Trigger: Schwere Verletzung
Der Matrose stöhnte vor Schmerz. Sein Unterschenkel stand in einem unnatürlichen Winkel zum Rest seines Beines. Dort, wo einst die Kniescheibe war, stachen helle Splitter in der roten klebrigen Flüssigkeit hervor. Der Sturz aus der Takelage forderte seinen Tribut.
Die junge Frau verzog beim nächsten Stöhnen missmutig den Mund. Zweifelnd sah sie vom Arzt zum Verletzten. Amputieren, hatte er gesagt. Der Seemann würde nie wieder seinen Beruf ausüben können. Aller Wahrscheinlichkeit nach auch keinen anderen. Der Tod wäre eine barmherzigere Lösung. Wehmütig dachte sie an ihre Mutter, die den Mann mit Sicherheit hätte heilen können. Niemand wusste so viel über Heilpflanzen und den menschlichen Körper wie sie. Nicht einmal der Arzt, der in seinem kleinen Arztkoffer nach etwas suchte.
„Wo habe ich es nur?“, murmelte er vor sich hin. Abrupt richtete er sich auf und sah die junge Frau an. „Kannst du bitte in unsere Kajüte gehen? Im großen Koffer müsste ein Fläschchen mit Opium sein. Bringe es mir bitte.“ Sie nickte und lief vom Oberdeck die knarzende Holztreppe hinunter. Schnell fand sie das Gesuchte und brachte es ihm. Opium, wie er es nannte. Der getrocknete pulverisierte Milchsaft des Schlafmohns.
„Danke.“ Er sah sie kurz an, als sie ihm die Droge reichte. „Leider habe ich die anderen Bestandteile nicht für ein Schlafschwämmchen. Dann würde er von der Amputation nichts mitbekommen. So kann ich es ihm erst danach als Schmerzmittel verabreichen.“ Schweigend sah sie zu, wie er mit dem Matrosen das Bein abnahm, mitten an Deck, wo seine Kollegen wie gewohnt ihrer Arbeit nachgingen. Menschen waren seltsam, dennoch lauschte sie voller Interesse den Worten des Arztes, wenn er von Heilmethoden in fernen Ländern berichtete.
„Im alten Ägypten, so sagt man, wurde eine Pflanze dem Opium ähnlich verwendet. Sie galt dort als heilig. Der blaue Lotus oder auch Lotos genannt. Ob das stimmt werden wir wohl nie erfahren.“ Der Mann sah von seiner Arbeit hoch, schaute auf die unendlichen Wassermassen, die das Schiff umgaben, und seufzte leise. Die Faszination für alle Arten von Heilverfahren war etwas, das sie an ihm schätzte. Er teilte gern mit ihr sein Wissen, obgleich sie ihm nicht alles verriet, von dem sie wusste.