Ich antworte nicht. Der Hall seines Vorwurfs noch im Raum. Zwei Minuten lang schrie er mich an. Ich stehe da, aufrecht und blicke an ihm vorbei an die Zimmerwand. Ein schmutziges weiß. Stillschweigend, und mit leerem Blick schaue ich jetzt ihn an. Die Tränen, die mein Gesicht herabströmen, scheint er nicht zu sehen oder sie sind ihm egal. Es gibt nur ihn, seine Meinung und die Aggressionen die er an mir auslässt. Sein Blick ist irre. Als könne er nicht klar denken, als wäre er von einem Dämonen besessen. Ein Monster, das Besitz von seiner Seele ergriffen hat. Mein Körper ist angespannt und meine Beine zittern. Ich atme zu schnell und jetzt entweicht mir doch ein Schluchzen. Als wäre das eine Bestätigung dafür, dass ich ein Wesen mit weniger Rechten bin, schaut er mit gemeinem Gesichtsausdruck auf seine Hände. Ich sehe, wie er selbstzufrieden denkt, dass er alles richtig gemacht hat. Mit vorwurfsvollem Blick versuche ich ihm zu verstehen zu geben, dass er alles zerstört hat. Mein Leben, unsere Beziehung, unsere Familie. Sagen kann ich nichts, denn in seinen Augen haben Frauen nichts zu melden. Ist er schlecht gelaunt, schaltet er seinen Verstand aus, falls er einen hat; da bin ich mir nicht sicher. Vielleicht hat das Monster seine Seele aufgefressen, alle menschlichen Mitleidsgefühle und jegliches Gerechtigkeitsgefühl aus ihm herausgezogen. Er denkt, dass ich die Schuldige bin. Dass er perfekt ist. Was kann ich tun? Ich kann nichts machen, als ein Pokerface aufzusetzen und ihm wieder einmal Recht zu geben. Anders geht es nicht. Er hat Druckmittel. Er hat die Macht hier und kann mir noch mehr nehmen, kann noch mehr kaputt machen. Im Prinzip kann er mich zerstören, nicht nur mein Inneres, sondern er kann mir auch alle materiellen Freuden nehmen. Schon seit ich ein kleines Mädchen bin, hat er mir Vorwürfe gemacht, gesagt, dass ich nur ihm gehorchen solle, hat mich bestraft, wenn ich seinen Befehlen keinen absoluten Gehorsam leistete. Ich bin so aufgewachsen: wenn du nicht befolgst, was er dir aufträgt, dann läuft in deinem Leben alles noch schlechter. So habe ich gelernt, Worte der Verzweiflung, der Wut herunterzuschlucken und sie alle wieder zum Vorschein kommen zu lassen, wenn ich alleine in der Dunkelheit wartete, bis der erlösende Schlaf mich übermannte. Doch er kam nicht. Stundenlang gingen die Szenarien durch meinen Kopf. Immer wieder. Die Worte, die ich nicht sagen durfte. Die Ungerechtigkeit die jeden Tag über mich regierte. So weinte ich mich in den Schlaf. Und ich schrie zu Gott. Warum habe ich das verdient? Warum ändert er nichts? Ich wischte mir selbst die Tränen aus dem Gesicht, weil niemand davon erfahren durfte. Niemand konnte mir helfen, denn würde man versuchen, ihm Vernunft einzureden... ich habe es schon so oft erfahren, so wurde mir wieder einmal klar gemacht, dass meine Gefühle, meine Meinung, meine Gedanken hier keinen Wert haben und letztendlich doch nur er Recht hat. Und wieder fragte ich Gott, warum er mir keinen Vater gab, der mich liebt. Der mich wertschätzt, mir das Gefühl gibt, dass ich ein Mensch mit Recht auf Würde und Anerkennung habe. Einen Vater , mit dem ich lachen kann, der mich tröstet , wenn ich Probleme habe. Ein Vater, der meine Probleme versteht, der alles daran setzt mich glücklich zu sehen. Ein Vater, der mich in seine Arme nimmt, und mir sagt, dass ich perfekt bin, so wie ich bin.