Nachdem das Frühstücksbuffet eröffnet war, nahm ich mir eine kleine Verschnaufpause und ging in mein Büro. Fuhr den PC hoch und zündete mir eine Zigarette an. Leicht angewidert blickte ich den Glimmstängel an und fragte mich, warum ich dies eigentlich tat. Seit eineinhalb Jahren rauchte ich wieder, wenn auch nur zwei bis fünf Zigaretten am Tag. Aber selbst diese waren schon zu viel und doch rauchte ich einfach weiter.
Der PC war hochgefahren und ich checkte meine E-Mails. Nichts Besonderes dabei. Nur die monatlichen Abrechnungen von Sam. Ich öffnete sie nicht, denn ich wusste auch so schon Bescheid.
›Du brauchst 25 % mehr Umsatz, sonst kannst du den Umbau vergessen!‹ So ähnlich waren seine Worte und diese hatte er bestimmt mit sehr viel Rot darunter geschrieben.
Ich schloss das Mailprogramm wieder und meldete mich bei meinen Konten an. Na toll! Alvin hatte den Betrag überwiesen und holte das Handy hervor. Suchte seine Nummer, die ich unter Alvin abgespeichert hatte, und sendete mein Okay. Keine fünf Minuten später hatte ich die Zeit und das Hotel. ›22 Uhr Schwanenteich, gebucht unter dem Namen Alvin Chip.‹ Hoppla, na der ließ es wirklich krachen.
»Nein! Schwanenteich ist tabu. Such dir ein anderes aus«, schrieb ich zurück und Fragezeichen kamen. Ja man stand der auf der Leitung? »Ein anderes Hotel bitte!«, tippte ich darauf.
»Warum? Ist dir das nicht gut genug?« Diesmal schrieb ich nicht zurück. Ab jetzt gab ich ihm genau 12 Stunden Zeit, mir ein anderes Hotel anzubieten, bevor ich den Betrag zurückbuchen würde. Schön wäre es schon, wenn nichts mehr komme würde aber ich hatte mich geirrt.
»Hotel Grand Two um 22 Uhr. Name wie zuvor.«
»Okay«
»Darf ich dich fragen, warum nicht das Hotel Schwanenteich?« Der war zu neugierig. Aber solche kannte ich schon. Sie würden mir, bevor es richtig losging, ihre halbe Lebensgeschichte erzählen.
Es klopfte und ohne auf meine Aufforderung zu warten, wurde die Tür geöffnet. Dies machten nur zwei und ich blickte hoch.
»Sam!«
»Hier hast du deine Post. Wie ich gesehen habe, hast du meinen Rat beherzigt.« Er blickte mich verschmitzt an.
»Tzz, schon, aber du weißt auch, dass das Gewerbe mittlerweile angemeldet ist, und ich somit jetzt noch mehr Steuern zahlen muss.«
»Mit eingerechnet. - Gewerbe, gut ausgedrückt!«, sagte Sam scherzhaft.
»Besser als Tango tanzen!« Er lachte und verschwand wieder. Ich fragte mich immer wieder, warum er ständig im Hotel herumwirbelte, obwohl er in die Uni gehen musste. Sam hatte keine feste Arbeitszeit. War aber immer da.
Ich nahm die Post zur Hand und öffnete sie. Nun wie nicht anders erwartet, waren die ersten Briefe nur Rechnungen, dann kam noch eine Werbung für einen Kabelfernsehanbieter, die ich zerriss und wegschmiss. Und zuletzt hielt ich die Bestätigung für einen Lehrgang in der Hand. Diesen Lehrgang, den es nur alle drei Jahre gab. Der Lehrgang für das Ticket, ›Golden Eyes‹. Allein nur für Gastronomie und Hotelbewirtschaftung. Ein Schmunzeln machte sich auf meinen Gesichtszügen breit, denn es gab viele Anwärter, die sich um jeden freien Platz rissen.
Sicherlich wurden sehr viele Lehrgänge in dieser Branche angeboten, aber kein einziger kam an diesen ran. Zwei Wochen wurde dir von den Besten der Besten auf die Finger geschaut. Renommierte Köche, Gastwirte, Hotelmanager, selbst hoch angesehene Pagen waren mit dabei. Mit Namen, die schon beim Sprechen auf der Zunge zergingen. Allan Weharm, Susan Katye nur, um zwei der Größten zu nennen.
