Hand in Hand kehrten Sarah und Joshua zurück zur Kutsche. Anna hatte es sich inzwischen bereits wieder auf den Polstern bequem gemacht und wartete auf ihre Rückkehr. Als sie das leicht gerötete Gesicht ihrer Tochter sah, musste sie doch lächeln. Nur zu gut erinnerte sich bei Sarahs Anblick an ihre erste verliebte Zeit mit David, als er sie erstmals umwarb und sie mit Komplimenten überschüttete. Wie schön und erfüllend das doch damals war.
„Da seid ihr ja“, rief sie nun erfreut, als die Beiden näher kamen. „Fahren wir schnell weiter, die Mittagszeit ist schon vorüber. Angelina wird uns bestimmt schon sehnsüchtig erwarten. Und etwas hungrig bin ich inzwischen auch.“
Joshua half Sarah beim Einsteigen, ehe er sich auf den Kutschbock schwang und die Pferde mit einem leichten Zungenschnalzen antrieb. Wiehernd trabten die Tiere an und so ging es in rascher Fahrt vorwärts. Instinktiv wussten die Pferde, dass es in den heimatlichen Stall ging und gaben ihr Bestes. Der Staub hinter der Kutsche wirbelte auf und verwehrte damit die Sicht nach hinten. Nach einigen Kilometern überquerten sie die Grenze zu Joshuas Ländereien.
Die Baumwollfelder breiteten sich aus, soweit das Auge reichte. Die darauf arbeitenden schwarzen Sklaven winkten lachend und grüßend mit ihren Hüten, als sie den Kutscher erkannten. Joshua grüßte freundlich lächeln zurück. Innerlich war er stolz darauf, bei seinen Arbeitern so beliebt zu sein. Es gab genügend andere Plantagenbesitzer in der Gegend, welche ihre Leute wie räudige Hunde hielten und deshalb verhasst waren.
Joshuas Devise war, nur ein guter Boss konnte auch gute und zuverlässige Arbeit erwarten. Aus zu hartem Zwang entstand nie gutes. Diese Devise hatte er von seinem Vater gelernt und übernommen. Die Aufseher standen mit ihren Hunden am Rand der Felder und überwachten die Arbeit. Auch sie grüßten freundlich, als sie ihren Arbeitgeber vorbeifahren sahen.
Nach etwa einer halben Stunde Fahrt erreichten sie endlich das Farmhaus, das von einem lichten Wald mit Laubbäumen umgeben war. Die Straße, die zum Haupthaus führte, war dagegen von wahren Riesen von Bäumen gesäumt, die wohltuenden Schatten spendeten.
Auf der am Haupthaus vorgebauten überdachten Veranda saß Madam Angelina und las in einem Buch. Als sie die Kutsche hörte, sah sie auf. Freudestrahlend erhob sie sich aus ihrem Sessel und eilte den Ankömmlingen erfreut entgegen.
„Endlich seid ihr da. Herzlich willkommen“, rief Angelina Anna und Sarah zu. Sie umarmte Anna herzlich und küsste sie auf beide Wangen. Auch Sarah und Joshua bekamen einen Willkommenskuss.
„Ihr seid sicher durstig. Gehen wir erst einmal auf die kühle Veranda. Ich lasse euch aus der Küche Erfrischungen bringen.“
Angelina sprudelte nur so vor Energie. Sie freute sich, endlich, nach so langer Zeit Einsamkeit, wieder Gäste im Haus zu haben. Die mussten natürlich von ihr verwöhnt werden.
Anna ging mit Angelina auf die riesige Veranda, die beiden hatten sich viel zu erzählen und plapperten gleich los. Sarah und Joshua folgten ihnen, beinahe unbeobachtet.
„So ist meine Mutter, ihr Mundwerk bleibt nie zu, wenn Besuch da ist. Da ist sie aufgezogen wie ein Brummkreisel“, kommentierte Joshua das muntere Geplauder der beiden Frauen.
