Willkommen, Reisender, in Wajbaqwinat, dem neuen Land voller Wunder und Gefahren!
Vor bald zweihundert Jahren - die langlebigen unter euch werden sich erinnern - verbreitete sich die Kunde von einem neuen Kontinent, den ein abenteuerlustiger Seefahrer entdeckt hatte. Kalaris Kalaheeri, so hießt der Zwerg aus den fernen Wüsten von Casta, segelte über das Schlangenmeer. Diese aufgewühlte See, so benannt, weil man riesige Seeschlangen in ihren Tiefen vermutete und für das Sinken unzähliger Schiffe verantwortlich machte, trägt ihren Namen schon einige Jahrtausende nurmehr wegen ihrer Form, handelt es sich doch um einen lediglich schmalen Schlauch zwischen der Küste von Dhubayaana und den hochaufragenden Steilklippen der neuen Welt - welche übrigens auch die Schiffe versenkten, deren Untergang fälschlicherweise den Seeschlangen zur Last gelegt wurden.
Kalaris Kalaheeri wagte nun also den Vorstoß in die gefährliche See, immer entlang der Klippen, in denen Seeschwalben und Möwen zuhauf nisteten. Eine von gefährlichen Strömungen durchzogene Bucht öffnete sich ins Fleisch des Kontinents und als er ihre Gefahren umschifft hatte, fand Kalaris an ihrem Ende eine Lücke zwischen den tödlichen Klippen, einen kurzen Strand und einen Eingang: Die Pforte zum Osten! Dahinter fand er ein Land, das seiner Heimat in Casta gleich war, trotz all der Strecken, die hinter ihm lagen: Goldene Dünen unter einem wolkenlosen Himmel, erdrückende Hitze, kreisende Geier. Doch traf er auch auf Wesen, die er nie zuvor erblickt hatte. Eines von diesen fiel ihn an und er überlebte nur, weil er gerettet wurde: Von einem Wajba, einem Tiermenschen dieses fremden Landes, das Kalaris dementsprechend Wajbaqwinat nannte: In der Zunge der Wajba 'Land der Wajba' oder auch 'Wildes Land'.
Während es manchen Bewohnern der Eisenwelt noch immer wie ein Traum scheint, änderten sich die Dinge auf dem Kontinent rasant. Schiffe setzten über und brachten Forscher, Händler und Neugierige, doch bald auch schon solche auf der Flucht vor Armut, dem Gesetz oder dem Hass Anderer. Die Völker der neuen Welt nahmen sie mal freudig auf, jagten sie mal davon und alles schien im Gleichgewicht - bis das Unglück zuschlug. Ganze 150 Jahre nach der ersten Besiedlung breitete sich eine Seuche auf Wajbaqwinat aus. Ein simples Fieber der Dschungel von Dhubayaana richtete auf Wajbaqwinat große Verheerung an. Die Wilden dort waren der Krankheit nicht gewachsen und starben zuhauf. Wir aus der alten Welt jedoch, wir konnten Fieber und Krankheit leicht überwinden. Nun jedoch zeigt sich ein dunkleres Bild: Wajbaqwinat ist leer, streckenweise entvölkert, die Zahl seiner Einwohner dramatisch geschrumpft. Von überallher aus den näheren und ferneren Eisenlanden richten sich Blicke auf die neue Welt, wo Platz wäre für alle, die anderswo kein Zuhause mehr haben. Schiffe stechen in See, ostwärts hin zur neuen Welt drängen die Gemüter.
Ich für meinen Teil sehe dem Strom mit Besorgnis zu. Wer alt wird wie ich, der hat alles schon einmal gesehen. Die Hoffnungen, die Flüchtlinge, die langen Trecks. Krieg steht dräuend am Horizont, dem Rauch eines Waldbrandes gleich. Die nächsten Jahre mögen entscheiden und das Antlitz der neuen Welt formen. Wird Zivilisation die Wilden verdrängen? Sind die Urvölker denn auch, wofür wir sie halten? Was mag sie bringen, diese Zeit des Wandels?
So werde ich, in meiner Funktion als Chronist, nicht einen Zug dieses großen Spiels verpassen. Und hier, auf diesen Seiten des Hyphurions, mag sie zu lesen sein: Die Geschichte von der Eroberung Wajbaqwinarias!