(Diese Geschichte habe ich schon mal veröffentlicht, ziemlich am Anfang, meiner Belle Zeit. Bei der Szene mit Dabog, bei Tarrens Mühle und auch bei der einstigen Schlussszene, habe ich noch einige Änderungen vorgenommen und einen Teil noch in den zweiten Teil der Fanfiction, die dann im November rauskommt, integriert. Lumnia ist eine der Hohepriesterinnen der wunderschönen Menschen- Hauptstadt Sturmwind. Doch sie hat mit einem harten Schicksal zu kämpfen. Ihre einst grosse Liebe Dabog, wurde von den Untoten- den Verlassenen, umgebracht und durch Nekromantie wiederbelebt. Doch sie will ihren Liebsten noch nicht aufgeben.)
Lumnia's Herz war schwer wie Blei. Gerade erst hatte sie die schreckliche Nachricht erfahren. Als ihr diese von Mathew Shaw, dem einzigen Überlebenden des Massakers im Hügelland übermittelt wurde, wollte sie es nicht glauben. Es war als würde alles über ihr zusammenstürzen, als ob ihr Leben mit einem Schlag an Sinn und Freude verloren hätte. In diesem Augenblick fiel sie in ein dunkles, tiefes Loch, aus dem sie glaubte nie wieder entrinnen zu können.
Weinend war sie aus der weiß leuchtenden Stadt Sturmwind geflohen. Hinaus zum Tal der Helden, wo eindrückliche Steinstatuen wichtiger Persönlichkeiten, die aus weißen Marmorquadern gefertigte, mächtige Brücke säumten. Über diese Brücke gelangte man zum Haupttor der Stad. Es war früher Abend und auf den Mauern spiegelte sich das rosa-goldene Licht, der untergehenden Sonne. Doch Lumnia hatte keinen Sinn mehr für diese Schönheit und Herrlichkeit ihrer Heimat. Dunkelheit legte sich über ihr Gemüt.
Sturmwind, war das letzte sichere Bollwerk der Menschen, in dem von Kriegen und Verderbnis erschütterten Welt Azeroth. Der Kind- König Anduin Wrynn regierte hier.
Die meisten Mitglieder der Armee waren ausgezogen, um auf fernen Schlachtfeldern gegen die Horde und gegen die Brennende Legion zu kämpfen. Nur wenige Soldaten waren geblieben, doch das Volk von Sturmwind war zäh und schützte seine Heimat.
Lumnia dachte an die schreckliche Nachricht, die sie erhalten hatte. Sie saß auf der Mauer der gewaltigen Brücke und tief unter ihr lag ein blau funkelnder See. Am liebsten hätte sie sich einfach fallen lassen, so schrecklich fühlte sie sich. Sie wollte einfach nur noch sterben und doch...etwas hielt sie dennoch davon ab. Sie blickte an der großen marmornen Statue eines Priesters empor, der neben ihr aufragte. Sie war Priesterin, sogar eine Hohepriesterin. Sie musste sich nach dem Licht orientieren, aber...wie das bewerkstelligen, wenn es ihr erschien, als sei das ganze Licht ihres Lebens mit einem Schlag ausgegangen?
Sie hatte das Liebste verloren. Ihr Lebenspartner Dabog...er war in diesem schrecklichen Massaker gefallen, dass diese verfluchten Verlassenen- Untote ohne Seele, angerichtet hatten. Doch damit nicht genug! Sie hatten seinen toten Körper auch noch mitgenommen, um ihn für ihre Zwecke zu nutzen. Mathew hatte es ihr gesagt. Er und Dabog, waren nach Süderstade berufen worden, um dort gegen die ständigen Angriffe der Untoten zu kämpfen. Sie waren mit drei anderen auf Patrouille geschickt worden, als sie von ihren Feinden überrascht wurden. Jene waren in der Überzahl und so fielen alle von Dabog‘s Truppe dem Tod anheim. Nur Mathew überlebte, durch einen glücklichen Zufall und konnte, wenn aus schwer verletzt fliehen.
„Der Kampf war aussichtslos...“ hatte er ihr tief betroffen erklärt. „Alle waren schon tot, auch Dabog. Diese verdammten Verlassenen haben ihn und die anderen mitgenommen, ich konnte es noch sehen, dann bin ich zusammengebrochen und wurde, dem Licht sei Dank, von freundlichen Truppen gefunden. Es...tut mir so schrecklich Leid Lumnia! Bestimmt werden sie...Dabog wiederbeleben... und ihn für ihre Armeen einspannen.“ Als die Priesterin diese schreckliche Nachricht erfuhr, stürzten hunderte von Gefühlen über sie herein: Wut, Trauer, Schmerz. Sie hatte sich nicht mehr unter Kontrolle, beschimpfte Mathew sogar, weil er Dabog und die anderen nicht bis zum Ende verteidigt hatte, um sie wenigstens vor dem schrecklichen Untod zu bewahren, aber sie sah nun ein, dass dies dumm von ihr gewesen war. Mathew hätte keine Chance gehabt und er wäre dann selbst noch zu einem seelenlosen Körper geworden. Das konnte und durfte man von niemandem erwarten. Dennoch tat es so unendlich weh! Sie und Dabog waren schon seit Jahren ein Paar gewesen. Nichts auf der Welt, schien mehr einen Sinn zu haben ohne ihn.
Sie starrte hinunter ins Wasser und sah vor sich das wunderschöne Gesicht ihres Liebsten. Er war nur wenig älter gewesen als sie. Sein schwarzes, langes Haar war meist zu einem Pferdeschwanz gebunden. Voller Sehnsucht, dachte Lumnia an die wunderbaren Stunden zurück, die sie miteinander jeweils verbrachten, fern von allem. Sie spürte seine Küsse und Liebkosungen auf ihrer Haut, dachte an die langen, geschmeidigen Wellen seines Haares, die wie ein Vorhang über sie fielen, wenn sie sich liebten. Sein voller Mund küsste sie zärtlich und seine tiefblauen Augen schauten sie mit solcher Liebe und Hingabe an, das sie glaubte durch einen Traum zu schweben. Nun aber...war dieser Traum für immer zerstört! Dabog war tot und das Schlimmste...er wandelte nun als seelenloser Krieger der Verlassenen umher. Wieder schossen ihr Tränen in die Augen. Hätte sie ein Messer gehabt, sie hätte es sich wohl in die Brust gerammt, nur um diesen Schmerz nicht mehr ertragen zu müssen.
Die Schatten wurden länger, die weißen Mauern von Sturmwind wechselten nun langsam in einen Grauton. Die Nacht brach herein und mit ihr die schrecklichen Hoffnungslosigkeit und Einsamkeit einer gebrochenen Frau.
Lumnia ging langsam über die Brücke zurück in die Stadt. Sie wandelte noch lange umher, wusste nicht wie lange. Zeit und Raum waren aufgehoben. Nichts mehr zählte. Sie konnte sich nicht mal mit dem Licht verbinden, das sie sonst immer getröstet hatte. Sie musste immer wieder daran denken, dass Dabog nun wohl auch durch Dunkelheit wandelte, ohne das Licht der wunderbaren Seele in seinem Herzen, ohne Hoffnung...Verlassen...
