Nachdem Sarah und Joshua erst am späteren Nachmittag, von ihrem Ausritt zu einem lauschigen Plätzchen zurückgekehrt waren, erwachten auch die älteren Damen aus ihrem Mittagsschläfchen. Das Haus belebte sich langsam wieder. Eine Menge Arbeiten war noch zu bewältigen. Madam Angelina scheuchte die Haussklaven auf, die Vorbereitungen für das Abendessen voranzutreiben. Sie wollte beim Dinner die notwendigen Förmlichkeiten für die Hochzeit besprechen. Dazu wünschte sie ein festlich romantisches Ambiente, um der Angelegenheit gerecht zu werden. Sie überwachte die Vorarbeiten akribisch mit wachsamen Augen, damit auch jedes Detail stimmte. Abends saßen dann die beiden Mütter mit ihren Kindern im Salon um die große Tafel beim Festmahl.
„Ihr Lieben, wir wollten über die Formalitäten reden. Was habt ihr für Vorschläge?“, ergriff Angelina als erste das Wort.
Joshua hob den Blick von seinem Teller und sah Sarah, die ihm gegenüber am Tisch neben ihrer Mutter saß. Sarah schluckte, als müsste sie einen viel zu großen Bissen hinunterwürgen.
„Mom, Sarah und ich haben uns heute Nachmittag bei unserem Reitausflug in Ruhe über unsere Hochzeit unterhalten. Wir denken, eine kurze Verlobungszeit wäre angebracht. Offiziell haben wir uns ja schon am letzten Sonntag verlobt. In maximal drei Monaten soll schon die Vermählung sein“, erwiderte Joshua auf die Ansprache seiner Mutter.
„Da wisst ihr ja schon mehr als wir. Wie habt ihr euch das gedacht?“, wollte Angelina wissen. Sie freute sich schon darauf, ihr Organisationstalent ausleben zu können.
„Ganz einfach“, antwortete Joshua. „Die Hochzeitsfeier sollte auch nicht so pompös ausfallen. Enge Freunde, Familie und die Trauzeugen. Die Gestaltung übernimmst du, ich weiß ja, wie gerne du Feste organisierst. Madam Anna und wir gehen dir natürlich zur Hand.“
„Oh, mein Sohn!“, lamentierte nun Angelina. „Keine große Hochzeitsfeier? Was sollen die Leute denken, wenn ihr nicht mit einem großen Fest heiratet. Womöglich, dass wir verarmt sind?“
Joshua kannte seine Mutter nur zu gut, so war er zu Kompromissen bereit:
„Gut, der Bürgermeister und seine Frau sollen noch dabei sein. Den brauchen wir sowieso zur Trauung. Er soll ja Sarah anstatt deren Vaters zum Traualtar führen. Da kann er auch gleich mitfeiern. Aber mehr nicht“, bestimmte Joshua.
„Anna, was meinst du dazu?“, fragte Angelina ihre Freundin. „Sarah hat auch noch nichts dazu gesagt.“
Anna sah in die Runde:
„Wenn die Kinder es so wollen, dann denke ich, sollten wir es auch so tun. Es ist ja auch eine Geldfrage, eine große Hochzeit auszurichten. Es ist ihr Fest, an das sie sich auch in vielen Jahren noch erinnern sollen“, gab Anna ihre Meinung kund.
„Geldfrage? Papperlapapp. Geld haben wir genug. Sam hat mir genug hinterlassen, dass ich für Joshua eine standesgemäße Vermählungsfeier gestalten kann“, knurrte Angelina ein wenig.