Der Tag verlief ruhig und ging normal vonstatten. Es gab keine Besonderheiten und ich verabschiedete mich. Sam, der immer noch anwesend war, nickte mir nur zu und widmete sich wieder seinem Telefonat. Eigentlich war er nur eingestellt um meine Finanzen auf Vordermann zu bringen und jetzt? Jetzt konnte ich ihn überall einsetzen. Sei es als Page, sei es als Kellner, Hilfskoch oder keine Ahnung, wo er sonst noch überall einsprang.
***
Ich stieg ins Taxi und ließ mich zum Hotel ‚Grand Two‘ fahren. Als ich ankam, ging ich zur Anmeldung, nannte den Namen und lächelte das hübsche Mädchen an. Irgendwie fiel mir auf, dass das Hotel ‚Grand Two‘ stetig wechselnde Mitarbeiter hatte. War nur gut für mich, so würden meine häufigen Besuche hier auch weiterhin nicht auffallen.
Das Mädchen gab mir die Schlüssel und war auch noch so freundlich und erklärte mir den Weg. Ich nickte ihr zu und ihre aufkommende Röte blieb mir nicht verborgen.
Vor der Tür angekommen, sperrte ich auf und trat in das Zimmer. Meistens waren die Lichter gedämmt, doch bei ‚Alvin‘ herrschte Festbeleuchtung. Angst vor der Dunkelheit? Ich ging weiter und sah niemanden. Nur hörte ich, wie sich jemand erleichterte, und setzte mich auf einen Stuhl. Stützte meinen Arm auf dem Tisch ab und hielt meinen Kopf mit drei Fingern. Mein kleiner Finger lag ruhig und lasziv auf meinem Mund.
Die Spülung ging und ein etwas untersetzter Mann kam aus dem Bad. Er erschrak, als er mich sah und blickte sich hastig um. Auch das noch. Ein ängstlicher mit Minderwertigkeitskomplexen behafteter Mann stand vor mir. Aber gerade vor denen, musste man sich gut in Acht nehmen. Denn es hieß nicht umsonst ... ‚Stille Wasser sind tief‘.
Na dann!
»Alvin?«, raunte ich verführerisch und schmunzelte leicht. Er nickte.
»Bist du Zeth?« Diese Frage war so was von dämlich. Es sei denn, er hieß wirklich Alvin und hatte neben mir noch jemanden anderes erwartet.
Ich stand auf und trat langsam auf ihn zu. Nicht, dass er noch davon hoppelt, wie ein verschrecktes kleines Karnickel. Dann wäre ich gezwungen gewesen, sein Geld zurückzubuchen. Apropos Karnickel, von denen hatte ich erst einmal genug.
Ich nickte, und auf eine komische, wenngleich freundliche Art leuchteten seine Augen auf. Seine Lippen formten Wörter, aber es kam nur ein sehr heißes ‚so schön‘ heraus. Plötzlich kam Bewegung in ihn und ich konnte es nicht fassen, wie schnell er war.
»Alvin?!«, rief ich ihm hinterher.
»Ich … ich … nur Licht ausmachen!« Ahh, er schämte sich. Noch!
»Nein brauchst du nicht … Lass mich dich sehen.« Beschämt blickte er zwischen mir und dem rettenden Lichtschalter hin und her.
»Aber … ich ...« Ich schüttelte den Kopf und versuchte, auf ihn beruhigend zu wirken.
»Jeder Körper ist auf seine Art ästhetisch, du gefällst mir!« Ich stand vor ihm und strich mit meinen Fingern über seinen Hals und seine Schulter. Sofort reagierte er, er war sehr sensibel. Was wiederum hieß, dass es sehr schnell gehen würde. Es sei denn, ich schaffte es, ihn so weit zu öffnen, dass er sich mir vollkommen hingab. Dann könnte es durchaus sein, dass er sehr befriedigt seinen Heimweg in sein tristes und langweiliges Leben antrat. Was wiederum für mich hieß, ich hatte einen neuen Stammkunden. Vorausgesetzt, er war einer der genug verdiente, um den geforderten Preis zu bezahlen, wenn nicht, dann war dies eine einmalige Sache für ihn und er würde für den Rest seines Lebens von diesem Erlebnis träumen.
