Bevor Prismin vom Eingangsportal aufbrach, nahm sie ihren Schal und wickelte ihn um den Kopf, um ihre weiß-irisierenden Haare zu verbergen. Falls die vergifteten Pseudonyme noch in der Nähe waren, wollte sie so wenig Aufmerksamkeit wie möglich auf sich lenken.
Prismin überlegte, wo sie mit ihrer Suche beginnen sollte. Acht Zutaten musste sie finden.
Wo sie reinen Feenstaub finden sollte wusste sie noch nicht. Hoffentlich traf sie eine Fee oder eine andere Person, die ihr das geben könnte.
Eine schöne Weihnachtserinnerung – das konnte was werden! Wie definiert man eine schöne Weihnachtserinnerung überhaupt? Wie sieht sie als Zutat aus? In dem Buch hatte nichts dazu gestanden.
Eine Maske würde Prismin problemlos in Masquera finden. Doch was wohl Maskenrauch war? Hoffentlich wusste man das in Masquera, der Stadt der Masken.
Die rote Lebensschimmerblume würde sie im Gebirge finden, dort würde sie zuletzt hingehen, das Gebirge war am weitesten entfernt.
Die Tränen eines verseuchten Pseudonyms könnten ein Problem werden, ganz im Gegensatz zu den Tränen eines gesunden Pseudonyms. Ein Schauer rann Prismin über den Rücken. Hoffentlich gab es nicht noch mehr verseuchte Pseudonyme als die, die sie am heutigen Tag erschaffen hatten!
Das Vulkangestein, von keinem Menschen je berührt, kam Prismin in den Sinn. Damit war ihr Entschluss gefasst – der Vulkan war am nähesten.
Prismin erklomm die Hänge des Vulkans. Die Luft war getränkt von leichtem Schwefelgeruch, würzigen Kräutern und angenehm-schwüler Wärme. Auf dem Weg wurde ihr ein Problem bewusst. Sie hatte keine Ahnung, wie sie erkennen sollte, ob ein Gesteinsbrocken jemals von einem Menschen berührt worden war. Es war wohl an der Zeit, die Geister der Anderswelt um Hilfe und Rat zu bitten.
Prismin setzte sich in einen Haselhain etwas abseits des Weges und begann, zu singen. Der magische Gesang versetzte sie in Trance. Aus den Lederbeuteln an ihrem Gürtel holte sie dreierlei Kräuter, welche sie zerkaute.
Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, doch irgendwann wusste sie, dass es an der Zeit war, aufzubrechen. Prismin schulterte ihren Rucksack und ging zurück zu dem Pfad, die Flanke des Vulkans hinauf. Die Welt sah anders aus. Einige Abschnitte waren dunkler, andere heller, obwohl die tiefstehende Sonne sie gleichmäßig beschien.
Nach einiger Zeit sah sie links von sich eine helle Spur abseits des Hauptweges. Prismin wusste, dass dort kein Pfad war, doch sie folgte der Spur ins unwegsame Gelände. Die Spur begann, matt zu leuchten. Sie wusste, das dies ein Zeichen der Geister war. Hier würde sie finden, was sie suchte.
Als die Sonne schon tief über den Bergen stand, entdeckte Prismin einen hell glühenden Gesteinsbrocken. Eigentlich war er schwarz, doch in ihrem Trance-Blick strahlte er. In dem Moment wusste Prismin, dass dieser kleine Stein der richtige war, von keinem Menschen je berührt. Mit einem Lederbeutel nahm sie den Stein, um ihn nicht selbst zu berühren und dadurch für den Heilzauber unbrauchbar zu machen. Den Lederbeutel verschnürte sie sorgfältig und band ihn fest an ihren Gürtel. Die erste von acht Zutaten hatte sie gefunden.
Die Sonne ging unter; es war an der Zeit, zu schlafen. Prismin war durch den Tag und den Schock über die vergifteten Pseudonyme erschöpft.
Sie suchte sich einen Ort etwas abseits des Weges unter ein paar Haselsträuchern und Buchen. Falls die infizierten Pseudonyme den Vulkan aufsuchten, würden sie sie hier nicht entdecken.
In dieser Nacht fand sich Prismin in einem Visionstraum wieder. Der Traum war verworren; es ging um die acht Zutaten und die Pseudonyme. Prismin wusste nicht alles zu deuten. Doch eines wusste sie: die Geister der Anderswelt schickten sie nach Masquera. Dies wäre auch ihre nächste Station gewesen. Bei Sonnenaufgang machte sie sich beschwingten Schrittes auf den Weg zur Stadt der Masken.