Schließlich erreichte sie ihr heimatliches Haus. Wie sie hierher gekommen war, sie wusste es nicht genau. Es war ein ebenfalls aus weißen Quadern bestehendes Gebäude, das direkt auf die Kathedrale und das Waisenhaus von Sturmwind blickte. Es hatte ein Dach aus gelbbraunen Ziegeln. Seine Fenster schimmerten bläulich und waren durch Fensterkreuze unterteilt. Zwischen dem obersten und dem mittleren Geschoss, wo Lumnia auch wohnte, hatte man an der Mauer einen mit Meißeln verzierten Zierstreifen angebracht.
Sie ging die Treppe hoch und betrat ihren Wohnraum. Dieser war eher schlicht eingerichtet. Das Prunkvollste war noch ein, aus fein abgeschliffenen, mit Schnörkeln verziertem Holz gefertigtes Himmelbett, mit einem blauen Stoffdach. Selbst dieses Dach erinnerte sie an die Augen von Dabog. Wie oft hatten sie hier wundervolle Stunden verbracht, wenn sie beide mal etwas Zeit hatten.
Wieder überkam sie das Leiden, wie ein dunkler, bedrohlicher Schatten, der kein Licht mehr barg. Sie hatten viel zu wenig Zeit zusammen verbracht, viel zu wenig! Sie ließ sich auf einen der hölzernen, eher rustikal anmutenden, breiten Stühle fallen, die um einen quadratischen Tisch standen und starrte vor sich hin. Schließlich dann fühlte sie sich schrecklich schwach und müde und legte sich, ohne sich zu entkleiden auf das Bett und schloss die Augen. Doch die schrecklichen Bilder, die sie heimsuchten, wollten einfach nicht verschwinden.
Sie zermarterte sich das Gehirn, darüber, was sie vielleicht unternehmen konnte, um ihren Liebsten aus dem Händen der Verlassenen zu befreien. Doch...vermutlich erinnerte er sich gar nicht mehr richtig an sie. Er war nun ein Geschöpf ohne Seele und Gefühle. Nichts mehr würde an ihm sein, das sie noch lieben konnte und auch er würde nichts mehr empfinden. Aber...sie konnte das einfach nicht richtig akzeptieren. Den Tod von Dabog allein, hätte sie noch besser verkraften können.
Doch...nun. Was wurde überhaupt aus einer Seele, wenn der Körper wieder durch Nekromantie ins Leben zurückgerufen wurde? War sie dann gefangen in einer Zwischenwelt, streifte sie unruhig umher, bis in alle Ewigkeit, weil ihr Körper nicht richtig sterben konnte? Nein, das konnte und durfte nicht sein!! Bestimmt, war Dabog‘s Seele befreit worden und kümmerte sich nicht mehr um ihren Körper. Aber wenn doch nicht? Lumnia wurde beinahe verrückt bei dem Gedanken. Sie musste es erfahren! Sie musste wissen, was genau mit diesen Untoten geschah, musste ihren Liebsten noch einmal sehen!
Auf einmal fasste sie einen Entschluss und nun endlich, fiel sie in einen unruhigen Schlaf. Sie träumte einen seltsamen Traum. Auf einmal sah sie sich durch eine smaragdgrüne Welt gehen. Es war ein wunderschönes Gefühl, voller Leichtigkeit und Freude. Ein Wunder, bei allem was passiert war. Um sie herum, erhoben sich hohe Bäume, mit Schlingpflanzen daran. Grünliches Licht erfüllte alles, sogar die Luft um sie herum, schien in Grün getränkt und dann...sah sie ihn: Dabog! Er sah aus wie immer und kam lächelnd auf sie zu. Sie wollte auf ihn zulaufen, ihn umarmen, doch sie kam nicht von der Stelle. Verzweifelt schrie sie seinen Namen, doch er schaute sie nur lächelnd an und sprach einige wenige Worte: „Gedenke des Smaragdgrünen Traums! Dann wirst du mich finden!“ doch ehe Lumnia antworten konnte, verschwand die grüne Welt und sie erwachte...
**********
So beschloss sie, gleich am frühen Morgen ihre Mentorin Laurena aufzusuchen. Diese war die Oberste Hohepriesterin und hatte Lumnia stets auf ihrem Weg begleitet, seit diese beschlossen hatte, eine Dienerin der „Mächte des Lichts“ zu werden. Zurzeit jedoch schien es, als hätte das Licht Lumnia vollends verlassen. Sie stand alleine da... alleine in der Dunkelheit und klammerte sich an eine vage Hoffnung, die vermutlich nicht mal in Erfüllung ging. Doch daran wollte sie nicht denken, ihr Entschluss war gefasst.
Sie ging an dem großen, zweistöckigen Brunnen vorbei, der in der Mitte des Kathedralen- Platzes stand. Eine Männerstatue mit einem Schwert, thronte auf der oberen Plattform und wie das Meiste in Sturmwind, war auch dieser Brunnen aus weißem Gestein. Das klare Wasser plätscherte friedvoll. Lumnia überquerte den quadratischen Platz und ging den breiten Treppenaufgang der Kathedrale, der mit einem blauen, goldumrahmten Teppich belegt war, hinauf. Über ihr erhoben sich die spitzen, eleganten Türme der Kathedrale. Sie durchschritt das hohe, gewölbte Tor und betrat den, durch goldbraune Fenster erleuchteten, halbschattigen Innenraum. Ein wundersamer Friede umhüllte sie. Alles war still und voller Geborgenheit.
Laurena war heute da. Erleichtert ging Lumnia auf sie zu. Ihre Mentorin war eine schöne Frau, mit goldblondem, glattem, langen Haar. Als sie ihre Schülerin sah, lächelte sie erfreut und es war, als ob dabei die Sonne über ihrem edlen Gesicht aufgehen würde.
Auch Lumnia hatte diese Ausstrahlung gehabt... früher...Nun aber, umwölkten Schatten ihr Antlitz. Lumnia war auch eine schöne Frau. Sie hatte rotblondes, schulterlanges Haar, dessen Spitzen etwas nach innen gegen die Mitte hin frisiert waren, damit es ihr makelloses Gesicht sanft umrahmte. Ihre Augen waren tiefblau, ihre Lippen sinnlich und meist in einem warmen Braun- Ton geschminkt. Sie besaß einen Körper mit wohlgeformten Rundungen. Ihre heutige Robe war rot und mit Gold durchwirkt. Über ihre verschiedenfarbigen Roben, die ihr immer sehr gut standen, trug sie jeweils einen grüngoldenen Brustpanzer, dazu passende Handschuhe und Schulterstücke. Ein blauer Stein zierte ihre hohe Stirn und auf dem Rücken trug sie einen langen Stab, mit zwei hellgrünen, glänzenden, etwas zugespitzten Edelsteinen an beiden Enden. Als sie ihre Mentorin sah begrüßte sie diese ehrfürchtig.