„Mutter, bitte“, warf Joshua ein. „Sollten das nicht die Brautleute entscheiden? Sarah und ich sind uns in der Beziehung einig, wir möchten kein großes, pompöses
Fest, um unseren Status hier in der Gegend aufzupolieren.“
„Genau“, warf nun auch Sarah ein, der die Diskussion nicht so ganz geheuer war. „Warum sollen wir die ganze Stadt einladen. Es ist ein Fest für uns.“
„Wenn ihr es so möchtet, soll es so sein“, gab Angelina ungern klein bei. „Aber beschwert euch dann später nicht. Nun sagt, wann soll die Hochzeit denn stattfinden?“
„In drei Monaten“, meldete sich Sarah nun wieder zu Wort. „Da ist es noch warm genug, dass wir im Freien feiern können. Der Garten und der Park hier sind so schön, da sollten wir ihn auch für eine Hochzeit nutzen.“ Sie warf Joshua einen Blick zu: „Du bist doch einverstanden?“, wollte sie von ihm wissen. „Wir hatten das ja vorhin schon besprochen.“
„Ja, natürlich“, sagte Joshua dazu. „Nun zu den Trauzeugen. Sarah, wen möchtest du als deinen Beistand?“
Sarah überlegte kurz:
„Ich denke da an meine Freundin Mary Lancaster. Ich muss sie aber erst noch fragen. Oder Jenny Ashton. Die beiden sind mir seit langer Zeit gute Freundinnen, Mary allerdings mehr als Jenny. Wenn allerdings keine von den beiden zur Verfügung steht, weiß ich auch erst einmal niemanden. Josh, an wen hast du bei dir gedacht?“
„Bei mir kommt nur mein Cousin Henry MacAllister in Frage“, antwortete Joshua. „Den muss ich allerdings ebenfalls erst fragen Ich denke jedoch, da wird es kein Problem geben. Wir waren schon als Kinder enge Freunde und sind es auch jetzt noch. Übrigens ist er auch noch ledig, wie deine Freundinnen Mary und Jenny und nur ein Jahr älter als ich“, meinte Joshua zu seiner Liebsten, ihr dabei über den Tisch hinweg zublinzelnd.
„Du wirst sie doch nicht verkuppeln wollen, zwei Frauen wären wohl auch für ihn zu viel“, lachte Sarah.
„Das werden wir ja sehen, vielleicht ergibt sich ja etwas“, sagte Joshua und grinste nur dazu.
Nach dem Abendessen saßen alle noch in gemütlicher Runde bei einem Glas Wein zusammen, bis es Zeit war, zu Bett zu gehen.
Drei Monate später
Joshua hatte Sarah am Vormittag in einer offenen Kutsche aus ihrem Elternhaus zur Trauung abgeholt. Stolz fuhr er mit seiner entzückenden Braut an der Kirche vor. Anstatt ihres Vaters, der ja leider nicht mehr am Leben war, führte der Bürgermeister die Braut zum Altar, wohin Joshua mit den Trauzeugen, seinem Cousin Henry und Sarahs Freundin Mary, schon vorgegangen war, um sie dort in Empfang zu nehmen.
Die Trauung in der Kirche verlief ohne Zwischenfälle, aber mit vielen Tränen der Mütter des Brautpaares.
Nun war bereits die Hochzeitsfeier auf dem Höhepunkt. Sarah strahlte wie ein Edelstein in ihrem Kleid, das ihr Joshuas Mutter hatte anfertigen lassen. Den dazugehörigen Schleier hatte sie schon abgelegt. Jetzt, wo sie eine verheiratete Frau war, brauchte sie ihn nicht mehr zu tragen. Sie hatte schon so viel getanzt, dass ihr die Füße wehtaten. Alle wollten unbedingt mit der Braut tanzen, Henry, der Bürgermeister und auch die anderen Gäste, die dann doch noch eingeladen wurden. Sie freute sich, dass sie nun endlich Joshuas Frau war.
In einem unbeobachteten Moment stupste sie ihn in die Seite.
„Gehen wir ein Stück? Ich muss mich unbedingt noch ein wenig in der frischen Luft bewegen ohne an andere beim Tanzen heran gepresst zu werden, ehe wir uns nachher zurückziehen“, wollte sie von ihrem frisch angetrauten Ehemann wissen.
„Gerne“, antwortete Joshua. Er bot ihr seinen Arm an und führte Sarah von der hell erleuchteten Gartenfläche hinein in den Park. Nach und nach wurde die Musik leiser.
Die Pechfackeln, die extra für die Hochzeitsfeier am Wegesrand aufgestellt wurden, erhellten den Weg nur mäßig. Obwohl es Spätherbst war, war der Wettergott an diesem Tag besonders gnädig gestimmt und hatte einen wunderschönen warmen Tag heran gezaubert.
Still gingen Sarah und Joshua nebeneinander her. Die noch spärlich vorhandenen Blätter der riesigen Laubbäume raschelten leise.
„An was denkst du?“, brach Joshua die Stille.
Sarah schreckte aus ihren Gedanken auf.
„Daran, dass die drei Monate bis zur Hochzeit wie im Fluge vergangen sind und wir nun endlich ein Ehepaar sind. Ich kann es immer noch nicht glauben, dass ich jetzt nicht mehr Miss Sarah MacPherson bin, sondern Mrs. Sarah MacAllister.“
„Macht dir das Angst?“, wollte Josh wissen.