Sarah lächelte wissend, ihre Mutter verhielt sich ebenso, wenn Besuch im Haus war.
Auf der schattigen Veranda angekommen, setzten sich alle in die Sessel, die um einen kleinen Tisch gruppiert waren. Angelina griff nach einer kleinen Klingel, die auf einem Beistelltischchen stand.
Kurz darauf betrat eine dunkelhäutige Schönheit die Veranda, knickste vor den Herrschaften und fragte nach deren Begehren.
„Das ist Amanda“, stellte Angelina die junge Frau ihren Gästen vor. „Amanda, bringe uns bitte Limonade und in paar von den selbstgebackenen Keksen“, wies sie ihre Bedienstete an.
„Ist das Mittagessen in einer Stunde fertig?“, wollte sie dann weiter wissen.
„Ja, Madam, wenn sie möchten, kann das Essen auch schon in fünfzehn Minuten serviert werden. Der Tisch ist ja bereits gedeckt, Madam“, antwortete Amanda.
„Das ist ja wunderbar. Ich habe einen Hunger, dass ich ein Pferd verspeisen könnte“, sagte Joshua lachend, was ihm sofort böse Blicke seiner Mutter einbrachte. Sie liebte es nicht, wenn er sich so ungeniert ausließ. Ihre Meinung war, dass man sich vor Gästen etwas dezenter ausdrücken sollte.
Amanda brachte die Getränke. Während sie die Anwesenden bediente, unterhielt sich Sarah angeregt mit Joshua.
„Danke Amanda“, sagte Angelina, „gib bitte Bescheid, wenn ihr mit dem Essen soweit seid. So lange bleiben wir noch auf der Veranda und erfrischen uns an den Getränken.“
„Jawohl, Madam“, knickste Amanda wieder und zog sich in die Küche zurück, um dort ihre Untergebenen zur Fertigstellung des Essens zu veranlassen.
„Amanda ist mir wirklich eine sehr große Hilfe“, schwärmte Angelina über ihre Angestellte. „Ohne sie könnte ich den Haushalt gar nicht bewältigen. Sie ist eine gute Seele.“
Danach tuschelten Anna und sie weiter. Es gab halt viel zu erzählen.
Einige Zeit später konnte man hören, wie im Esszimmer geschäftig geräumt und gewerkelt wurde. Geschirr klapperte, Gläser klangen. Offensichtlich wurde angerichtet. Gleich darauf betrat Amanda wieder die Veranda und meldete, dass das Essen sei bereit.
Angelina erhob sich und bat die Anwesenden zu Tisch. Die Tafel war reichlich gedeckt mit allen möglichen Speisen, von denen Anna und Sarah mit ihrem kleinen Etat, das sie zur Verfügung hatten, nur träumen konnten.
„Ich denke, wir werden die Einzelheiten zur Hochzeit heute Abend in aller Ruhe bei einem Glas Wein bereden. Jetzt genießen wir erst einmal das Mittagsmahl. Heute Nachmittag könnten wir einen Ausritt machen. Da kann ich Anna alles zeigen“, unterbrach Angelina die Stille beim genussvoll eingenommenen Essen. „Es hat sich hier viel verändert, seit du und David hier weggezogen seid. Du wirst viel zu sehen bekommen. Nach der Siesta gehen wir auf Erkundung und lassen die jungen Leute mal alleine“, wandte sie sich an ihre Freundin Anna.
„Ja, gerne. Ich bin schon gespannt. So oft war ich ja in den letzten acht Jahren nicht hier. Die jungen Leute werden auch mal ohne uns zurechtkommen“, erwiderte Anna erfreut. Dabei blinzelte sie Sarah zu.
Nach dem Essen erhob sich Angelina und führte ihre Gäste erst einmal in ihre Zimmer.
Joshua meinte dazu nur, das sei Frauensache und verzog sich in den Rauchersalon, um da in Ruhe Zeitung zu lesen.