Laurena's Gesicht nahm einen besorgten Ausdruck an, als sie sie näher betrachtete. „Du siehst gar nicht gut aus mein Kind. Großer Kummer quält dich. Was ist nur geschehen?“ Lumnia schaute zu Boden und versuchte ihre Tränen zurückzuhalten, die ihr bereits wieder in die Augen stiegen. Ihre Lehrmeisterin legte besorgt den Arm um sie und sprach: „Komm wir gehen ein Stück, dann kannst du mir alles erzählen! So wie du aussiehst, muss etwas Schreckliches passiert sein.“ Lumnia nickte und unterdrückte ein Schluchzen. Laurena sprach zu ihrem Priesterkollegen Bruder Joshua, der links vom Altar stand, einige Worte und unterrichtete ihn von ihrer kurzfristigen Abwesenheit. Er nickte verständnisvoll und meinte: „Keine Sorge. Ich werde mich um alles kümmern.“ „Danke!“ sprach Laurena und meinte dann an Lumnia gewandt: „Wollen wir etwas dem Kanal entlang gehen?“
Der Kanaldistrikt lag gleich neben dem Kathedralenplatz, ein tunnelartiger Bogengang, führte dorthin. Hier hatte es meist nicht so viele Menschen und das leise Plätschern des glitzernden, glasklaren Wassers das gegen die, aus weißen und grauen Steinen bestehende Mauer schwappte, hatte eine beruhigende Wirkung auf ein unruhiges Gemüt. Lumnia und ihre Lehrerin gingen langsam, dem von Bäumen und goldenen Laternen gesäumten, Ufer entlang.
Als sie allein waren, forderte Laurena Lumnia auf, ihr alles zu erzählen. Die junge Frau war überaus froh jemandem das Herz ausschütten zu können. Je mehr sie erzählte, desto erschütterter wurde Laurena. „Das ist eine ganz schreckliche Geschichte!“ sprach sie „Das tut mir so leid für dich Lumnia!“
„Warum nur, hat man uns das angetan?“ fragte diese in tiefster Verzweiflung, „warum hat man mir meinen Liebsten auf so grausame Weise genommen? Meisterin, ich habe immer treu dem Licht gedient. Habe mein ganzes Leben in seinen Dienst gestellt. Warum nur geschieht sowas? Womit haben Dabog und ich... das verdient? Haben wir vielleicht irgendwas getan, was den Zorn der Götter erregt hat?“
Laurena meinte: „So darfst du nicht denken, mein Kind! Ich weiß wie du leiden musst. Auch ich habe schon große Verluste in meinem Leben erlitten. Doch du darfst deshalb nicht am Lichte zweifeln! Denn gerade jetzt findest du Halt und Trost in ihm. Wir dürfen nicht einfach aufgeben! Zu intensiv haben wir uns dieser Berufung als Priesterin gewidmet. Der Tod ist ein Neubeginn und auch wenn es gerade unerträglich für dich ist, wird es doch das Licht sein, das dir schlussendlich die Kraft verleiht, diesen Verlust zu bewältigen.“ „Aber Dabog ist nicht einfach nur gestorben! Er ist nun eine seelenlose Kreatur! Seinen bloßen Tod, würde ich ja noch besser verkraften, aber dass er dieses fürchterliche Untoten- Dasein fristen muss, ist einfach schrecklich! Wer weiß, ob seine Seele je Frieden finden wird?“
„Seine Seele, kümmert sich nicht mehr um seinen Körper“, sprach Laurena. „Sie ist schon längst weitergegangen. Der Untod betrifft nur seinen Körper.“ „Aber seid ihr da auch ganz sicher Meisterin? Seid ihr sicher, dass seine Seele Frieden finden kann?“ Laurena zögerte einen Moment, als wolle sie nochmals genauer darüber nachdenken. Doch dann meinte sie mit absoluter Sicherheit: „Ja. Seine Seele hat nichts mehr mit seinem Körper zu schaffen!“
Irgendwie trösteten Lumnia diese Worte. Sie dachte wieder an ihren Traum. Was hatte Dabog gesagt: „Gedenke des Smaragdgrünen Traumes, dann wirst du mich finden!“ Sie erzählte das Laurena. Diese meinte: „Siehst du Lumnia! Er sagte dir ja, dass du ihn finden wirst, wenn du des Smaragdgrünen Traumes gedenkst. Der Smaragdgrüne Traum ist eine Astral- eine Jenseits-ebene. Es bedeutet, dass er im Jenseits ist und der Smaragdgrüne Traum ist eine wundervolle Ebene, wenn man die Geschichten der Nachtelfen hört, die schon mal Einblick in sie erhielten.“
„Ihr kennt solche Elfen Meisterin?“ „Ja, als Oberste Hohepriesterin kommt man schon mit dem einen oder andern in Berührung. Du wirst das auch noch erfahren.“ Dann meinte sie auf einmal mit etwas gesenkter Stimme: „Wenn ich dich zu meiner Nachfolgerin erkoren habe, dann sowieso.“ „Nachfolgerin?“ fragte Lumnia ungläubig. „Ja, ich möchte, dass du meine Nachfolgerin wirst- die Oberste Hohepriesterin!“ „Aber..., ich bin dessen gar nicht würdig Meisterin! Ich zweifle am Licht, zweifle an den Göttern. Ich kann dieses Amt nicht ehrenhaft bekleiden. Ich weiß noch nicht einmal, ob ich den richtigen Weg eingeschlagen habe, ob ich überhaupt zur Priesterin tauge. Wie soll ich dann erst die Oberste Hohepriesterin werden?“
„Zurzeit magst du große Zweifel haben Lumnia, aber ich bin mir sicher, du wirst diese Zweifel überwinden, denn du bist stark. Jeder von uns zweifelt mal, jeder von uns ist mal voller Angst und weiß nicht mehr, ob er wirklich geeignet für das Priesteramt ist. Doch dann, wenn man darüber nachdenkt, was man anderes machen könnte, dann merkt man, wie Leib und Seele nichts anderes wollen, als Priester sein! Du wirst noch eine ganze Weile mit dir und dem schrecklichen Schicksal hadern, doch glaub mir, dass macht dich menschlich. Jeder hat einen Grundkern, ein innerstes Wesen, das ihn ausmacht. Alles Drum herum, alles noch so Irdische, ist nur ein momentaner Zustand. Du bist nicht deine Angst, nicht deine Wut, nicht deine Zweifel! Das sind nur Facetten von dir. Darum identifiziere dich nicht zu sehr damit! Es ist wie bei einem Insektenauge: Es besteht aus Hunderten von Facetten, aber keine dieser einzelnen Facetten ist das Auge allein. Das Auge wird durch die vielen Facetten erst richtig zu einem Auge, das sehen kann.
