwar keinen Ring anbieten, doch bitte erhöre mich.“
Wie zu einer Statue erstarrt, blickte Francine ihren vor ihr knieenden Herrn herab. Sie wusste nicht, was sie ihm antworten sollte. War das wirklich wahr, was sie eben von ihm vernommen hatte.
„Liebste, sag doch etwas!“, drängte Albert die verdutzt blickende Frau.
„Mein Herr“, brachte sie endlich hervor. Sie krächzte und versuchte, den dicken Frosch hinunterzuschlucken, der es sich in ihrer Kehle bequem gemacht hatte. „Das kann ich nicht glauben. Ihr wollt mich ehelichen. Aber warum? Es ist zu schön, um wahr zu sein.“ Zweifel plagten sie.
„Bitte sag nicht Herr zu mir. Ich möchte dein Liebster sein, nicht dein Herr.“
„Aber warum?“, wollte Francine erneut wissen. Sie konnte immer noch nicht glauben, was sie eben gehört hatte.
„Francine! Es gibt nur eine einzige Antwort auf diese Frage. Ich liebe dich. Das ist alles, was ich dir als Argument geben kann“, Albert schaute sie ängstlich an. Nichts wäre jetzt für ihn schlimmer, als einen Korb zu bekommen. Aufgeregt klopfte sein Herz in der Brust. Am liebsten hätte er die Frau vor sich ergriffen, um sie zu schütteln. Nur, damit er endlich die ersehnte Antwort bekäme. Doch er geduldete sich.
In Francines Augen traten Tränen. Tapfer versuchte sie, diese zu unterdrücken. Ihre Lippen bebten. „Nichts lieber als das“, kam es nach einer Weile über ihre zitternden Lippen. Überaus glücklich wollte sie ihm ebenfalls ihre entbrannte Liebe zu ihm gestehen.
Albert wollte aufstehen und jubeln, wurde aber von Francine zurückgehalten. „Warte“, sagte sie kaum hörbar. „Ehe du eine Entscheidung triffst, muss ich dir noch etwas beichten.“ Angestrengt überlegte sie, wie sie Albert die heikle Situation und ihren Zwiespalt am besten schildern und so sanft wie möglich beibringen könnte. „Schon lange bemerkte ich, wie du zu mir stehst. Mir ergeht es nicht anders. Ich liebe dich. Und trotzdem kann ich dich nicht heiraten.“ Francine seufzte erleichtert, Albert endlich die Wahrheit gesagt zu haben. Der wurde blass. Die Enttäuschung über Francines Antwort war ihm ins Gesicht geschrieben.
„Aber warum?“, stieß er aus. Mühselig versuchte er, seine Gefühle im Zaum zu halten.
„Ich bin bereits verheiratet und hatte ein Kind mit meinem Gatten“, erwiderte Francine. Sie war todtraurig, Albert dies sagen zu müssen.
„Ich weiß“, entgegnete Albert, zu ihrem Erstaunen lächelte er dabei.
„Woher weißt du das?“, fragte Francine erschrocken.
„Jean berichtete mit vor einiger Zeit vom Besuch deiner Mutter und dem Streit mit ihr. Da wurde ich neugierig und zog Erkundungen über dich ein. Ich fand deine Familie und damit auch deinen Gatten“, berichtete Albert frei heraus. „Bis dahin nahm ich an, du wärst eine ganz normale Dirne von niedrigem Stand. Aber das bist du gar nicht. Du bist etwas ganz Besonderes. Es ist mir egal, ob du reich oder arm, von niedrigem Stand oder vom Adel bist. Ich liebe dich so wie du bist.“
„Ich werde nichts erben, ich bin ein Nichts! Eine Mitgift kann ich auch nicht mit in die Ehe bringen. Eine Vermählung mit dir ist also unmöglich. Versteh das doch!“
„Liebes, so höre mir doch zu!“, bat Albert sie. „Du kannst mit mir vor den Traualtar treten.“
„Nicht, solange ich noch mit Alain, diesem Nichtsnutz von Ehemann verbandelt bin“, wehrte Francine ab.
„Auch das ist inzwischen geklärt“, beharrte Albert auf seiner Meinung. „Schau in die Schublade deines Nachtschränkchens. Dort findest du ein Schriftstück.“
Mit zitternden Fingern fischte Francine den Brief aus der Lade. Sie faltete ihn auseinander und las:
Liebste Francine!
Nach so langer Zeit und in der Hoffnung, dass Du in den Schoß der Familie zurückkehrst und Dich Deiner Pflichten, gegenüber Deiner Familie und Deines Gatten besinnst, bin ich nun der Meinung, dies wird nur ein unerfüllbarer Wunsch meinerseits bleiben. Du warst schon immer eine Person, die ohne Rücksicht auf andere, ihren Weg gehen wird. Deine Eltern nahmen an, einem Ehemann würde das gelingen, was sie bei Dir nicht erreichten. Daher verheirateten sie Dich mit mir. Ich muss zugeben, ich wusste nicht, was auf mich zukam und sah nur die hohe Mitgift, die sie für Dich boten. Ich hätte lieber Dich und Deine Belange sehen müssen. Doch dazu ist es nun zu spät.
