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Nach dem Prompt „Pistazie“ der Gruppe „Crikey!“
Land: Ancaria / Bronzezeit
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Zicu blieb stehen und atmete tief durch. Nun war er also hier. Sein Leben lang, seit er von den Ancarischen Gärten gehört hatte, hatte er davon geträumt, sie einmal mit eigenen Augen zu sehen.
Der süße Duft der Blüten lag in der Luft. Der Wüstenwind strich durch die Kronen der Bäume, über exotische Blüten und Gräser und Zweige mit Früchten. Das neue Jahr hatte gerade erst begonnen, doch an diesem Ort schien immer Sommer zu herrschen. Wasser plätscherte in Rinnen und sprühte von den höheren Ebenen der Gärten. Je tiefer man kam, desto mehr Wasser und Schatten benötigten die Pflanzen. Auf den oberen Ebenen fanden sich Wüstenpflanzen, in tieferen Lagen auch Gewächse ferner Dschungel.
Etana sah ihn mit einem belustigten Lächeln an. "Nicht trödeln, Neuling. Sonst gibt es Ärger!"
Wirklich ernst schien er diese Drohung nicht zu meinen, doch Zicu riss sich trotzdem aus der Betrachtung der Pflanzen los.
Er war nicht als Besucher hier, sondern als Arbeiter. Ein langer Weg lag hinter ihm. Er hatte sein Haus verloren, war im Krieg von seiner Familie getrennt worden, hatte sich lange als Dieb durchschlagen müssen, war verhaftet worden und als Oblate - als Abhängiger - schließlich wieder aufgestiegen, bis er nach zahlreichen Irrungen zu seinem alten Traum gefunden hatte.
Die Ancarischen Gärten waren weit über die Grenzen des Landes hin bekannt. Ein Wunder, eine künstliche Oase, die sich vom Palast Ancarias bis zum Wüstensand erstreckte. Viele Ebenen grüner Pflanzen trotzten der Hitze hier ein Leben ab.
Und nun würde Zicu hier arbeiten. Immerhin wollten die Pflanzen bewässert, geschnitten und geerntet werden. Während Etana ihn in seine neue Arbeit einwies, erschien Zicu die lange Reise, die hinter ihm lag, mit einem Mal halb so schlimm. Alle Mühsal hatte ihn letzten Endes hierher geführt. Und das war nicht schlecht, das war ganz und gar nicht schlecht!
"Hier ist dein Bereich", sagte Etana in diesem Moment, und wies auf einige in unregelmäßigen Abständen blühende Bäumchen. "Die Pistazien!"
Zicu sah sich staunend um und musste sofort an früher denken. Als er noch ein Kind gewesen war, hatte es oft Baklava mit Pistazien gegeben. Er hatte die Süßigkeit geliebt. Das gehörte zu den Dingen, die er wirklich vermisste, standen sie doch für warme Abende im Kreise der Familie und fröhliche Feste in unbeschwerten Zeiten.
Damals hatte er sich nicht gefragt, woher die Nüsse kamen, nun betrachtete er die Früchte der Bäume umso interessierter. Einige Pistazien waren überreif, wie Etana ihm erklärte. Deshalb war Zicu herbeordert worden. Er sollte die liegengebliebene Arbeit übernehmen.
Etana zeigte ihm, wie er die Früchte erntete.
"Die meisten werden geröstet, sie kommen in die Öfen für die Körbe. Aber besonders schöne Früchte legst du dort auf die Steine in die Sonne. Die sind für die Adeligen hier - und wir bekommen auch was ab. In der Sonne getrocknet schmecken die Nüsse viel besser, darauf kannst du dich schon freuen." Etana lächelte. "Aber für einen langen Transport müssen sie anders zubereitet werden."
Auch die Röstkammern zeigte er Zicu, wo die ersten Pistazien auf großen Metallscheiben über Feuern trockneten. Rauch vernebelte die Luft. Zicu musste husten, aber gleichzeitig rief dieser Duft auch gute Erinnerungen wach. Es roch nach Pistazien.
"Das wird viel Arbeit für einen alleine", schloss Etana seine Führung ab. "Ich komme und helfe, so oft ich kann. Und in einigen Wochen soll eine Gruppe Oblaten aus der Westregion eintreffen, sie werden dir zugeteilt. Du kommst doch auch aus dem Westen, oder?"
Zicu, der bei der Erwähnung seiner Heimat aufgesehen hatte, nickte. Der Westen war verheert worden. Dorther kamen nur noch solche, die in Armut gefallen waren.
Wenn seine Eltern überlebt hatten, dann waren sie sicherlich in einer solchen Gruppe ...
"Also, viel Spaß." Etana reichte ihm die Körbe. Zicu lächelte, ehe er sich an die Ernte machte. Es war keine schwierige Arbeit, nur etwas mühsam. Und natürlich würde er die vielen Bäume unmöglich alleine ernten können, ganz zu schweigen davon, die Früchte zu sortieren. Aber er fing einfach an und ging bald völlig in seiner Tätigkeit auf. Ja, jetzt würde alles gut werden, das fühlte er. Er hatte einen sicheren Ort zum wohnen und eine Arbeit, die ihm Spaß machte. Er war in den Gärten seiner Träume angekommen und müsste nie wieder fort. Es war, wie nach einem langen, anstrengenden Tag ein Stück süßes Baklava zu essen. Alle Sorgen waren mit einem Mal vergessen, ausgelöscht von der Süße des Honigs.
Die Zeit der Sorgen war endlich vorbei.