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Nach dem Prompt „Goldglänzenden Rosenkäfer“ der Gruppe „Crikey!“
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Schweißüberströmt schwang Peyder die Machete, die er aus geborstenem Chitin gefertigt hatte. Der Urwald aus hohem, dunklem Lyzirgras teilte sich nur widerwillig vor ihm. Mit dem Borkenschild schützte er sich vor den scharfen Kanten der Halme, die ringsum zu Boden fielen, und kämpfte sich ächzend weiter.
Es war heiß auf der Kuppe, jenem wilden, erhöhten Flecken im Wiesenland, den noch keine Fee je betreten hatte. Und auch Peyder war belächelt worden, als er angekündigt hatte, hierher zu reisen. Jahrelang hatte man ihn davon abgehalten, bis jetzt ein Schneckenzüchter die Expedition finanziert hatte.
Das Lyzirgras war die Leibspeise der Schnecken und Peyder hatte bereits mehrere wilde Herden grasen gesehen. Doch neue Weidegründe zu erschließen war für ihn nur der Vorwand, um sich einen alten Traum zu erfüllen. Schon seit er ein Schlüpfling gewesen war, hatte er davon geträumt, das Hügelmassiv zu überwinden und die fernen Bäume zu erkunden, die auf der anderen Seite zu sehen waren. Das Abenteuer war ebenso berauschend, wie er es sich erhofft hatte, und so gefährlich, wie alle immer gesagt hatten.
Er hatte urwüchsige Brennnesselwälder gesehen, in deren Schatten Spinnen lauerten, aber auch blühende Disteln. Er war in Gräben vom Regen überrascht worden und hatte einen Großteil seiner Ausrüstung an diebische Ameisen verloren. Sein Grashüpfer war vor einigen Meilen von einer großen Libelle erlegt und gefressen worden, seitdem schlug Peyder sich zu Fuß durch. Er trug zerrissene Grasfasern und hatte seine Flügel mit Schlamm bedeckt, um weniger aufzufallen. Ein dünnes Band hielt sein Haar zurück. Er hatte seine Schulter und einen Fuß notdürftig verbunden und trug ein grimmiges, glückliches Lächeln im Gesicht. Er hatte sich noch nie so lebendig gefühlt wie in dieser unerforschten Wildnis.
Als er ein Geräusch vor sich hörte, ließ Peyder die Machete sinken und ging in die Hocke. Er fasste die Waffe fester und lauschte. Das Sirren und Klappern deutete auf einen Käfer hin. Falls dieser ihn angreifen würde, würde Peyder seine Haut teuer verkaufen. Es wäre nicht die erste Bestie, die er erlegte, und es wäre ihm eine Freude, weitere Fühler als Beweis seiner Abenteuer mit nach Hause zu bringen.
Das leise Knarzen von Chitin kam näher. Dann teilte sich das Gras etwas links von Peyder, als der Käfer vorbeizog.
Doch was für ein Käfer es war! Peyder hielt unwillkürlich den Atem an. Das Tier glänzte in schillerndem Grün, ganz anders als alle Käfer, die er kannte, und es war auch etwas kleiner. Offenbar war das majestätische Biest ungefährlich - oder satt -, denn der Käfer beachtete den Abenteurer nicht, der sich langsam aufrichtete und dem Wesen staunend nachsah.
Das würde ihm zuhause niemand glauben! Eilig zog er eine zusammengerolltes Blatt aus seinem Rucksack, um die Beobachtung darauf mit schnellen Skizzen festzuhalten. Wenn er heute Abend einen Unterschlupf gefunden hätte, würde er seine Schriften weiter ausführen, momentan war es zu riskant, lange irgendwo zu stehen.
Er war sich absolut sicher, dass noch niemand diese Käferart gesehen hatte. Das bedeutete, dass er nun auch ein Entdecker war. Seine Familie würde nichts mehr dagegen sagen können, dass er sich bei seiner Rückkehr der Forschergilde anschloss und weitere Expeditionen in unbekannte Welten unternahm.
Peyders Herz schlug schnell und glücklich vor Vorfreude. Sie hatten ihm immer gesagt, dass die Gefahr eines richtigen Abenteuers ihn von seinem Traum abbringen würde, aber das Gegenteil war der Fall. Das Risiko schreckte ihn nicht, es rief ihn, und dafür, dass er alles überlebte, wurde er fürstlich entlohnt. Dieser Weg war sicherlich nicht für jeden etwas, doch für Peyder war er perfekt.
Illustration von Lyzian: https://ibb.co/8YfBVc8