Als Du mit unserem Kind schwanger gingst, war ich der glücklichste Mensch auf Erden. Ich freute mich auf den neuen Erdenbürger und hoffte, auch Du freutest Dich über das neue Leben, das in Dir heranwuchs. Aber auch das Kind ließ Dich nicht von Deinem Weg abbringen. Deine Eltern legten ihre ganze Hoffnung in mich. Doch auch ich musste feststellen, dass ich, genau wie sie, versagt habe. Ich habe dich geliebt, dich und unser Kind, Gott habe es selig.
Deine Mutter berichtete mir von ihrem Besuch bei dir, im Hause des Monsieur Albert. Sie fand dich glücklich vor, glücklich in einer Umgebung, in der Du Dich wohlzufühlen schienst. Deine Reaktion über den Besuch Deiner Mutter war zu eindeutig. Meine Erkundungen über Monsieur Albert brachten Dinge zutage, die mich erschauern ließen. Du inmitten dieses Sumpfes von Sex und Erniedrigung, ausgesetzt einem Herrn, der mit Dir tun und lassen konnte, was er wollte. War es das, was Du suchtest? Du warst wohl am Ziel angekommen. Das muss ich akzeptieren, auch wenn dies mir sehr schwerfällt.
Alle, die ich über Monsieur Albert befragte, teilten die gleiche Meinung: Er ist ein guter Mann, ein Ehrenmann ohne Furcht und Tadel. Sein Ruf ist einfach tadellos, auch den Damen der Gesellschaft gegenüber, obwohl er bei gewissen Dingen die Erniedrigung und Unterwerfung von Frauen bevorzugt. Für mich war dies unerklärlich und ich verstand nicht, wie Du Dich solch einem Mann hingeben kannst. Doch nun habe ich eingesehen, dass sich unser Weg teilen muss. Daher gebe ich Dich frei. Ich weiß, Du wirst Deinen Weg auch ohne mich gehen. Du bist für mich eine zu starke Frau. Starke Frauen brauchen starke Männer, solche Männer wie Monsieur Albert. An seiner Seite bist Du besser aufgehoben als an meiner. Er wird Dir die Scheidungspapiere geben, die ich ihm in einem gesonderten Brief zugesandt habe. Ich habe bereits alles geregelt und möchte Dir nicht im Wege stehen. Den Gegenbetrag für Deine Mitgift habe ich für Dich auf einem Bankkonto angelegt. Du kannst, wie es Dir behagt, darauf zugreifen.
Werde glücklich mit Monsieur Albert.
Leb wohl, Alain.
Geduldig wartete Albert, bis Francine das Schriftstück zu Ende gelesen hatte.
„Das gibt es nicht!“, stieß Francine endlich aus. „Seit wann hast du diesen Brief?“
„Schon ein paar Tage. Ich wollte ihn dir längst geben. Doch dann kam der Vorfall mit Jean dazwischen“, gab Albert zu. Betreten schaute er zu Boden. „Es tut mir leid, dir diesen Brief so lange vorenthalten zu haben.“
„Du bist ein Schuft!“, schimpfte Francine, „aber ein ganz lieber Schuft!“ Sie lachte und sprang aus dem Bett.
„Warte!“, rief Albert und zog sich seinen Morgenmantel über. „Geh nicht weg“, sagte er und verließ Francines Zimmer.
„Wo sollte ich denn hingehen?“, murmelte die Frau kopfschüttelnd. Sie zog sich etwas über und wartete geduldig auf Alberts Rückkehr.
Mit Schwung riss der ein paar Minuten später die Tür auf und stürmte herein. In der Hand hielt er ein kleines Kästchen.
Francine sah ihn fragend an. Albert fiel auf Knie, sah zu ihr auf und öffnete das Kästchen. Zum Vorschein kam ein goldener Ring, von einem Diamanten gekrönt.
„Möchtest du meine Frau werden?“, fragte Albert Francine erneut und nahm den Ring aus dem Kästchen. „Bitte werde meine Frau“, bat er sie noch einmal.
Francines Herz klopfte vor Freude und Aufregung in ihrer Brust, dass sie annahm, es werde gleich herausspringen. „Ja, das will ich“, antwortete sie endlich. In ihren Augen glänzten Freudentränen. Sie reichte Albert die Hand.
Er ergriff sie und stand auf. Mit zitternden Händen steckte er ihr den Ring an den Finger. „Für immer“, flüsterte er dabei. Er zog Francine an sich. Seine starken Arme umschlangen sie. Während er sich über sie beugte, bot sie ihm ihre Lippen zum Kuss an.
„Ich liebe dich“, flüsterte sie, kurz bevor sich ihren Lippen trafen und sie sich innig küssten. Sie hielt kurz inne. „Was ist mit Jean?“, fragte sie zwischen zwei Küssen.
„Entlassen“, erwiderte Albert ungehalten. „Vergiss ihn und küss mich lieber“, sagte er schmunzelnd und zog Francine erneut in seine Arme.
Ende