Jetzt:
Der heutige Abend verlief anders als sonst. Mein Kunde hatte einen sehr ausgefallenen Wunsch gehegt und ich saß jetzt mehr als fix und fertig im Taxi und ließ mich heimfahren.
Noch immer konnte ich es nicht glauben, dass ich mich dazu durchgerungen hatte, dies zu tun.
Als ich ins Zimmer kam, hoppelte er bereits auf dem Boden in einem Häschenkostüm rum. Ich sollte den Jäger spielen und ihn zur ›Strecke‹ bringen. Welch ein Wunsch. So jagte ihn durch den ganzen Raum, bevor ich ihn einfing und das ›Gewehr‹ an den Kopf setzte.
Sein Gesicht war erhitzt. Schweißperlen waren auf seiner Stirn. War ja kein Wunder. In diesem Kostüm würde selbst ich schwitzen.
Er wimmerte um Gnade, und dass ich ihn nicht erschießen sollte. Gierig blickte er auf mein bestes Stück, das im Moment als ›Gewehr‹ diente.
Da er sich gefügig zeigte und keine Ambition andeutete, noch einmal loshoppeln zu wollen, trat ich langsam auf ihn zu. Um ehrlich zu sein, ich war müde. Den ganzen Tag im Hotel zu schuften und Abend noch so ein Rollenspiel hinzulegen, überspannte selbst meine Ausdauer.
Ich hob meine Hand und strich über seine Stoffohren. Sah, dass sein Mund leicht geöffnet war, und trat noch näher an ihn. Mit der anderen Hand führte ich ihm meinen Schwanz in seine Mundhöhle. Willkommen umschlossen mich seine Lippen. Sofort lutschte er, was das Zeug hielt. Ich schloss meine Augen und gab mich seine Bemühung hin. Als er genug von meinem Schwanz hatte, entließ er mich aus seinem Mund und stand auf. Drehte mir seinen Rücken zu und ging zum Tisch. Stützte sich auf der Platte ab und stellte seine Beine weiter auseinander.
Ich selbst hatte mir in der Zwischenzeit ein Kondom überzogen und verstrich reichlich das Gleitgel. Trat auf ihn zu und öffnete die Klettverschlüsse des Kostüms. Da ich noch genügend Gel auf meinen Finger hatte, strich ich etwas über seine Rosette und drang mit zwei Finger gleichzeitig ein. Er keuchte und zuckte auf, als ich seine Prostata auf Anhieb gefunden hatte. Sofort öffnete sich sein Muskel und mein Schwanz ersetzte meine Finger. Während ich mich in ihm stieß, half ich ihm aus dem unmöglichen Kostüm. Zum Glück war das Ding ein Einteiler und so rutschte es sofort zu seinen Füßen runter. Umgriff ihn. Stimulierte ihn. So wie ich in ihm stieß, so pumpte ich ihn. Seine Kontraktion kam und ich fing sein Sperma auf. Er ergriff meine Hand und führte sie zu seinem Mund. Leckte mich sauber. Ich selbst zog mich aus ihm heraus. Nahm das Kondom von meinem Schwanz und drehte ihn um. Er blickte mich an. Ich drückte ihn runter und schob mich wieder in seinen Mund. Rammte mich bis zum Anschlag rein. Es würgte ihm, aber er wollte es. Ich tat es und fickte seinen Mund, bis ich kam. Seinen Kopf hielt ich fest, bis auch der letzte Tropfen den Weg in seinen Rachen gefunden hatte.
Nun, besonders hatte es mir nicht gefallen. Aber der Kunde ist König und dieses Erlebnis verdrängte ich.
***
Tief atmete ich ein und schloss meine Augen, denn ich konnte den Schnee auf den Straßen nicht mehr sehen und vor allem grauste es mich vor Weihnachten.
»Sag mal, was macht denn die Uni?«, fragte mich der Taxifahrer und ich blickte zu ihm hinüber. Lächelte kurz und zuckte anschließend mit den Schultern. UNI!
»Geht so ...!«
Ich hatte auf Smalltalk absolut keine Lust. Ich wollte nur noch heim.
Uni? Was? Der Traum von der Uni hatte ich schon lange geschmissen. Dafür hatte ich keine Zeit. Die zwei Jobs, die ich an der Backe hatte, spannen mich mehr ein, als es mir lieb war. Zumal ich noch ewig an den vielen Schulden, die mir mein Vater, durch das Hotel hinterlassen hatte, zu zahlen hatte. Ich fragte mich, für wie alt hielt er mich? 18?
