Von ihren Verfolgern hörte Prismin nichts mehr. Nach der Drohung waren sie wohl umgekehrt und nach Masquera zurückgegangen. Inzwischen hatten die Vögel ihre Morgenlieder beendet und die Sonne stieg hinauf.
Prismin sackte schwer atmend auf dem Waldboden zusammen. Schauer schüttelten ihren Körper und Tränen rannen ihre Wangen hinab. Erst jetzt drang in ihr Bewusstsein, in welch großer Gefahr sie sich befunden hatte. Die Pseudonyme hatten sie gezielt angegriffen, vielleicht hätten sie sie sogar getötet.
Der Schmerz an ihrem Arm stellte sich als oberflächlicher Schnitt heraus. Wäre sie nicht in dem Moment losgerannt, wäre der Schnitt viel tiefer gewesen. Vielleicht hatte das Pseudonym sogar höher gezielt, auf ihren Hals. Nicht nur das – ihr eigens Pseudonym hatte sie angegriffen, sich gegen seine Schöpferin gewandt.
Prismin stand auf und schrie ihre Wut und Trauer hinaus. Mit einem Stock schlug sie auf die Bäume ein, die sie umgaben, bis sie wieder zusammensackte. Die Sonne stand hoch am Himmel, leuchtete ungerührt auf die verzweifelte Frau hinab.
Langsam beruhigten sich ihre Gedanken. Sie sollte weitergehen, vielleicht waren die Pseudonyme doch noch hinter ihr, da waren ihr Geschrei und das Schlagen des Stocks ein guter Wegweiser zu ihr.
Erstmal sollte sie wissen, wo sie überhaupt war. Sie erinnerte sich, in welche Richtung sie auf der Hauptstraße von Masquera gelaufen war. Ein Blick in alle Himmelsrichtungen zeigte ihr, wo der Rauch der Vulkane aufstieg und den Himmel eintrübte. Sie war Richtung Gebirge gelaufen, der Ort, wo sie als Letztes auf die Suche hatte gehen wollen, um die rote Lebensschimmerblume zu finden.
Prismin wurde schmerzhaft bewusst, dass sie die Maske verloren hatte und einige Zutaten noch gar nicht gefunden hatte. Vorsorglich überprüfte sie die Beutel an ihrem Gürtel. Das Vulkangestein war noch da, ebenso der Stechpalmenzweig der Weihnachtserinnerung. Was fehlte, das war der Beutel mit Maskenrauch, nur ein paar abgerissene Lederschnüre waren noch an ihrem Gürtel.
Tränen stiegen in ihre Augen. Den Maskenrauch hatte sie ebenfalls am Morgen verloren! Diese verfluchten Winterdämonen, dass sie die Pseudonyme so vergifteten!
Warum war sie bloß nach Masquera gegangen? Warum hatten die Geister der Anderswelt sie dorthin geführt? Sie hatte Zeit verloren, wurde verfolgt, verletzt, bestohlen und nach Masquera zurückzukehren könnte einem Selbstmord gleichkommen!