crossingLOVE
Unverhofft liebt oft
Es bedarf einer Menge Unstimmigkeiten, um mich aus der Ruhe zubringen. Etwa einer lauten Auseinandersetzung, oder Handgreiflichkeiten, die in einer Schlägerei enden. Oft sagt man mir nach, ich sei still, in mich gekehrt und der Bewahrer vollkommener Ausgeglichenheit, doch das, was gestern gesehen war, hatte mein Leben auf den Kopf gestellt.
Warum wir, die Absolventen der Durmstrang-Akademie, unser Bulgarien verlassen und uns auf den weiten Weg nach Schottland machen mussten, wusste unser neuer Leiter Vladimir Milost so zu begründen:
Nach dem Krieg zwischen unseresgleichen und den anderen, ist es an uns, ihnen zu beweisen, dass wir helfen werden, all das Böse zu vertilgen und den Frieden wieder aufzubauen.
Nun, da ich bereits vor fünf Jahren meinen Abschluss machte und nun als Referendar für Magische Wesen meine Kenntnisse festigen musste, stand meine Beteiligung für Milost außer Frage, doch dies war nur einer der Gründe, warum ich an dieser Reise teilnahm. Das in heimischen Gefilden ebenso interessante Gestalten umher wandelten, hinderte ihn in keiner Weise daran, mich als Aufpasser für die Meute junger Zauberer zu bestimmen. Dennoch, das Projekt, Hogwarts wieder aufzubauen, stand, trotz aller Begeisterung für magische Gestalten, natürlich im Vordergrund und hatte oberste Priorität.
Nachdem die Vorkehrungen getroffen und wir das hiesige, schwarze Schiff erklommen hatten, das uns nach England brachte, überkamen mich finstere Erinnerungen. Damals, beim Trimagischen Turnier, dass von Hogwarts ausgerichtet wurde und an dem nicht nur wir, von Durmstrang teilnahmen, sondern auch die Studentinnen der französichen Beauxbaton-Akademie, geriet wahrlich alles aus den Fugen.
Nicht drei, sondern vier Teilnehmer gab es, und unser Mann, Viktor Krum, nahm für unser Institut an diesem Spektakel teil. Natürlich hatte auch ich mich daran versucht, meinen Namen in den Feuerkelch zu werfen, doch die Wahl fiel auf Viktor, der in Schlagkraft, Intelligenz und Mut wohl wahrlich besser geeignet war, als meine Wenigkeit. Wenn ich es mir, im Nachhinein, doch recht bedachte, war ich auf absurde Art und Weise froh, dass nicht ich, sondern Viktor an dem Turnier teilnahm.
Wohl niemand hätte gedacht, dass dieses Zusammentreffen der Auftakt für einen Krieg wurde, der unsere Welt beinahe in Stücke riss.
Gut gegen Böse – Hoffnung gegen Verderben – Leben gegen Tod
Um den Frieden zu wahren, machten wir uns also auf den Weg nach England, würden Freundschaften knüpfen, festigen, erhalten und das bewahren, was uns wichtig ist.
Hogwarts, so, wie die meisten meiner Kameraden und ich es noch in Erinnerung hatten, glich einem in Schutt und Asche gelegten Schlachtfeld. Nun, vielleicht neige ich bei dieser Beschreibung zur Übertreibung, doch das imposante Schloss, wie es damals mächtig und stolz dort stand, war zerrüttet, lag in Trümmern. Das Gerüst dieser Stätte war zwar noch auszumachen, doch trotz aller Magie, Zauber, konnte der Großteil der Schule nur mühselig wieder aufgebaut werden. Zu diesem Zweck hatte sich Minerva McGonagll an Milost gewandt mit der Bitte, dass wir unseren Brüdern und Schwestern beim Wiederaufbau behilflich waren.
Die neue/alte Leiterin der Schule wirkte um Jahrzehnte gealtert. Furchen krochen über ihr Gesicht, von ihren faltigen Händen ganz zu schweigen, die ich nur kurz zu Gesicht bekam, als sie Milost und uns freundlich, aber ohne ein Lächeln, empfing. In knappen Worten erläuterte McGonagall, wie weit der Aufbau bereits fortgeschritten sei und gebot uns, ihr in die Große Halle zu folgen, in der die zurückgekehrten Schüler bereits auf uns warteten.
Dass unsere Freunde Verluste zu beklagen hatten, wurde uns mehr und mehr bewusst. Noch immer hörte man vereinzeltes Schluchzen und hier und da erblickte man Tränen, die Wangen hinab flossen. Die Trauer war beinahe ebenso erdrückend, wie erschreckend und schien allgegenwärtig. Diverse Augenpaare beäugten uns skeptisch, fasziniert und feindselig. Doch eines folgte mir mit jedem Schritt, den ich tat. Abrupt schnellte mein Kopf in die Richtung, aus der ich den stechenden Blick vermutete und sah in das Gesicht eines blassen Mädchens, das mich ausgiebig musterte. Sie hatte die Augen eines Adlers, gefährlich, schnell, unbarmherzig und prüfend.
Während McGonagall das Podest erklomm und zu einer Rede ansetzte, wies man uns Plätze auf den Bänken zu, die man vorsorglich bereitgestellt hatte. Wortlos ließen wir uns auf das harte Holz sinken und lauschten den Worten der Hexe, die uns willkommen hieß und ihren Schülern unseren Aufenthalt erklärte.
