Die junge Frau strich sich eine Strähne ihrer braunen Haare aus dem Gesicht. Ihr Rücken schmerzte, ihre Wirbel schienen übereinander zu reiben. Nie zuvor war sie mit einer Kutsche gereist. Die beschlagenen Hufe knallten auf die Pflastersteine. Die dicht an dicht stehenden Häuserreihen warfen den Lärm zurück, verstärkten ihn. Hatte sie Utrecht bereits laut und unerträglich gefunden, übertrumpfte Amsterdam ihre Erfahrungen um ein Vielfaches. Sie zog die Nase kraus.
„Bald erreichen wir den Hafen.“ Der Arzt sah von dem Schreiben auf, das er in seinen faltigen Händen hielt. Wieso er in seinem Alter die Reise in die Neue Welt wagte, war ihr ein Rätsel. Die Kaufleute, denen das Schiff gehörte und die einigen Auswanderern die Überfahrt in die ehemaligen britischen Kolonien gewährte, hatten ausdrücklich nach ihm verlangt. Andererseits war es für sie eine angenehme Gelegenheit zu reisen. Hatten ihre Schwestern ebensolches Glück? Ihr Magen krampfte, die Sicht verschwamm vor ihren Augen.
„Möchtest du doch lieber hierbleiben? Ich weiß nicht so recht, ob es für dich eine gute Idee ist, die Reise anzutreten.“ Der Mann nahm seine Brille ab, legte sie in seinem Schoss ab. Es war eine Schläfenbrille, veraltet in den Augen des Bürgertums, das bevorzugt auf Zwicker und Monokel zurückgriff. Mit einem leisen Seufzer massierte er seine Schläfen, dort, wo die großen kreisrunden Enden der Bügel ihre Abdrücke hinterlassen hatten.
„Meine Schwestern warten dort auf mich“, antwortete sie nach kurzem Zögern, nicht wissend, ob diesen die Überfahrt gelang. Wo hielten sie sich auf? Waren sie alle bei guter Gesundheit? Krankheiten waren für ihre Art ungefährlich, Menschen waren das größere Problem. Sicherheit gab es nur, solange niemand von ihren Fähigkeiten erfuhr. „Daher werde ich mitkommen.“
„Das freut mich. Ich werde deine Hilfe, dein Wissen über Heilkräuter, während der Reise gebrauchen können.“ Sein Blick nahm einen melancholischen Ausdruck an. Sie roch seine Sorge. Wovor fürchtete er sich? Bevor sie ihn fragen konnte, hielt die Kutsche an.
„Komm, wir sind da.“ Er setzte die Brille wieder auf und verließ das verhasste Gefährt. Salzige Luft wehte zu ihr und sie atmete tief ein. Ihre Reise ging weiter.