Meine momentane Bettgenossin Susan kam meiner Bitte nach und schickte meinem Kleinen die Bestätigung für den Lehrgang. Natürlich war sie nicht gerade begeistert davon gewesen und verstanden hatte sie es auch nicht.
»Warum willst du, dass ich einem, der bereits Fünfsterne Manager, dessen Namen in aller Munde, der einer der Top Ten in der Hotelbranche ist, die Bestätigung für einen Lehrgang schicke, anstatt einem, der gerne erst einmal überhaupt so weit kommen möchte?«
»Aus privaten Gründen«, meinte ich nur und schälte mich aus ihrer Umarmung. Sie hatte klein bei gegeben und dennoch löcherte sie mich weiter.
»Jonas, ich verstehe es nicht! Ich mein, ich soll mein Idol unterrichten? Er würde mich auslachen, wenn ich mit einem von seinen eigenen Rezepten daherkommen würde und er nur einen minimalen Fehler erkennt. Oder mit dem Benimmunterricht anfange ...?« Irgendwann hatte ich es dann doch geschafft, sie zu überreden und abzuwimmeln, und jetzt hieß es ein paar Tage warten.
Die Post war zwar heutzutage schnell, aber doch brauchte es seine Zeit, bis ein Brief aus Amerika in Deutschland ankam.
Kilrian war mein bestes Mädchen. Lernfähig, stur, protzig, tat dennoch alles, was ich von ihm verlangte. Vor allem konnte er der Verführung von Crystal widerstehen. Er nahm zwar die Drogen, wenn ich es ihm mehr oder weniger eingeflößt hatte, aber die Hoffnung darauf, dass er süchtig wurde, war bald versiegt. Kilrian hatte einen sehr starken Willen und ich gab es irgendwann auf ihn durch Drogen an mich zu binden.
Nachdem er sich langsam einen Namen gemacht hatte, wurde es stetig lauter um ihn. Ich wusste, dass einige, ihn auch mit seinem anderen Namen kannten, wussten, dass er ein Hotel bewirtschaftete, und dennoch hüllte jeder den Nebel des Schweigens darüber. ›Er ist wirklich was Besonderes.‹
Nun mir sollte es egal sein. Ich gönnte ihm seinen Ruhm aber ein Stückchen von dem Kuchen wollte ich auch nicht. Aber jetzt war es an der Zeit, hallo zu sagen.
Ich rief ihn an und beorderte ihn zu mir. Er willigte ein, was mich etwas überraschte. Aber so überraschend war dies doch nicht. Immerhin fungierte ich als eine Art Vaterfigur für ihn. Ein Vater, ein Mentor, Lehrer, Ansprechpartner. Er kam zu mir, wenn er Sorgen hatte. Holte sich einen Rat ab, wenn er nicht mehr weiter wusste. Ab da wurde mir klar, dass ich ihn nicht süchtig zu machen brauchte. Ich hatte etwas Besseres in der Hand, mit dem ich ihn an mich gefesselt hatte. Seine Seele, sein Selbst, ihn. Solange er immer freiwillig zu mir kam, sich unterweisen ließ und das tat was ich von ihm verlangte, war alles in bester Ordnung. Bis zu diesem Tag. Dieser Tag ... ›ach was soll’s‹.
Es war schon zu lange her, um sich weiter darüber Gedanken zu machen. Nun das hatte man davon, wenn man jemanden in sein Herz schloss und ihn immer mehr wie einen Sohn ansah, weil der eigene Sohn dem Vater den Rücken zugewandt hatte. Nun ja so hätte ich mir einen Sohn vorgestellt, aber Kilrian war was anderes. Er war mein Besitz. Ist es noch.
»Mr. Selter, ein Telefonat für Sie!«
»Danke, haben Sie meinen Sohn schon erreicht?«
»Nein Sir, nun, ja Sir. Er sagte, er habe an diesem Tag keine Zeit.« War abzusehen. Dann musste ich ihm wohl oder übel mal einem Besuch abstatten.
War es denn zu viel verlangt, dass mein eigener Sohn einmal im Jahr zu mir kommt? Jedes Jahr das Gleiche und es würde diesmal wieder genauso enden wie die Jahre zuvor.
Wir würden streiten und er würde mit einer Fanfare von einer knallenden Tür wieder für ein Jahr verschwinden und sich nicht mehr melden. Und nächstes Jahr kurz vor meinem Geburtstag ging das Hinterherrennen von vorne los.
»Womit habe ich das verdient, alles nur weil er der Meinung ist, ich hätte seine Mutter getötet.«
Er war wie seine Mutter. Gott hab sie selig. Sie war ein Engel. Sie war die einzige Frau in meinem Leben, die ich wirklich geliebt hatte. ›Ich liebe sie noch heute‹. Doris. Frech, aufmüpfig, energiegeladen und in jeglicher Hinsicht, rein.