Gemurmel, gepaart mit Gesten der Zustimmung ließ sich ringsum erkennen. Doch die meisten Gesichter waren mir unbekannt. Der Krieg hatte seinen Tribut gefordert und nur wenige hatten den Mut oder die Erlaubnis, an den Ort des Schreckens zurückzukehren. Und jene Seelen, die ich einst Freunde nannte, waren längst nicht mehr Lernende an dieser Schule. Wir klatschen Beifall, als McGonagall den Mut lobte, das Vertrauen mit Worten zu schätzen wusste und uns Erfolg, bei jenem Vorhaben, wünschte.
Wie damals wurden auch jetzt köstliche Gerichte gereicht. Hogwarts ließ sich, was das Tafeln betraf, noch nie lumpen. Für uns ältere stellte man Krüge bereit, die gefüllt mit Butterbier waren und für die Jüngeren der Durmstrang-Akademie, sah man, ebenso wie für den Rest der Schülerschaft, Kürbissaft vor. Wieder saßen wir bei den Slytherins, einem der vier Häuser, doch nicht nur mir war unwohl. Auch jene, die mit uns die Tafel teilten, schienen noch immer von Furcht und Vorsicht gepackt.
Sowie das Mahl beendet war, hielt uns Milost zurück. Teils träge, teils mit flinken Schritten eilten die Schüler in ihre Gemeinschaftsräume. Wir sahen uns den prüfenden Blicken der Professoren ausgesetzt, deren Zahl, nach dem Krieg, auch geschrumpft schien. Den noch verbliebenen Lehrkräften zollten wir ebenso Ehrfurcht und begrüßten auch diese mit Respekt, jedoch mit ernstem Schweigen.
„Werte Kollegen“, begann McGonagall und wandte sich den übrigen Lehrern zu, „auch wenn einige unter Ihnen der Meinung waren, dass wir keinerlei Hilfe benötigen würden, habe ich dennoch entschieden, dass Unterstützung in diesen Zeiten unerlässlich ist.“
Wortlos nahmen jene Lehrenden das Gesagte hin, nickten bedächtig, denn niemand wagte es, der alten Hexe zu widersprechen.
Das schnelle Handeln und auch die günstige Wetterlage erlaubten es uns, präzise und effizient zu Werke zu gehen. Zur Überraschung aller, gab es wahrhaftig noch Banne und Flüche, die die Kompetenz und die Fähigkeiten der Professoren Hogwarts´ in Zweifel zogen. Aus diesem Grund waren wir hier. Selbst die erfahrensten, und ältesten Lehrer standen einigen Zaubern machtlos gegenüber und so überließ man es uns, jene zu beseitigen und neue Worte zu sprechen, die den Wiederaufbau vorantrieben.
Unser Aufenthalt würde nicht länger als elf Tage betragen, so zumindest hatte es Milost angesetzt, denn auch für unsere jungen Geister galt es noch einiges für ihre Ausbildung tun. Bereits am zweiten Tag bildete sich ein Muster heraus. Ebenso wie die Lernenden dieser Schule fanden auch wir uns zum Frühstück, Mittag- und Abendessen in der Großen Halle ein. Unseren geruhsamen Schlaf holten wir uns in den Kajüten des schwarzen Schiffes, mit dem wir gekommen waren und das am Ufer des schwarzen Sees vor Anker lag.
Wir kamen beachtlich gut voran und allmählich verloren auch die Schüler die Scheu vor uns. Das Gefühl von Akzeptanz stellte sich alsbald ein und es kam des Öfteren vor, dass sich die jungen Hexen und Zauberer am Aufbau des Gemäuers beteiligten, trotz der eingeschränkten Magie, die ihnen zur Verfügung stand.
Die Tage und Nächte zogen vorüber und die jungen Bulgaren knüpften Freundschaften. Es freute mich zu sehen, dass man unsere Arbeit zu schätzen wusste und diese auch würdigte, indem McGonagall am letzten Abend zu einer Feier rief, die als Geste Dankbarkeit repräsentiert wurde.
Doch dies war nicht gerade jene Art der Anerkennung, die für mich als akzeptabel galt. Dennoch, die Arbeit war getan, das Schloss, so gut es uns möglich war, wieder als ansehnlich zu beschreiben und so kam ich auch nicht umhin, mich, an diesem letzten Abend, der Feierlichkeit zu verwehren.
Eine Band spielte auf, Stimmen redeten wirr durcheinander, Leiber schüttelten sich im Takt jener Klänge, die von den Instrumenten herrührten. Ich, für meinen Teil, verzog mich in eine jener Ecken der Halle, die weniger Beachtung fanden. Dennoch, wieder spürte ich erneut Blicke auf mir ruhen, die jedes Nervenende meines Körpers in wellenartige Schwingungen versetzten. Abermals erhaschte ich die Person, die seit unserer Ankunft stets wachsam und misstrauisch auf mich wirkte. Das Mädchen, mit den langen, braunen Haaren und diesen Augen, deren Tätigkeit sich allein auf das Starren bezogen. Ich kannte ihren Namen nicht, doch diesen Umstand wusste die junge Frau schnellstens zu korrigieren.
Mutig schritt sie auf mich zu. Das Kinn erhoben, doch ihr Gesicht gab nicht eine Regung preis. Da stand sie, baute sich vor mir auf, legte den Kopf ein schief und fuhr ungerührt mit ihrer Musterung fort.
„Ja?“, ich bemühte mich, sie ebenso ausdruckslos anzusehen, wie sie es tat.
Zwar zierte ihre Miene keinerlei Emotion, doch die entflammten Wangen zeigten deutlich, dass ihre Bewegungen zur eben gespielten Musik von Leidenschaft, beinahe Extase, geprägt sein mussten.
