„Bist du schon fertig damit, dein Zeug auszuräumen?" neugierig schaute meine Schwester zu mir und grinste dann Sam an. „Er ist unheimlich süß, nicht?" flüsterte sie mir dann zu und ich verschluckte mich vor Lachen an meinem Kartoffelsalat. „Erstens, ja, ich bin fertig. Und zweitens, so unheimlich süß ist er auch wieder nicht, wie du tust!" flüsterte ich zurück.
Wir saßen gerade alle zusammen beim Essen. Also meine Familie und Hillary mit ihrem Sohn Sam. „Es tut mir leid das wir im Moment so wenige sind, aber mein zweiter Sohn Ethan studiert etwas weiter weg und ist noch nicht angekommen. Und mein Mann musste geschäftlich verreisen, er wird erst nächste Woche wieder bei uns sein!" entschuldigte sich Hillary, aber meine Mutter winkte ab.
„Ach was! Dafür müssen sie sich doch nicht entschuldigen! Wir brauchen doch keine vielen Menschen um uns!" sie lachte und nickte bekräftigend, während ich mich Mal wieder in Grund und Boden schämte. „Gut, meine anderen Mitarbeiter kommen meistens erst sehr spät oder gar nicht zum essen. Sie sind noch sehr jung!" Hillary stimmte in das Lachen meiner Mutter mit ein und für einen Augenblick schien es so, als würden sie sich mit ihrem Lachen gegenseitig hochschaukeln.
Dann brach das Lachen ab und es war still im Raum. Verdammt still! Richtig unangenehm, diese Stille, aber man hatte einfach nichts zu bereden! „Naja, und, wie war eigentlich euer Flug?" versuchte Sam das ganze zu retten, aber der Versuch ging in die Hose und ich konnte nur über ihn lachen.
Leider wurde ich danach von allen am Tisch angeschaut, als wäre ich ein Monster. Nicht nett von ihnen! „Gut, danke der Nachfrage. Was arbeitet ihr Mann denn?" versuchte es meine Mutter weit geschickter und es dauerte keine zwanzig Minuten, bis die beiden sich in ein Gespräch über Jobs und den Stress verwickelten.
„Mom, ich geh nach draußen und nehm Dennis und Selina gleich mit!" rettete Sam uns nach einer ewigen Debatte darüber, ob man Stress vom Job bekam, oder es auch aus der Familie kommen konnte, endlich aus den Fängen der bösen Erwachsenen. „Ja, geht aber nicht zu weit weg. Es wird schon langsam dunkel!"
„Wollt ihr?" Sam hatte sich eine selbstgedrehte Zigarette angezündet und hielt sie Selina und mir hin. „Das ist doch bestimmt keine normale Zigarette, oder?" wollte meine Schwester wissen und er schüttelte den Kopf. „Ist Haschisch. Wirklich gutes Zeug, glaubt mir!" er hielt sie uns immer noch entgegen und Selina nahm sie schlussendlich auch und zog kurz daran.
„Wow, das ist wirklich nicht schlecht!" bestätigte sie seine Aussage und wollte den Joint an mich weitergeben. „Nein, ich möchte nicht!" lehnte ich ab und gab ihn zurück zu Sam. „Was? Nicht jeder ist so nett und würde einen Joint mit dir teilen? Warum bist du so undankbar?" wollte Selina von mir wissen.
Blödes Mädchen! Es war doch wohl noch meine Entscheidung, ob ich etwas rauchen wollte, oder nicht! „Lass ihn, wenn er nicht will, dann will er nicht!" hielt Sam zu mir und ich schenkte ihm für seine Unterstützung kurz ein schüchternes Lächeln. „Er war mir schon immer suspekt!" flüsterte Selina zu Sam und kicherte dann mit vorgehaltener Hand.
„Keine Sorge, ihr müsst nicht so leise reden. Ich geh in mein Zimmer, da ist es schön gemütlich!" begründete ich meine Entscheidung. Eigentlich wollte ich nicht in mein Zimmer, schon gar nicht war es darin gemütlich, aber es war mir zu blöd, mit Selina zusammen was zu machen. Wir hassten uns und ich hielt das gerne so.
Gab es eigentlich viele Geschwister, die sich hassten? Oder war das in unserer Familie einfach anders? „Hi, ich bin Ethan!" als ich die Tür zu meinem Zimmer öffnete, stand da ein oberkörperfreier Mann und lächelte mich freundlich an. „AH!" schrie ich und rannte so schnell wie möglich zum anderen Ende das Ganges.
