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KAPITEL 5
Eine große Chance
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Wie jeden Morgen bin ich eine der ersten im Büro, um mir noch in Ruhe einen Kaffee machen zu können, bevor der Ansturm auf die Kaffeemaschine losgeht. Ich greife nach meiner gefüllten Tasse, gebe einen Schluck Milch hinein und süße meinen Kaffee mit etwas Zucker. Bevor ich den Pausenraum verlasse, greife ich noch nach einer Serviette und schnappe mir noch einen der von mir mitgebrachten Donuts. Ich verschließe die große Packung und nehme dann meinen Kaffee mit. Auf dem Weg zu meinem Schreibtisch begrüße ich Sarah, die mir zuwinkt. Sie tritt gerade aus dem Fahrstuhl.
„Oh, mein Gott, Ilaria. Ich muss dir unbedingt etwas erzählen“, spricht sie aufgeregt. Sie folgt mir sofort. „Du hast etwas verpasst.“
„Was denn?“
„Doug ist gestern gefeuert worden.“
„Doug ist gefeuert worden? Wieso das denn?“, frage ich nach. Diese Nachricht erleichtert mich.
An meinem Schreibtisch angekommen, stelle ich meine Tasse auf einen Untersetzer, direkt neben meine große Glasflasche, die mit Zitronenwasser und Minze gefüllt ist. Ich setze mich auf meinen Stuhl und beiße in meinen glasierten Donut.
„Er konnte wohl seine Hände nicht bei sich behalten. Er hat Diana an den Hintern gefasst. Sie ist natürlich vollkommen ausgeflippt und hat eine Szene gemacht.“
Ich verenge meine Brauen. „Gut für sie“, gebe ich von mir und schalte dann meinen PC ein. „Also nicht, dass er sie angefasst hat, sondern, dass sie sich gewehrt hat. Wie geht es ihr?“
„Sie hat den Rest der Woche frei. Am Montag kommt sie wohl wieder ins Büro.“
„Hast du schon mit ihr gesprochen?“, frage ich interessiert nach. Ich lege meinen Donut ab und verrühre den Zucker in meiner Kaffeetasse.
Sarah wirft ihre Tasche auf ihren Schreibtisch und zieht dann ihren Stuhl zu mir. „Ja, sie meinte, dass Doug sie schon lange immer mit diesem Blick angesehen hat.“
Ich verziehe das Gesicht, weil ich ganz genau weiß, welchen Blick sie meint. „Ja, er ist ein ziemlicher Schleimbeutel“, antworte ich ihr. „Wegen ihm habe ich aufgehört, Röcke und Kleider zur Arbeit zu tragen.“
„Das kannst du ab Montag wieder ungestört machen“, spricht Sarah mir gut zu. „Jedenfalls ist Diana sofort zu HR gegangen und hat sich über sein Verhalten beschwert. Zu überhören und übersehen war es ja nicht, alle haben es mitbekommen.“ Sie nimmt ihren Daumen und Zeigefinger zusammen, um einen kleinen Abstand zu zeigen. „Doug war so klein mit Hut. Du weißt ja, was für große Reden er sonst immer schwingt.“
„Ja, er ist einer der Typen, die denken, dass sie mit ihrem Aussehen machen können, was sie wollen. Unglaublich, dass solche Menschen frei herumlaufen dürfen“, gebe ich angeekelt von mir. „Ich bin immer schnell verschwunden, wenn er in den Kopierraum gekommen ist, als ich alleine war.“ Bei der Erinnerung schüttle ich mich. „Ekelhaft.“
„Ja, der hatte schon diese perverse Ausstrahlung, nicht?“
„Mhm“, stimme ich ihr zu und greife dann nach meiner Tasse. „Will Diana überhaupt zurückkommen? Ich weiß nicht, ob ich mich hier nach so einer Sache wieder wohlfühlen würde.“
„Sie meinte, dass sie am Wochenende darüber nachdenkt.“
„Ich hoffe, dass sie diese Sache schnell wieder verarbeiten kann. Solche Begegnungen können einem ganz schön das Selbstbewusstsein rauben.“
Sarah legt ihre Hand an meinen Oberarm und streichelt mich. „Ja, das ist wahr, aber es hat eine gute Seite. Dein Team hat nun ein Mitglied weniger, das heißt, dass deine Präsentation mehr Aufmerksamkeit bekommen wird. Wenn du das hinbekommst, dann hast du die Möglichkeit, richtig Eindruck zu schinden.“
„Ja, das kann sein.“ Ich logge mich ein und sehe dann wieder Sarah an. „Der Zeitpunkt ist nur ziemlich ungünstig.“
Sarahs Augen weiten sich. „Oh mein Gott, du bist doch nicht schwanger?“, flüstert sie, dabei legt sie eine Hand an meinen Unterarm.