„Ist nicht so dein Ding, hm?“, ihre Offenheit ohrfeigte mich beinahe, denn ihr Ton war kalt, klar und unbarmherzig.
„Was kümmert es dich, Mädchen?“, verlangte ich zu wissen und genehmigte mir einen Schluck Feuerwhiskey.
Plötzlich, ohne Warnung, entschwand das eben noch zum Munde geführte Glas aus meinen Händen. Rasch, flink und pfeilschnell wurde mir der bernsteinfarbene Inhalt ins Gesicht geschüttet. Perplex und verblüfft, noch nicht einmal zu einem Zwinkern fähig, starrte ich in das Antlitz jener Frau, die mein Leben auf Ewig durcheinander bringen sollte.
Schweigend, beinahe bedrohlich, erhob ich mich von meinem Platz und starrte auf das Küken hinab, welches mich mit seiner Geste so in Rage trieb. Alle Selbstbeherrschung schwand, stieg kräuselnd gen Gewölbedecke, dennoch schwebend über unseren Köpfen.
„Muffy“, kreischte jemand und augenblicklich erschien ein Mädchen an ihrer Seite, lachend, sich beinahe vor Belustigung schüttelnd, und griff nach der Hand der Übeltäterin, „Muffy, was?“
Das blonde, zierliche Wesen, dessen Taille ich ohne Mühe mit einer Hand hätte umfassen können, blickte mit großen, neugierigen und wässrigblauen Augen zu mir auf.
„Nichts, Thora. Es ist nichts“, endlich vernahm ich den Klang ihrer Stimme erneut. Wohl niemand, und am wenigsten wohl ich, hätte ahnen können, dass jene Töne schmeichelnder waren, als die Laute eines Engels. So teuflisch sie wirkte, umso mehr war es die Melodie, die das Mädchen schrieb, allein mit jenem, das aus ihrer blassen Kehle drang. Ihre Geste war erzürnend, doch der Liebreiz jenes Halls, der an meine Ohren drang, zwang mich, ihr zu folgen.
Ob es absichtlich geschah? Nun, wenn ich heute meine Rückschlüsse ziehe, war es sicherlich mit Vorsatz zu beschreiben. Tänzelnd schwebten die jungen Damen vor mir her, doch der blonde Rauscheengel entwand sich plötzlich meinem Blick. Einzig und allein war es das brünette Biest, das mich zwang, ihm auf den Fersen zu bleiben. Weg von der Musik, fort von dem Lärm und hinein in das Dunkel der Gänge.
„Muffy“, erhob ich meine Stimme, als sie noch immer vor mir her lief und kam nicht umhin zu verbergen, dass ein belustigtes Grinsen über meine Züge huschte.
Abrupt hielt sie inne, machte auf den Hacken kehrt und trat, mit den Händen in den schmalen Hüften, auf mich zu. Nur spärlich vermochte ich ihr Gesicht erkennen, doch das Flackern der Fackeln, die den Gang säumten, genügte, um ihr Mienenspiel bis ins kleineste Detail zu interpretieren.
„Mafalda“, blaffte sie ungehalten, „Ich heiße Mafalda. Mafalda Prewett.“
„Nun, Mafalda Prewett, dann erkläre mir doch, was diese Aktion hier zu bedeuten hat.“, verlangte ich.
„Wieso verfolgst du mich?“, hakte sie nach und ihr Blick strafte ihre erboste Miene wahrlich Lüge.
„Weil ich weder eine Entschuldigungen, noch ein Wort der Rechtfertigung von dir vernommen habe.“, das wissende Schimmern in ihren Augen hielt an, doch meiner Forderung kam sie noch immer nicht nach.
Stumm starrte sie, wie gewohnt, zu mir auf. Mit vor der Brust verschränkten Armen signalisierte sie, dass sie es wohl allzu gern auf ein Spiel anlegte, dessen Regeln mir völlig unbekannt waren.
„Habe ich dir irgendetwas getan?“, verlangte ich zu wissen und bemühte mich um Ruhe, sowohl in meiner Stimme, als auch in meinem tobenden Inneren. „Sag´s mir, Mädchen!“
Die Stille hielt an, nur die leisen Klänge der Musik wehten kaum verständlich zu uns herüber.
„Ich wollte dich testen“, gestand sie kühn und kühl zugleich.
Noch immer verstand ich ihre Absichten nicht, und was kümmerten mich schon diese Mädchen, deren Hormone durcheinander gerieten und deren Verstand sich Dinge ersponn, die ein Mann ohnehin nicht begriff.
„Hinterfrage nie das Herz einer Frau!“, hatte mir mein Großvater einst erklärt, als ich vor seinen Füßen spielend von meiner Aktivität, eine Holzeisenbahn über die Fliesen zu jagen, aufsah. Damals waren mir seine Worte ein Rätsel, heute jedoch stimme ich ihm ohne Widerspruch zu.
„Ihre Absichten mögen für manchen schleierhaft sein, doch tun sie nie etwas ohne Begründung!“
Verwirrendes Geschwätz eines alten Greises, doch nun war ich Dankbar dafür.
„Es ist nicht angenehm, wenn mir mein Drink ins Gesicht fliegt“, half ich ihren Gehirnzellen auf die Sprünge in der Hoffnung, dass das Mädchen vor mir meinen Unmut bemerkte.
„Ist mir gar nicht aufgefallen“, rasch, wie ein Peitschenhieb, drosch ihre Antwort auf mich ein.