Dein Innerstes, dein Tiefstes ist und bleibt reines Licht und dieses Licht wird wieder hervortreten, früher oder später! Bei dir sowieso, denn du liebst das Licht und du liebst die Götter. Du hast dich aus innerster Überzeugung für diesen Weg entschieden.“
Lumnia lauschte den Worten ihrer Lehrmeisterin. Sie gaben ihr wieder etwas Hoffnung, neuen Glauben an das Leben und sich selbst. Doch sie war auch überzeugt, durch den Tod von Dabog, einen besonderen Auftrag erhalten zu haben, plötzlich wurde ihr das mit aller Deutlichkeit bewusst. Noch lag vieles im Dunkeln, doch sie wusste, dass sie sich auf die Suche nach Antworten machen musste.
Sie berichtete ihrer Lehrmeisterin von ihrem Vorhaben. Deren Augen nahmen einen sehr besorgten Ausdruck an: „Das finde ich keine sehr gute Idee mein Kind, “ sprach ernst. „Ich muss das aber tun, “ sprach Lumnia leise. „Es ist so ein inneres Gefühl, so eine Sicherheit in mir.“ Laurena schaute sie etwas zweifelnd an und schüttelte leicht den Kopf. „Das denkst du jetzt, da dein Schmerz noch so frisch ist. Aber wenn du erstmal etwas Distanz zu allem gewonnen hast, wirst du einsehen, dass das gar nicht klug ist. Du würdest dich nicht nur weiteren Schmerzen aussetzen, sondern auch grossen Gefahren. Mit dem Untoten ist nicht zu spassen. Sie sind nicht mehr zugänglich für die Gefühlte Lebender. Sie haben keine Seele mehr, kein Gewissen. Sie würden dich töten, vielleicht würde es Dabog sogar selbst tun. Das will ich dir unbedingt ersparen. Bitte Lumnia!“ Sie nahm die Hände ihrer Schülerin in ihre und in ihren Augen lag ein flehendlicher Ausdruck. „Sei vernünftig! Geh nicht in diese gefährlichen Gegenden! Ich würde dich so gern als meine Nachfolgerin sehen! Du kannst soviel mehr bewirken, wenn du hier bleibst!“ Lumnia war berührt, denn sie spürte die ernsthafte Besorgnis ihrer Lehrmeisterin und das ehrte sie. Dennoch war sie fest entschlossen und sie war nicht bereit, sich von ihrem Vorhaben abbringen zu lassen.
Laurena schien es in ihrem Augen zu lesen, denn sie sprach ernst: „Dabei kann ich dich nicht unterstützen, es ist ein völlig aussichtsloses Unterfangen, das du da vorhast! Ausserdem kann ich dir nicht mal jemanden mitschicken, der dir beisteht. Alle Priester, sind irgendwo in eine Schlacht verwickelt und einige müssen hierbleiben, um die Stadt zu schützen und Lehrlinge auszubilden. Es... tut mir leid.“
„Auch mir tut es leid, dass ich euch Kummer bereite...“ flüsterte Lumnia „aber ich muss das tun. Das bin ich Dabog und allen die im Kampf für unsere Belange gefallen sind, einfach schuldig. Mein Leben ist unwichtig.“
„Es erscheint dir zur Zeit einfach nicht wertvoll!“ meinte die Oberste Hohepriesterin eindringlich. „Doch das wird sich auch wieder ändern, wenn der Schmerz nachlässt!“ Lumnia schüttelte nur langsam den Kopf. „Vergebt mir Meisterin!“ Mit diesen Worten wollte sie sich zum Gehen anschicken. Doch Laurena hielt sie nochmals auf. „Fragen wir wenigstens noch bei den Paladinen nach, ob sie vielleicht jemanden entbehren könnten! Dadga Truemind, war dir doch schon immer zugetan. Vielleicht hilft wenigstens er dir. Ich... kann dir niemanden mitgeben, aber ich will auch nicht, dass du ganz alleine gehst.“
Lumnia nickte dankbar und zusammen mit ihrer Lehrmeisterin, ging sie zurück in die „Kathedrale des Lichts“. Die Paladine befanden sich im rechten Seitenschiff des Gebäudes. Lumnia kannte Arthur Truemind, Dadgas Vater gut. Er war einer der wichtigsten Paladinlehrer in Sturmwind. Er stammte vom Geschlecht des Paladins Uther Lichtbringer ab, der eine sehr wichtige Funktion im Krieg gegen die Hordenvölker gespielt hatte. Uther war es gewesen, der es schaffte die Orcs, welche damals von einen dämonischen Blutrausch besessen waren, in Gefängnissen einzukerkern und dort einigermassen Ruhe und Ordnung zu schaffen . Uther war ein mächtiger Paladin gewesen, einer der ersten seiner Art. Auch die Trueminds waren sehr ehrenwerte, lichtvolle Persönlichkeiten. Wie hatte Laurena gesagt? Dadga Truemind sei Lumnia schon immer zugetan gewesen? Der jungen Priesterin selbst, war das gar nie richtig aufgefallen. Sie hatte schlichtweg keine Augen dafür gehabt, wie andere Männer zu ihr standen und was sie mit ihrer Schönheit und Ausstrahlung für eine Wirkung auf selbige hatte. Es interessierte sie auch nicht. Sie kannte Dadga schon lange und sie hatte ihn einfach immer als guten Freund gesehen, nicht mehr. Sie hatte nur Augen für Dabog gehabt... ihren geliebten Dabog...
Tatsächlich hatten die Priesterinnen besonderes Glück, denn als sie Arthur aufsuchen wollten, stand dessen Sohn gerade bei ihm und sie besprachen irgendetwas. Lumnia ertappte sich dabei, wie sie Dadga mit ihrem Blick das erste Mal richtig musterte und es fiel ihr auf, dass er eigentlich ein sehr gutaussehender Mann war. Er drehte ihr gerade seinen Rücken zu, auf dem ein, aus exklusiv geschmiedeter, mit Verzierungen geschmückter, Hammer befestigt war . Gekleidet war er in einen, enganliegenden, blau- silbernen Brustharnisch, mit netzartiger Prägung. Seine Hosen, Handschuhe und Schulterstücke waren genau darauf abgestimmt. In dieser Rüstung kam sein muskulöser, kräftiger Körper besonders gut zur Geltung. Er hatte eigentlich eine sehr ähnliche Figur wie Dabog. Allerdings war er ein heller Typ, mit goldblondem, halblangem Haar. Dieses fiel ihm in weichen Wellen, über die breiten Schultern. Ausserdem besass er einen gepflegten Schnurrbart. Er war etwas älter und erfahrener als Dabog, vielleicht so 2, 3 Jahre älter als Lumnia. Sein Anblick gefiel der jungen Frau und als er sich nun zu ihnen umdrehte, fielen ihr seine türkis-blauen Augen auf, die mindestens so hell leuchteten, wie die von Dabog. Es war als spiegle sich ein Bergsee in diesen Augen, doch sie hatten einen etwas anderen Ausdruck als jene von Dabog. Irgendwie etwas ruhiger, besonnener. Dadgas Ausstrahlung allgemein war sowieso ruhiger, als die von Dabog, der doch recht temperamentvoll, manchmal fast etwas leichtsinnig gewesen war.