Sicherlich war ich überglücklich, als ich das Hotel übernommen hatte, aber als ich die offenen Rechnungen und die Aufstellung der Personalkosten in den Händen hielt, wusste ich im ersten Moment nicht, was ich tun sollte. Deswegen rief ich meine Mutter an, die mir dann nur sagte: »Schatz! ... Das musst du wissen.« Sie machte es sich leicht. Die werte Dame hatte nicht so eine Verbindung zu ihrem Ex-Ehemann wie ich zu Papa. Aber jetzt tat sie so auf liebevoll. Was soll’s.
Ich schlug die Tür vom Taxi zu und schlich mich vom Hintereingang zu meinen privaten Räumen. Jetzt noch irgendwelche Beschwerden von meinen Hotelgästen entgegenzunehmen, dafür reichte meine körperliche Kraft und ganz besonders meine Nerven nicht mehr aus.
Übermüdet und total durchgef ... - Shit, das hatten wir schon einmal und ein Schmunzeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. Auch, wenn dieses Schmunzeln einen herben Nachgeschmack beinhaltete.
»Tja, was soll ich dazu sagen?« Eineinhalb Jahre war es schon her ...
Tagsüber ging es. Da kam selten, so gut wie nie, der Gedanke an ihm auf. Dennoch in den Nächten, wenn ich meine Augen schloss, - diese Augen, dieses Gesicht, seine sanfte flüsternde Stimme, sein samtweicher Körper. Übermannte mich jede Nacht. In jedem Traum.
War ich zunächst davon ausgegangen, dass es nur die körperliche Anziehung war, die mich immer wieder an ihn denken ließ, so war mir nunmehr schon lange klar, dass da viel mehr war. Wäre es nur das rein Körperliche gewesen, dann hätte ich ihn schon längst vergessen. Ich konnte ich mich doch wirklich nicht über zu wenig Sex beklagen. Nein!
Aber mit ihm war es bedeutend mehr! Ich hatte mich in ihn verliebt, und zwar so richtig. Ich konnte es selbst nicht verstehen. Immerhin war es eigentlich nur eine Nacht voller Leidenschaft. Aber die hatte dafür ausgereicht, dass Tom mein Herz eroberte.
***
Die Wette zwischen Mario und Sam war ein voller Erfolg. Sam konnte, mit etwas Hilfe von mir, diese ausgefuchste und hinterlistige Wette von Mario gewinnen.
Jetzt waren sie seit über einem Jahr ein Paar und Sam las seinem Mario alle Wünsche von den Augen. Natürlich nur die Wünsche, die er sich auch leisten konnte. Aber ganz besonders gerne erfüllte er die Wünsche, die rein gar nichts kosteten. Nur einige Stunden der Zweisamkeit.
Nachdem Sam seinen Eltern gesagt hatte, dass er ›homosexuell‹ sei, wurde er enterbt. Nun ja, nun lebten die beiden bei mir im Hotel, verdienten ihren Lebensunterhalt hier und ich konnte sie mir auch einfach nicht mehr wegdenken.
Sam, der anfänglich über meinen Zweitjob geschockt war, entpuppte sich als ein wahrer Gewinn. Neben seinem Studium zum Doktor bewirtschaftet er mit mir das Hotel. Seine mathematischen Kenntnisse waren mir sehr willkommen. Wenn ich immer zum Jahresende kalkulierte, so rechnete er ungefähr 350 Jahre im Voraus.
Mario hingegen wollte einfach nicht akzeptieren, dass er besser seinem Kunststudium nachgehen sollte, anstatt ständig in irgendwelchen Zimmern herumzuhüpfen, um Betten glatt zu streichen oder Staub zu wischen. Der Typ raubte mir noch den letzten Nerv und doch war ich ihm dankbar. Er sprang immer ein, wenn ich personellen Notstand hatte.
***
Schlechter Nachgeschmack, ja das war es und ich raffte mich auf, um unter die Dusche zu gehen. Es gab nichts Schlimmeres als den Geruch oder die spezielle Flüssigkeit meiner ›Freier‹, am nächsten Morgen immer noch an mir haften zu haben.