Langsam kreiste ich mit den Fingern über seinen Oberarm und sah, wie schwer er atmete. Scheiße war der empfindlich und wenn ich nicht schnell genug war, dass er aus der Hose herauskam, hatte er bald eine komplette Sauerei da drinnen.
Ich hielt inne und trat hinter ihn. Mit geübten Fingern knöpfte ich sein Hemd auf und fand sogleich seine Brustwarzen. Ich strich darüber und er keuchte auf. Ich machte weiter und fand seinen Bauchnabel. Inzwischen keuchte er nicht nur, sein ganzer Körper zuckte bereits. Mit leichter Aufforderung meinerseits führte ich ihn in Richtung des Bettes, trat wieder vor ihn und ging in die Knie. Kurz blickte ich zu ihm hoch und sah, dass er schon jenseits von Gut und Böse war. Ich schmunzelte und doch empfand ich etwas wie Mitleid mit ihm. Er kam wohl nicht oft zum Zug. Aber ich musst mir auch eingestehen, dass jeder, der seine körperliche Empfindsamkeit nicht erfahren würde, er eindeutig etwas verpasste. Dieser Mann hatte sehr viel zu bieten, auch wenn er nicht gerade dem gängigen Schönheitsideal entsprach.
Seine Hose und Shorts hatte ich ihm schnell ausgezogen. Wahrscheinlich fragte er sich jetzt, wie dies geschehen konnte. Ich trat einen Schritt von ihm weg. Nahm seine komplette Haltung in mich auf und fing an, mich selbst auszuziehen. Kurz erwachte er aus seiner Starre und seine Wangen glühten auf. Scharf sog er die Luft ein und ich sah, wie seine Hand zuckte.
»Darf … darf ich dich anfassen.« Ich lächelte ihn an.
»Nur zu!« Ich ging wieder einen Schritt auf ihn zu und pure aufflammende Lust züngelte in seinen Augen.
»So schön …!« Seine Hand hob sich und zögernd fuhr er über meine Brust.
»Du bist so schön!«, murmelte er wieder und ich lächelte ihn leicht an, aber langsam war es genug. Es war zwar schön, solche Worte zu hören, aber ich musste mich nicht gerade anbeten lassen und ergriff die Initiative. Ich drückte ihn an mich heran und fuhr mit der Hand über seinen Rücken. Weiter bis zu seinem Hintern. Fuhr flüchtig durch seine Spalte und er krachte fast zu Boden, als ich seine Rosette berührte. Ich hielt ihn und drückte ihn aufs Bett. Schob mich zwischen seine Beine und beugte mich über ihn. Meine Zunge ging auf Wanderschaft und fand jeden einzelnen Punkt von ihm. Es waren viele und inzwischen war ich überrascht, wie lange er aushalten konnte.
Ich war mir sicher, dass es ihm schwerfiel, sich zurückzuhalten und es wahrscheinlich nur seiner guten Erziehung anzurechnen war, dass er dies überhaupt durchhalten konnte ...
»Fuck - Du Hure, jetzt mach es mir endlich!« Da war er, aber darauf hatte ich nur gewartet und ich flüsterte ihm ins Ohr: »Ja, das werde ich. Aber erst will ich mehr von dir sehen.« Ich drehte seine Nippel, bis er laut aufstöhnte. Mit meinen Händen und Zunge bearbeitete ich ihn weiter und sah, dass die ersten Lusttropfen seine Eichel bedeckten. Ich befeuchtete mir einen Finger im Mund und suchte danach seinem Eingang. Er war in meinem Bann und jetzt konnte ich mit ihm machen, was ich wollte.
Alvin bäumte sich auf, als ich meinen Finger in ihn reindrückte und sofort seinen Lustpunkt erwischte. Ein paar Mal wiederholte ich diese Vorgehensweise und als er unkontrolliert zuckte, packte ich mit der anderen Hand seinen Schwanz. Zog seine Vorhaut zurück und fing an, ihn zu pumpen. Er wurde lauter und ergoss sich. Bevor er wieder klar denken konnte, schwang ich mich auf seinen Bauch und verrieb seinen Saft mit kreisenden Bewegungen.