„Bin ich denn wirklich so hässlich?" der Mann kam mir nach und zog sich währenddessen das T-Shirt über. Während ich also mit dem Rücken zur Wand direkt neben der Treppe stand, hatte ich den Mund einen Spalt weit geöffnet. „Mund zu, sonst bleibst, Hübscher!" er drückte mein Kinn sanft nach oben.
Noch immer konnte ich nichts sagen. Bei schönen Menschen wurde ich immer so schweigsam. Und dieser Mensch war der schönste, den ich je gesehen hatte! Zwar hatte er eine ziemlich lange Narbe an der linken Wange, welche fast bis zum Auge ging, aber das gab ihm nur einen geheimnisvollen Touch.
„Alles ok? Hast du dir den Kopf gestoßen oder sowas?" er schaute mich besorgt aus seinen dunkeln Augen an. „Dennis." mehr bekam ich nicht heraus.
„Dennis wer?" er zwinkerte mir zu und ich zog die Mundwinkel nach oben. Langsam legte sich der erste Schock wieder. „Dennis ist ein schöner Name!"
„Danke. Warum warst du in meinem Zimmer?" meine Stimme war ziemlich piepsig geworden, als ich ihn das fragte.
„Das selbe könnte ich dich auch fragen! Du hast einfach die Türe zu meinem Zimmer aufgeworfen und ich hätte beinahe einen Ständer bekommen, weil da auf einmal jemand war, der so hübsch ist!" er lachte und klopfte mir auf die Schulter.
Dann schob er sich vorsichtig an mir vorbei. „Ich denke du wolltest dich gerade Bettfertig machen, nicht? Angenehmen Schlaf!" wünschte er mir und ging dann die Treppe nach unten. Nein, ich wollte noch nicht ins Bett gehen, jetzt nicht mehr!
So schnell ich konnte rannte ich wieder die Treppe nach unten und krachte in Ethan, welcher unten stand und sich mit Selina unterhielt. Diese sah allerdings aus, als würde sie mir den tot wünschen, dafür das ich ihren kleinen Plausch unterbrochen hatte. „Du bist aber ein sehr tollpatschiges Kerlchen, oder?" Ethan hielt mir die Hand hin, sodass ich mich an dieser hochziehen konnte.
„Nein, er ist nur ein unglaublich blödes Arschloch!" Selina gab mir eine Ohrfeige und ließ uns dann alleine. „Wow, was für eine Zicke! Tut mir leid für dich, dass du mit der zusammenleben musst!" Ethan lächelte mich entschuldigend an. „Kommst du mit mir was essen?" schlug er vor und ich nickte sofort.
Nein, eigentlich hatte ich keinen Hunger mehr, aber Ethan hatte mir einfach einen Löffel in die Hand gedrückt und auf einem riesigen Teller alles, was vom Abendessen übrig geblieben war, aufgeschichtet. Kartoffelbrei und Bohnen auf der einen, Krautsalat und Käsewürstchenscheiben auf der anderen Seite.
Also aß ich dann doch mit ihm. Wir schwiegen und hörten uns die Country Musik an, welche aus dem Radio ertönte. „Findet ihr diese Stille nicht unangenehm?" Hillary kam in den Raum und gab ihrem Sohn einen Kuss auf die Stirn. „Für mich war es ziemlich angenehm. Aber nur bis du gekommen bist!" antwortete dieser und ich musste lachen.
„Was ist denn so lustig, Dennis?" Hillary legte den Kopf fragend schief und ich musste mich zusammenreißen um nicht wieder laut zu kichern. „Ist schon in Ordnung, ich hatte nur das Bedürfnis zu lachen." gab ich zu und sie nickte. „Wer kennt es nicht, das Bedürfnis zu lachen?" wollte Ethan wissen und schüttelte den Kopf, nachdem seine Mutter aus dem Raum gegangen war.
In dem Moment in welchem die Tür hinter ihr zufiel musste auch er lachen. „Du hast auch gesehen das der Fleck Ketschup auf ihrem T-Shirt aussah wie Italien, oder?" flüsterte er mir zu und ich fing schon wieder an zu lachen. „Ja, wie ist das all den anderen nicht aufgefallen?"
„Hi Ethan, bist spät dran!" ein Mädchen, etwa im Alter von meiner Schwester kam in den Raum und nahm Ethan den Löffel ab, um sich selbst das Essen in den Mund zu schaufeln. „Und du bift?" fragte sie dann an mich gewandt. „Dennis, ich bin mit meiner Familie hier." antwortete ich und sie stöhnte laut auf. „Das Mädchen ist deine Schwester? Hoffentlich bist du nicht so nervig wie sie!"