Auf die Uhr brauchte ich nicht zu schauen, denn ich wusste, dass die Nacht wieder zu kurz war. Wann hatte ich das letzte Mal so richtig ausgeschlafen? Ehrlich gesagt, ich konnte mich an diesen Tag noch sehr gut erinnern. So als ob er erst gestern gewesen wäre, und blickte leicht angewidert auf mein Bett.
Seit diesem Tag war es für mich ein Graus in diesem Bett zu schlafen. Ein neues Bett zu kaufen kam mir immer wieder in den Sinn, doch schaffte ich es nicht mich von meinem alten Bett zu trennen, aus Andenken daran, wie glücklich ich darin war, in dieser einen Nacht.
Diese Erinnerung.
Also blieb mir nichts anderes übrig, als wie in den letzten knapp eineinhalb Jahren auch, auf die Couch auszuwandern. Als ich mich hinlegte, lagen meine Decke und mein Kissen noch so da, wie ich sie in der früh verlassen hatte. Schaltete den Fernseher ein aber selbst im Nachtprogramm, kam nichts Interessantes dran.
Außerdem dauerte es eh nicht lange, bis ich schlief.
Richtig passende Muskelmasse. Blonde gut frisierte Haare und ein Blick, der selbst das kälteste Eis zum Schmelzen brachte.
***
Noch müde klatschte ich auf den Wecker, der seinen Platz auf dem Wohnzimmertisch bekommen hatte, und war froh wieder eine Nacht, und wenn es nur zwei oder drei Stunden Schlaf waren, überstanden zu haben.
Leider ließ mein Schwanz mir keine Ruhe. Jeden Morgen das Gleiche. Ich konnte rumvögeln, wie ich wollte, aber nach dem immer gleichen Traum, stand er und verlangte meine Aufmerksamkeit.
»Tzz. Als ob du nicht schon genug Arbeit hättest, musst du mich jeden Morgen, daran erinnern.« Mein Schwanz wusste, was er wollte. Genauso wie mein Körper und mein Herz. Ihn.
Nur mein Verstand verdrängte diesen Mann. Verdrängte die Erinnerung an ihn und das dazugehörende Gefühl.
Ich blickte aus dem Fenster und ich sah nichts. Draußen war es noch stockdunkel, im Winter wurde es eh erst so um 8 Uhr hell.
Manchmal wünschte ich mir, ich könnte mit meinen Gästen tauschen und schlafen, bis es Zeit zum Frühstücken war. Ja Frühstück, das war mein Stichwort und ich hievte mich von der Couch.
Manchmal fragte ich mich, ob mein Vater es genauso gehandhabt hatte. Ob er um 4 Uhr aufgestanden war, um den kommenden Tag ins Laufen zu bringen.
Aber das, was ich in Erinnerung hatte, war, dass er jeden Morgen da stand und ein Lächeln auf den Lippen hatte. Uns liebevoll weckte und uns für die Schule fertigmachte. Er nach der Schule für uns da war und wir rein gar nichts von seinem Stress und seinen Sorgen mitbekommen hatten. Und jetzt? Schau ihn dir jetzt an! Wenn er mal nicht im Krankenhaus lag, wurde er von Mama daheim gepflegt.
***
Vor knapp zehn Jahren hatte er einen Schlaganfall, von dem er sich nicht mehr erholte. Am Anfang kämpfte er noch, doch mit der Zeit gab er auf und jetzt liegt er wie ein Häufchen Elend tagein und tagaus nur im Bett und vegetierte vor sich hin.
Inzwischen wurde er schon mehr als fünfmal ins Leben zurückgeholt und sein Zustand verschlechterte sich mit jedem Mal mehr. Warum SIE den Stecker nicht ziehen lässt, ich kann nur spekulieren. Liebe? Nein! Erbe? Nein! Ich habe das Hotel jetzt, obwohl – ich hätte es nicht annehmen müssen, aber ich wollte seinen Traum und meine Kindheit nicht aufgeben. Schuld? Ja! SIE hatte Schuldgefühle, weil sie Papa mit drei Kindern im Stich gelassen hatte und lieber mit dem ›Gärtner‹ durchgebrannt war. Wie in einer richtigen Seifenoper. Und dieser Gärtner spielte sich teilweise immer noch als mein Vater auf. Er konnte es nicht verstehen, warum Mama sich für Papa aufopferte.
