Das Leben hat mit dem Wort etwas gemeinsam. Es endet.
Mit eiligen Schritten bog ich in eine Seitengasse ein. Die Sohlen meiner abgetragenen Lederstiefel knirschten wenn ich auf kleine Kieselsteine trat, welche die nassen und rutschigen Pflastersteine besiedelten.
Ein zischendes "Platsch" verriet mir, dass ich gerade in eines der von Schlamm und Unrat besudelten Schlaglöcher getreten war. Ich rümpfte angeekelt meine Nase und schaute genervt an meinen Beinen hinunter. Glibbriger grauer Schlamm war auf meiner durchnässten Stoffhose gelandet. Ich bückte mich hinunter und versuchte, mit meinen von der Bauernarbeit schwieligen Händen, den Schmutz zu entfernen. Mit dem trostlosen Ergebnis, dass ich es nur schlimmer machte. Missmutig stierte ich mit wütendem Blick den düsteren Himmel empor. In starken Strömen schoss der stürmische Regen zur Erde hinab. Eine starke Windböe schlug mir die Kapuze meines Fellmantels vom Kopf und zerzauste wild meine Haare.
In sekundenschnelle war ich eingenässt vom Himmelswasser. Grummelnd setzte ich die Kapuze wieder auf und trottete weiter. Oder vielmehr waren es geschwinde Schritte.
Die Gasse war so eng, dass die rostigen Dachrinnen der Häuser kaum zwei Meter voneinander entfernt waren. Die heruntergekommene Fensterläden der Fachwerkhäuser taten ihr übriges um von der Armut ihrer Bewohner zu zeugen. Das Volk war arm, der Adel reich. Die Elite unterdrückte die Einfachen. Die Dummen wie sie sie nannten.
Erst jetzt wurde mir bewusst wie unvorsichtig es war in eine der Seitengassen zu flüchten. Es gab nur einen Weg, in die Gasse und wieder hinaus. Ich war mir des Risikos nicht bewusst gewesen, habe ohne nachzudenken gehandelt.
Plötzlich erkannte ich, wie sich mit drei Gestalten aus der Zielrichtung näherten.
Ein Anflug der Panik stob in mir auf. Waren sie das? Gehetzt warf ich einen Blick nach hinten. Auch von dort näherten sich eilig drei Gestalten. Sie kamen! Mein Atem wurde heftiger, Angstschweiß nistete sich unter meinen Achseln und an der Stirn ein. Ein salziger Geschmack floss, vermischt mit Regenwasser, zu meinen Lippen runter, bevor einige große Tropfen hinterherklatschten und den Geschmack trübten. Währenddessen hatten die Männer ihren Abstand verringert, waren fast da. Hoffnungslos drängte ich mich an eine Hauswand. Panikartig krallte ich meine Fingern tief in die bröckelige Fassade. Mein Blick verschleierte sich und Erinnerungen meiner Kindheit, meiner Heimat bahnten sich ein letztes Mal ihren Weg durch den Kopf. Stumme Tränen verließen meine Augen, leerten das Gefühlt der Trostlosigkeit. Währenddessen hatten sich die sechs Männer im Halbkreis zur Hauswand, zu mir aufgestellt. Ihre muskulösen Arme ruhten selbstsicher auf den Knäufen ihrer scharfen Waffen. Ein Mann trat aus der Reihe hervor und zog mit eine eleganten Schwung sein Schwert aus der Scheide.
Mein Herz pumpte ununterbrochen das Blut durch den Körper, ich spürte die Kraft und die Schnelligkeit des Pulses. Mein Leben hing am seidenen Faden.
Dann fuhr ein tiefer Schmerz in meine Brust ein. Erstaunt betrachtete ich wehmütig den blanken Stahl der sich sanft aber kraftvoll durch das Fleisch meines Körpers bahnte. Ein Schwall Blut klatschte auf die Pflastersteine und feine rote Schlieren zogen sich quer über die Hausmauer. Der Mann beugte sich kurz vor zu meinem Ohr und flüsterte mir ein letztes Wort ins Ohr, bevor es schwarz um mich wurde und ich vom irdischen Dasein Abschied nahm.
Das Wort war Vergeltung.