Wie schön es wäre, wenn mein ganzes Leben lang nur Nacht wäre. Dieses Gefühl nach einem langen Tag endlich ins Bett zu fallen ist einfach grandios. Endlich hat das alltägliche Versteckspiel ein Ende und man muss für niemanden mehr anders sein. All der Druck, denn all die eigenen und fremden Erwartungen auf mich ausüben, fällt einfach von mir ab. Die Nacht ist mein Freund, weil die Dunkelheit in meinem Inneren mich nun auch umgibt; mir gar das Gefühl gibt, dass auch ich irgendwo zugehörig bin. Manchmal keimt in diesen Momenten sogar ein bisschen Hoffnung in mir. Vielleicht wird doch irgendwann alles gut, vielleicht gehen all der Stress und all die Belastungen bald vorbei, vielleicht finde auch ich irgendwann meinen Platz im Leben, vielleicht, vielleicht, vielleicht. In Welten der Fantasie sehe ich mich in einer glücklichen Zukunft und an dieses Bild klammere ich mich, so lange es geht, denn für einen kleinen Moment kann ich so mit allem im Reinen sein. Wenn dann aber das Wissen über einen neuen Tag mit neuen Herausforderungen, Problemen und Erwartungen den Weg in mein Bewusstsein schafft, ist der kurze Moment der Harmonie zerstört und macht Platz für andere Gedanken. Vielleicht werde ich morgen wieder versagen. Vielleicht wird morgen alles vorbei sein. Vielleicht ist ja morgen der Tag, an dem es einfach nicht mehr weiter geht. Vielleicht? Sollte man nicht besser von "wahrscheinlich" sprechen? Es ist doch nur noch eine Frage der Zeit, bis ich all die Dinge, die ich mir aufgeladen habe nicht mehr schaffen kann. Zu gerne würde ich es morgen endlich schaffen Prioritäten zu setzen, aber wie immer werde ich allem eine zu hohe Wichtigkeit einräumen und darüber mich selbst vergessen. Und morgen Abend werde ich dann genau wie heute, gestern und vorgestern im Bett liegen und mich in ein anderes Leben träumen. Dieses verdammte Selbstmitleid überkommt mich und ich schäme mich dafür. Ich habe doch alles, was ich brauche und bin doch nicht zufrieden. Woher kommt diese Undankbarkeit? Ich hasse mich dafür so sehr und genieße es gleichzeitig. Die Nacht ist ehrlicher als der verlogene Tag. In der Dunkelheit wird aus Gefühllosigkeit wieder Empfinden und Schwächen werden angenommen statt sie weiter zu verleugen. Mit diesem Gedanken gleite ich in den Schlaf. Wie sehr ich mir wünsche, dass ich morgen einfach nicht mehr aufwache, wie sehr ich mir wünsche, dass von nun an für immer Nacht ist.