„Nicht aufgefallen?“, hakte ich nach und verfiel in einen belustigten, zynischen Klang, ehe mir ein angespanntes Kichern entfloh. „Nicht aufgefallen...“
Meine Wut, die solange ich zu unterdrücken versuchte, kroch allmählich von den kleinen Zehen hoch in meine Brust. Dass sie mich provozierte, mich triezte und ärgerte, machte es mir umso schwerer, nach einer angemessenen Reaktion Ausschau zu halten.
„Hör zu Mädchen“, begann ich.
„Mafalda“, konterte sie trotzig.
„Mafalda, was auch immer du bezweckst, ich werde nicht Teil dessen sein!“, beschwor ich sie und machte auf den Hacken kehrt.
„Nein, warte!“ kreischte sie plötzlich aufgebracht und ich konnte mir ihre schwankende Stimmung nicht erklären.
Hastig griff sie nach meiner Hand und zerrte mich von einem Gang in den Nächsten. In der Ferne hatte ich Stimmen vernommen, jedoch hatte ich ihnen keinerlei Bedeutung beigemessen. Das Mädchen an meiner Hand tat dies umso gründlicher.
„Da rein!“, zischte sie, bugsierte sich plötzlich hinter mir und schob mich durch eine Tür.
„Aua!“, fluchte ich, da ich mir meinen Kopf an der niedrigen Decke stieß. „Was soll das, Mädchen? Bist du von allen guten Geistern verlassen?“
„Psssst!“, zischte sie abermals und gebot mir so, zu schweigen. „Halt die Klappe!“
Ihr Gezeter ging in ein Flüstern über, ehe sie mich an den Schultern an die Wand presste und meinen Körper gen Süden drückte. Leise öffnete sie die alte Tür und spähte in den Gang. Ihr Profil wurde von dem schwachen Licht der Fackeln auf dem Korridor erhellt, sodass ich Anspannung auf ihrem Gesicht ausmachte. Ruckartig zog das Mädchen die Pforte zu sich heran und Dunkelheit erfüllte jeden Winkel dieses Raumes.
„Wo. Sind. Wir.?“, verlangte ich wissen und versuchte langsam meinen Hinterkopf gegen die Steine zu pressen.
„In. Einer. Abstellkammer.“. Antwortete Mafalda im selben Ton, wie ich es getan hatte.
„Eine Abstellkammer?“, spie ich aus und kam nicht umhin, meine Verblüffung zu verbergen. „Und was machen wir hier in einer Abstellkammer?“
„Na was wohl, uns verstecken? Ist dir beim Wiederaufbau ein Ziegel auf den Kopf gefallen?“, das Offensichtliche unterstrich sie mit Sarkasmus.
„Sehr erwachsen“, konterte ich und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Sei still!“, forderte Mafalda ungehalten und erneute Stille brach über uns herein.
Ich vernahm leise Stimmen, die ebenjenen Gang entlang kamen, dann ein mädchenhaftes Kichern, sowie vereinzelte Grunzlaute und Geräusche, die einem nur im Augenblick allerhöchster Wonne widerfuhren. Ein dumpfer Laut erregte meine Aufmerksamkeit. Und als ich ihn erneut vernahm begriff ich, dass das Mädchen in der Kammer mit ihrer Stirn gegen das Holz der Tür schlug.
„Nicht zu fassen!“, murmelte sie, dennoch verstand ich jedes Wort.
Kurz zog ich in Erwägung, es einfach überhört zu haben, doch dazu bot mir Mafalda keine Gelegenheit. Abermals begann sie jene Worte wie eine Formel wieder und wieder aufzusagen, ehe ich mich entschied, nachzuhaken.
„Was ist nicht zu fassen?“, meine Frage schien sie für einen kurzen Moment aus dem Konzept zu bringen.
„Nichts!“, knurrte sie zurück.
„Nun, wenn das „nichts“ ist, warum malträtierst du dann sowohl die Tür, als auch deine Stirn?“, ein langes Schweigen folgte und ich war mir, hier, in der dunklen Kammer, nicht sicher, wie die junge Frau auf meine Worte reagierte. Ein Schnalzen mit der Zunge folgte. Die Stimmen waren nun kaum mehr auszumachen, doch der plötzliche „Rums“, der folgte, erschreckte mich beinahe zu Tode. Ob Mafalda ebenso schreckhaft zusammenfuhr, vermag ich nicht zu sagen, doch die Laute von Draußen waren nun mehr als deutlich zu vernehmen.
„Wo willst du denn mit deiner Hand hin?“, giggelte die mädchenhafte Stimme, ehe sie in einen ergebenden Laut des Seufzens verfiel. „Mach die Tür auf!“
Der Forderung wurde versucht, Folge zu leisten, doch das Probieren und das Rütteln am Schloss, gingen ins Leere.
„Abgeschlossen“, raunte eine kräftige, männliche Stimme und Schmatzgeräusche gingen mit erneuten Grunzlauten einher.
„Dann mach sie auf!“, dirigierte das Mädchen erneut.
Wie lange die zwei vor der Tür auch versuchten, in diese, bereits besetzte, Kammer zu gelangen, wusste ich nicht. Ich wusste nur, dass Mafalda Prewett mit aller Macht versuchte, dass diese Aktion nicht von Erfolg gekrönt war.
