Sechs Monate zuvor.
Es war komplett ruhig im Haus. Sandro schlich auf Zehenspitzen nach oben und öffnete langsam Vivians Schlafzimmertür. Das Licht war bereits gelöscht, ihr Atem ging gleichmäßig und sie rührte sich nicht. Nun war der ideale Zeitpunkt gekommen. Sie schlief tief und fest.
Der Liebesdiener stieg wieder die Treppe hinunter, drehte vorsichtig den Haustürschlüssel, der glücklicherweise innen steckte, herum und verschwand in der Dunkelheit. Sandro wusste von seiner ersten Flucht noch, an wen er sich wenden musste um in die Kolonie zurückzukommen.
Zur selben Zeit beobachtete Rick wie Christine mitten in der Nacht aus ihrem Zimmer schlich. Ihn interessierte wo sie hin wollte. Daher wartete er am Treppenabsatz, bis die Hausherrin ihn von unten nicht mehr sehen konnte und lief dann barfuß bis zum Anfang der Stufen hinab. Vorsichtig spähte er um die Ecke, als die kleine zierliche Frau gerade zur Terrassentür hinaus schlüpfte. Zügig durchquerte er das Wohnzimmer und hielt draußen Ausschau nach ihr. Ihr schwarzes wehendes Haar verschwand gerade zwischen den Bäumen des riesigen Gartens. Was zum Teufel suchte sie mitten in der Nacht hier draußen und warum tat sie so geheimnisvoll?
Er schlug denselben Weg ein und kurz darauf erkannte er die Antwort, als er hinter einem Stamm hervor spähte. Ihr ältester Liebesdiener Steve wartete hinter den Büschen auf sie, so dass man sie vom Haus aus nicht sehen konnte. Rick blieb in Deckung und wartete ab.
Christine küsste den Älteren zur Begrüßung, umarmte ihn und sie setzten sich auf eine Gartenbank. Rick musste näher heranschleichen, um ihr Gespräch zu verstehen. Behutsam setzte er einen Fuß vor den anderen, um ja kein Geräusch zu erzeugen und lugte durch die Zweige der Hecke.
„Na, hast du dich ausgetobt mit diesem Neuen?“, fragte Steve.
Sie grinste. „Ja, klar. Aber er geht morgen wieder. Was meinst du? Soll ich ihn behalten?“
„Er ist ganz nett. Wenn wir es uns leisten können.“
Christine schlug vor: „Ich tausche ihn gegen Tom.“
Der Ältere begann ihre Schenkel zu streicheln. „Hast du auch mal Zeit für mich?“
„Ja, jetzt.“, hauchte sie und daraufhin sanken sie ins Gras..
Rick verharrte in seinem Versteck, obwohl er eigentlich nicht zusehen wollte, denn diese Szenen machten ihn eifersüchtig. Warum traf sie sich heimlich mit ihm und warum fragte sie ihn um Erlaubnis? Schon komisch.
Endlich schien der Akt vorbei zu sein. Christine lag noch in Steves Armen und ließ sich streicheln. „Gefalle ich dir noch?“
Er erwiderte belustigt: „Du machst Witze. Natürlich! Durch deine OPs bist du fast noch jünger geworden. Auf jeden Fall nicht älter. Ich frage mich eher, ob ich dir noch gefalle.“
Sie nickte. „Ich liebe dich! Ganz einfach. Dass du das hier alles so gut verkraftest. Die ganzen Liebhaber.“
Steve lächelte. „Das sind doch nur deine Befriediger. Ich bin schließlich dein Mann. Es gehört eben zu deinem jetzigen Leben dazu. Hier musst du die harte Frau mimen und die Fassade wahren. Ich akzeptiere es lieber, bevor wir auffliegen. Manchmal vermisse ich die Männergesellschaft. Aber jetzt leben wir im Reichtum und ich möchte es nicht mehr missen.“
Christine stimmte ihm zu. „Ich auch nicht. Direktorin des Zuchtzentrums ist eben ein prestigeträchtiger Job. Die ganzen gesellschaftlichen Verpflichtungen. Bald muss ich wieder eine Party geben.“
Steve tätschelte ihren Po. „Du machst das schon.“
Rick fragte sich, woher die beiden stammten. Kamen sie etwa aus den Wäldern? Aber warum hatte Steve sich auf so etwas eingelassen?
Plötzlich kam ein Bediensteter in den Garten gelaufen und rief nach Christine. „Ma ‚am, wo sind Sie?“
Das Paar sprang sofort auf und zog schnell die Kleider über. Dann ging die Hausherrin dem Diener entgegen., der ihr schilderte, dass ein Ausbrecher am Tor sei. Sie folgte ihm sofort und solange kehrte Steve zum Haus zurück.
Was hatte das alles zu bedeuten?
Rick wagte sich aus seinem Versteck und schlich zum weißen Einfahrtstor, wo Christine einen großen, schwarzhaarigen Mann am Arm nahm und zum Haus führte.
Rick traute seinen Augen nicht, als sie näher kamen. Der Kerl war Sandro. Der neue Liebesdiener von Alexandra, der Freundin seiner Herrin.
Langsam dämmerte es ihm. Christine schleuste die Ausreißer in die Freiheit und kam bestimmt selbst von dort. War Sandro die Flucht von Alexandra also gelungen. Na ja, er vermisste eben seine Frau und die vier Kinder.
Auf dem Rückweg zur Villa achtete Rick darauf, nicht gesehen zu werden. Christine war mit Sandro bereits im Innern verschwunden und er hörte die beiden reden, als er auf der Treppe zum ersten Stock stand. Sie gingen gerade unten vorbei, während Sandro berichtete, dass er von Vivians Haus aus geflohen sei.
Was? Der Kerl war bei seiner Herrin gewesen? Hatte Alex Sandro etwa ausgeliehen gehabt? Das kränkte Rick jetzt ein wenig. Aber nun gut. Vivian konnte ja tun, was sie wollte.
„Ich bringe dich schnell hier weg, bevor noch die Polizei auftaucht. Komm mit“, sagte Christine. Ihre Schritte entfernten sich und eine Tür schlug zu.
Rick legte die restlichen Stufen zurück und blickte zum Fenster seines Gästezimmers hinaus auf den Hof. Tatsächlich! Kurze Zeit später fuhr Christines Limousine zum Tor. Wo brachte sie Sandro hin?
Das alles musste er für sich behalten. Zu groß war seine Angst vor Christine. Denn sie war sehr einflussreich und könnte ihm irgendwas anhängen. Aber vielleicht war ihm dieses Wissen mal von Nutzen. Doch vorerst würde er zu Vivian zurückgehen. Irgendwie fühlte er sich bei ihr doch am wohlsten. Bei Christine war er einer unter vielen und nur ein „Befriediger“ wie Steve selbst gesagt hatte.
Hatte Vivian schon bemerkt, dass Sandro geflohen war? Hatte der Liebesdiener ihr etwas getan?
Voller Sorge um seine Herrin legte er sich wieder ins Bett. Doch er war im Moment zu aufgewühlt, um zu schlafen.