Allein diese Tatsache und das es in sein Unterbewusstsein drang, machte mir klar, dass sein Schwanz bald wieder Spalier stand, und so war es auch. Er hatte keine Zeit, irgendetwas zu sagen. Ich hatte ihn wieder so weit, stand auf, holte Gleitgel und ein Kondom. Rieb mich damit reichlich ein und stülpte ihm das Kondom über. Setzte mich wieder auf seinen Bauch und fing an ihn von neuem zu wichsen. Er war nicht mehr ganz Herr seiner selbst. Er genoss nur noch. Ich war langsam selbst bereit und richtete seinen Schwanz auf. Sank auf ihn herab und ignorierte den Dehnungsschmerz. Er hatte sehr wenig Ahnung von schwulem Sex, sonst hätte er mich von sich aus darauf vorbereitet. Langsam kam er wieder zu sich und packte meine Hüfte. Er hielt mich fest und stieß in mich hinein.
Ich wusste nicht wie oft. Es war sehr oft, ich hatte ihn falsch eingeschätzt und krallte mich nur noch in seine Schulter, um mehr Halt zu haben. Ignorierte seine nasse Zunge, die gierig über meinen Hals strich. Wich ihm aus, als er mich küssen wollte. Schob seine Hand weg, die sich um meinen Schwanz schließen wollte und ich meinen Schwanz aber stattdessen selbst ergriff. Denn ich wollte nur noch die Erlösung. Ich ritt ihn und meine Bewegungen wurde immer heftiger. Er hatte seine Hemmung total verloren und es war nur noch ein Nehmen. Ich nahm ihn. Er nahm mich und ich kam …
Doch es gab mir keine Befriedigung. Nie gab es mir eine Befriedigung. Ich hatte Orgasmen, viele, mehr als sich ein Mensch je träumen lassen konnte und doch … etwas fehlte. Er fehlte. Tom.
Alvin lag immer noch wie erschlagen auf dem Bett, als ich mich anzog. Langsam richtete er sich auf und ich spürte seinen Blick auf meinem Rücken. Ich schaute über meine Schulter und knöpfte mein Hemd zu.
»Danke!«, hauchte er und ich schmunzelte ihn an. »Ich weiß, es ist dein Job …!« Ich winkte ab.
»Lass gut sein. Du hast meine Nummer. - Ich wünsche dir noch einen schönen Abend. Alvin«, sagte ich, zog mich fertig an und verschwand aus dem Hotel.
Der Abgang war stets der Gleiche. Nach dem Höhepunkt anziehen und verschwinden. Mehr brauchte ich nicht. Nein, wollte ich nicht. Eigentlich wollte ich es überhaupt nicht mehr, aber ich musste.
Alvin. Er war ein schwacher Mensch, der nirgends Anklang fand und so sicher wie das Amen in der Kirche, wusste ich, dass ich ihn das erste Mal und das letzte Mal gesehen hatte.
Er wird mich wahrscheinlich aus seinem Gedächtnis löschen und so tun, als ob es nie stattgefunden hätte. Oder er wird damit prahlen, um einen besseren Stand in seiner verkorksten Welt zu bekommen. Er wird sich zwar immer an Zeth den Callboy erinnern aber nie an mich. Er tat mir leid. Ich tat mir leid.
Ich stieg ins Taxi und ließ mich heimfahren. Dieser Job war getan und meine ganze Aufmerksamkeit galt jetzt dem Hotel und Alvin war vergessen.
***
Daheim angekommen blickte ich auf die Uhr. Eine gute Zeit mit Sascha zu chatten und loggte mich in Skype ein. Klickte seinen Namen an und ging auf Videochat. Ein kleines Fenster erschien und gleich darauf sah ich Sascha und seine Viviane.
»Hey ihr beiden!«
»Vivi schau da ist Onkel Kili!« Ich schmunzelte. Er hatte sich überhaupt nicht verändert. Er war noch immer in seinem Herzen verspielt. Er liebte seine Tochter und ich erinnerte mich daran zurück, wie er geweint hatte, als er mich urplötzlich anrief. Mir sein Herz ausschüttete, weil er nicht mehr weiter wusste. Wie er die letzten Tage der Mutter des Mädchens miterlebt hatte. Es war schwer für ihn. Sehr schwer, ganz besonders als die junge Frau ihn als Vater angegeben hatte. Sascha rang stetig mit sich selbst, wie er es Kyel am besten offenbaren konnte. Natürlich ging es nach hinten los. Seine dunkle Vorahnung hatte Recht behalten, dass Kyel es falsch verstand. Erst als Sascha in die Offensive ging und einen Vaterschaftstest vorwies, der ihn mit keiner Wahrscheinlichkeit als biologischen Vater zeigte, glätteten sich die Wogen und jetzt waren die drei eine glückliche kleine Familie.