Erst bin ich etwas überrumpelt, doch dann lache ich los. „Oh, um Gottes Willen. Nein, nein, nein. Damit will ich mir noch Zeit lassen.“
„Was ist es denn dann?“, fragt sie nach.
„Matt hat mich gefragt, ob ich meinen Job kündige.“ Ich blicke auf das Foto, das ich von Matt und mir aufgestellt habe. „Er verdient genug Geld und er möchte, dass ich ihn zu seinen Spielen begleite.“
Sarah sieht auf meine durch den Temperaturunterschied beschlagene Glasflasche. Mit ihrem Finger zeichnet sie ein Herzchen. „Weißt du, die Idee würde mich total verlocken.“
„Ja, oder?“, frage ich nach. „Es ist sehr verlockend. Ich könnte jetzt am Pool liegen und einen Cocktail trinken, anstatt hier zu sitzen.“
„Langfristig ist das aber immer so eine Sache. Ohne Einkommen ist man ja immer abhängig. Ihr seid auch nicht verheiratet. Wenn er dich rausschmeißt, was er aber bestimmt nicht machen wird, stehst du alleine, ohne Geld und ohne Job da.“
„Dann würde ich schon wieder auf die Beine kommen. Ich bin sicher, dass ich immer zu meinen Eltern ziehen kann, wenn ich Schwierigkeiten habe“, antworte ich und zucke mit den Schultern. „Denkst du, dass es eine gute Idee wäre, sein Angebot anzunehmen? Ich könnte hier in der Firma aufsteigen, wenn ich einen guten Job mache. Diese Chance werde ich vielleicht nicht so schnell wieder bekommen, oder?“
„Kommt immer darauf an, wie die Chefs ticken“, meint Sarah. „Aber du bist fleißig und clever, das wird dich weit bringen, egal wo du arbeitest.“ Mit einem Lächeln steht sie auf. „Es würde aber sicher nicht schaden, wenn du dir die Zeit nimmst, um zu reisen und dir die Welt anzusehen. Ich würde dazu wahrscheinlich nicht nein sagen.“ Sarah legt ihre Hände an die Rückenlehne ihres Bürosessels und schiebt ihn zurück zu ihrem Tisch. „Fehlen würdest du mir trotzdem.“
Ich lächle und sehe dann auf meine Bildschirme. „Du würdest mir auch fehlen.“
„Dann lad' mich zu einer deiner Poolpartys ein“, antwortet sie amüsiert. „Ich hätte auch nichts gegen einen Wochenendtrip nach Mexico.“
„Ich setze dich auf die VIP-Liste“, antworte ich scherzhaft und beginne dann mit meiner Arbeit, jedoch nicht, ohne noch einmal einen großen Bissen von meinem Donut zu machen.
· • ❀ • ·
Den ganzen Tag habe ich nur eine Frage im Kopf. Immer wieder denke ich über meine Zukunft nach. Es fühlt sich an, als wäre das die schwierigste Entscheidung, die ich jemals treffen musste. Zuhause wasche ich mir mein Gesicht, um mein Makeup zu entfernen und werfe mich anschließend in meine Sportklamotten. An der frischen Luft dehne ich mich ausgiebig. In meinen Ohren schallt meine ‚Good Vibes Playlist‘. Ich verlasse das Grundstück und jogge los. Gedanklich male ich mir verschiedene Zukunftsszenarien aus.