Als ich sieben Jahre alt war, ich war der Jüngste von drei Geschwistern, hatte sie ihre Koffer gepackt und war ausgezogen. Sie hatte Papa im Stich gelassen und er machte aus der hoffnungslosen Situation das Beste.
Er war durch harte Arbeit Besitzer eines Fünfsternehotels geworden. Aber wenn ich so zurückdachte, was brachte es ihm? Nur zwei Sachen. Harte Arbeit und immense Schulden am Arsch. Sonst nichts. Aber ich musste auch dazu sagen, wir alle drei Kinder, wir hatten eine sorgenlose Kindheit und Papa tat alles, damit es uns an nichts mangelte. »Peter der älteste ist Manager eines Verlages. Ellen, die Zweitälteste ist in Mutterschaft. Und ich? Ja, ich ... Ich bin der Chef des Hotels, Kellner im Restaurant, Manager des Hotels, und was sonst noch so alles anfällt. Ich bin der Erste, der da ist und der Letzte, der geht.« Nun ja fast der Letzte, die Nachtschicht blieb, um sich mit den Belangen der Gäste auseinanderzusetzen. Und nebenbei ging ich noch meinem zweiten Job nach, der mir das meiste Geld einbrachte. Geld, was ich benötigte, um Vaters Schulden zu bezahlen. Damit ich seinen Traum aufrechterhalten konnte. Mein Leben. Meine Vergangenheit.
Mutter und all die Anderen in meiner unmittelbaren Nähe wussten nichts von meinem kleinen Geheimnis. War auch besser so. Denn in so einer kleinen Stadt wurde sofort aus einer Mücke ein Elefant, der mit rasender Geschwindigkeit einen Porzellanladen zertrümmerte.
Es gab nur zwei Menschen, die dies wussten, aber auch nur, weil sie aus Versehen da drauf gekommen sind. Mario hatte mich erwischt, als ich gerade jemanden einen Blowjob verpasste. Wie das passieren konnte? Ich denke, er war mir gefolgt und dann einfach aus heiterem Himmel kam er in das Zimmer gestürzt. War dumm gelaufen, zumal ich meine speziellen Kunden sonst immer in einem anderen Hotel bediene. Manchmal kam es sogar vor, dass ich in ein anderes Bundesland fahren musste oder ins Ausland fliegen, aber solange es bezahlt wurde, war es mir egal.
Es war mein oberstes Gebot, das ich niemals im Schwanenteich meiner zweiten Tätigkeit nachgehe. Ich hatte Mario bis heute nicht danach gefragt, wie er auf die Idee kam, mir zu folgen. Denn er ist mir gefolgt, anders konnte ich es mir nicht erklären.
Und Sam? Nun ja, er war der Meinung seine Homosexualität austesten zu müssen. Er hatte mich gebucht. Sein Pseudonym schwirrte mir immer noch durch den Kopf. ›Kleist‹. Man war der nervös und vor allem käseweiß, als er mich im Hotelzimmer erblickte. Nun wusste ich, warum er Kleist nahm. Er hatte ein Händchen für Schriftstellerei.
***
Das warme Wasser lief angenehm über meinen Körper, und auch wenn ich es nicht wollte, sah ich ihn. Hier in meiner Dusche, so wie damals, wie er sich wusch, wie er sich mir hingab, wie er sich fallen ließ. Gott, diese Erinnerungen trieben mich in den Wahnsinn.
Nicht nur das. Mein Schwanz wollte es. Jeden Morgen und er ließ mich nicht in Ruhe. Er ließ mich ihn nicht vergessen.
Ich fing an, ihn zu reiben. So wie er es getan hatte. Mit voller Wucht brach die Erinnerung ein. Wieder sah ich mich mit ihm. Spürte seine Küsse, seine Berührungen, hörte sein Stöhnen und sah sein Verlangen in den Augen.
Meine Augen brannten und ich wusste, dass ich weinte. Meinen Orgasmus bekam ich nicht mit. Ich krachte auf die Knie und vergrub meinen Kopf in meine Hände. Wie lange ging das noch so?
Ich hörte, wie mein Handy klingelte, und schüttelte innerlich den Kopf.
»Welcher Arsch ruft um diese Zeit an?« Auch wenn ich es mir denken konnte, ein Kunde, so fluchte ich trotzdem. Es gab immer welche, die die Zeitverschiebung zwischen den Kontinenten einfach nicht berücksichtigten. Aus welchen Gründen auch immer. Ich ignorierte das Handy und wusch mich ab.