»Hey, ich bin ab nächster Woche in Amerika. Ich habe da einen Lehrgang in Gastronomie und Hotelbewirtschaftung und da dachte ich, wir könnten uns ja mal treffen … - wenn ich zwischendurch mal Zeit habe.«
»Warum nur treffen? Wir haben hier viel Platz. Du wohnst bei uns …«
»Sascha ich will …!«
»Das ist schön! Das ist wirklich wunderbar und natürlich wirst du bei uns wohnen!« Das hört sich fast so an, als ob ich darum gebettelt hätte. »Die Kosten für ein Hotel sparst du dir.« Okay, typisch für Sascha und ich fühlte mich überrumpelt, als er es seiner Mutter mitteilte. Sie war anscheinend auch erfreut dies zu hören. Wir unterhielten uns noch etwas und dann verabschiedete ich mich. Ich musste ganz dringend unter die Dusche.
Das warme Wasser war Balsam für meine Haut, nicht nur …
»Warum schon wieder?«, fragte ich ihn, dessen Spitze mir entgegen ragte, flehend. »Du wirst ihn nicht mehr zu spüren bekommen. Genauso wenig wie ich. Also erinnere mich nicht ständig an ihn.« Dennoch kam ich nicht drum rum. Seine Augen, ich konnte sie nicht vergessen. Seine Brust mit den wunderbaren Brustwarzen. Die Erhebung spürte ich immer noch auf meiner Zunge. Selbst nach fast eineinhalb Jahren. Seinen Geschmack, seinen Geruch. Das Gefühl, wie er mich ausfüllte. Kein Mann hatte jemals solch ein Gefühl in mir hervorgebracht. Wir waren eins. In diesem Moment waren wir vollkommen. »Nur noch einmal. Ein letztes Mal gehe ich deiner Forderung nach und dann bitte, bitte nie wieder!«, flüsterte ich zu mir selbst, schloss meine Augen und rief mir diese eine Nacht in meine Erinnerung zurück.
Samtweiche Lippen umschlossen die Meinen. Sein Atem war heiß und ich bekam Gänsehaut. In seinen Augen lag nicht nur Verlangen. Es schien mehr, so hatte ich es mir zumindest eingebildet. Nein, es war der Blick der aufkommenden Liebe. Seine spielerischen Bisse an meinem Hals und Nippeln. Seine warmen Hände, die sanft und fordernd zugleich waren. Ich spürte, wie er in mich eindrang. Mich ausfüllte, mich nahm und mir so viel gab. Seine Zunge kämpfte um die Vorherrschaft, bestimmte den Rhythmus, raubte mir die Sinne. Mehr. Er gab es mir. Er wusste, was ich wollte, was ich brauchte …
Der Orgasmus überkam mich und ich spritzte meine Ladung gegen die Duschwand. Zitternd ließ ich meinen langsam erschlaffenden Schwanz los.
»Warum quälst du mich nur so?« Es brachte nichts. Ich wusste, dass mich dieses Gesicht in den Schlaf verfolgen würde.
***
Am nächsten Tag ging ich den Terminplan, den Sam seit neuesten aufstellte durch und ich krachte fast vom Stuhl. Für den Vormittag war eine Besichtigung mit der Firma, die die Statik des Hotels und den für das Frühjahr angesetzten Umbau noch kontrollieren sollten, terminiert. So schnell? Ich meine, ich hatte gerade erst die Unterschrift bekommen? Doch dann wurde es mir klar. Sam! Er hatte dafür wirklich ein Händchen und brachte in dem letzten Jahr vieles in Schwung.
Ich blätterte den Kalender auf die nächste Woche und schrieb über die ganze Seite »Lehrgang« rein. Auf der nächsten ebenfalls. Sam würde fluchen, wenn er dies zu lesen bekam und mein Teufelchen nickte mit grinsenden Gesicht.
Ein völlig zerzauster und durch den Wind geschossener Mario rannte an mir vorbei. Seine Röte im Gesicht verriet mir, dass Sam ihn wieder einmal nicht gehen lassen hatte, und stieg ins Auto.
»Lach nicht!«, zischte Sam und mir war es gar nicht bewusst gewesen, dass ich grinste.
