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Nach dem Prompt „Wasserspitzmaus [Tierische Geschichten mit einem Fell voll Luftblasen]“ der Gruppe „Crikey!“
Land: Falys
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"Bist du dir wirklich sicher, Naomi?"
Tadao starrte sie an, als zweifele er ernsthaft an ihrer Zurechnungsfähigkeit, weshalb sie sich die Antwort auch sparte. Wenn er ihr bisher nicht zugehört hatte, würde er es jetzt auch nicht tun.
Entschlossen packte Naomi das Bündel mit den drei Fellbeuteln und trat an den Rand der Klippe. Dort ging es mindestens eine Fuchslänge tief hinunter, vielleicht mehr. Am Boden der Schlucht sprudelte ein wilder Bach, mit weißschäumenden Wellen und spritzenden Tropfen.
Naomi zögerte, und es kam ihr ganz gelegen, dass Tadao ihr Vorderbein ergriff, das freie, in dem sie nicht das Bündel aufgeblähter Felle trug.
"Tu das nicht! Was, wenn du dich verletzt?"
Ein Teil von ihr, der mäusische Teil vielleicht, dem sich beim Anblick der Tiefe der Magen umdrehen wollte, wollte auf ihn hören und zurücktreten. Aber der mutige Teil von Naomi war lauter.
"Ich habe es getestet!", hielt sie ihm entgegen. "Ich habe ein ganzes Bündel Laub hinuntergeworfen. Die Blätterkugel wurde weiter unten angespült, und nicht ein Blatt hatte einen Riss."
"Aber das Wasser ... Blätter müssen nicht atmen!"
"Nun ..." Sie hob eines der rundlichen Fellbündel und drehte sich zu dem Frosch. "Dafür ist der Test ja da!"
Mit diesen Worten und einem breiten Grinsen sprang die junge Spitzmaus nach hinten.
"Naomi!", kreischte Tadao.
Sie fiel. Im Sturz packte sie alle drei Fellbündel und drückte sie eng an sich. Dann landete sie mit einem Platscher im Bach.
Sofort riss die Strömung sie unter Wasser. Naomi hielt die Augen geschlossen und zählte in Gedanken. Sie hatte das alles ausgerechnet, aber weder mit der Kälte noch mit dem Dröhnen des tosenden Wassers gerechnet.
Nachdem sie bis drei gezählt hatte, gab sie dem Brennen in ihren Lungen nach. Sie hob das erste Fellbündel vor ihre spitze Schnauze und öffnete es, um einen Atemzug Luft zu ergattern. Die war in den Fellen eingeschlossen, wie ein umgekehrter Wasserschlauch. Das weiche Fell stammte von einem Maulwurf - einem wilden Maulwurf, keiner Kirba - und war zusätzlich mit abgelegter Schlangenhaut ausgekleidet.
Und es funktionierte! Naomi konnte Luft holen und sich dann weiter vom Wasser herumwirbeln lassen. Sie tastete nach den anderen beiden Fellbündeln. Zum Glück hatte sie alle drei an ihren Gürtel gebunden! Doch zu ihrem Erschrecken gab der dritte Beutel unter ihrer Pfote nach. Er leerte sich - das war nicht gut! Würden die anderen beiden bis zum Ende des Bachs reichen?
⁂
Tadao rannte mit weit ausgreifenden Beinen über die Klippen. Seine Füße patschten laut auf den Steinen, während der junge Frosch alles aus seinen langen Beinen herausholte.
Hinter der Schlucht wurde der Bach breiter und floss langsamer durch ein seichtes, sandiges Bett zwischen den Gräsern. Schon von Weitem sah er Naomi, die keuchend und hustend an Land kroch. Ihr Fell war schwarz von Feuchtigkeit, genau wie die Luftbeutel, die sie mitgenommen hatte. Tadao eilte zu ihr und beugte sich über die Maus.
"Geht es dir gut? Bist du verletzt?"
Naomi hustete stärker. Es dauerte eine Weile, bis Tadao merkte, dass sie lachte.
"Naomi?", fragte er unsicher.
"Es klappt!", brachte sie atemlos hervor. "Es funktioniert!"
Er atmete auf, dann schüttelte er den Kopf. "Das sehe ich, dass es funktioniert! Aber das war nicht meine Frage!"
"Die Tauchbeutel klappen! Sie geben sogar mehr Auftrieb, als ich gedacht hatte. Tadao, es war genial! Ich habe sogar Forellen gesehen!"
"Das sind Raubfische", murmelte er besorgt.
"Aber sie fressen ja keine Mäuse!" Naomi setzte sich auf und sah ihn mit strahlenden Augen an. Sie grinste breit. "Und überleg nur, wie lange man mit mehreren dieser Beuteln tauchen kann! Was man alles sehen und finden kann!"