Als ich fertig war, stieg ich raus und ging, nackt, wie ich war, ins Schlafzimmer. Ich achtete nicht auf das leere Bett. Es war auch in dieser Nacht genauso kalt und unbenutzt geblieben, wie in den letzten eineinhalb Jahren und würde es bleiben, bis ich mich irgendwann endlich überwinden konnte, es zu entsorgen.
Klamotten waren schnell gefunden und ich ging in Gedanken meine Tagesliste durch. Die nicht nur Hotelhüten beinhaltete, sondern auch ein Meeting auf dem Bauamt.
Wieder klingelte das Handy und genervt atmete ich ein. Sah auf dem Display ‚Sire‘ und es viel mir aus der Hand.
»Scheiße, was will der denn noch von mir?« Gegen meine selbst aufgestellte Regel ging ich mit »Was willst du?«, ran.
»Ich will nichts!«, kam es genauso barsch zurück.
»Schön und warum rufst du mich an? Du glaubst doch wohl nicht allen Ernstes, dass ich dich noch einmal bediene!«
»Wie schon gesagt. Ich will nichts! Ich rufe für jemanden an, der gerne, ...!«
»Vergiss es! Ich mache keine Deals über Dritte!« Und war schon gewillt aufzulegen.
»Kilrian jetzt hör mir doch mal zu! Bitte!« Ich rieb mir die Augen.
»Na, das muss ja dann wirklich sehr wichtig sein, wenn du mich schon mit meinem richtigen Namen ansprichst und noch dazu ‚bitte‘ sagst. Dennoch wäre es mir recht, wenn ich von dir, ›Sire‹ nichts mehr höre!«, sagte ich und legte auf.
Als ich auf meine Uhr blickte, verdrängte ich den Anruf und machte mich für den Tag bereit.
***
Der Tag ging schon gut los. Der Lieferwagen kam nicht. Als es auf 8 Uhr zu ging, schnappte ich mir den Koch und ging mit ihm einkaufen. Was sich im Nachhinein als ein unmögliches Unterfangen herausstellte.
Hier in dieser Stadt bekam man alles, was im normalen Leben gebraucht wurde, aber finde mal kulinarische Zutaten. Unmöglich.
Irgendwann meinte der Koch, dass er noch zur Metzgerei müsse, um dort das Fleisch zu besorgen. Ich verdrehte die Augen, aber ließ mich dorthin dirigieren.
Ich blickte auf die Uhr und wusste, dass die Zeit mehr als drängte.
»Ich hoffe, die haben, was wir brauchen!«, sagte ich.
»Nun, so feine Sachen bestimmt nicht, aber das Fleisch kommt aus einer privaten Schlachtung.« Ich schaute ihn kurz an und zuckte mit den Schultern.
»Ich hoffe nur, du machst daraus etwas Kulinarisches!«
»Keine Sorge Chef.« Er deutete mir an, dass ich hinterm Haus der Metzgerei parken sollte. Als der Wagen hielt, stieg er aus und zückte einen Schlüssel aus seiner Hosentasche. Er sperrte eine Tür auf und trat in den Gang. Wie von Geisterhand schaltete sich das Licht an und er steuerte mit sicherem Schritt auf eine andere Tür zu. Er war jedenfalls schon mal hiergewesen. Die Tür schloss er auf und deutete mir, dass ich eintreten sollte.
Roher Fleischgeruch schlug mir entgegen, ich blickte mich um und stand inmitten einer Schlachterei.
»Mama!«, rief er und ich zuckte leicht zusammen. Mama? Und vage glaubte ich, mich zu erinnern, dass er mal erwähnt hatte, dass seine Eltern Metzger seien.
Lange dauerte es nicht, bis eine etwas dickliche Frau kam. Sie hatte sehr gutmütige Augen und sie schien sehr viel zu lachen.
»Leo? Ist was passiert?«, fragte sie ihren Sohn und sie blickte zwischen uns hin und her.
»Es ist alles in Ordnung. Darf ich dir Herrn Ford vorstellen?« Ich trat einen Schritt auf sie zu und reichte ihr meine Hand.
»Dein Chef?« Mein Koch nickte und es schien ihm nichts auszumachen, dass seine Mutter mehr oder weniger fast aus dem Häuschen war.