»Ich lach gar nicht«, flötete ich und blickte Sam hinterher, der sich jetzt wahrscheinlich eine Triade von Mario anhören durfte. Und zwar die ganze Fahrt über zur Uni.
Die Umbaufirma kam und ich führte den Chef durch sämtliche Zimmer, die nicht belegt waren.
»Ich denke, der Aufbau der Zimmer, die im Moment belegt sind, ist in etwa mit den anderen zu vergleichen?«, fragte mich der Mann und ich nickte. Dann verlangte er, das Restaurant zu sehen. Die Küche und die Toiletten. Als der Rundgang im Hotel fertig war, wollte er noch die Außenanlage begutachten. Er notierte sich einige Sachen.
»Der Teich? Wollen Sie ihn zuschütten!« Ich verneinte es.
»Ach ja. Entschuldigung, ich habe es überlesen … Sie wollen eine Brücke über den Teich und einige Außenpassagen sowie einen angelegten Weg … - Nun, da müssen wir im Frühjahr noch einmal vorbeikommen. Es liegt verdammt viel Schnee.« Der letzte Satz war wohl für ihn selbst bestimmt gewesen und wir gingen zurück.
»Herr Ford. Die Elektrik ist veraltet, aber das wissen Sie bereits. Wir haben insgesamt 102 Zimmer. Davon 12 Suiten. 30 Zimmer für den gehobenen Standard und 60 Zimmer für den normalen Bedarf. Eine Minigolfanlage auf dem Dach. Und einen Pool im Keller, sowie vier Saunas. Wie steht es im privaten Bereich? Wenn wir eine neue Elektrik ziehen, dann … - wäre es zum Vorteil, wenn dies gleich mit geschieht.«
»Meine privaten Räume laufen über einen extra Verteiler … - und die Elektrik wurde vor 10 Jahren von meinem Vater erneuert.« Eins der letzten Dinge, die er noch in Auftrag gegeben hatte.
Noch ungelogen zwei Stunden checkten sie das Hotel ab, bis sie sich endlich verabschiedeten. Jetzt hieß es warten, bis der Kostenvoranschlag in den Briefkasten wanderte.
Würde wahrscheinlich nicht allzu lange dauern. Immerhin bekam das gesamte Hotel innen und außen einen kompletten Neuanstrich. Himmel war mir schlecht, wenn ich nur daran dachte. In dieser Zeit hatte ich keine Einnahmen aber die Ausgaben liefen weiter. Drei Monaten minimum waren für den Umbau eingeplant … scheiße so lange ‚Urlaub‘ zu haben, den man sich eigentlich nicht leisten konnte.
Wenn man es überhaupt nicht erwartete, klingelte das Handy und ohne auf das Display zu blicken ging ich ran.
»Hey Zeth … lange nichts mehr gehört!«
»Wer ist dran?«
»Ach komm schon. Ich bin es First ...« In mir gefror alles. Allein dieser Name ... geschockt stand ich da und hatte keine Möglichkeit, mich zu rühren. Mein absoluter Albtraum rief mich an.
»Was willst du?« Versuchte ich kalt rüberzukommen, aber meine Stimme war kratzig, so ausgetrocknet war meine Kehle plötzlich.
»Kilrian! Redet man so mit seinem Mentor?« Ich zuckte zusammen, denn ich hatte vergessen, wie wütend er werden konnte. Nein, ich hatte es nicht vergessen, nur verdrängt.
»Überlege, wer dich so weit gebracht hat.«
»Bitte entschuldige«, sagte ich nun kleinlaut und zitterte vermehrt auf.
»Will ich doch hoffen!« Er wurde ruhiger. »Ich habe gehört, dass du nächste Woche nach Amerika kommst …!« Er hielt inne! »Ich kann es immer noch nicht glauben, das du immer noch um das Hotel kämpfst. Du hast so viel anderes Potential!« Der Sarkasmus, der daraus sprach, jagte mir einen kalten Schauer über den Rücken. Vor allem, er wusste, dass ich auf einen Lehrgang ging, woher nur?
»Ja ich bin nächste Woche in Amerika«, sagte ich nur und schloss meine Augen. »Bitte nicht!«, flehte ich alles in Gedanken an, was mir in den Sinn kam.
»Nun, warum ich anrufe. Stetig höre ich von allen Seiten, wie gut Zeth ist …!«, sprach er und biss mir auf die Lippe. » … Buche ihn und das ganze Blablabla. Hör zu … da ich dich einige Jahre nicht mehr gesehen habe …« mehr vernahm ich nicht mehr ...