Mir war gar nicht aufgefallen, dass sie ihren Zauberstab bei sich trug, doch der schwache, bläulich schimmernde Schein belehrte mich eines besseren. Die Spitze des Holzes war auf das Schloss gerichtet und da entsann ich mich, dass sich dieses Mädchen in seinem letzten Jahr auf Hogwarts befand, und dort gehörten ungesagte Zauber zum Prüfungsstoff dazu. Mafalda focht einen Kampf, den meine Augen sofort erfassten. Vehement wehrte sie die Versuche der Eindringlinge ab, während sich Tränen in ihren Augen sammelten.
Endlich gab es das Paar auf, weiterhin in dieses Kämmerchen zu gelangen. Als die Stimmen und Geräusche verebbten, vernahm ich Laute, die mich sehr an ein Schniefen erinnerten. Noch immer glimmte der Zauberstab des Mädchens leicht bläulich, dass ich sehr wohl die Tränen auf ihren Wangen wahrnahm.
„Ist alles in Ordnung?“, rang ich mich dazu durch, zu fragen und abrupt legte sich abermals Finsternis über unsere Köpfe.
„Ja“, sagte sie, jedoch schwangen Wut, Trauer und salzige Perlen in ihren Worten mit, „es ist alles in Ordnung!“
Abermals schniefte die junge Frau und ich kramte, trotz des Umstandes völliger Blindheit, in den Taschen meiner Weste nach einem Tuch. Ohne Orientierung versuchte ich, das Mädchen auszumachen und tastete mich langsam voran.
„Aua, das war mein Auge! Was, bei Merlins verknittertem Morgenrock, tust du denn da?“, fauchte sie, doch der Klang wurde durch die verschnupfte Nase ihrerseits gedämpft.
„Hier“, sagte ich und wedelte mit dem Stoff vor ihrer, wie ich annahm, Nase herum.
Als sich das Tuch meinen Fingern entwandt und ich trompetenartige Laute registrierte, war ich mir sicher, dass meine Aktion gelungen war.
„Danke“ murmelte Mafalda, dennoch machte sie keinerlei Anstalten, dieser Enge entkommen zu wollen.
Um sie etwas von der eben beigewohnten Situation abzulenken, tat ich etwas, dessen Ursprung ich mir bis heute nicht erklären kann. Aus einem Impuls heraus sagte ich:
„Wenn Du Lust auf einen Kuss hast, sag nichts - lächel' nur .. !“
Das Trompetenkonzert verebbte, stattdessen trat Stille an seine Stelle.
„Was?“, Verblüffung machte sich in ihren Worten breit, ehe sie trotzig erwiderte. „Es ist dunkel, du würdest es sowieso nicht sehen.“
„Dann sag mir, lächelst du?“, hakte ich nach und vermochte das plötzliche Zucken meiner Mundwinkel nicht länger aufzuhalten.
„Vielleicht“, gab das Mädchen Anlass zur Spekulation.
„Vielleicht ja, oder vielleicht nein?“, bohrte ich nach.
„Vielleicht... vermutlich.“, gestand Mafalda, und obwohl es mir nicht vergönnt war, sie zu sehen, vermutete ich, dass sie, mit einem flüchtigen Lächeln auf den Lippen, den Kopf schüttelte, ehe sie die Tür aufstieß und mich aus der Kammer zog.
"Wie fühlt man sich, wenn man der einzige vernünftige Mann im Raum ist?", brachte Mafalda hervor, als sie das Spektakel mit skeptischem Blick betrachtete. Die Musik wummerte und hallte von Wänden und der Gewölbedecke wider.
"Falls er nicht mehr auftaucht, ich stehe gleich hier drüben!", brüllte ich gegen die Klänge an, die wenig mit meinem musikalische Geschmack, sowie meinem Verständnis gemein hatten.
„Wen meinst du?“, verlangte sie zu wissen und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Na den Kerl, nach dem du Ausschau hältst.“, erwiderte ich und nickte mit dem Kopf in Richtung Tanzfläche, die Mafalda zuvor akribisch gemustert hatte. „Wer ist der Typ?“
„Mein Ex-Freund“, gestand sie leise, als im selben Augenblick das Lied verstummte. „Ich muss hier weg!“
Hastig wandte sie sich von dem Trubel ab und marschierte wenige Schritte in den spärlich beleuchteten Gang hinaus. Ich wusste nicht, ob ich ihr folgen sollte, doch ich tat es.
"Hey“, ich versuchte mein Möglichstes, sie aufzuhalten, „Hast Du nicht etwas vergessen?"
"Was?", fauchte sie, blieb aber dennoch wie angewurzelt stehen.
"Mich!", erlaubte ich mir anzumerken.
Ein schnaubender Laut entfloh ihr, ehe sie den Kopf schüttelte. Abermals lotste sie mich durch die Flure und Gänge und plötzlich schien ihr ein erneutes Zusammentreffen mit dem Verflossenen weit weniger wichtig zu sein.
„Du hast meine Frage nicht beantwortet“, setzte ich an und erntete einen fragen Blick, „wer ist der Kerl?“
„Habe ich dir doch schon gesagt: Mein Ex-Freund.“, erwiderte sie und zuckte knapp mit den schmalen Schultern.
„Aber du bist immer noch wütend auf ihn? Hat er mit dir Schluss gemacht?“, es mag vermessen sein, aber irgendetwas trieb mich dazu, dem Mädchen zu helfen.
„Ja und nein. Er hat Sachen über mich erzählt, schlimme Dinge“, gestand Mafalda und in ihrer Stimme konnte ich noch immer den Schmerz und die Wut deutlich heraushören. Ich schwieg, obwohl mir bereits eine Bemerkung auf der Zunge lag.
