Rating: P12
Nach dem Prompt „Berghuhn / Große Grabenfrosch [Tierische Piratengeschichten]“ der Gruppe „Crikey!“
--------------------------------------------------------------------------------------------------------------
"Bei allen Göttern!", rief Druskan, als er die Wolken erblickte. Ein Blitz hatte sie für ihre Augen aus der Dunkelheit der Nacht geschnitten. Noch nie zuvor hatte er so etwas erblickt - und seine alte Heimat Kivehara war bekannt für ihren ständigen Regen. Doch dies war wie ein Berg, der in der Luft über dem aufgewühlten Meer hing.
"Käpt'n!"
Shens Ruf holte ihn zurück in die Wirklichkeit. Er merkte, dass er das Steuer losgelassen hatte, und umfasste es eilig wieder.
Shen selbst hing in den Seilen und versuchte, ein peitschendes Tau einzufangen, das sich losgerissen hatte. Die Bergelfe kämpfte mit aller Kraft gegen die Winde an, doch es sah nicht so aus, als könnte sie das Segel noch retten.
Sie mussten sich organisieren. Irgendwie. Ansonsten würden sie nicht überleben.
"Shen!", brüllte er. "Komm da runter!" Er konnte nicht riskieren, dass seine erste Offizierin sich den Hals brach. "Lass die Segel reffen!"
Die Bergelfe kletterte so geschickt herab wie ein Äffchen. Während sie Befehle brüllte, hielt Druskan nach Jakir Ausschau. Der Zwerg kam schließlich in Sicht, wie er pitschnass aus dem Lagerraum kletterte.
Druskan rief ihn zu sich. "Du musst das Steuer übernehmen." Niemand von ihnen konnte so gut segeln wie Jakir.
"Und was machst du? Wir haben Wasser im Bauch, wir müssen ..."
"Ich kümmere mich darum", unterbrach Druskan ihn. "Ich mache das."
Er rannte los, quer über das Deck, und rief seinen Matrosen zu, dass sie die Kanonen losmachen sollten. Ihr Schiff hatte viel Tiefgang, denn sie hatten reiche Beute gemacht. Ihr erster Feldzug als Piraten hatte länger gedauert, als sie alle geplant hatten, denn sie wussten nicht, wo sie ihre Schätze und Reichtümer loswerden sollten. Die kiveharische Marine war ihnen dicht auf der Spur gewesen, also hatten sie davon Abstand genommen, ihre Waren in Vinpalla zu verkaufen. Jetzt befanden sie sich auf der Flucht, ohne Heimathafen.
Es hieß, Kanonen oder Gold. Druskan musste hoffen, dass er diese Entscheidung später nicht bereuen würde. Doch zu viel Blut war geflossen, um diese Schätze zu erwerben. Kanonen konnte man immer neu kaufen, falls sie überhaupt je wieder segeln und kämpfen müssten. Aber das Gold brauchten sie.
Er stürmte in den Bauch des Schiffes und holte einen Eimer, um panisch dabei zu helfen, die Fluten einzudämmen, die durch Löcher im Rumpf hereinsprudelten. Ein paar Seemänner halfen ihm, doch es floss mehr Wasser nach, als sie hinausschaffen konnten. Druskan war gerade wieder unten, um einen weiteren Eimer zu füllen, als ein ohrenbetäubendes Krachen erklang, dessen Erschütterung das ganze Schiff zittern ließ.
Er rannte hinauf auf das Deck und sah mit geweiteten Augen, dass der Hauptmast in Flammen stand, geborsten von einem Blitz. Noch während die beiden Hälften auseinanderfielen, sah er etwas Dunkles von oben herabfallen. Er hob den Kopf, jedoch nicht schnell genug. Etwas schweres traf seine Stirn und alles wurde dunkel.
Dann war es still. Ein schwaches Rauschen erklang, regelmäßig wie der Atemzug eines Schlafenden. Druskan bewegte sich und stellte fest, dass er auf warmem Sand lag. Er blinzelte und erblickte einen Frosch.
"Häh?" Er starrte das Tier an. Es war ein graubrauner Frosch mit einem auffälligen Streifen an der Seite. Druskan hatte so einen noch nie zuvor gesehen.
Er stemmte sich hoch und der Frosch hüpfte mit einem kräftigen Satz davon. Druskan musste die Augen schließen, als dabei Sand aufspritzte, und spuckte winzige Körner aus, die an seiner Zunge hafteten.
Dann stöhnte er, denn als er sich bewegte, jagten Schmerzen durch seinen Rücken.
"Druskan?"
Er drehte den Kopf mühsam und erkannte Shen. "Hallo."
"Geht es dir gut?" Die Elfe kauerte neben ihm. Sie sah aus, als wäre sie vielleicht eine halbe Stunde bei Sinnen. Sie hatte ihr Bein offenbar verbunden, mit Streifen von Palmwedeln.
"Ich glaube, es ist alles noch dran", brummte er und setzte sich nun trotz der Schmerzen auf.
Er sah weißen Sand am Ufer eines grünen, erstaunlich stillen Meeres. Die Wellen rollten regelmäßig heran, die Wipfel der Palmen rauschten im warmen Wind. Im Sand verstreut fand er seine Mannschaft vor, teilweise noch bewusstlos, teilweise auf den Beinen. Jakir lief zwischen ihnen herum und vergewisserte sich, dass alle gesund waren.
Druskan zählte durch und stellte fest, dass niemand zu fehlen schien. Erst dann erblickte er das Schiff - oder besser, die beiden verbliebenen Masten. Sie ragten aus dem Wasser weit vor der Insel.
"Ich schätze, das Schiff wird nicht mehr fahren", murmelte er.
"Definitiv nicht. Und wie es scheint, ist die Insel nicht bewohnt", erklärte Shen. "Wir befinden uns irgendwo im Nirgendwo. Die Nahrung ist größtenteils untergegangen, ein Schiffsbauer ist auch nicht in der Nähe."
"Das kriegen wir schon hin", meinte Druskan. "Wir haben eine Insel. Es gibt hier sicher Tiere oder essbare Pflanzen. Und, nicht zuletzt, Holz. Hauptsache, es geht allen gut."
Shen lächelte. Das eine Auge, das ihr geblieben war, funkelte warm. "Ich schätze, aus diesem Grund bist du unser Kapitän."