»Mama, wir haben ein kleines Problem. Die Lieferung kam heute früh nicht und wir brauchen Fleisch ...!« Mein Handy klingelte und ich ging aus der »Küche« raus.
»Ja!«
»Spreche ich mit Zeth?«
»Ja!«
»Ich habe folgendes Problem. Wir ...!« Wir?
»Einen kleinen Moment. Was meinst du mit wir? - Soll es ein Dreier werden?«
»Nein! Mein Freund und ich, wir haben ein Problem ...!«
»So!«
»Ja! - Wir möchten, dass du jemanden verführst ...!« Moment! Was?
»Entschuldige! Ich verführe niemanden!«, wimmelte ich den unbekannten Anrufer ab und schüttelte innerlich den Kopf. »Was ist denn heute nur mit den Leuten los?«, dachte ich und legte auf.
Ich ging zurück in die ›Küche‹ und als mein Chefkoch mich sah, nickte mir bestätigend zu.
Wenigstens ging dies gut über die Bühne und wir machten uns wieder auf den Weg zurück ins Hotel. Die Fleischlieferung erfolgte keine halbe Stunde, nachdem wir angekommen waren.
Sofort stürzte sich Leo auf die Zubereitung.
Ich beauftragte Sam, der leicht übermüdet war, aus welchen wunderbaren und heißen Gründen auch immer, zu Leo zu gehen und die Tageskarte umzuschreiben. Er blickte mich ziemlich verdattert an.
»Soll ich jetzt noch einen auf Designer machen? - dieser Job ist eindeutig zu schlecht bezahlt!« Da ich wusste, wie er es meinte, gab ich nichts darauf und ging an die Anmeldung.
Als ich den Bildschirmschoner deaktivierte, sah ich nur noch schwarz. »Das ist doch wohl nicht wahr?!«, dachte ich und wollte einen Neustart durchführen. Der PC fuhr zwar runter aber nicht mehr hoch. Ein paar Mal startete ich den PC, bis er gewillt war, seinen Streik aufzugeben.
Nicht nur das, es schien, dass die ganze Elektrik einen auf verrückt machte, und mein Handy klingelte schon wieder, aber ich ignorierte es.
Verdammt, was war heute nur los? Mein Handy, welches nur für meine andere Buchung bestimmt war, klingelte ununterbrochen. Die Elektrik, die erst vor einigen Wochen kontrolliert worden war, spann und zuletzt diese ausgefallene Lieferung am Morgen.
An solch einem Tag sollte man lieber im Bett bleiben und warten, bis er vorbei war.
Und wieder klingelte das Handy und wieder ignorierte ich es. Selbst als ich ›Captain‹ las. Die mussten heute wohl alle einen Notstand haben. Ich schüttelte den Kopf und nahm mir vor, die nächsten Abende daheimzubleiben. Einmal im Monat sollte es mir vergönnt sein.
Ich ging zu Sam, der heute an der Anmeldung vertreten musste, und ging mit ihm schnell den Plan durch.
»Ja ich weiß schon alles. Jetzt geh und hol dir die Baugenehmigung!«, schnauzte er mich leicht gereizt an. Er stand am Drucker zwischen vielen zerknüllten Zetteln.
Als ich ging, rief er mich zurück.
»Ich weiß nicht, wie du es weiter handhaben willst, aber der Umbau kostet eine Stange Geld. Noch dazu, dass du gegebenenfalls für einige Wochen zu machen musst, ...« Ich wusste, worauf er hinaus wollte, und ich atmete resigniert.
»Sam ich bin auch nur ein Mensch, ...!«
»Ich sagte nicht, dass du fünf Bonzen gleichzeitig ficken sollst, sondern, dass du deinen Preis um ungefähr 25 % anheben musst. Hier im Hotel, ...!«
»Boah du spinnst! Das geht nicht und du weißt auch warum!«
»Ja, ich weiß das. Ich bin ja auch dein Finanzexperte, aber dennoch! Der Umbau, die Renovierung wird ein halbes Vermögen kosten. Und du hast noch nicht einmal die Hälfte für die geplanten Kosten zusammen. Entweder du hebst die Preise hier im Hotel an, was wiederum heißt, dass dir die Gäste wegbleiben, oder du erhöhst den Preis deiner Dienstleistung. Ich denke, da greifen eher die reichen Arschkriecher tiefer in die Tasche.«
Also mit anderen Worten ... - meine freien Abende, gingen den Bach runter. Was soll’s.