„Was für Dinge?“, verlangte ich zu wissen, jedoch mit der Gewissheit, dass sie mich ohne zu zögern hier und jetzt verhexten konnte.
„Schlimme Dinge, wie ich dir bereits sagte. Außerdem kenne ich dich nicht gut genug, um dir so etwas anzuvertrauen!“
„Nun, das ließe sich ändern“, sagte ich frei heraus, „Ich bin Wanko Vigil Poliakoff.“
Abermals entfloh ihr ein schnaubender Laut.
„Ja, ich weiß“, gestand sie und sagte es so, als würden wir uns bereits seit Jahren kennen, „Mafalda Glynis Prewett.“
Sie ergriff meine, ihr dargebotene Hand, und schüttelte diese als Zeichen freundlichen Entgegenkommens.
Wie so ein mutiges Mädchen eine Beziehung zu so einem Subjekt pflegen konnte, war mir ein Rätsel. Offenbar schien es noch immer genehm, sich lieber mit einem Bastard einzulassen, statt den vernünftigen, charmanten und netten Jungen den Vorzug zu geben. Was auch immer Mafalda dazu bewogen hatte, sie berichtete mir von ihren Sorgen und Nöten und ich kam nicht umhin, ihr einen Funken Mitgefühl entgegen zu bringen. Sie tat mir leid. Und alsbald erkannte ich, dass ihre Taten nur der Tarnung dienten. Zwar verließen ihren Mund nicht selten unpassende, taktlose Bemerkungen, derer sie sich kaum erinnerte, doch all dies waren nur Versuche, zwar eigenständig zu sein, jedoch auch Hilfe suchend nach einem Retter Ausschau zu halten.
Mafalda Prewett wirkte zwar stark und selbstsicher und ebenso selbstbewusst, doch in ihrem Inneren war sie zerbrechlich, mit Rissen durchzogen, als wolle sie irgendwann zerspringen, führte man ihr noch mehr Wunden zu.
Ich bin der Letzte, der sich als Retter sah, doch offenbar tat es dem Mädchen gut, ihrem Frust Luft zu machen. Erst folgte ich ihr, doch dann waren wir auf gleicher Höhe, so dass es mir gelang, ihren Tiraden zu lauschen und das Mienenspiel auf ihrem Gesicht zu betrachten.
Wie lang wir bereits durch das Gemäuer streiften, wusste ich nicht. Ich folgte ihr einfach in der Hoffung, dass das Mädchen wusste, was es tat und wohin es ging. Wir streiften durch Flure und Gänge, erklommen Stockwerke und passierten verzauberte Gemälde und Rüstungen. Hielten inne, um uns zu vergewissern, in welche Richtung wir als nächstes gingen. Wichen den Geistern aus, die das Schloss bewohnten, grüßten oder ignorierten jene, jedoch nicht ohne das Gespräch zu unterbrechen.
Der, der ihr Herz einst zum Schmelzen brachte, hatte sich nicht darum geschert, seines anderweitig unter die Mädchen zu bringen. Ihr Vertrauen in die Männerwelt hatte dieses Subjekt eindeutig verwirkt und nun wusste ich kaum, ob ich ihren Worten Zustimmung schenken, oder ihr die Sichtweise jener Spezies erklären sollte. Frauen lieben Dramen, dessen wurde ich mir nun mehr und mehr gewiss. Sie lieben es zu schwärmen, zu weinen, in Wut auszubrechen und meistens waren wir es, die ratlos in das Tränen überströmte Gesicht blickten und uns keinerlei Fehler bewusst waren.
Doch Mafalda verwies noch immer auf diesen Jungen, dem nicht mehr am Herzen lag, als er selbst. Arrogant und aufmüpfig, wie er sich gab, zog er die jungen Herzen williger Mädchen in seinen Bann, die lechzend und flehend darum baten, in seine Gunst zu rücken.
Dass jemand, wie diese toughe, starke Frau, sich für jemanden wie ihn erwärmte, brachte mich beinahe dazu, in Gelächter auszubrechen. Doch ich verstand den immer wieder kehrenden Drang ihrerseits, ihn ändern zu wollen.
Sie wollte diejenige sein, die ihn dazu trieb, sich nach ihr zu verzehren.
Sie wollte diejenige sein, die ihn für sich gewann.
Sie wollte diejenige sein, die ihn rettete.
„Männer wollen nicht gerettet werden“, maßte ich mir an, anzumerken, als sie mir Luft und Zeit ließ, auf ihre Worte einzugehen.
Verblüffung, so, als habe ich ihre Vorstellungen einfach so zertrümmert, zeichnete sich auf ihrem nun mehr vor Zorn geröteten Gesicht ab.
„Wir retten und nicht umgekehrt“, bemühte ich mich ihr verständlich zu machen, „auch wenn einige Frauen noch immer darauf aus sind und nicht begreifen wollen, dass selbst das schwächste Glied in der Kette noch immer den Drang verspürt, sich empor zu tun. Wie ihr, haben wir es verstanden, einerseits stark und schwach zu wirken, wenn sich die Gelegenheit bietet.“
Ihre Antwort war nur ein empörtes Schnappen nach Luft.