Ich brach ihr Herz, als sie erfahren hatte, womit ich überhaupt mein Geld verdiente und daran war sie gestorben. Mein Sohn hatte mir dies nie verziehen. In gewisser Weiße hatte ich sie schon getötet.
Viele Jahre lebte ich ihr die Lüge vor, ich sei nur ein einfacher Nachtclubbesitzer. Wir bezogen über dem Nachtclub die kleine vier Zimmerwohnung und Doris ging ihrem kleinen Job als Tankwartin nach. Meistens arbeitete sie in der Nachtschicht. So konnte ich ungestört mein eigentliches Dasein ausleben. Mein Handy klingelt los und holte mich aus der Vergangenheit zurück. Ich hob ab und mein bester Mann war in der Leitung.
»Der Auftrag ist ausgeführt. Er hat ein Rendezvous mit den Fischen.«
»Sehr gut!« Ich legte auf. Wieder war eine kleine Made ausgeschaltet worden. Der arme Kerl hätte er den vereinbarten Preis gezahlt, so könnte er jetzt seinen eigenen kleinen Geschäften nachgehen.
Manchmal fragte ich mich, für was? Für was hatte ich dies alles aufgebaut? Mein Sohn hatte mir den Rücken zugewandt und ich stand jetzt mit meinem vielen Geld alleine da. Er selbst hatte mit seinen knapp 30 Jahren absolut keine Motivation Nachkommen zu zeugen. Warum auch. Mein ›Agent‹ sagte mir, dass er Männer bevorzugte.
Ich blickte mich in dem Penthouse um, welches ich mir vor kurzem zugelegt hatte, und die Aussicht war fantastisch. Viele würden sich danach die Finger lecken und ich besaß es. Die ganze Stadt lag mir zu Füßen. Zumindest die Nacht gehörte mir. Ich liebte die Nächte. Sie haben etwas Verbotenes. Geheimnisvolles und Gigantisches.
Ich rief meine ›Sekretärin‹ an. Ein Vorzeigemädchen. Ihre Beine konnte sie breitmachen, aber mehr hatte sie auch nicht zu bieten, war mein erster Eindruck, als ich sie eingestellt hatte. Ich wurde eines Besseren belehrt. Jetzt konnte ich sie mir nicht mehr wegdenken.
»Wo wohnt er denn?«, polterte ich gleich los, als sie abnahm.
»Wer?«, ging sie im gleichen Ton auf meine Frage ein.
»Mein Nichtsnutz von einem Sohn!«
»In der gleichen Straße, wie in den letzten Jahren auch. Mr. Selter!« Sie legte auf. Wow, ich liebte es, wenn sie kratzbürstig war. Ich würde ihr gerne Mal ein paar Manieren beibringen, aber meine Nachforschungen ergaben, dass ich dies besser unterlassen sollte. Es reichte schon, dass sie einen schwarzen Gürtel in irgendeiner Kampftechnik besaß und einen von meinen Bodyguards auf dem Boden geworfen hatte. Nun ja sie war nicht nur meine Sekretärin, sondern auch der Sicherheitschef hier im Nachtclub. Sie sorgte wirklich für Ruhe und Ordnung und skrupellos war sie außerdem.
***
Dieses Firmenschild hatte sich in den letzten Jahren, um kein bisschen geändert stellte ich fest, als mein Fahrer auf den Parkplatz fuhr. Er stieg aus, blickte sich kurz um und öffnete mir die Tür. Ich selbst schaute mich um. Der Parkplatz wurde anscheinend fünfmal am Tag vom Schnee befreit. Nirgends sah ich zusammengeschaufelten Haufen und ich ging auf die Eingangstür zu.
Automatisch öffnete sie sich und ich trat in das Gebäude ein. Blickte mich auch hier um und sah, dass es sich hier wieder einmal verändert hatte. Diverse Ölbilder von noch unbekannten Künstlern, die hier eine freie Stelle für ihre Werke bekamen an den Wänden. Auch Bilder von sehr bekannter Künstler, die Museumswert besaßen und hier aufgehängt wurden. Einige Kronleuchter, die waren neu, oder wurden zumindest zum Anpreisen aufgehängt.
Die Tische und Stühle waren auch anders, als das letzte Mal. Nun ja, auch wenn sich diese Firma Import & Export schimpfte, so war sie nichts weiter als ein überdimensioniertes Auktionshaus.