Wie auf Stichwort klingelte das Handy und langsam glaubte ich sogar, dass das Handy und Sam einen Pack, mit dem Teufel gemacht hatten. Seitdem er bei mir arbeitete, hatte ich noch weniger Freizeit, als ich vorher schon nicht gehabt hatte, und machte mich auf dem Weg zum Bauamt.
»Ja!«, ging ich ran. Bei dem Handy meldete mich nie mit Namen.
»Ist da Zeth?«
»Ja!« Natürlich bin ich dran, es geht sonst kein anderer an dieses verfluchte Handy und startete mein Auto.
»Hier ist Alvin!« Huch! Ich gluckste, denn mir kamen auf einmal drei niedliche eichhörnchenähnliche Wesen in den Sinn.
»Ja Alvin, was kann ich für dich tun?« Er äußerte seine Wünsche und ich war schon gewillt, ihm meinen üblichen Preis zu nennen, als mir Sam in den Sinn kam. Ich nannte den neuen Preis, ca 25 Prozent mehr und der Typ am anderen Ende der Leitung schnaufte.
»Das ist zu viel!«
»Alvin, es sind deine Wünsche. Solltest du dich dazu entscheiden, überweise den Betrag auf mein Konto, die Bankverbindung gebe ich dir per SMS durch. Wenn nicht, dann überweise nicht. Habe ich den Betrag erhalten, bekommst du von mir eine SMS und dann kannst du mir über SMS Bescheid geben in welchem Hotel, die Uhrzeit, Zimmernummer und unter welchen Namen du gebucht hast. Ich danke für deinen Anruf und ich freue mich, ... auf dich.« Fuck! Warum kam mir Sam dazwischen? Ich wollte nicht. Eigentlich wollte ich gar nicht mehr, aber die Umstände zwangen mich dazu.
***
Ich parkte das Auto und ging mit meinen Akten, welche ich unbedingt brauchte, um die Belange der Herrschaften zufriedenzustellen, in das Gebäude. Dies war schlimmer, als wenn du dich arbeitslos melden müsstest. So eine Zettelwirtschaft für einen Umbau. Aber es wurde verlangt. Die Statik des Hotels. Den 3-D-Plan, Bauplan und was die noch so alles wollten.
Ich klopfte an die Tür und trat ein. Vier Augenpaare blickten zu mir, von denen ich zwei Paar kannte. Ich aber ein Paar davon ignorierte.
»Ah! Herr Ford, wir haben schon auf Sie gewartet!«, begrüßte mich Herr Bekkert. Er war mein Bauleiter für diesen Umbau. Reihenweise gab ich ihnen die Hand und bei einem sah ich dieses wiedererkennende Schmunzeln. Tja auch ich erkannte ihn wieder. Ich war es schon gewohnt. Viele von meinen ›Freiern‹ arbeiteten in gehobenen Positionen und es kam nicht selten vor, dass ich mit ihnen auch noch anderweitig zu tun hatte als in einem Hotelbett. Er schien aber derjenige zu sein, der, sein ›Servus‹ darunter setzen musste, um diesen Umbau zu genehmigen, und nach seinem Blick zu urteilen, konnte ich mir vorstellen, was er dafür verlangen würde. Aber nicht mit mir. Wenn er von mir weiter bedient werden wollte, hatte er sich an die Regeln zu halten.
»Wir überdenken dies!«, sagte er und entließ mich. Na toll! Wie schon geahnt, dauerte es nicht lange und mein Handy klingelte. Das wievielte Mal heute?
»Dachte ich es mir!«, murmelte ich vor mich hin, als ich den Namen auf dem Display sah.
»Ja!«
»Komm heute Abend ins Hotel Anita und du bekommst die Unterschrift.« Ich lachte auf. War ja klar!
»Was gibts da zu lachen?«
»Nichts! Du verkennst die Situation und bist dabei die Regeln zu brechen. Ich frische sie dir gerne wieder auf.«
»Ich kenne deine Regeln. Du willst diese Unterschrift, dann bist du heute Abend dort!«
»Wie du meinst! Dann werde ich mich wohl an jemand anderen wenden müssen und du wirst diese Nummer nie wieder anrufen. Haben wir uns verstanden? Snake!« Der Name passte. Falsch wie die Schlange.