„Eine Balance ist wichtig“, fuhr ich fort, „zwar können zwei Kämpfer neben einander bestehen, doch letztendlich wird es niemanden geben, der siegreich aus diesem Kampf hervor geht. Und so sehr es dir auch widerstrebt, du musst nicht kämpfen, du musst dich nicht verstellen und verbiegen lassen solltest du dich erst recht nicht. Denn kein Mann kann eine Frau lieben, die nicht ehrlich zu sich ist. Denn wenn sie nicht einmal aufrichtig und fair sich selbst gegenüber ist, wie kann sie es denn bei jemand anderen sein?“
Meine Frage schwebte, ähnlich der blassen, toten Seelen in diesem Schloss, über unsere Köpfe hinweg. Stille trat, auf meine Worte hin ein und mich beschlich die Hoffnung, dass das Mädchen vor mir vielleicht begriff, was ich ihr hatte sagen wollen.
„Warum muss erst jemand wie du auftauchen, und mir all das erklären?“, verlangte sie zu wissen und verschränkte wartend und mich prüfend betrachtend, die Arme vor der Brust.
„Weil allem Anschein nach, es bis jetzt niemand für erstrebenswert hielt, dich aufzuklären. Was bringt es dir, dein Herz und deine Energie in eine Verbindung zu investieren, wenn niemand von euch für sein Handeln und seine Worte einsteht? Wenn niemand ehrlich ist, sondern lieber stillschweigend all das Elend erträgt?“, fuhr ich fort und betrachtete sie im diffusen Schein der Fackeln.
Allmählich schien die Erkenntnis bis in ihren sturen Kopf vorgedrungen zu sein, denn ihr Gesicht zierte nun eine gewisse Milde. Vielleicht, so glaubte ich, hatte ich wieder ein wenig Hoffnung in ihrem Innersten aufkeimen lassen.
Jedoch rechnete ich nicht mit ihrem eigensinnigen Wesen. Trotzig starrte sie zu mir auf und ich kam nicht umhin mich zu fragen, ob mein Wortschwall ihrem Gemüt wohl mehr abverlangte hatte, als mir bewusst war.
Abermals erhob sie ihre Stimme und führte erneut vor Augen, wie verletzt und wütend sie war. Meine Hoffnung auf Verständnis schwand, sodass mir nichts weiter übrig blieb, als sie reden zu lassen. Meine Einwände überging sie, doch wenn sie mir dann doch Gehör schenkte, wurde aus dem Gesagten ein Monolog und die Stille zwischen uns schien wie ein zweischneidiges Schwert.
Je mehr ich nachhakte, desto sturer und verschlossener wurde sie. So, als blocke sie jeden Ratschlag vehement ab und als gelte nur sie und ihre Meinung.
Ob ich ihr behilflich war, bei der Bewältigung ihres Schmerzes und ihres Grams? Nun, irgendwann schien Mafalda es leid zu ein, stets die selben Worte zu gebrauchen und offenbar hielt sie mich für einen ungehobelten, taktlosen Rüpel, der ihre Gunst und ihre Zeit nicht verdiente. Andererseits jedoch, zeigte sie sich erleichtert und befreit.
Je mehr ich sie dazu trieb, sich in ihrem Zorn zu steigern, desto weniger Emotionen säumten den Weg Gesprochenem. Je mehr ich bohrte, desto verbohrte wurde sie. Je mehr ich stachelte, desto trotziger und stiller zeigte sich mir die junge Frau.
Ich wollte sie zum Ausbruch bewegen, denn, wie ich bereits festgestellte hatte, gehörten Gefühle, die tief und ehrlich waren, nicht gerade in ihr Repertoire. Da wunderte es mich kaum, dass ihr Verflossener Gefallen an ihr fand. Jedoch kam so etwas für mich nicht infrage. Ich bestand auf Sehnsucht, Verlangen und Verzehren, während ihre Worte nur vor Oberflächlichkeit strotzten und mir zeigten, wie einfach dieses Mädchen trotz allem war. Dennoch war etwas zwischen uns, das unsichtbar, aber eine starke Anziehung ausübte.
Plötzlich bemerkte ich etwas Glitzerndes, das sich in ihren Augenwinkeln sammelte. Lautlos lief ihr eine einzige, salzige Perle die geröteten Wangen hinab und hinterließ eine nasse, leuchtende Spur. Vielleicht, so dachte ich, hatte ich zu viel gesagt, denn es waren Worte, die verletzten, mehr, als es Taten vollbrachten. Was kümmerte eine Pistolenkugel, ein Messer oder gar ein Todesfluch, wenn das zerbrechliche Innere am meisten unter dem Schwall von Lauten zersplitterte und unterging?
Mafalda wischte die winzige Träne fort und an ihre Stelle trat ein Blick, der todbringender nicht hätte sein können. Die Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepresst, erkannte ich dennoch das Zittern, ebenjenes Beben, das kurz darauf ihren gesamten Körper für sich einnahm.
Ich erwartete, dass sie mich erneut einer Schimpftirade aussetzte, mich allen möglichen Wesen betitelte, die für meine Worte angemessen waren, mich ihren ganzen Unmut spüren ließ.
Doch dass sie mir in die Arme fiel, auf meine Brust eintrommelte, als wolle ein Regiment anrücken und trotz allem kein Ton ihren Mund verließ, verwunderte, verwirrte mich gar.
Ich sei gemein, ließ sie mich wissen. Ungehobelt, brutal und vollkommen unverblümt.
Dann, als das Mädchen endlich seine Stimme wiederfand und erhob, hatte sie nur ein Wort für mich übrig.
„Warum?“, ihre Fäuste erschlafften, sodass ihre Handflächen auf meiner Brust lagen.
