Zwei Monate ohne dich
Zwei Monate. Ganze zwei Monate. Jetzt sind es genau zwei Monate, die vorbei sind. Denn vor genau zwei Monaten hast du mich verlassen. Seit dem du weg bist, bin ich alleine, kann nicht mehr deine Wärme spüren. Alles in der Wohnung erinnert mich an dich. In der Küche, wo du immer am Esstisch auf das Essen gewartet hast. Im Wohnzimmer auf dem Sofa, wenn wir beide einen gemeinsamen gemütlichen Abend verbracht haben. Und nicht zu vergessen, das Schlafzimmer...
Wir kennen uns noch nicht lange. Genau genommen gerade ein halbes Jahr. Und in diesem halben Jahr hatten wir nur drei Monate. Jeden Tag bist du zu mir in meine Wohnung gekommen. Du hast kaum noch Zeit in deiner eigenen Wohnung verbracht. Jedes mal, wenn ich dich fragte, wieso, antwortest du, das meine Wohnung eine angenehme Wäre ausstrahlen würde und das deine immer so kalt wäre.
Ich kann mich noch an unser erstes Treffen erinnern. An diesem Abend hatte mich mein damaliger bester Freund in eine Bar mitgeschleppt und wollte mich wohl mit einer Freundin von ihm verkuppeln. Aber sehr zu seinen Leidwesen hab ich da nicht mitgespielt. Stattdessen traf ich auf dich. Es war Liebe auf den ersten Blick, wie die Leute es immer so schön sagen. Deine schwarzen Augen haben mich an Anfang an fasziniert und dein Blick hielt mich gefangen.
An diesem einen Tag hast du mir versprochen, das du mich nie mehr alleine lassen würdest. Das du für die Ewigkeit bei mir bleibst und ich mich auf dich verlassen kann.
Nur einmal im Leben trifft man den Menschen, der sein Gegenpart ist. Man sagt, das jeder Mensch eine vollständige Seele besitzt und doch füllen wir uns unvollständig. Und doch findet nicht jeder Mensch seinen Gegenpart. Doch ich hatte das Glück, das ich dich gefunden habe. Denn du bist mein Seelengefährte. Meine zweite Hälfte der Seele. Seit wir zusammen sind, sind wir beide vollständig.
Jeden Tag kann ich mich an dein Versprechen erinnern. Und daran, das du dieses Versprechen nicht halten konntest. Nicht, weil du mich willentlich verlassen wolltest, sondern eher daran, dass irgendjemand oben im Himmel entschieden hat, uns zu trennen.
Ich kann mich noch ganz genau an den Tag vor zwei Monaten erinnern, als sie zu mir kam. Tina. Eine ehemalige Freundin von dir. Sie berichtete mir, dass das Flugzeug, in dem du nach deiner Geschäftsreise zu mir zurückkehren wolltest, abgestürzt ist. In diesem Moment, wo sie mir diese schreckliche Nachricht mitteilte, war ich so geschockt, das ich ihr hinterhältiges Grinsen nicht mitbekommen habe.
Jetzt, in diesem Moment, stehe ich auf den Balkon meiner Wohnung. Nein, unserer Wohnung. Du bist schon längst inoffiziell bei eingezogen. Es ist mitten im Winter und trotzdem stehe ich nur mit leichter Bekleidung auf dem Balkon, und das mitten in der Nacht. Und trotzdem spüre ich die Kälte der Nacht längst nicht mehr. Denn als du gegangen bist, ist auch in mir etwas gestorben. Lebensfreude spüre ich nicht mehr, nichts ist mir noch wichtig. Denn ein Leben ohne dich ist kein Leben mehr. Eher ein trostloses dahinscheiden.
Einst habe ich dir gesagt, das ich dir überallhin folgen werde und du hast nur lachend gemeint, das du mich gerne mitnimmst. Doch hat keiner von uns beiden den Tod berücksichtigt. Auf die Geschäftsreise konnte ich dich nicht begleiten, aber in den Tod werde ich dir folgen. Nie hätte ich geahnt, das ich dieses Versprechen so schnell einlösen werde.
Doch auf einmal reißt mich ein Geräusch aus meinen Gedanken. Jemand hat die Balkontür geöffnet. Aber wer kann das sein? Keiner kann die Wohnung ohne eine Schlüssel betreten. Und seit ich hier wohne, hab ich nur einen einzigen Menschen einen Wohnungsschlüssel gegeben. Ihn.
„Was machst du hier draußen?“, fragt mich eine sehr vertraute Stimme. Langsam drehe ich mich um, dann kann ich ihn sehen. Ja, er ist es. Aber es ist kein Geist. Nein, er ist aus Fleisch und Blut.
„Julian“, meine Stimme ist leise und trotzdem hört er sie. Mein Blick gleitet über seine schlanke Gestalt, über seine straffe, aber mit leichten Muskeln übersäten Brust. Dann in sein Gesicht, wo ein Lächeln es ziert. Und seine Augen, seine schwarze Augen, die mich einfach jedes mal, wenn ich sie sehe, in den Bann ziehen.
„Ja, ich bin es. Ich bin wieder zu Hause.“
„Aber ich dachte, du wärst...“, ich kann es nicht aussprechen. Nicht, nach dem er, wo ich geglaubt habe, das er nicht mehr auf dieser Welt wäre, lebt.
„Das ich Tod wäre?“, fragt er leicht lachend.
„Mein Neveo, ich glaube, ich weiß, wer dir diesen Schrott erzählt hat“, er kommt auf mich zu und umarmt mich. In diesem Moment spüre ich, wie erfroren ich bin.
„Ich hätte dir mehr von Tina erzählen sollen. Seit sie mich kennt, ist sie in mich verliebt. Sie kann nicht akzeptieren, das ich einen anderen Menschen als sie liebe“, erklärt er mir und zieht mich in meine kalte Wohnung. Er packt mich auf das Sofa, legt mir eine Decke um mich und dreht anschließend die Heizung hoch.
„Nie im Leben würde ich dich alleine lassen“, flüstert er in mein Ohr und zieht mich in seine Arme.
„Aber wie kann es sein, das du lebst? Das Flugzeug...“, doch er lässt mich nicht ausreden.
„Ich hab es verpasst, saß mitten in der Stadt in einen Taxi im Stau fest“, antwortet er.
„Schicksal“, flüstere ich leise.
„Ja, das Schicksal wollte wohl, das wir auch weiterhin zusammen sein können.
„Aber wieso kommst du erst jetzt?“, frage ich ihn.
„Ein Schneesturm hat über Wochen den Flugverkehr ausgeschaltet. Ich habe den ersten Flug, den ich nehmen konnte, genommen und bin direkt zu dir gefahren.“