***
Es regnete. Ich war durchnässt und immer wieder gingen mir die Vollstreckungsbriefe durch den Sinn. Meine Mutter und meine Geschwister hatten abgelehnt, das Hotel zu übernehmen. Somit kam alles zu mir. Wie sollte ich denn dies alles bewältigen? Hoffnungslosigkeit überwältigte mich und ich blickte zum Himmel. Rief irgendjemand da oben an. Flehte, bis mir das Herz blutete. Ich konnte doch nicht einfach meine Kindheit abschieben. Die Seele, in der mein Vater wohnte. Die Wärme und Geborgenheit, die mich stetig umfing, wenn ich irgendwo in dem Hotel verstecken spielte und Papa mich suchen musste. Jeden Winkel, jedes Eck, selbst jedes Zimmer kannte ich besser als den Inhalt meiner eigenen Hosentasche. Das Hotel war mein Zuhause. Meine Vergangenheit und meine Zukunft.
Keine Ahnung, wie lange ich bereits am Straßenrand stand und gen Himmel starrte. Die ersten Sterne erleuchteten den kommenden Abendhimmel.
»Hey Bursche.« Ich hörte es nicht. Plötzlich wurde ich in ein Auto geschubst und landete hart auf dem Boden. Leicht benommen blickte ich mich um und raffte mich auf.
»Wie viel?« Was? Ich suchte die Herkunft der Stimme. Blickte in ein gepflegt aussehendes Gesicht, nur die Augen waren mir unheimlich. »Ich wiederhole mich nicht gerne, Bursche! Also was verlangst du?«
»Ich verstehe nicht. Was soll das?«, huschte mir die Fragen durch den Verstand. Doch der anfängliche Schock war bald verschwunden und ich verstand die Andeutung dieses Mannes. Es war ihm nicht zu verübeln, denn ich stand am Straßenrand, der den Insidernamen ‚Red Line‘ hatte. Der Nuttenstrich. Bei aufkommender Dunkelheit war das dann nicht mehr nur der Gehsteig, der in die Stadtmitte führte.
Zögerlich sagte ich irgendeine Zahl, welche es war, daran konnte ich mich nicht mehr erinnern. Der Mann lachte los und schlug sich auf die Oberschenkel.
»Bursche irgendwie habe ich das Gefühl, dass dies wohl dein erstes Mal hier ist. Zumal ich dich noch nie gesehen habe …« So kam es, dass ich ins Gespräch mit ‚First‘ kam. Irgendwie und ich wusste auch nicht warum, aber er gab mir ein Gefühl, das ich ihm vertrauen konnte. Ich erzählte ich ihm alles und er hörte mir zu. Nickte bedächtig und beruhigte mich stetig. Dass er was anderes mit mir vorhatte, vergaß ich vollkommen. Ich bekam nicht mit, wie er hin und wieder seine Finger über meinen Körper auf Wanderschaft schickte. Er dann der Meinung war, ich solle aus den nassen Sachen raus, nicht, dass ich mich noch erkälte. Immer mehr zog er mich in seinen Bann, bis ich gänzlich nackt war.
Was er dann mit mir gemacht hatte ... daran wollte ich gar nicht mehr denken und doch, erinnerte ich mich daran, als ob es gerade wieder passierte.
Ich konnte nichts tun und begriff erst, was er mit mir vorhatte, als er mich auf dem Bauch bettete. Meine Beine auseinanderzog und mit dem Finger ziemlich brutal in mich drang. Reflexartig wehrte ich ihn ab und er rief seine Handlanger. Einer packte meine Arme und der andere hob meine Hüfte an. Ohne Vorwarnung drückte er sich in mich. Der Schmerz überrannte mich, doch ich war durch die geübten Griffe der Handlanger fixiert. Als er bis zur Hälfte in mir war, stieß er zu. Ich schrie und sofort hatte ich eine Ohrfeige, die sich gewaschen hatte.
»Halts Maul, sonst stopfe ich dir die Fresse!«, zischte der, der meine Arme festhielt.
»Wenn du ihm noch einmal drohst und ohne meine Erlaubnis ihm eine verpasst, bekommst du es mit mir zutun!«, schnauzte ‚First‘ und stieß in mich.