Sie holte sich einen eigenen Löffel und setzte sich zu uns. „Erzähl mal was von dir Dennis! Siehst wie ein süßer Junge aus." sie zwinkerte mir zu und ich schüttelte den Kopf. „Ach was! Ich bin sowieso schwul, also musst du mir nicht schmeicheln!" erklärte ich und sie lachte.
„Keine Sorge, ich bin vergeben!"
„Seit wann das denn?" Ethan zog seine Augenbrauen nach oben. Schön zu sehen, dass ich nicht der einzige war, der es nicht mit beiden konnte! „Schon länger. Ich wollte es dir nicht sagen, weil du sonst was dagegen unternehmen würdest." sie zuckte entschuldigend mit den Schultern. „Wer ist es?" er sah garnicht begeistert aus.
Eher so, als wüsste er schon im Ansatz, wer es war. „Liam Johnson." gab sie seinen Namen preis. Tatsächlich fand ich den Namen ziemlich schön, aber Ethan schüttelte den Kopf. „Wehe du bekommst ein Kind von ihm, wie seine Ex!" drohte er und sie rollte mit den Augen. „Müssen wir das jetzt vor dem Fremden diskutieren?"
„Stimmt. Dennis, kannst du ganz kurz nach draußen gehen, damit ich sie schlagen kann?" bat Ethan mich und ich nickte natürlich, bevor ich mich schnell aus dem Raum verdünnisierte.
Wieso redete ich nicht mit ihm? Ich hätte viel mehr erzählen und nachfragen müssen! So machte man sich ganz sicher nicht interessant bei den Leuten! „Er ist schon heiß, oder?" schon wieder ein neues Gesicht! Und es lehnte direkt neben mir an der Wand! Vor Schreck hatte ich meinen Kopf beim drehen gegen den Türrahmen geschlagen und musste ihn mir jetzt halten, weil die Stelle angefangen hatte, zu pochen.
„Tut mir leid das ich dich so erschreckt habe!" er sprach mit dem wohl schlimmsten Akzent, den ich jemals gehört hatte und ich schaffte es nur mit Mühe seine Wörter zu entziffern. „Ist schon ok, ich hätte dich sehen müssen." antwortet ich ihm und ließ mich an der Tür hinunterrutschen. „Du siehst müde aus, vielleicht solltest du schlafen gehen?" schlug er mir vor.
Auch er sah nicht unbedingt schlecht aus, aber irgendwie wirkte seine Mimik sehr kalt, etwas unfreundlich. Irgendwie hatte ich Angst davor, mich mit ihm unterhalten zu müssen. „Ja, das ist eine gute Idee!" stimmte ich ihm also zu und stand vom Boden auf, bevor ich mich auf den Weg nach oben machte. „Sag ich doch!"
Meine Augenlieder waren tatsächlich schon sehr schwer, als ich mich in mein Bett fallen ließ. Es war wirklich sehr weich und die Matratze fühlte sich ziemlich neu an. Nicht so wie meine zu Hause, welche schon an einer Stelle so durchgelegen war, dass ich nirgendwo sonst mehr schlafen konnte.
Bis jetzt konnte ich also diese Liste an Dingen vorweisen, die mir in Texas gefielen:
Erstens, die Betten, weil sie so schön weich waren und man darin sicher sehr gut schlief.
Und zweitens die Männer, denn soweit ich das bis jetzt beurteilen konnte, gab es hier nur wahnsinnig schöne, erwachsene Männer. Das war Mal was Neues, im Gegensatz zu denen, die es bei mir in Bayern gab. Aber schön.
So in der Art schrieb ich das auch meiner besten Freundin, auch wenn die SMS wahrscheinlich erst ankommen würde, wenn wir wieder zurück in Deutschland waren, hatte ich versprochen ihr jeden Tag ein Update zu geben.
Sie wäre ja selber gerne mitgekommen, aber der Flug war ihr ein bisschen zu teuer gewesen. Also blieb sie zu Hause und passte auf die Katze ihrer Nachbarin auf.
Und ich lag hier. In Texas in meinem Bett, welches zum Mobiliar eines Ranchhauses gehörte, das mitten im Nirgendwo lag. Sechs Wochen war ich hier gefangen. Denn egal wie schön die Männer waren oder werden würden, der Gedanke daran, meine kostbare Zeit hier zu verschwenden, war unerträglich.