„Nein, ganz und gar nicht.“, antwortete Sarah aufrichtig. „Es macht mich eher stolz, dass du gerade mich zur Frau haben wolltest und nicht eins von den reichen Mädchen, die du noch kennst.“
„Was will ich mit solch einer schnöden reichen und verwöhnten Zicke, die wegen jeden Wehwehchens gleich schreit und zetert? Die nur auf eine gute Partie aus ist, anstatt den Mann zu lieben, mit dem sie verheiratet ist. So etwas brauche ich nicht“, erwiderte Josh.
Sarah errötete wieder, als Joshua das sagte.
„Das ehrt mich noch mehr, dass du mich nicht so gering einschätzt wie die anderen Frauen, die du kennst“, erwiderte sie leise.
Joshua nahm sie in die Arme und küsste sie. Sarah bot ihm willig ihre Lippen an und genoss es, von ihrem Ehemann so geliebt zu werden.
„Müssen wir noch lange bei den Gästen bleiben?“, wollte sie zwischen zwei Küssen
wissen. „Ich möchte endlich mit dir allein sein.“
„Du kannst es wohl nicht erwarten? Die Gäste werden es uns jedoch garantiert nicht übel nehmen, wenn wir uns etwas früher zurückziehen“, erklärte Joshua lächelnd.
„Ehrlich gesagt, ich habe immer noch etwas Angst vor dem, das diese Nacht passieren wird. Aber du wirst zärtlich sein - ich vertraue dir“, flüsterte Sarah leise in Joshuas Ohr. Einen hingehauchten Kuss gab es obendrein.
„Das brauchst du nicht, Liebes“, antwortete Joshua. „Ich lasse dir die Entscheidung, wann du es willst. Ich schwöre nur das zu tun, was du auch möchtest.“
„Danke“, hauchte Sarah mit gesenktem Blick. „Wenn ich auch nur ahne, was ich mögen werde.“ Dabei erzitterte sie, ein leichter Schauer überzog ihre Haut, als sie daran dachte, was bald geschehen würde.
„Lass uns zurück gehen“, bot Joshua an, als er die Gänsehaut auf den Armen seiner frisch angetrauten Frau bemerkte. „Du frierst ja schon.“
Wenn er wüsste, weswegen ich eine Gänsehaut habe, dachte Sarah bei sich. Jedenfalls nicht, weil ich friere.
Zurück bei ihren Gästen, tanzten Sarah und Joshua noch ein paar Runden. Dann verkündete der Bräutigam, dass sie sich nun zurückziehen würden, um den Rest der Nacht allein zu verbringen.
Zum Abschied hob die Gesellschaft nochmals ihre Gläser und wünschte dem Brautpaar viel Glück und Erfolg für ihre Hochzeitsnacht. Damit waren sie entlassen.
Joshua nahm seine Sarah an der Hand und führte sie ins Haus nach oben. Er hatte extra ein neues Zimmer als Schlafzimmer in einem anderen Trakt des Hauses einrichten lassen, als sie und ihre Mutter die Plantage wieder verlassen hatten. Sarah hatte er davon nichts gesagt, es sollte eine Überraschung sein.
„Nicht in diese Richtung, Liebes. Da geht es jetzt entlang“, hielt Joshua seine Frau zurück, als sie oben an der Treppe den gewohnten Weg zu seinem Zimmer einschlagen wollte.
„Bist du dir da sicher?“, kam es völlig erstaunt zurück. „Dein Schlafraum ist doch genau gegenüber von meinem.“
„Nicht mehr“, meinte Joshua mit einem verschmitzten Blick. „Das war einmal. Unsere Wohnung befindet sich jetzt im östlichen Trakt des Hauses. Ich habe diesen Teil des Hauses für uns renovieren und ausbauen lassen. Mrs. MacAllister. Oder mögen sie nicht ihre neuen Räumlichkeiten besichtigen?“
„Ich bin so frei, Mr. MacAllister“, erwiderte Sarah, völlig überrascht, deswegen aber genau so verschmitzt lächelnd.
Galant wie immer bot Joshua ihr seinen Arm als Stütze an und führte sie mit geradem Rücken und stolz erhobenen Hauptes den Flur des von ihm genannten Traktes entlang. An der drittletzten Tür machte er Halt.
„Darf ich bitten, Madam?“, verbeugte er sich vor Sarah, öffnete die Tür und ließ ihr den Vortritt in die neuen gemeinsamen Gemächer.