Ich trat an die Anmeldung und ein Mann saß mit dem Rücken zu mir. Auf den ersten Blick erkannte ich, dass er sehr gut gestylt war. Er nahm sein Äußeres sehr ernst. Selbst das Hemd und die Hose waren von sehr hoher Qualität und ich räusperte mich.
»Einen kleinen Moment bitte!«, sagte er, ohne hochzublicken, und tippte irgendetwas in den PC. Sein Telefon klingelte und er ging ran.
»Kastner Import & Export. Sie sprechen mit Tom Selter. - Mr. Kastner ist im Moment außer Haus. Ist es sehr wichtig, dann leite ich Sie zu Mr. Diggens um. - Ja! Mr. Diggens ist auch sehr prädestiniert. - Danke! Ich verbinde Sie!« Er blickte hoch.
Sein gerade noch freundlicher Ausdruck veränderte sich und wenn er mich mit seinen Blicken hätte töten können, so wäre ich jetzt auch wirklich tot umgefallen.
»Was willst du hier?« Seine Tonlage. Oh ja, diese Tonlage war sehr gut und wie gerne würde ich ihm dieses austreiben. Leider war er aber mein Sohn. Ich lächelte ihn an.
»Mit dir reden!«
»Wie du siehst, habe ich keine Zeit ...« Er stand auf, ging an den Drucker und ignorierte mich.
»Tom du wirst doch mal fünf Minuten für deinen alten Herrn übrig haben?« Er ignoriert mich weiter, aber dies hielt mich nicht ab.
»Okay, ich habe es im Guten versucht. Tom in einer Woche ist mein Geburtstag und es ist Tradition, dass du anwesend bist!« Er drehte sich um.
»Wohl eher Pflicht. Aber du bist doch im Stande, mich für diesen Anlass zu entschuldigen. Oder etwa nicht VATER?« Wie jedes Jahr. Wieder das Gleiche und ich schüttelte den Kopf.
»Nein! Und du weißt das. Du bist mein Sohn.«
»Gott hör damit auf. Ich habe auf deine Schauspielerei keine Lust.«
»Lust oder nicht. Es ist deine Pflicht als Selter, deinen Stand klarzustellen. Du weißt sonst, was geboten ist.«
»Meinst du, dass mich das interessiert? Was meinst du, wird passieren, wenn du abkratzt? Dein ›Imperium‹ wird zerplatzen. Es wird von deinen Speichelleckern auseinandergenommen und ich werde seelenruhig dabei zuschauen.« Ich schnaufte. Er hatte es auf dem Punkt gebracht und dies war meine größte Sorge. Ja ich war nicht nur ein kleiner Nachtclubbesitzer, .... meine andere Tätigkeit,... Sollte bekannt werden, dass mein Sohn keine Motivation hat, meine Lebensaufgabe weiterzuführen, so würde ein Krieg unter den ›Clans‹ ausbrechen. Der ganz bestimmt nicht vor Tom halt machte. Er würde einer der Ersten sein, der durch irgendeinen Unfall ums Leben kommt. Aber dies begriff mein Sohn leider nicht.
»Hör zu, du wirst an diesem Tag erscheinen, oder ich werde dich abholen lassen. Und glaube nicht, dass du dich in der Zeit ins Ausland absetzen kannst. Du weißt, ich finde dich überall. Dies hatten wir schon einmal.«
»Warum kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen?« Ich blickte ihm in die Augen und ich sah puren Hass.
»Weil du mein Sohn bist und du zu meiner Familie gehörst.«
»Familie?«, murmelte er nur und ging ans klingelnde Telefon. »Kastner Import & Export. Sie sprechen mit Tom Selter ...«, meldete er sich und seine Tonlage hatte sich wieder geändert. Ich drehte mich um und verließ die Firma.
Warum hatte er nur so viel von seiner Mutter geerbt? Diese Rechtschaffenheit. Das Aussehen. Diese Güte.
Nur ein kleines bisschen von mir und ich wäre schon glücklich. Er hatte absolut keine Ahnung, wie süß das Leben sein konnte, aber er bevorzugte eben diese Monotonie. Ich verstand ihn einfach nicht.
Vor allem, weil ich ihm alles zu Füßen gelegt hatte und er es nur zu ergreifen brauchte. Er könnte ein sorgenfreies Leben, ohne jeglichen Stress und Alltagssorgen führen, aber Tom hatte sich anders entschieden. Nein, er hatte sich nicht anders entschieden. Es war einfach seine Natur.
Ich musste schmunzeln, als mir Doris in meiner Erinnerung mir mit einem Lächeln zunickte. Tom würde in diesem eiskalten Geschäft untergehen. Aber es war noch nicht aller Tage Abend, denn ich hatte bereits meinen Nachfolger. Er musste nur noch in diese Richtung geführt werden.