Mir blieb nichts anderes übrig und ich vergrub meinen Kopf in den Sitz. Meine Tränen flossen und ich wimmerte nur noch. Bis ich nur noch sein Keuchen vernahm, während ich die brutalen und immer heftig werdenden Stöße ertragen musste.
Ich flehte jeden und alles in Gedanken an und nannte mich selbst ein Arschloch. Ich war zu leichtsinnig, zu gutgläubig und jetzt bekam ich die Rechnung. Auch wenn ich es nicht wahrhaben wollte, dass ich von diesem Mann gefickt wurde, so erkannte ich, dies war mein Weg. Der einzige Weg um alles, was mir etwas bedeutete, erhalten zu können, zu retten, denn das waren seine Worte.
Selbstmitleid war nie mein Ding und wird es auch nie sein. Der Schmerz war zu ertragen und verschwand, je länger er sich in mir bewegte.
»Nein! Er vergewaltigt mich nicht. Es war nur ein blöder Zufall. Diese Scheiße hast du dir selbst eingebrockt und jetzt steh deinen Mann und ertrage es! Er hat ja gesagt, dass er dir einen Weg zeigt!«, dachte ich, so naiv, wie ich war.
Meine Tränen waren versiegt, meine erotischen Fantasien, die man als halb Erwachsener hatte, übernahmen die Oberhand. Ohne zu überlegen, drückte ich mich ihm entgegen und meine Erektion stellte sich ein. Die Reizströme jagten durch meinen Körper und allmählich empfand ich es nicht mehr als schlimm. Es war angenehm. Es gefiel mir sogar. Eine Überdosis der Hormone. Ich keuchte und stöhnte und forderte nach mehr. Spürte sogar, dass die Hände die mich festhielten, sich lockerten und wir irgendwann alleine waren.
Mein erster Sex war in einem Wagen auf dem Nuttenstrich ... und dies war meine einzige Option, um meinen eigenen Traum aufrecht zu erhalten.
Danach versprach er mir zu helfen, denn ich hätte so viel Potenzial und die Hilfe sah dann so aus.
Die nächsten Wochen schickte er mich auf dem Strich. Musste dreiviertel des Verdienten an ihn abgeben und ihm immer zur Verfügung stehen. Er wollte, dann immer testen, wie weit ich war und was ich dazugelernt hatte. Er war meine erste Anlaufstelle und mein Zuhälter. Es dauerte lange, bis ich mein Selbstbewusstsein wiederfand und das Band zu ihm brach.
First hatte mich auf das Übelste vergewaltigt immer und immer wieder und auch wenn ich mir dieser Tatsache bewusst war, so redete ich mir immer wieder ein, das dies der einzige Weg war. Und diesen Weg ging ich weiter. Nicht auf dem Strich, aber als Callboy.
***
Ich öffnete meine Augen und sah, dass ich wieder in der Gegenwart war. In meiner Gegenwart und dennoch holte mich die Übelkeit der Vergangenheit ein. Mein Magen rumorte und ich hoffte, dieses Gespräch bald beenden zu können.
»-würde es mich freuen, wenn du einen Anstandsbesuch bei mir machen würdest. Ist das nicht so? Kilrian. Ganz besonders, weil ich, dieses Jahr der Sponsor des Lehrgangs bin und ich die Auszeichnung ‚Ticket Golden Eye‘ vergebe.« Mein Flehen wurde nicht erhört.
»Ja First ich werde da sein!«, brachte ich kaum raus und die Galle bahnte sich ihren Weg nach oben, als mir bewusst wurde, dass er mich immer noch in der Hand hatte.
‚First. Wird immer der Mann sein, der als erster mit mir Sex hatte. Immer der Mann sein, der mich in diese Szene eingeführt hat. Immer der Mann sein, der mich alles gelehrt hat. Immer der Mann sein, der gesagt hatte, dass ich viel mehr sei als ein Straßenstricher. Gezeigt hatte unterwürfig zu sein und doch die Oberhand zu behalten. Vor allem gezeigt hatte, wie es ist, wenn man ihn enttäuscht. - Die Narbe auf meinen Hoden war immer noch zu sehen.‘ Er hatte sie mir mit seiner Kubanischen eingebrannt mit der Aussage.
»Du bist das Letzte, was mir je unter den Augen gekommen ist.«
So kam ich zu meinem Pseudonym. Z. Zeth.