2) Späte Reue
Mein Flow wird jäh unterbrochen, als eine Stimme zu mir spricht.
„Komm mit!“, sagt sie. Sie kommt aus dem Nichts. Ich liege alleine im Bett. So wie es sein sollte. Ich bin keine von denen, die am ersten Abend für mehr zu haben sind. Die Stimme ist eindeutig männlich, aber ich kann sie keinem Sprecher zuordnen. Ich lasse meinen losgelösten Körper durch alle Ecken und Winkel des Raumes gleiten.
„Was soll das?“ Jetzt klingt die Stimme eindeutig ungeduldig und genervt.
Plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Ich kenne den Sprecher. Aljan, der unglaublich heiße Typ mit den Drogen. Aber ich kann seinen Adoniskörper und das dazugehörige Haupt mit den tiefschwarzen Haaren und den meerblauen Augen nirgends entdecken.
„Ich bin hier“, erklingt es von oben. Ich drehe mich einmal suchend um die eigene Achse. Er kichert. „Hier! Und jetzt komm schon!“
Ich denke gar nicht daran, seinem Befehl zu folgen, aber jetzt erkenne ich das etwa ein Meter große, schwarze Loch, das sich direkt in meinem Ganzkörperspiegel an der Wand geöffnet hat.
Er schwebt abwartend davor. Aber er sieht anders aus als gestern Abend. Noch schöner und überirdischer, falls das überhaupt möglich ist. Trotzdem werde ich nicht folgen. Der Drink, den er mir spendiert hat, war eine ausreichende Kostprobe seiner Machtspielchen. Unwiderstehlich süß und benebelnd, so wie er selbst. Seit ich den ersten Schluck getan habe, fühle ich mich fremd im eigenen Körper. Berauscht. Er muss ein Vermögen mit dieser Droge machen.
„Geh weg!“, zische ich in seine Richtung. Er lacht. „Verschwinde!“, setze ich nach, aber er bleibt.
„Ich gehe erst, wenn du mitkommst!“
Wie stur und beharrlich er sein kann, habe ich auf der Party erlebt. Sonst hätte ich mich nie und nimmer von ihm zu diesem Glas überreden lassen. Aber ich habe meine Lektion gelernt.
Er wird nicht auf mich hören. Also wende ich mich dem Fenster auf der anderen Seite zu und verkrieche mich hinter den bodenlangen Stores. Vielleicht versteht er meine Körpersprache.
„Was soll das?“ Er spricht wie mit einem trotzigen Kind.
„Jetzt komm endlich mit, Dalerana. Du hast es versprochen!“
„Ich habe gar nichts versprochen!“ Die Worte sind gesagt, ehe ich mich bremsen kann. Ich würde mich am liebsten schlagen, weil ich klinge, wie eine patzige Dreijährige, die eigentlich stur und schweigend in ihrer Ecke stehen wollte, bis er genug hatte und verschwunden war. So viel zu meinem Durchhaltevermögen.
Er lacht. Wieso lacht er mich aus und wieso klingt sein tiefes Lachen so verdammt verführerisch? Ich erinnere mich wieder, wie ich auf der Party lauschend an seinen Lippen gehangen, den peinlichsten Mist erzählt habe, nur um ihm diesen Klang zu entlocken.
Und dann fällt mir etwas anderes ein:
„Ich habe dich erwählt, weil du etwas Besonderes bist!“ Seine unglaublich tiefen blauen Augen bohren sich in meine. Ich stehe unbeweglich und lausche seinen Schmeicheleien. „Das habe ich gleich erkannt, als ich dich gesehen habe.“
Wie dumm kann man eigentlich sein? Ich bin schon wieder auf den ältesten Trick der Männerwelt hereingefallen - Komplimente. Aus dem Mund eines hübschen Mannes wirkten sie auf mich wie ein Zauber. Unwiderstehlich, unersättlich. Eine Droge, von der ich nie genug bekommen kann.
Verflucht! Wäre ich doch nie auf diese elendige Party gegangen.
Und dann fällt mir noch etwas ein:
Ich habe ihm tatsächlich ein Versprechen gegeben. Ich habe ihm versprochen, mit ihm die Welt zu retten.
Was auch immer das bedeuten mag. Und was auch immer mich geritten hat, einzuwilligen. Ausgerechnet mich, aber wie es scheint, hänge ich in dieser Sache drin, wie die Fliege im Netz und meine Spinne lauert in der dunklen Ecke und ist nicht bereit, mich entkommen zu lassen.
Ich seufze und mach einen Schritt auf ihn zu.