Die drei Frauen stiegen über die Treppe in das Obergeschoß. Bereits da hörte man wieder lustiges Geplapper. Angelina fühlte sich sichtlich wohl in der Rolle der Gastgeberin.
Anna und Sarah bekamen zwei nebeneinander liegende und liebevoll eingerichtete Räume zugewiesen, die gleich in der Nachbarschaft von Angelinas Zimmer lagen und durch ein gemeinsames Bad verbunden waren. Als Angelina Sarah deren Gemach zeigte, flüsterte sie ihr zu, dass Joshuas Domizil gleich gegenüber liege und zeigte auf die Tür, die sich ihrer Eingangstür gegenüber befand. Sarah freute sich, ihrem Liebsten räumlich so nah sein zu können.
„Hier ist es genau so schön wie bei mir im Zimmer “, meinte Anna, als sie Sarahs Unterkunft genau inspiziert hatte. „Wir werden uns hier garantiert wohl fühlen.“ Sie drehte sich zu ihrer Tochter um und sagte zu ihr: „Ich lege mich jetzt für eine Stunde hin.“ Zu Angelina gewandt fragte sie: „Du hast doch nichts dagegen, wenn ich mich für eine Weile ausruhe?“
„Aber nein, meine Liebe“, antwortete die Freundin. „Die Fahrt hierher war bei der Hitze bestimmt anstrengend. Ich werde ebenfalls eine Stunde ruhen, danach machen wir uns auf unseren Ausritt.“
Sarah hörte den beiden älteren Frauen zu.
„Ich werde zu Joshua nach unten gehen, während ihr ruht. Ich bin viel zu aufgeregt, um jetzt eine Stunde ruhen zu können“, gab sie die eigenen Pläne ihrer Mutter bekannt.
Anna und Angelina lächelten wissend.
„Dann wollen wir das junge Glück nicht stören“, sagten die beiden Mütter wie aus einem Mund und zogen sich in ihre Zimmer zurück.
Sarah blickte den beiden älteren Frauen nach. Dann sah sie sich in ihrem Zimmer um und stellte fest, dass ihr Gepäck schon von den dienstbaren Geistern nach oben gebracht und ausgepackt worden war.
Oh, wie schön und zuvorkommend, dachte sie sich. Da kann ich jetzt gleich nach unten gehen zu Joshua. Mit weichen Knien schritt sie die Treppe wieder nach unten und schaute sich in der Vorhalle um.
Welcher Raum ist nur das Raucherzimmer? Krampfhaft versuchte sich Sarah zu erinnern. Das Esszimmer war hier, die Tür zum Salon war da. Energisch ging sie auf eine der anderen Türen zu und öffnete diese. Aber es war nicht der Rauchersalon, den sie suchte. Sie war in einem Badezimmer gelandet, das sie noch gar nicht kannte.
Wahrscheinlich hatten es die MacAllisters einbauen lassen, nachdem sie mit ihren Eltern die Farm verlassen hatte. Plötzlich vernahm sie, wie eine andere Tür geöffnet wurde und sich nähernde Schritte. Sarah schloss die Badezimmertür wieder und sah sich um. Es war Amanda, die sie offenbar bemerkt hatte.
„Miss Sarah?“, fragte sie. „Suchen sie etwas? Kann ich ihnen helfen?“
„Ich suche den Rauchsalon, ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern, wo sich der befindet“, antwortete Sarah.
„Sie sind aber auch neu hier angestellt. Ich kann mich nicht erinnern, sie vorher schon einmal hier gesehen zu haben“, meinte Sarah weiter.