Heiß durchdrangen diese den Stoff meines Hemds, so als wäre es ihr Wunsch, mein Herz zu verbrennen. Ich hatte es noch immer mit einer Hexe zu tun, schoss es mir durch den Kopf, eine Hexe, die im Chaos der Gefühle leicht einer Fehler begehen könnte. Eine Hexe, die ohne mit der Wimper zu zucken leicht und pfeilschnell einen Zauber aussprechen und mich auf unvorstellbare Weise foltern und erniedrigen konnte. Ich wappnete mich bereits für alle möglichen Situationen, spulte in meinem Gehirn jede Formel ab, die mich, und mein Seelenheil schützte. Ich würde nicht das Opfer sein, das sich ergab, und durch Unachtsamkeit Bestrafung fand.
Doch mein innerer Schild sank zu Boden und zerfiel in tausend Splitter. Leicht, und warm bette das Mädchen die Lippen auf meinen Mund, sodass ich dennoch bewegungsunfähig war. Nie hätte ich geahnt, dass die junge Frau mit einer solchen Tat aufwartete. Noch immer nicht fähig zu einer Regung und noch immer von Argwohn und Skepsis durchsetzt, starrte ich auf sie herab und war mir kaum ihres Handelns gewiss.
Mafalda klammerte sich an das unschuldig wirkende Stückchen Stoff, das meinen Leib bedeckte und weigerte sich, mich frei zu geben. Meine Finger zuckten, als ich mir bewusst wurde, dass ihr Vorhaben nichts mit Magie und Zauber verband.
Endlos lang schien sie einfach nur dazustehen, auf Zehenspitzen, und ihren Mund auf meinen zu pressen, ohne eine Reaktion meinerseits. Noch immer war ich viel zu sehr damit beschäftigt, abzuwägen, ob ihr trauen sollte, denn ihr Vorgehen wirkte inkonsequent. Als sie von mir abließ, vermied sie es, mir in die Augen zu sehen. Ihre schmalen, langen Finger entwandten sich meinem Hemd. Die Sekunden verstrichen, ohne das eine Silbe fiel. Dann, plötzlich, trat Mafalda von mir zurück und machte Anstalten, von mir abzurücken. Ich griff, in aller Hoffnung, nach ihrer Hand und hielt sie davon ab, ihren Fluchtplan zu vollenden.
Sie hob den Blick, der Verwunderung zeigte, ebenjene Regung, die ich verspürte, als sie mich zaghaft und scheu küsste. Ich zog die junge Frau zu mir heran, haschte nach ihrem Gesicht und hielt jenes für den Hauch eines Wimpernschlages in meinen Händen, ehe ich es war, der seinen Mund verzehrend auf ihre Lippen drückte.
Wortlos trat sie einen Schritt vor den anderen, ehe ich erkannte, wohin der Weg uns führte. Es waren nicht die Katakomben Hogwarts´, es war auch nicht einer der steilen Türme, die dem Schloss ein imposantes Ansehen verliehen. Mafalda zerrte mich in die dunkle Nacht. Hier draußen, vor den Gemäuern, war es frisch, dennoch roch es angenehm klar. Die Sonne schien sich gegen die Finsternis zu wehren, denn kaum hatten wir den Schwarzen See erreicht, wandte ich mich um und erblickte die ersten, hellen Strahlen.
Das Mädchen hielt inne, als es mich zum Ufer führte. Sie drehte sich zu mir um und folgte meinem Blick des heranbrechenden Tages. Kurz schweifte mein Augenmerk von den Rotfärbungen ab und richtete sich für einen flüchtigen Augenblick auf sie.
Im Zauber der Morgenröte, die den Tag lockte und das Dunkel scheuchte, bemerkte ich abermals, wie entzückend dieses widerspenstige Weib doch war. Die kleinen Punkte auf ihrer feinen Nase tanzten mit dem Sonnenlicht und das Schimmern in ihren Augen verriet, dass sie wohl noch nie etwas Vergleichbares erblickt hatte. Plötzlich bemerkte ich, wie sie die Schultern straffte und ihre Hand einen Druck auf meine ausübte.
„Willst du nicht loslassen?“, forderte Mafalda, jedoch galt ihr Interesse noch immer dem Sonnenaufgang.
„Hätte ich gewusst, wie schwer es ist, Deine Hand loszulassen, dann hätte ich sie niemals berührt.“, erklärte ich bereitwillig und wusste kaum, welche Worte ich da gebrauchte.
„Etwas anderes ist dir nicht eingefallen? Klingt ziemlich abgedroschen.“, erwiderte Mafalda, dennoch entwandt sie sich nicht meinem Griff.
Ihre zarten Glieder verweilten stattdessen in meinen prankenähnlichen Händen.
„Brieffreundschaft?“, erlaubte ich mir trotzig nachzuhaken.
„Fernbeziehung“, erwiderte sie ungerührt und ich war mir nicht sicher, ob dies eine Frage, oder eine Bitte war.
Heute weiß ich, dass dies nur der Beginn einer Reise war, die ich damals nicht vor hatte, anzutreten.
Heute weiß ich, dass ich ohne durch das energische Zutun dieses Mädchens wohl irgendeine Bulgarin geheiratet hätte, sie mir Kinder schenken, und mit mir alt werden würde.
Heute weiß ich, dass ich um nichts in der Welt diesen Augenblick am See hätte eintauschen wollen.
Heute weiß ich, dass das Mädchen, mutig, tapfer und doch so arrogant, mir zeigte, dass Liebe nicht immer ohne Kampf existiert.
Heute weiß ich, dass ich, wenn ich alt und grau vor dem Kamin sitze, ich ihre Taille umfasse und ihren Duft in mich aufnehme, als glücklicher Mann sterben kann.