Dadga lächelte jetzt, als er sie sah und tatsächlich fiel ihr auf, dass er ihr wohl schon ziemlich zugetan war. Vielleicht half er ihr wirklich? Die beiden Paladine deuteten eine respektvolle Verbeugung an, als die Priesterinnen vor sie traten. Sie hatten sehr gute Manieren und ehrlicher Respekt, sprach aus ihrem Blick. Man hatte sofort Vertrauen zu diesen Männern, man konnte ihnen das Leben bestimmt jederzeit anvertrauen. Ihr Name Truemind, drückte das auch aus.
Laurena ergriff das Wort. Sie berichtete von dem Vorhaben ihrer Schülerin und von ihrem Unvermögen, einen ihrer Priester zu entbehren. Ausserdem machte sie auch keine Hehl daraus, dass sie eigentlich nicht wirklich einverstanden mit Lumnias Vorhaben war. Auch in Arthur's Gesicht zeichneten sich Zweifel ab. Nur Dadga, schien irgendwie Verständnis für Lumnia zu haben.
„Ich habe ihr bereits davon abgeraten“, meinte Laurena. „Sie will aber nicht hören. Wir können sie doch nicht einfach allein gehen lassen! Gibt es nicht wenigsten einen Paladin, der ihr beistehen könnte?“ „Ich kann sie doch begleiten!“ sprach Dadga. „Du?“ Arthur blickte seinen Sohn erschrocken an. „Ja, wir können Lumnia wirklich nicht allein gehen lassen, wie Laurena schon sagte. Ich habe gerade Zeit, ich kann sie begleiten.“ „Aber...ich brauche dich hier! Ausserdem gefällt mir diese Idee gar nicht!“ Arthur wandte sich Lumnia zu. Sein Ausdruck hatte jetzt beinahe etwas Väterliches. „Mädchen, mach keine solche Dummheit! Dabogs Seele ist schon längst ins Licht eingegangen. Das was du finden würdest, wäre nur ein seelenloser Körper. Dabog, oder das was noch von ihm an Irdischem übrig ist, wird dich nicht anhören. Er ist nun ein „Verlassener“, der sich vielleicht nicht mal mehr an dich erinnert. Du liegst mir am Herzen, denn ich kenne dich schon von Kindesbeinen an, darum bitte ich dich, diesen wahnsinnigen Plan fallen zu lassen.“ „Es tut mir leid...ich glaube einfach, ich muss das tun Arthur,“ erwiderte Lumnia und sie spürte dass, je mehr man sie von ihrem Vorhaben abbringen wollte, ihre Entschlossenheit wuchs.
„Ich finde das gar keine so dumme Idee“, ergriff nun Dadga für sie Partei. „Niemand kümmert sich wirklich um die „Verlassenen“. Vielleicht wäre es an der Zeit, dass es jemand tut.“ „Und natürlich wäre Dabog dann der Auserwählte, um den ihr euch kümmern würdet!“ sprach Laurena resigniert. Über Dadgas Gesicht war ein Schatten gehuscht, als Laurena Lumnias verstorbenen Geliebten erwähnte, doch dann ergriff er erneut für sie Partei. „Das mit Dabog leuchtet doch ein! Er wäre wohl wirklich am ehesten zugänglich, für Lumnias Vorschlag mit der Seele. Er hat sie sicher nicht ganz vergessen...“ Er blickte die junge Priesterin auf einmal voller Zuneigung an, als wolle er sagen: Diese Frau kann man doch nicht einfach vergessen! Lumnia achtete das erste Mal richtig darauf, wie er sie anschaute und er war ihr zweifellos zugetan. Umso mehr berührte sie seine Selbstlosigkeit, im Bezug auf Dabog. Denn er musste ja wissen, dass wenn ihr das mit Dabog gelänge und dieser wieder seine Seele zurück bekam, Dadga dann keine Chancen bei ihr gehabt hätte. Er hatte bisher ja auch nie versucht, sie für sich zu gewinnen, denn er wusste um ihre innige Liebe zu Dabog und respektierte das.
So kam es, dass tags darauf zwei einzelne Menschen die Geborgenheit der Stadt Sturmwind verliessen und sich aufmachten ins Vorgebirge des Hügellands…
**********
Es gab niemanden sonst, der sie begleitete, doch Lumnia fühlte sich sehr sicher mit Dadga an ihrer Seite. Seine ruhige Gegenwart tat ihr gut.
Die beiden ritten auf edlen Pferden. Lumnia auf einem Schimmel, mit wehender Mähne. Er war geschmückt mit Zaumzeug aus Silber. Blaue, blumenförmige Beschläge zierten es. Lumnias langer Reiseumhang aus blauer Seide, fiel wie Wellen über die Kruppe des Pferdes hinab. Auch Dadga trug einen Umhang, aber aus dunkelrotem Wollstoff. Dieser passte zu seiner silbernen Rüstung mit den roten Drachenschuppen. In Azeroth gab es an manchen Orten Drachen. Diese hatten aber nichts mit den „Grossen Drachen“ zu tun, die einst den göttlichen Auftrag erhielten, über diese Welt hier zu wachen. Es waren ganz normale Drachen, die meist ziemlich angriffslustig waren. Es gab deshalb besondere Drachenjäger in Azeroth und dann auch jene, die die harten, aber dennoch erstaunlich beweglichen Schuppen der mächtigen Echsen zu edlen Rüstungen verarbeiteten. Dadga trug so eine Rüstung, was ihn sehr eindrucksvoll erscheinen liess. Ausserdem passte er zu Lumnia mit ihrer roten Robe. War das wohl Absicht gewesen? Dadgas Pferd war ein stämmiger Fuchs. Sein Zaumzeug war etwas schlichter, als das von Lumnias Reittier,dafür waren seine Flanken und der edle Kopf noch zusätzlich mit glänzenden Platten geschützt. Ein richtiges Streitross eben.
Sie waren zwei Tage unterwegs, bis sie schliesslich die schneeverwehten Gipfel von Dun Morogh erreichten. Dort fanden sie Unterschlupf bei einer Zwergen Freundin von Dadga. Ihr Name war Apollia. Sie lebte in Eisenschmiede- der gewaltigen Hauptstadt der Zwerge, die in einen Berg hinein gebaut war. Apollonia war sehr freundlich. Sie hatte rotes, halblanges Haar, von welchem ein Teil zu Zöpfen geflochten war. Sie reichte Lumnia nur bis zur Brust, war aber umso resoluter und selbstsicherer in ihrer Art. Die Priesterin mochte sie auf Anhieb. Apollia war schon ziemlich kriegserfahren und eine ausgezeichnete Schützin. Es gab nur wenige, die so geschickt mir ihrer Muskete umgehen konnten, wie sie. Ausserdem war sie sehr naturverbunden. Sie besass eine besondere Begabung mit Tieren umzugehen und wünschte sich insgeheim, einst ein wildes Tier zu zähmen, dass sie dann begleiten konnte, wie es bei den Nachtelfen häufig vorkam.
