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Nach dem Prompt „Schwarzhalsige Kamelhalsfliege“ der Gruppe „Crikey!“
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"Ein Sturm zieht auf." Besorgt sah Esmer in den Himmel. Der Wind frischte auf und zerrte an den Blättern, die ihnen als Unterschlupf dienten. "Es wird Regen geben."
Die Blicke der gestandenen Soldaten glitten zu ihren Reittieren. Jeder dachte dasselbe, sodass niemand es aussprechen musste. Die großen Wassertropfen würden den Libellen, Fliegen und Schmetterlingen stark zusetzen.
Sie hatten den Winter unterschätzt, der sie doch noch nicht vollständig aus seinem Griff entlassen hatte.
"Bringt in Sicherheit, was ihr könnt", befahl Esmer seinen Leuten. Und, leiser: "Dann müssen wir beten."
Missmutig marschierte Esmer mit dem Rest des Stoßtrupps über den Ast. Der breite, große Zweig hätte eine tolle Basis abgegeben. Er war waagerecht, aber sehr gewunden, sodass sich zahlreiche Holzbuchten auftaten, überschattet von feenhohen Zweigen mit Büscheln von Blättern, die Schutz vor Sonne, Wind und neugierigen Blicken der Großen boten.
Ein perfekter Stützpunkt also für die Feen, die sich in diese Wildnis hinausgewagt hatten, um die fremdartige Welt jenseits der gewaltigen Berge zu erforschen.
Dieser Traum war nun allerdings gründlich zerplatzt. Denn der unzeitgemäße Sturm hatte alle bisherigen Bauten, die meisten Reittiere und einige der Soldaten fortgeweht.
Es war eine vollkommene Katastrophe, denn Esmer wusste nicht, wie er jemals wieder zurückkehren sollte. Ihnen waren nur die langhälsigen Fliegen geblieben, die zwar bequem zu reiten waren, jedoch zu klein, um schwere Lasten zu tragen, und nicht ausdauernd genug, um weite Strecken zu schaffen.
Die Sturmfliegen könnten sie nicht mehr nach Hause tragen. Die Expedition war hier draußen gestrandet, in der Wildnis einer unbekannten Welt. Und Esmer wusste nicht, wie sie überdauern sollten.
"Was sollen wir jetzt tun?", fragte sein zweiter Offizier ihn jedoch. Alis sah hoffnungsvoll zu ihm auf. "Wohin sollen wir gehen?"
Esmer sah sich um, auf der Suche nach einem Hinweis, einem Rat, einem weisenden Sonnenstrahl, und erblickte nur Sturmfliegen, die sich in den Resten des starken Winds an den Stamm schmiegten und nicht rührten.
"Wir bleiben hier", murmelte er. "Wir halten die Stellung und erkunden die nähere Umgebung mithilfe der Fliegen. Vielleicht finden ein paar der Verlorenen zu uns zurück."
Alis sah ihn zweifelnd an. "Wir sollen hier bleiben? Es wimmelt hier nur so von gefräßigen Läusen und Käfern!"
"Wohin sollen wir denn gehen?", fragte Esmer zurück, und damit war die Entscheidung gefallen.
Es wurde ein langes Jahr. Die Feensoldaten arbeiteten hart daran, eine Höhle in das harte Holz des Baumes zu bohren, da ihre Behausungen aus Gräsern und Blättern immer wieder fortgeweht wurden. Das Wetter in dieser neuen, fremden Welt war einfach zu unberechenbar.
Einmal sahen sie einen der Großen, der zu einem nahen Baum ging. Grausige Schläge hallten durch die Luft, und schließlich ... fiel der ganze Baum um. Einfach so, ohne Sturm oder Blitz. Eine große Eiche, die mehreren Städten Platz geboten hätte, war verloren.
Sie mussten sich gegen Käfer wehren, die ihre kleinen Blattlausställe und die behelfsmäßigen Moosfelder angriffen, Nutztiere fraßen und Ernten zertrampelten. Sie mussten sich besonders zu Anfang noch gegen riesige Schneeflocken und zerstörerischen Hagel wehren.
Doch es gab auch frohe Botschaften, etwa als ein kleiner Trupp fortgewehter Soldaten im Sommer zurückkehrte und mit großem Hallo begrüßt wurde. Oder als eine der Sturmfliegen traurigerweise beerdigt werden musste, jedoch wenig später aus einem toten Ast unzählige Nachkommen schlüpften.
Schließlich kehrten einige Späher aufgeregt von einem ganz besonderen Auftrag zurück:
"Wir haben etwas gefunden, Esmer", rief der vorderste. Dann nahm er zur Überraschung aller Haltung an. Da sie davon ausgingen, dass sie nie mehr zurückkehren würden, hatten sie die strenge, militärische Hackordnung aufgegeben, aber nun ... Esmer eilte sofort los.
Es war ein Rindenstück. Wie jenes, das sie überhaupt erst auf diese weite Reise geschickt hatte. Denn solch ein Rindenstück, von unbekanntem Holz, war in ihrem Königreich gelandet, von jenseits der Berge. Und aus dem Holz waren vor vielen Generationen die ersten Sturmfliegen geschlüpft, die seitdem die Herden der Feen bewachten. Nun, da Reittiere, Waffen und Vorräte da gewesen waren, hatte der Herrscher die Expedition losgesandt, um die Herkunft der hilfreichen Fliegen zu erforschen.
Die Expedition, die scheinbar gescheitert war. Doch angesichts der Rinde fasste Esmer - wie auch seiner Männer - wieder Hoffnung.
Wenn die Sturmfliegen es nach Immonita geschafft hatten, dann konnten sie das doch ebenfalls schaffen!
So oft, wie es hier stürmte, war es nur eine Frage der Zeit.
"Männer! Wer von euch möchte nach Hause? Ich denke, wir können einen neuen Spähtrupp losschicken."
Wenn sie es heim schafften, würden sie bald mit neuen Reittieren und besserer Ausrüstung zurückkehren können.
Jubel brandete auf, als mehrere Männer vortraten. Man baute Halterungen für sie und die Ausrüstung, und gab ihnen mehrere Sturmfliegen mit, damit sie Hilfe holen konnten.
Die Rettungsmission kam im Herbst, als die Stürme dieser unwirtlichen Welt wieder heftiger wurden. Eines sonnigen Tages jedoch kehrten die losgeschickten Späher mit einem großen Schwarm Bienen wieder, und die gestrandeten Feen wurden eingesammelt.
"Endlich können wir diesen furchtbaren Ort verlassen", meinte Alis dazu.
Esmer sah auf die Wiesen, die fernen Bäume, die es zu erforschen gab, und er lächelte wehmütig.
"Ein Jammer nur, dass die Sturmfliegen nicht mithalten können. Diese Strecke war schon auf dem Hinweg fast zu viel für sie, und nun müssten sie mit Bienen mithalten."
"Es wird ihnen gut gehen", versicherte Esmer seinem Stellvertreter. "Das hier ist ihre Welt. Es sind Sturmfliegen, sie sind im Sturm zuhause." Und dann sagte er, etwas leiser: "Im nächsten Sommer werde ich kommen und nach ihnen sehen."