Als Sarah durch die Tür ins Zimmer trat, traute sie kaum ihren Augen. Mitten im Raum stand ein riesiges Bett, von der Decke über dem Bett hing ein Baldachin aus durchsichtig wirkenden Seidenstoff wie eine zarte Wolke herunter. Eine kleine Kommode mit einem Spiegel darüber stand an der einen Wand, sogar ihre ganzen Toilettenutensilien waren schon bereit gelegt. Die andere Seite zierte ein gemütliches Sofa, vor dem ein kleiner Tisch und einige kleine bequeme Sessel als Sitzgelegenheiten standen. Überall waren große Vasen mit roten Rosen aufgestellt, die einen betörenden Duft verströmten.
Sarah rieb sich die Augen, als würde sie eine Fata Morgana sehen. Sogar die Wände waren mit Tapeten in ihrer Lieblingsfarbe rosé beklebt. Die Decken auf dem Bett passten farblich sehr schön zu den Wänden, an denen zarte Aquarellbilder angebracht waren. Ein kleiner, verschnörkelter Sekretär mit einem zierlichen Stuhl davor stand neben dem Fenster und hatte somit genug Licht.
„Das sieht aber mehr nach einem Boudoir aus“, rief sie überrascht aus.
„Ist es auch“, erwiderte Joshua. „Das ist dein Reich. Meines liegt nebenan, nur durch ein gemeinsames Bad getrennt, kann ich dich jederzeit erreichen, oder du mich, wie es uns beliebt. Komm, ich zeige dir das Bad.“
Er nahm sie wieder an der Hand und führte sie in den angrenzenden Raum. Ein prunkvoll eingerichtetes Bad erwartete sie. Sogar eine Badewanne war vorhanden.
Dann ging es weiter in Joshuas Reich. Das war genau so exklusiv eingerichtet wie ihr eigenes, nur in etwas dunkleren Farben gehalten. Das Bett nahm fast eine ganze Seite des Raumes ein; es war groß und bequem und mit vielen Kissen und Decken ausgestattet. Ein Schreibtisch fehlte in diesem Zimmer, aber hier in seinem Gemach
brauchte er keinen, denn er hatte im Parterre des Hauses ein eigenes Arbeitszimmer.
„Wo bringen wir unsere Kleider unter?“, wollte Sarah wissen, da sie weder in ihrem noch in Joshuas Zimmer einen Kleiderschrank entdeckt hatte.
„Auch dafür habe ich eine Lösung gefunden“, antwortete Joshua. „Siehst du diese kleine Tür da? Dahinter befindet sich eine Räumlichkeit, die ich vom neu errichteten
Bad abgetrennt habe. Auch von deinem Zimmer aus kannst du diesen Raum betreten. Amanda kann die Kleidung vom Flur aus zurück bringen, ohne durch unsere Gemächer zu müssen. Dort habe ich Regale und Schränke einbauen lassen, wo alles verstaut werden kann. Komm, sieh es dir an. Übrigens, Amanda. Sie ist offiziell ab heute deine Zugehfrau. Ich habe Mutter überreden können, sie dir zu überlassen.“
Nachdem er Sarahs Freudenküsse schmunzelnd über sich ergehen lassen hatte, ging er auf die kleine Tür zu, die etwas versteckt an der einen Zimmerwand war und öffnete diese. Ein kleiner, aber trotzdem über sehr viel Stauraum verfügender Verschlag kam zum Vorschein. Als Sarah hinein schaute, stellte sie fest, dass da schon viele ihrer Kleider ordentlich aufgereiht an Bügeln hingen. Auch Joshuas Kleidung war schon hergebracht worden. In ihrem eigenen Zimmer hatte sie den Zugang zu diesem Raum gar nicht bemerkt, so gekonnt war er in die Wand eingearbeitet worden.
„Herrlich“, freute sie sich. „Eine gute Lösung, von der wir beide etwas haben.“ Sarah drehte sich zu Joshua um und umarmte ihn. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen,
um ihn küssen zu können. „Danke dafür.“
Joshua nutzte gleich die Gunst der Stunde und hielt sie fest in seinen Armen. Schon den ganzen Tag freute er sich darauf, endlich mit Sarah allein zu sein. In Gedanken stellte er sich schon vor, wie er sie so lange verwöhnen würde, bis sie ihn anbetteln würde, sie endlich zu einer richtigen Frau zu machen.
„Gehen wir zu Bett?“, fragte er sie mit einem Blitzen in den Augen.
„Dann komm, ich kann es kaum erwarten, mit dir ein Bett zu teilen. Ich werde meine Angst tapfer unterdrücken“, erwiderte Sarah und lächelte dabei ihren Mann verliebt an.