Lumnia und Dadga verbrachten eine Nacht in Eisenschmiede und waren sehr beeindruckt. Besonders die gewaltige Schmiede im Zentrum der Stadt war einzigartig. Goldglänzendes Metall, gewonnen aus der Lava, die tief unter der Stadt dahinfloss, stürzte leuchtenden Wasserfällen gleich, aus Öffnungen, im hoch gewölbten Felsdach herab. In riesigen Behältern wurde es dann aufgefangen und zu verschiedensten Waffen und Rüstungsgegenständen verarbeitet. Die Zwerge arbeiteten rund um die Uhr, um ihrem Ruf als einzigartige Schmiede gerecht zu werden.
Leider konnten Lumnia und Dadga nicht lange bleiben, denn sie mussten weiter. Schliesslich durchquerten sie das steinerne, mit zwei goldroten Hämmern und Rautenmustern verzierte Südtor, das sie in einen von Feuern erleuchteten Felstunnel führte. „Solche Tore und Tunnels werden wir noch öfters durchqueren, bis wir im Sumpfland sind,“ erklärte ihr Dadga. „ Ist eine sehr gebirgige Gegend hier. Das „Tal der Könige“ wird dir besonders gefallen, denn dort gibt es zwei eindrückliche, aus Fels gehauene Zwergenstatuen.“
Nach dem ersten Tor, gingen die beiden einen gewundenen Weg herab und dann sah Lumnia die eindrücklichen Statuen die den Weg nach Loch Modan, rechts und links flankierten! Es waren zwei Männer. Der eine trug ein Beil und der andere einen Hammer. Sie stützten ihren Waffenarm auf die grossen, breiten Säulen, die ihren Schatten über den groben Steinpfad warfen. Die beiden Reisenden wendeten sich nach Norden, wo sie das tiefgrüne Land „Loch Modan“ empfing. Dieser Ort war nach dem grossen Bergsee, in seinem Zentrum benannt. Auch hier fanden sie Unterschlupf bei einem Freund von Dadga, der in einer kleinen Siedlung, genannt Thelsamar lebte. Sein Name war Morhan und er hatte langes, schwarzes Haar das zu einem Zopf geflochten war. Wie alle Zwergenmänner trug er einen dichten Bart. Er war sehr nett, wenn auch etwas raubeinig, wie die meisten seines Volkes.
Weiter ging dann die Reise ins Sumpfland. Dies war ein aus gewaltigen Mooren bestehender Landstrich. Die dunklen, unheimlichen Moorseen, waren umgeben mit dichtem Buschwerk. Hohe Bäume mit gewaltigen, flachen Kronen erhoben sich in die, meist von einem leichten Dunst durchdrungene, stickige Luft. Der Himmel hatte hier ein trübes Blau und es fiel einem zeitweise schwer zu atmen. Lumnia war noch nie so weit gereist. Sie konnte sich kaum sattsehen an all den Wundern der Welt Azeroth. Dadga stellte sich nicht nur als sehr hilfsbereiter, liebenswürdiger Begleiter heraus, sondern auch als angenehm geistreich und unterhaltsam. Er war zwar grundsätzlich ruhig in seiner Art, aber er besass einen trockenen Humor, der Lumnia sehr oft zum Lachen brachte. Sie lernte Dadga nun erst so richtig kennen und sie mochte ihn wirklich sehr. Dennoch Gefühle wie Liebe, konnte sie noch nicht für ihn entwickeln, zu sehr dachte sie noch an Dabog. Dadga versuchte alles, um ihr die Reise angenehm zu gestalten und er zeigte mehr Gefühl als bisher. So eine Reise verband einen ja auch.
Im Hafen von Menethil, einem Stützpunkt der Allianz, machten sie erneut Halt. Sie quartierten sich dort im Gasthaus „Tiefenwassertaverne, einem Riegelhaus mir blauem Ziegeldach ein. Dadga zeigte Lumnia die gewaltigen Anlegestellen. „Von hier aus fahren grosse Schiffe, in alle Allianzgebiete. Man kann ins Nachtelfen- Reich, auf die Insel Theramore, wo sich die Düstermarschen- ein anderes Sumpfgebiet befinden und auch auf die Azurmythosinsel, wo die Draenei leben.“ „Die Draenei? Hast du solche schon mal gesehen?“ „Ja man muss sich hier nur etwas umschauen. Die Draenei fallen einem sofort ins Auge. Sie sind grösser und eindrucksvoller, als alle andern Völker Azeroths. Sie lassen sich von Lichtwesen, genannt Naruu leiten und sind um ein friedliches Miteinander aller Völker sehr bemüht.“ „Wie wir auch...“ sinnierte Lumnia. „Ja wie wir auch. Wir werden alles versuchen, um wenigsten einen Beitrag zur Vereinigung der Völker zu leisten.“ Lumnia sah ihn an, irgendwie empfand sie ein seltsames Gefühl in der Gegend ihres Herzens. Dadga war immer vollkommen aufrichtig in allem was er sagte und sie merkte immer mehr, wieviel sie eigentlich gemeinsam hatten. Ihm lagen dieselben Dinge am Herzen, wie ihr. Er war derselbe Idealist wie sie... „Doch das...war Dabog auch...“ korrigierte sie sich sofort. „Er und ich hatten etwas, das nie zu ersetzen sein wird, so sehr ich Dadga auch ins Herz geschlossen habe. Zwischen ihm und mir kann nie mehr als Freundschaft sein.“
Etwas abrupt wandte sich die Priesterin ab und meinte: „Ich bin jetzt sehr müde, gehen wir ins Gasthaus?“ Dadga nickte und führte sie zur Gaststätte zurück. Dort legten sie sich dann, jeder in seinem eigenen, kleinen Zimmer, mit naturweissen Laken schlafen.
Am nächsten Tag, machten sie sich wieder früh auf den Weg. Die Sonne ging gerade auf und warf ihr rosa Licht durch den morgendlichen Dunst der Sümpfe. Überall hörte man Vogelrufe und die tellerförmigen Baumkronen raschelten sanft ihm Wind.
