Müde schauen trübe, blassblaue Augen zu mir hoch, sind umrahmt von einem feinen Netz aus tief in die fahle Haut eingegrabenen Falten.
Er lächelt leicht vor sich hin, während er entrückt wirkend auf seiner Seite der durchgesessenen, alten Couch sitzt, auf der ich als Kind immer Trampolin gespielt habe. Dies rächt sich nun, die Spitzen der rostigen Sprungfedern schauen in der Mitte aus dem zerschlissenen Stoff und bohren sich bereits teilweise in seinen Oberschenkel.
„Opa?“, frage ich vorsichtig und stelle das Tablett mit dem Kuchen sacht auf den kleinen Beistelltisch.
Das Lächeln auf seinen schmalen Lippen ist selig und doch so steif, während sein wässriger Blick einfach durch mich hindurchgeht und einen Punkt hinter mir fixiert, den nur er sehen kann.
„Alles Gute zum Geburtstag“, versuche ich es weiter und lächle ihn an, sehe mit Schaudern, wie er zusammengesunken dort hockt und nichts weiter mehr ist, als der ausgezehrte Schatten seines einstigen Selbst.
Er hat fast alles vergessen.
Von dem lustigen, stämmigen Mann, der über Jahre hinweg mit so viel Geduld immer und immer wieder versucht hat mir das Pfeifen auf zwei Finger beizubringen, ist nichts mehr geblieben.
Ein schleichender Prozess.
Er kann sich an so vieles nicht mehr erinnern. Meine Eltern und meine ältere Schwester erkennt er nach einer Weile des Überlegens immer noch. Mich nicht mehr.
Es dauert Minuten, bis seine Augen mich endlich fokussieren und ein mir mittlerweile bekannter Ausdruck der Verwunderung tritt auf sein graues Gesicht, während er mit starren Bewegungen nach dem Stück Buttercreme greift. Es ist sein Lieblingskuchen, doch bezweifle ich, dass er das noch weiß.
„Wer sind Sie?“, fragt er stutzig mit dieser seltsam hohen Stimme, die er früher nicht hatte. Er scheint angestrengt zu überlegen.
„Lina, deine Enkelin.“
Erneut beginnt sein Blick zwischen mir und der Wand hin und her zu huschen. Das abwesende Grinsen wird breiter, seine Aufmerksamkeit ist wieder ganz woanders.
Er weiß es einfach nicht mehr.
Dumpf höre ich unten die Haustür zuschlagen und die restliche Verwandtschaft das Treppenhaus betreten.
„Ich werde mal Kaffee machen gehen.“
Es ist, als hätte er mich überhaupt nicht gehört, während er beginnt lustlos in dem Kuchenstück herumzustochern.
Die altersschwache Maschine in der Küche arbeitet rasselnd vor sich hin, sie wurde lange nicht mehr benutzt. Meine Eltern und meine Schwester samt Familie kommen durch den Flur und betreten das kleine Wohnzimmer, begrüßen ihn lautstark und überdeutlich betont.
„Lineken war übrigens eben hier“, höre ich mit einem Mal seine ungewohnt fröhlich klingende Stimme und sie scheint fester geworden zu sein.
„Kann die Kleine jetzt endlich pfeifen?“