»Ich bin der Einzige, der dir diese Unterschrift geben kann. Ohne mich läuft nichts. Ich bin für diesen Landkreis zuständig und deine Drohung prallt an mir ab.«
»Schön! Wie du meinst! Ich komme heute Abend ins Hotel ...!« FUCK!
»Was ist das für ein Unterton, den ich raus höre?«
»Wir haben einen Deal. Snake!« Arschloch!
»Mom ...!« Mehr vernahm ich nicht und legte auf. Dieses Arschloch. Er hatte mich an der Angel. Jetzt musste ich für ihn die Beine breitmachen, nur für eine läppische Unterschrift. Ist das denn zu fassen ... Wichser.
Der restliche Tag verlief reibungslos und ich machte mich für ›Snake‹ fertig. Ich konnte es immer noch nicht fassen, dass er mich so in die Enge treiben konnte. Ich kochte vor Wut. Jeder spürte meine Anspannung und sie gingen mir automatisch aus dem Weg.
Sam schüttelte nur den Kopf und ich sah, wie er es Mario erzählte.
»Spinnt der?«, hörte ich Mario, als er auf mich zu kam.
»Geh nicht! Wenn es bekannt wird, dass man dich so ...«
»Ich muss. Sonst kann ich das Hotel zusperren. Ich habe es eh schon zu lange raus gezögert.« Er ging einen Schritt zurück.
***
Hotel Anita. Eine sehr starke Konkurrenz, und ihr Ambiente war fantastisch. Ich ging zur Anmeldung und ließ mir den Schlüssel geben. Im Laufe des Tages hatte er mir die Nummer und den Namen gesimst und ich ging hin, ohne zu überlegen. Ich kannte den Weg, denn er hatte immer das gleiche Zimmer.
Ich sperrte auf und betrat das Zimmer. Seit meinem letzten Besuch hatte sich nichts geändert und ich sah, wie er an der Tür zum Balkon gelehnt dastand und eine Zigarette rauchte.
»Ich hätte nicht gedacht, dass du kommst. Das Hotel ist dir anscheinend sehr wichtig.« Ich antwortete nicht darauf und trat näher an ihn ran. Da ich wusste, was er wollte, fing ich an, über seine Schulter zu streicheln. Er drehte sich um und unsere Blicke trafen sich. Einige Sekunden war keiner gewillt nachzugeben, bis er laut ausatmete und sich von mir abwandte.
»Es tut mir leid!« Mit diesen Worten ging er zum Tisch und öffnete seine Aktentasche. Er trat wieder auf mich zu und überreichte mir das Dokument, welches ich brauchte, um den Umbau zu beginnen. Ich warf einen Blick darauf und traute meinen Augen kaum, es war unterschrieben. »Ich hätte es nicht tun sollen und jetzt sehe ich dich an und weiß, wie sehr ich dich damit verletzt habe. Heute wäre es nicht so fantastisch geworden, wie sonst. Du hättest es mich spüren lassen, das habe ich in deinem Blick gesehen.« Er hob seine Hand und streichelte über meine Wange. Ich entzog mich ihm.
»Es tut mir leid Zeth ...!«
»Danke für deine Einsicht. Regel Nummer 2: Keine privaten Ambitionen und Informationen. Solltest du in Zukunft wieder versuchen, mich mit irgendetwas erpressen zu wollen, werde ich deine Anrufe nie wieder entgegennehmen. Merke es dir. Snake. Mich interessiert es am wenigsten, wer du bist und was du machst, und das Gleiche verlange ich von meinen Kunden ebenfalls. Ich wünsche dir noch einen schönen Abend.«
Eine Last fiel von mir ab, als ich auf den verschneiten Gehweg trat und gen Himmel blickte. Die Sterne leuchteten, nur gab es mir keine innerliche Ruhe. Wieder klingelte mein Handy und ich war kurz davor, dieses Ding weit wegzuschmeißen. ›Sam‹
»Warum rufst du mich auf diesem Handy an? Hat es nicht Zeit, bis ich zurückkomme?«
»Halt die Klappe, du hast eine Buchung über 500 000 € erhalten ...« Mir rutschte fast das Handy aus der Hand.
»WAS? Von wem?«
»Kastner Import & Export!«, antwortete er nur.
»Überweise es per Express zurück und hol mich ab!« Was wollte der Idiot nur von mir? Erst rief er mich in aller Herrgotts früh an und jetzt das?