„Wir müssen bei Dun Modr über den Thandolübergang,“ erkärte ihr Dadga. „Ein kleines Stück müssen wir dann noch durch das Arathihochland, dann sind wir bald im Hügelland.“ Sie waren jetzt bald fünf Tage unterwegs und immer wieder gab es für Lumnia neue, erstaunliche Dinge zu entdecken. Sie war sehr dankbar dass sie der Paladin begleitet. Er kannte sich überall sehr gut aus „Bald wird das Gebiet gefährlicher,“ meinte er. „Im Arathihochland treiben sich oft Räuber des Syndikats herum und auch Untote patrouillieren oft auf den Strassen. Das Arathihochland und besonders das Hügelland, sind umkämpftes Gebiet. In Arathi gibt es im Osten einen Hordenstützpunkt, der sich Hammerfall nennt. Der Stützpunkt der Allianz ist im Westen. Wir werden daran vorbei kommen und vielleicht nochmals eine Rast einlegen. Dann geht es weiter Richtung Hügelland. Dort befindet sich im Süden an der Küste, Süderstade- der Stützpunkt der Allianz und nicht weit weg davon, mehr im Norden, Tarrens Mühle. Ich hoffe wirklich wir sind erfolgreich.“
„Wir müssen einfach darauf vertrauen, dass das Licht uns führt,“ gab Lumnia zurück. „Es sieht aus, als hättest du das Vertrauen und deinen Glauben wieder gefunden?“ meinte Dadga erfreut. „Ja und daran bist du nicht unschuldig“, Lumnia lächelte ihn an. Er wurde etwas verlegen und es kam ihr vor, als hätten sich seine Wangen etwas gerötet. „Wie meinst du das?“ „Während alle andern mir mein Vorhaben ausreden wollten, hast du mich immer verstanden und unterstützt. Ich bin wirklich sehr froh, dass du bei mir bist.“ „Es ist mir eine Ehre dich zu begleiten“, erwiderte er bescheiden. Dann lächelte er wieder sein strahlendes Lächeln, welches seine schönen, weissen Zähne sichtbar machte. Er war wirklich ein gutaussehender Mann! Seine Gesichtszüge waren edel, seine Lippen voll und die dichten, blonden Wimpern überschatteten sein aquamarinblauen Augen, aus denen ein wunderschönes Licht zu strahlen schien.
Lumnia wurde auf einmal verlegen, denn sie glaubte ihn zu lange angeschaut zu haben. Nicht dass er das noch missverstand. Auch er wandte etwas verlegen den Kopf ab und sprach: „Nun...es wird nicht sehr lange dauern bis wir an Dun Modr vorbeikommen. Dort haben sich die Dunkeleisenzwerge eingenistet. Die Dunkeleisenzwerge sind einst dem Bösen anheim gefallen. Ja, ich habe schon mal von diesem Krieg der Drei Hämmer gehört,“ sprach Lumnia „und du sagst, die Dunkeleisenzwerge leben noch in Dun Mordr?“ „Ja, doch keine Angst, befreundete Zwerge achten darauf, dass sie sich nicht ausbreiten können. Wir werden auch nicht so nahe an Dun Mordr vorbeikommen. Danach schlängelt sich eine gewundene Strasse, hinauf zum Thandolübergang. Dieser wird dir gefallen. Dort führt eine eindrucksvolle Brücke über eine tiefe Schlucht, wo ein Fluss hindurchfliesst. Das Arathihochland ist sowieso eine sehr schöne Gegend, mit hohen Bergen und grünen Hügeln. Es gibt dort viele wunderschöne Wasserfälle, glasklare Bäche und Flüsse.“ Lumnia lauschte den Erzählungen von Dadga sehr gerne, er schaffte es irgendwie in ihr Bilder voller Romantik und Schönheit entstehen zu lassen. Dies war seine ganz besondere Qualität.
Der Paladin hatte nicht zuviel versprochen, denn als sie Dun Modr, eine Stadt bestehend aus runden Gebäuden, die man direkt in den Fels gebaut hatte, hinter sich gelassen hatten, ragten vor ihnen die ersten Gipfel des Arathihochlandes empor! Mächtige Berge mit schroff abfallenden Felshängen einerseits und sanften, grünen Almen andererseits.
Schliesslich erreichten sie eine gewaltige, steinerne Brücke mit hohen, eckigen Pfeilern. Sie sah etwas aus wie eine Zugbrücke, denn dicke Ketten sicherten sie seitlich zusätzlich, auf beiden Seiten der Schlucht. In der Mitte befand sich noch ein Bauelement, bestehend aus zwei Türmen. Der erste gerade Brückenbogen, unter dem sie nun ehrfurchtsvoll hindurch ritten, war verziert mit einem breiten, Rauten- Relief. Lumnia war tief beeinduckt und starrte seitlich hinunter in die bodenlos scheinende Tiefe, wo sich das glitzernde Band des Flusses gespeist von einem mächtigen Wasserfall dahinschlängelte…
Als sie aber zwischen den mittleren Türmen hinduchgehen wollten, geschah etwas völliug Unerwartetes! Drei seltsame Zwerge mit grauer Haut, rotglühenden Augen und pechschwarzen Haaren und Bärten stellten sich ihnen in den Weg! Sie trugen dunkle Lederrüstungen und zückten sogleich ihre Waffen! Der kalte Stahl blitzte in der Sonne auf und mit wildem Geschrei, stürzten sie sich auf die beiden Reisenden. „Wegelagerer der Dunkeleisenzwerge!“ schrie Dadga völlig überrascht. Alles geschah so schnell, dass Lumnias noch unerfahrenes Pferd „Lightfire“ sich ängstlich wiehernd aufbäumte und sie abwarf. Dumpf schlug sie auf der steinernen Brücke auf. Durch den harten Sturz, war sie einen kurzen Moment lang besinnungslos. Doch dann raffte sie sich wieder auf.
Dadga wob gerade einen seiner Flächenzauber. Es war als würde der Boden um ihn herum dabei Wellen schlagen. Die zwei ihm nahestehenden Zwerge wurden zurückgeschleudert, doch sie erholten sich schnell wieder und alle drei griffen den Paladin nun gleichzeitig an. Dieser entfesselte mit seinem mächtigen, heiligen Hammer einen weiteren Zauber, der den einen Feind mit einem gleissenden, goldenen Licht traf. Bevor dieser sich wieder erheben konnte, traf ihn auch noch ein weisslicher Lichtblitz und er blieb reglos liegen. Dadga befand sich noch immer auf seinem Pferd, das sich aufbäumte und nach einem der andern Wegelagerer trat. Doch dieser wich geschickt aus. Die Zwerge, drängten den Paladin näher und näher an den Rand der Brücke. Dadga liess immer wieder seinen Hammer niedersausen und verstärkte seine Angriffe mit goldenen, silbernen und weissen Zaubern. Einige dienten auch dazu sich selbst zu heilen, wenn ihm eine der Waffen der Gegner, eine blutige Wunde schlug. Noch war auf seinem Pferd im Vorteil, jedenfalls... machte es den Anschein. Doch die Feinde drängten ihn immer näher an den Brückerand. Lumnia erhob sich und versuchte den pochenden Schmerz in ihrem Kopf und ihrem Körper zu vergessen. Ihr Pferd war verschwunden, doch darum konnte sie sich jetzt nicht kümmern. Sie musste Dadga helfen. Sie hob ihre Arme und wirkte auf den Paladin einen Zauber, der ihn vor Verletzungen schützte, dann schleuderte sie einen hellen Lichtblitz auf den einen Wegelagerer. Dieser heulte auf und griff nun sie an. Dadga war jetzt wieder in einer besseren Position und sie würde problemlos selbst mit einem dieser Verbrecher fertig werden. Priester konnten gewaltige Zauber wirken und es auch gegen mehr als einen Gegner aufnehmen. Sie besassen die Möglichkeit einen Schutzschild um sich selbst oder andere zu errichten, hatten die Fähigkeit andere und sich selbst zu heilen. Es gab auch wenige sehr begabte Priester (zu denen Lumnia gehörte), welche jemanden, der gerade erst gestorben war, sogar ins Leben zurückholen konnten! Leider war sie nicht dort gewesen, als man Dabog getötet hatte, denn sonst hätte sie ihn retten können...Die Priester besassen auch sehr starke Offensivzauber. Lumnia wirkte einen davon und dieser traf den Feind mitten in die Brust und hinterliess eine klaffende, blutige Wunde. Der Verbrecher brach zusammen und blieb reglos liegen. Lumnia's Blick suchte Dadga, der noch immer dicht am Rand der Brücke kämpfte.