Ich stelle mir vor, wie ich die Karriereleiter hinaufklettere. Meine Präsentation wird ein voller Erfolg und mein Boss nimmt Notiz von mir. Nach und nach bekomme ich immer mehr Verantwortung und größere Aufträge. Ich leiste so gute Arbeit, dass ich zur Teamleiterin befördert werde. Ich darf mein eigenes Team zusammenstellen und bekomme sogar eine eigene Assistentin. Meine Werbekampagnen sind im ganzen Land zu sehen. Matt ist stolz auf mich, doch was noch wichtiger ist, ich bin stolz auf mich und meine Arbeit. Ich habe eine Karriere, die ich mir selbst erkämpft und erarbeitet habe. Nach einem langen Arbeitstag lasse ich mich zu Hause in mein Bett fallen und schließe zufrieden und erfüllt meine Augen.
Ein weiteres Szenario spielt sich in meinem Kopf ab. Ich kündige meinen Job und bleibe erst einmal Zuhause, um mein Leben genießen zu können. Im Sommer mache ich es mir am Pool gemütlich. Ich lasse mich bräunen, schwimme jeden Tag und belohne mich mit neuen Schuhen und Kleidern, die ich dann auf unseren gemeinsamen Reisen tragen werde. Ich begleite Matt in die verschiedenen Städte. Ich mache Sightseeing, fotografiere Sehenswürdigkeiten, esse in verschiedenen Restaurants und genieße die wundervollsten Ausblicke. Ich bin glücklich und entspannt. Auch Matt ist glücklich, dass ich ihn und seine Karriere unterstütze. Ich bin sein größter Glücksbringer. Vielleicht gewinnen die Colts sogar den Superbowl.
Ich werde langsamer und bleibe schließlich stehen. Mein Blick schweift über den See, an dem unser Haus liegt. Ich nehme tiefe Atemzüge. Matt kann mir ein schönes Leben bieten. In diesem Leben hätte ich Möglichkeiten, die ich in einem Vollzeitjob nicht wahrnehmen kann. Ich könnte reisen. Ich müsste keine Überstunden machen. Ich hätte wieder mehr Zeit und könnte wieder einen Yoga-Kurs machen. Ich könnte auch wieder mit Poledance anfangen. Eine sanfte Brise weht mir entgegen. Ich nehme einen weiteren, tiefen Atemzug. Ich könnte alles haben, was ich möchte. Egal, welche Entscheidung ich treffe.
Ich wische mir den Schweiß von der Stirn und presse meine Lippen aneinander. Wenn ich mich dafür entscheide, meinen Job aufzugeben und zu Hause zu bleiben, dann werde ich eine Möglichkeit finden, mich zu beschäftigen. Sobald meine Kreativität mich einnimmt, können die Tage gar nicht lang genug sein. Ich brauche nur eine weiße Leinwand und meine Farben.
Motiviert laufe ich weiter. Matt und ich haben aktuell zwar Probleme im Bett, aber wenn das unser einziges Problem ist und wir sonst glücklich sind, dann muss es auch dafür eine Lösung geben. Es gibt immer eine Lösung und ich finde sie. Er wird mir zuhören und er wird dafür sorgen, dass ich endlich wieder einen gottverdammten Orgasmus bekomme!
· • ❀ • ·
Zuhause nehme ich eine kurze Dusche, um mir den Schweiß von der Haut zu waschen. Vorfreudig schlüpfe ich in einen Bikini und gehe nach draußen. Mein Smartphone lege ich zu dem Handtuch auf meiner Liege. Ich spaziere den Pool entlang und öffne die Garagentür. Nachdem ich das Poollicht angeschaltet habe, betätige ich den Knopf für die automatische Poolabdeckung und verlasse die Garage sofort wieder. Hier drinnen riecht es nach Motoröl.