„Ganz so neu bin ich nicht, ich war schon als kleines Kind hier, meine Mutter war die Küchenhilfe hier gewesen, ich bin seit zwei Jahren hier im Haus, vorher habe ich auf den Feldern mitgearbeitet“, gab Amanda redselig Auskunft. „Aber sagen sie bitte Du zu mir. Ich bin nur eine Sklavin. Mister MacAllister hat mich von der Feldarbeit erlöst, als die Frau, die seiner Mutter immer zur Hand ging, vor zwei Jahren plötzlich verstarb. Sie war schon sehr alt und genoss hier einen Sonderstatus. Meine Mutter ist auch noch hier auf der Plantage. Sie kennen sie bestimmt auch noch. Sie ist schon alt und froh, dass ich hier bleiben und ein vergleichsweise schönes Leben führen darf.“
„Oh ja, die alte Zugehfrau von Mrs. MacAllister ist mir noch ein Begriff. Sie war immer sehr lustig und hat uns Kindern öfters irgendwelche Süßigkeiten zugesteckt. Schade, dass sie nicht mehr da ist, aber dafür bist du ja jetzt hier. Die Küchenhilfe ist noch in meinem Gedächtnis“, sagte Sarah und wandte sich der ihr angedeuteten Tür zu. Bevor sie diese öffnete, drehte sie sich noch einmal zu Amanda um: „Du gefällst mir, wie alt bist du?“
„Achtzehn“, antwortete Amanda.
„Oh, ich auch“, freute sich Sarah. „Vielleicht kann ich Madam Angelina bitten, dass sie dich mir später vielleicht als persönliche Dienerin zur Verfügung stellt. Würdest du das wollen?“
„Das wäre sehr schön. Madam Angelina ist zwar eine liebe Herrin, aber eine junge Herrin wäre mir lieber. Danke, Miss Sarah“, freute sich Amanda.
„Sehen wir, was wird, wenn es soweit ist.“
Damit drehte sich Sarah wieder um und öffnete leise die Tür zum Rauchersalon. Sie schaute hinein und sah Joshua, der mit dem Rücken zur Tür zeitunglesend in einem Sessel saß. Leise schlich sie sich an und hielt ihm die Augen zu. Joshua fuhr erschrocken hoch, als Sarah ihm die Sicht versperrte. Er war so in den Zeitungsartikel vertieft gewesen, dass er gar nicht bemerkt hatte, wie sie ins Zimmer gekommen war.
„Liebes“, rief er. „Ich weiß, dass du das bist. Ich rieche es an deinem Parfüm.“
„Oh nein“, hauchte sie ihm ins Ohr, „mein Parfüm. Ich hätte es wissen müssen.“
„Hast du Sehnsucht nach mir oder was treibt dich hierher in diesen nach Zigarren stinkenden Raum?“, wollte Joshua wissen, nachdem er sich aus Sarahs Griffen befreit hatte. Er erhob sich und nahm seine Liebste wieder in die Arme.
„Ein wenig schon“, gab Sarah errötend zu. „Am meisten habe ich deine Küsse vermisst.“
Aufatmend zog Joshua sie noch enger an sich und küsste sie fordernd. Wieder spürte er dabei die nahezu unerträgliche Erregung in sich aufsteigen.
„Sarah“, stöhnte er an ihren Lippen. „Was machst du nur mit mir? Du hast mich verzaubert, du kleine Hexe“, dabei knetete vor Aufregung keuchend ihren reizenden Po, der unter mehreren Lagen Röcken versteckt war. „Am liebsten würde ich dich jetzt gleich zur Frau machen, ich kann es kaum noch aushalten.“
„Josh“, verfiel Sarah mit der Nennung seines Kosenamens wieder in ihre Kindheitserinnerungen zurück, „ich glaube, ich möchte es auch. Jedoch in mir schlummert immer noch etwas Angst. Wollen wir nicht doch warten, bis wir ein Paar sind?“
„Aber Küssen ist bis dahin erlaubt, bitte“, bohrte Joshua weiter.
„Aber natürlich. Küssen ist erlaubt, sehr erlaubt sogar“, lachte Sarah leise auf und bot ihm ihre Lippen an.