Motoröl. An seinen Händen klebte schwarzes, heißes, klebriges Motoröl. James rannte zum Eimer Wasser, um seine Hände darin zu kühlen.
"Verdammtes Ding, warum ist da auch überall Öl dran?", fluchte er, die Brandblasen an seinen Händen begutachtend. So schlimm waren die Verbrennungen nicht, sie würden wohl innerhalb der nächsten Tage vollends verheilen. Das Wasser war nun pechschwarz, das Öl hatte einen Teppich darauf gebildet. Auf ihm konnte er sein Spiegelbild erkennen. Sogar die Narbe unter seinem Auge war sichtbar. Vor Jahren war ein Kabel an einer seiner Maschinen gerissen und hatte sie ihm verpasst. Seiner Maschinen. Wenn es doch nur Seine wären. Die Anstellung als Mechaniker machte ihm sicherlich Spaß, aber was würde er darum geben, selbst einmal in einer zu sitzen. James drehte sich um. Vor ihm ergab sich ein Bild, das viele andere wohl kaltgelassen hätte. Aber er lebte für diesen Anblick.
"Spitfire", sagte er sich, das Flugzeug begutachtend.
"Supermarine Spitfire, eines Tages, nur wir zwei."
James trat näher an das Flugzeug heran. Die Perfektion in der Fertigung war ein wahres Wunder. Jede Niete saß perfekt, jede Klappe, jedes Zugseil. Es war Kunst. Es war mehr als Kunst. Magie. Wenn sich zwei Tonnen Stahl mit Leichtigkeit in den Himmel erheben, kann nur Zauberei im Spiel sein, wunderschöne Zauberei.
"Na, bist du langsam fertig? Ich will das Baby heute noch ausführen!", ertönte eine Stimme hinter ihm.
"Jawohl, Mr.Wright! Ich muss lediglich noch ein paar Nieten auf ihre Fest..."
"Unsinn! Das Ding ist nagelneu, das fliegt!", erwiderte Oliver Wright, Millionär und Flugzeugenthusiast, mit harschem Ton. Er stieg auf die alte Eisenleiter neben dem Flugzeug, öffnete das Cockpit und nahm platz. Der riesige Hangar, der voll mit verschiedensten Fluggeräten war, ließ den Jäger wie ein Zwerg erscheinen. Motoren dröhnten. Das Knattern wurde durch den großen Raum verstärkt. Die Rotorblätter zerschnitten die Luft, die Spitfire rollte vorwärts. Wright lenkte sie aus dem Hangar hin zum Rollfeld.
"Idiot!", rief James. "Keine Ahnung hast du! Du weißt es ja gar nicht zu würdigen! ICH sollte dieses Ding fliegen, ich sollte sie alle hier fliegen, du hast ja keine Ahnung, wie wunderschön das alles hier ist!"
Er deutete auf all die verschiedenen Flugzeuge im Hangar. Aber Wright war schon weg. Abgehoben gen Himmel, wo er nicht hingehörte. Wie gern wollte James jetzt einfach ein Flugzeug starten und dem Idioten hinterherfliegen. Ihm zeigen, wem der Himmel gehört. Denn Talent als Pilot kann man sich nicht kaufen. Wright war ein schrecklicher Pilot. Er schaute zur Wellblechdecke, dann auf eine P-51 Mustang, die am anderen Ende der Halle stand. Was hielt ihn denn davon ab, einfach zu fliegen? Wright fliegt zu seinem Ferienhaus nach Brighton. Er würde erst in zwei Tagen wiederkommen, er würde gar nicht merken, dass seine Maschinen jemals bewegt wurden. Ohne es zu merken, ging er auf die Jagdmaschine zu. Mit der Hand fuhr er die Seite entlang.
"Einfach tun, nicht nachdenken", dachte er sich, während er über die Klappleiter in das Flugzeug einstieg.
"Einfach... Anlassen..." Er ließ den Motor an, 12 Zylinder schrien vor ihm auf. Es war Musik, ein Sinfonieorchester aus zig Tausenden Teilen, und er war Dirigent. Ganz langsam begann das Orchester zu rollen, nachdem James die Bremsen löste. Die Funkanlage ertönte: "Southampt... bit... kom..."
Es war eher rauschen als eine Durchsage. Der Empfang war äußerst schlecht.
"Bitt... kommen. Luftrau... üb... Southam... gesperr..."
Er schaltete sie aus. Nichts sollte diese Musik stören, die sich ihm ergab. Vor ihm erstreckte sich nun das Rollfeld. Er gab vollen Schub und spürte, wie Kräfte an ihm zerrten, ihn mit Gewalt in seinen Sitz drückten. So war es also, zu fliegen. Schneller und schneller verschwammen die Streifen auf der Startbahn, das Flugzeug rappelte immer stärker. Dann war alles ruhig. Das gleichmäßige Knattern des Motors verhinderte die totale Stille, als sich die P-51 in die Lüfte erhob. Zum ersten mal in seinem noch jungen Leben flog er. James zog den Steuerknüppel zurück, die Maschine stieg nun steil auf, der Horizont verschwand vor ihm. Der blaue Himmel war alles, was sich ihm durch das Cockpitfenster zeigte.
"Ich fliege! Ich fliege!"
James schrie vor Glück. Dieses Gefühl will er nie wieder missen müssen.
"Es ist so leicht!", rief er. Es stimmte, dafür, dass er noch niemals geflogen war, war er ziemlich gut darin. Es war fast intuitiv, als wäre es das Natürlichste auf der Welt. Er sah das Meer vor sich, hinter dem Horizont verborgen musste Frankreich sein. Selbst das Wetter war heute auf seiner Seite, das sonst so stürmische Southampton präsentierte sich heute von seiner besten Seite. Kein Windhauch wehte an diesem Tag.
James schloss die Augen. Er wusste aus dem Gefühl heraus, dass er geradeaus flog. Dieses Gefühl war pures, reines Fliegen. Dieser Moment sollte ewig andauern. Federleicht glitt sein Flugzeug durch die Luft, er ließ sich von ihm tragen. Er vergaß alles, auch Oliver Wright, der wohl nicht begeistert wäre, wenn er wüsste, was gerade mit seiner Maschine gemacht wird. Es war jetzt egal. Es war perfekt.
Ein lauter Knall riss ihn aus seinen Gedanken. Er riss die Augen auf. Flammen schlugen ihm ins Gesicht. Warnleuchten blinkten auf. Der Motor rauchte schwer, blies ihm schwarzen Qualm in die Augen. Das Flugzeug kippte vornüber, fiel fast senkrecht gen Boden. Über ihm sah er eine Maschine der Royal Air Force vorbeifliegen. Hatten sie ihn abgeschossen? Der Höhenmesser zeigte jetzt nur noch 600 Meter. 500 Meter. 400. 300. 200. 100...
Ein Schrei.
Royal Air Force Command Tower, Southampton
Der leitende Offizier blickte durch sein Fernglas. Hinter den Hügeln sah er nun die schwarze Rauchsäule emporsteigen. Er konnte es immernoch nicht fassen. Sein zweiter Offizier betrat den Raum.
"Sir, Abschuss erfolgreich!"
Er fasste sich an die verschwitzte Stirn.
"Unfassbar... ich verstehe es nicht. Wir haben alle Piloten in der Gegend informiert, wir haben sogar per Funk weitergegeben, dass der Luftraum jetzt gesperrt ist. Warum hat er denn nicht auf meine Funkwarnungen reagiert?"