Quietschend wie ein Ferkel eilt Talfan an mir vorbei durch den Innenhof einer Katze hinterher, die sich irgendwie ins Anwesen geschlichen hat. Natürlich wird er sie niemals erwischen, so unbeholfen, wie er noch läuft.
Einerseits muss ich lächeln, denn der Junge bringt mich tatsächlich oft zum Lachen und macht Luciana glücklich, andererseits stört er gerade mal wieder eine unserer Unterhaltungen. Sobald er in der Nähe ist, schwenkt ihre Aufmerksamkeit von mir zu ihm, und ich ertappe mich immer wieder, ein wenig eifersüchtig auf ihn zu sein. Nie habe ich Zeit für ein längeres Gespräch mit meiner Frau, da sie schon nach wenigen Wochen darauf bestanden hat, die Amme zu entlassen und sich selbst um ihn zu kümmern.
Seit ihre Enttäuschung, nur ein einziges Kind bekommen zu können, abgeebbt ist, konzentriert sie sich voll und ganz auf ihn. Sie verfolgt selbst die politischen Entwicklungen nicht mehr so genau wie früher, ich überrasche sie mit Neuigkeiten häufiger als sonst, doch ihr Scharfsinn ist ihr glücklicherweise erhalten geblieben, so dass unsere leider viel zu kurzen Gespräche immer noch sehr aufschlussreich sind.
Dafür hat sie ein neues Tätigkeitsfeld entdeckt: ich bin überzeugt, dass niemand so genau Bescheid weiß, welche Familia der Nobleza über Töchter verfügt, die ungefähr in Talfans Alter sind. Sie hat unser Ziel nicht aus den Augen verloren, wie ich anfänglich ein wenig befürchtet hatte, und ist ausgesprochen geschickt darin, sich mit den Frauen dieser Familias über die Kinder zu unterhalten. Sie stellt schon jetzt Verbindungen her, die uns bisher versagt waren, und das nur durch Talfans bloße Existenz. Ihr Plan geht bislang also auf. Meine Befürchtung, sein Tsastag in den Namenlosen Tagen sei ein böses Omen, hat sich bislang nicht bestätigt, den Zwölfen sei Dank.
Als er plötzlich zu weinen beginnt, springt Luciana rasch auf und eilt zu ihm, und ich sitze wieder mal alleine da. Trotz allem kann ich mir ein Lächeln nicht verkneifen. Sie geht völlig auf in ihrer Mutterrolle. Was auch immer der Kleine hat, sie ist als Erste zur Stelle, tröstet ihn, ermutigt ihn oder wiegt ihn in den Schlaf. Ihn zu erziehen sei dann meine Sache, hat sie mir vor einigen Wochen erklärt. Großartig, Dinge verbieten darf ich dann wohl - vermutlich will sie nur seine Zuneigung nicht verspielen. Aber irgendjemand muss es ja tun, ihn die Dinge lehren, die er später benötigen wird, um von der Nobleza akzeptiert zu werden, gewollt und aufgenommen zu werden.
Verwundert schüttle ich mal wieder den Kopf, als ich an seinen ersten Tag auf Dere denke. So geschwächt Luciana auch war, selbst da hat sie ihre Pläne verfolgt und ihm einen passenden Zweitnamen gegeben: ‘Desidero’, was auf Bosparano soviel heißt wie ‘ich begehre’. Sein Name wird ihm immer vor Augen halten, dass er zu Höherem bestimmt ist, dass er sich nicht zufriedengeben sollte mit dem, was er hat.