Kaum habe ich einen freien Blick auf das Wasser, springe ich sofort hinein, um mich zu erfrischen. Ich tauche ein und genieße das kühle Wasser an meinem Körper. Als ich wieder an der Oberfläche bin, sehe ich mich um. Es ist bereits dunkel, doch die Beleuchtung am Haus, die kleinen, bunten Lampions, die ich aufgehängt habe und die Beleuchtung im Pool sorgen dafür, dass es hell genug ist. Ich schwimme eine Länge, als ich plötzlich höre, dass ich einen Anruf bekomme. Nach einem Seufzen tauche ich unter und lege den Weg unter Wasser zurück. Am Rand angekommen, drücke ich mich aus dem Wasser, atme tief durch und setze mich auf die noch warmen Fliesen. Ich wische mir über die Augen und taste mich nach meinem Handtuch vor. Erst trockne ich mein Gesicht, dann greife ich nach meinem Smartphone.
„Hi, Matt“, begrüße ich meinen Freund, ehe ich den Lautsprecher einschalte. „Du bist auf laut, ich bin gerade im Wasser.“
„Hey, Baby“, begrüßt er auch mich. „Schön, dass du dich amüsierst, anstatt zu arbeiten.“
„Ja, es fühlt sich tatsächlich sehr gut an. Aber ich will mich nachher trotzdem noch eine halbe Stunde oder so an meine Präsentation setzen. Ich will gute Arbeit leisten und ich denke, dass ich jetzt eine richtig gute Chance habe, dass meine Idee ausgewählt wird. Doug wurde gefeuert, weil er eine Kollegin belästigt hat.“
Matt ist für einen Moment still. „Der war dir doch sowieso schon unangenehm, nicht? Das war doch der Kerl.“
„Ja, genau“, stimme ich Matt zu. Ich sehe in das Wasser und lasse meine Beine auf und ab gleiten. „Meine Kollegin kommt am Montag wieder ins Büro. Ich hoffe, dass es ihr gutgeht.“
„Es ist schon mal gut, dass sie den Arsch nicht wiedersehen muss.“
„Ja, auf jeden Fall.“ Ich lege mein Smartphone an den Rand und lasse mich wieder ins Wasser sinken. Mit meinen Armen halte ich mich fest, während ich mich im Wasser treiben lasse. „Wie geht es dir? Alles gut beim Training?“
„Klar, der Kopf ist noch unbeschädigt.“
„Das ist gut, den Kopf brauche ich nämlich noch“, antworte ich mit einem Lächeln. „Sorg dafür, dass es so bleibt, ja?“ Ich betrachte das Foto auf dem Bildschirm. Es zeigt Matt und mich bei meiner letzten Geburtstagsfeier. „Du fehlst mir.“
„Du fehlst mir auch. Kommst du vielleicht doch am Wochenende? Ich kann es kaum erwarten, dich wiederzusehen.“
Ich kichere. „Wir haben uns erst gestern gesehen.“
„Trotzdem. Mir fehlt meine hübsche Freundin. Also? Ja oder nein zum Wochenende?“
„Meine Präsentation ist am Mittwoch fällig. Würde es dir etwas ausmachen, wenn wir uns erst nächste Woche am Freitag sehen? Dann springe ich auch sofort nach der Arbeit ins Auto und fahre zu dir.“
„Klar. Aber dann musst du darauf gefasst sein, dass ich dir sofort die Kleider vom Leib reiße und dich ins Bett verschleppe.“
Ich schüttle amüsiert den Kopf. „Du bist so ein Höhlenmensch.“
„Matt lieben Ilaria. Ilaria schöne Frau. Matt wollen Ilaria für immer.“
Ich lache über Matts dämliche Antwort. „Du bist ein Idiot.“
„Aber ich bin dein Idiot.“
„Ja, das bist du.“
„Sag mal, hast du über mein Angebot nachgedacht? Ich will dich nicht drängen, aber mir würde viel daran liegen, dich bei mir zu haben.“
„Ja, um ehrlich zu sein, ist das fast durchgehend in meinem Kopf. Aber die Chance, dass meine Idee umgesetzt wird, ist jetzt zum Greifen nah. Doug war zwar eklig, aber leider auch ein Marketinggenie. Und jetzt hätte ich die Chance, verstehst du?“
„Ja, ich verstehe das. Ich will ja auch, dass du glücklich bist und wenn dich der Job glücklich macht, dann behalt ihn bitte. Ich will dir nichts ausreden, Ilaria. Auch wenn ich sagen muss, dass mir die Zeit mit dir fehlt.“
„Ich weiß“, antworte ich ihm zögerlich. „Es ist aber so eine schwere Entscheidung und ich will keine Chance wegwerfen, nur weil ich gerne am Pool liegen würde.“
„Macht Sinn.“ Matt räuspert sich. Ich höre ein Zischen. Er trinkt wohl etwas. „Weißt du, vielleicht solltest du mein Angebot erst einmal zur Seite schieben. Mach deine Präsentation und entscheide dann.“
„Ja, das ist eine gute Idee“, stimme ich ihm zu. „Aber du wärst nicht böse, wenn ich mich für meine Arbeit entscheide, oder? Mir ist nämlich wichtig, dass du weißt, dass ich dich trotzdem liebe und unterstütze, auch wenn ich nicht bei dir sein kann.“
„Klar. Mach dir darüber keinen Kopf. Das wäre nur das Idealszenario für mich. Weißt du ich hab' auch nachgedacht. War eigentlich blöd von mir, dir den Vorschlag ins Gesicht zu klatschen und dann für ein paar Wochen ins Trainingslager zu verschwinden. Wir konnten kaum darüber sprechen. War echt blöd gewählt der Zeitpunkt. Ich hätte mir für dieses Gespräch mehr Zeit lassen sollen, anstatt es zwischen Tür und Angel zu führen. Sorry, Baby. Ist klar, dass du dich da unter Druck gesetzt fühlst und das solltest du nicht.“
Matts Worte bringen mich zum Lächeln. „Nett, dass du das sagst.“ Ich wische mir über das Gesicht, da ein Wassertropfen über meine Stirn läuft. „Es ändert zwar jetzt nichts mehr an der Situation, aber es ist trotzdem lieb, dass du dich entschuldigt hast.“
„Naja, es tut mir ja auch wirklich leid. Wenn du mich besuchst, können wir wieder darüber reden, bis dahin werde ich dich nicht mehr damit nerven, versprochen.“
„Danke.“
„Aber nimm dir am Wochenende unbedingt Zeit, dich auch zu erholen, ja? Du musst schlafen und du musst Pausen machen. Versprich mir, dass du dich nicht überarbeitest, wenn ich dich nicht nerve.“
Ich kichere. „Nein, ich passe auf mich auf. Ich werde mich jeden Tag eine oder zwei Stunden in die Sonne legen und keinen einzigen Finger rühren, versprochen.“
„Das klingt gut. Hey, falls dir danach ist, ein sexy Selfie in einem knappen Bikini zu machen, und es mir dann zu schicken, würde ich mich nicht beschweren.“
„Du bist unmöglich“, gebe ich amüsiert von mir. „Reden wir morgen wieder? Ich will noch ein wenig schwimmen, dann noch was essen und duschen. Das Bett ruft auch schon nach mir.“
„Klar, selbstverständlich. Du kannst mich auch später noch einmal anrufen, wenn du nicht einschlafen kannst.“
„Danke, Matt. Ich liebe dich.“
„Ich dich auch, Baby. Lass es dir gutgehen.“
„Mache ich. Bye.“
Ich tippe auf das Smartphone und beende den Anruf. Vorsichtig lege ich es wieder auf meine Liege und schwimme dann weiter meine Längen. Für das viele Nachdenken habe ich mir heute ein richtig gutes Abendessen verdient. Vielleicht lasse ich mir eine Pizza und einen Milchshake kommen.
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Während ich mir die Zähne putze, spaziere ich durch meinen Kleiderschrank, der ursprünglich ein Schlafzimmer war. Er ist durch das Badezimmer mit unserem Schlafzimmer verbunden. Ich wähle eine weiße Bluse und einen rosafarbenen, knielangen Rock, dazu einen schmalen Gürtel und eine farblich passende Handtasche. Da ich jetzt keinen widerlichen Blicken mehr entkommen muss, kann ich mich für die Arbeit endlich wieder schick anziehen. Zufrieden mit meiner Outfitwahl, lege ich alles für morgen bereit und gehe anschließend ins Badezimmer. Meine letzte Tätigkeit für heute ist meine abendliche Pflegeroutine und schon falle ich ins Bett.
Bevor ich meine Augen schließe, blicke ich noch einmal auf mein Display. Brooke hat mir eine Nachricht geschrieben, während ich duschen war.
‚Hey, Süße! Am Wochenende steigt eine Party, mein Cousin will seine neue Yacht einweihen. Pro: Es gibt viel Alkohol, gute Musik und einen sexy Barkeeper. Contra: Es ist in Miami. Gib Bescheid, wenn du mitkommen willst! xoxo‘
Ich ziehe eine Braue hoch. Dass ich für eine Wochenendreise nach Miami keine Zeit habe, sollte eigentlich selbsterklärend sein, trotzdem schreibe ich Brooke eine kurze Nachricht, um ihr abzusagen.
‚Hey, Brooke. Danke für die Einladung, aber ich habe leider viel zu viel zu tun. Ein andermal aber sicher gerne.‘
Um die Nachricht etwas freundlicher zu gestalten, schicke ich ihr noch eine Reihe von Emojis. Es ist nett, dass Brooke mich dabeihaben möchte, aber anderseits fühle ich mich auch ein wenig, als würde mir aktuell niemand zuhören wollen. Ja, Partys, Sommer und Sonnenschein sind nett, aber mein Kopf ist aktuell randvoll mit Ideen, Problemen und Entscheidungen, die ich treffen muss. Ich lege mein Smartphone auf meinen Nachttisch und öffne dann meine Nachttischschublade. Ich taste nach meinem rosa Plüsch-Oktopus und ziehe ihn heraus. Auf der Suche nach Trost drücke ich Okti fest an mich. Er war ein Geschenk meiner Grandma. Ich habe ihn bekommen, als ich zwölf war und seitdem begleitet er mich. Er tröstet mich, wenn ich mich alleine fühle.
„Ach, Okti, wieso können Menschen nicht zuhören, hm?“ Ich spiele mit einem seiner langen Tentakel. „Ich weiß ja, dass sie es nicht böse meinen, aber ist es wirklich zu viel verlangt, dass man mir zuhört und auch versteht, was ich sage?“ Natürlich antwortet Okti mir nicht, doch es tut gut, diese Zweifel endlich auszusprechen, anstatt sie in meinem Kopf zu verstecken. „Weißt du, was eine gute Idee wäre? Ich sollte am Wochenende meine Eltern besuchen.“ Ich sehe meinen Plüsch-Oktopus an. „Wenn mir jemand zuhört, dann mein Daddy.“
Um meine Eltern vorzuwarnen, greife ich noch einmal nach meinem Smartphone. Okti bleibt an meiner Schulter liegen, während ich eine Nachricht an meinen Daddy tippe.
‚Hi, Daddy! Ich fühle mich ein wenig einsam. Wäre es in Ordnung, wenn ich das Wochenende bei euch verbringe? Ich muss außerdem dringend mit jemandem sprechen. Mein Kopf ist randvoll und ich weiß nicht, wohin mit meinen Gedanken. Gib mir Bescheid, wenn ihr Zeit für mich habt. Hab euch lieb.‘
Ich lege mein Smartphone wieder weg und nehme einen tiefen Atemzug. Mein Blick ist an die Decke gerichtet. Um eine angenehme Position zum Einschlafen zu haben, drehe ich mich zur Seite und schließe meine Augen. Das Licht an meinem Nachttisch lasse ich brennen. Ich hasse es, im Dunkeln zu schlafen. Mit Licht fühle ich mich sicherer. Ich drücke meinen geliebten Okti an mich und kuschle mich in mein Kissen.