Als sie schon glaubten den Kampf gewonnen zu haben aber, durchdrang ein seltsam zischendes Geräusch die Luft und... plötzlich brach Dadgas Pferd „Red Flame“ zusammen! Mit Entsetzen sah Lumnia, wie sich ein Seil mit drei Kugeln daran, um die Vorderbeine des Tieres geschlungen hatte. Es war eine heimtückischen Waffe, um die Pferde auf den Schlachtfeldern zu Fall zu bringen und damit ihre Reiter. Ein Entsetzensschrei entrang sich ihrer Brust, als ihr Begleiter den Halt verlor und über die Brüstung der Brücke stürzte. „Nein! Dadga!“ Sie wollte dorthin laufen, wo er verschwunden war, aber der verletzte Wegelagerer, der gerade gegen Dadga gekämpft hatte, wandte sich ihr jetzt mit gezückter Waffe zu. Doch er war nicht wie vermutet der letzte, denn ein weiterer Mann gesellte sich zu ihm, den sie bisher nicht gesehen hatte. Er musste das Pferd zu Fall gebracht haben und...damit Dadga! Auf einmal brodelte wilder Zorn in Lumnia auf. Diese Verbrecher hatten Dadga umgebracht, ihretwegen war er in die Schlucht gestürzt und...nun bestimmt tot. So ein Sturz konnte niemand überleben. Erfüllt von Rachedurst, wirkte die Priesterin zwei mächtige Offensivzauber kurz nacheinander. Der eine traf den bereits verletzten Zwerg tödlich, der andere durchzuckte jenen, der gerade hinzugekommen war, als bläulicher Blitz. Es war ein besonders starker, vernichtender Zauber „Gedankenschinder“, den Lumnia eigentlich selten anwandte, denn er war ausserordentlich schmerzhaft. Ihre Magie schleuderte den Verbrecher ein paar Meter weit Richtung Brückenrand, wo Dadgas Pferd noch immer in Panik versuchte, das Seil um seine Läufe loszuwerden. Seine Hufe wirbelten herum und trafen den letzten Wegelagerer mit solcher Wucht am Kopf, dass er tödlich getroffen liegen blieb. Lumnia näherte sich dem aufgeregten Tier und redete beruhigend auf es ein. „Nur keine Angst Red Flame,“ sprach sie. „Ich werde dich befreien, ganz ruhig...“ Das Tier reagierte auf ihre Stimme und liess sich etwas beruhigen. Die Priesterin strich ihm über die schweissnassen, bebenden Flanken und machte sich an dem Seil mit den drei Kugeln zu schaffen. Es war ein einfaches Werkzeug, wenn auch sehr effektiv. Das dicke Lederseil, spaltete sich in drei Stränge auf, an dem je ein, in Rohhaut eingefasster Stein, befestigt war. Man konnte dies auch zur Jagd benutzen. Lumnia löste es und warf es mit einem plötzlichen Aufschluchzen von sich. Sie ging mit tränengetrübtem Blick zur Mauer, von der Dadga gestürzt war und schaute hinunter. In der schrecklichen Tiefe unter ihr floss der Fluss. Zu sehen war nichts. Sie suchte die Felsen am Rand der Schlucht und auch die gewaltigen Brückenpfeiler nach Spuren von Dadga ab, aber nichts war zu entdecken. Sein Körper war vermutlich in die Fluten des Flusses gestürzt. Ein schrecklicher Schmerz zog auf einmal ihr Herz zusammen, wie damals als sie vom Tode ihres geliebten Dabog erfuhr. Wieder hatte sie einen Menschen verlohren, der ihr die letzten Tage so sehr ans Herz gewachsen war. Für den sie innige Gefühle empfand, nicht nur...Freundschaft, es war schon mehr, auch wenn sie das immer wieder versuchte aus ihrem Bewusstsein zu drängen. Dadga war immer so gut und so liebenswert gewesen, er hatte sich rührend um sie gekümmert, ihr alles erklärt und ihr Welten gezeigt, die sie noch nie kennengelernt hatte. Und nun...war auch er tot, noch bevor sie das Hügelland erreicht hatten. Lumnia schluchzte laut und hämmerte mit ihren Fäusten auf den harten Stein der Brückenbrüstung. Sie merkte in ihrer Trauer und ihrem Zorn nicht mal, das Red Flame mit wehendem Schweif und Mähne davongaloppierte. Er suchte wohl seinen Meister, doch... er würde ihn nicht finden. Bestimmt wurde dessen Leichnahm bis hinunter ins Meer gespült, um dort für immer in den tiefsten Fluten zu versinken. Es war aussichtslos ihn zu suchen, denn zuviel Zeit war schon verstrichen und er konnte diesen Sturz nicht überlebt haben...
***********
So wandte sich Lumnia, nachdem sie sich wieder einigermassen gefasst hatte um, stieg wie mechanisch über die toten Körper der Dunkeleisenzwerge hinweg und machte sich langsam zu Fuss auf den Weg, Richtung Hügelland. Endlos lange schien nun alles zu dauern, es war als ginge sie durch einen bösen Traum.
Sie kannte sich hier überhaupt nicht aus und wusste nur, das sie sich immer weiter gegen Westen halten musste. Sie durchquerte fruchtbares, hügeliges Land, bestehend aus einem ständigen Auf und Ab von grünbewachsenen Bergen und tiefen Tälern, durch die sich glitzernde Flüsse schlängelten. Es gab auch einige grössere und kleinere Wasserfälle zu sehen. Einige Male führte der Weg auch unter natürlichen Steinmonumenten hindurch. Doch Lumnia sah all das kaum. Sie war ständig auf der Hut, blickte sich immer wieder nach möglichen Gefahren um. Es gab hier nebst Untoten und Räubern auch noch viele wilde Tiere, die ihr gefährlich werden konnten. Doch es gab für sie kein Zurück mehr. Ausserdem machte sich in ihr auch wieder diese seltsame Resignation breit, die sie schon nach dem Tod von Dabog heimgesucht hatte, wobei sie den Wert ihres eigenen Lebens gar nicht mehr so richtig schätzte. Alles wurde ihr genommen! Nun auch noch Dadga, der ihr so viel Sicherheit, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft entgegengebracht hatte. Durch ihn hatte sie sich nicht mehr so einsam gefühlt. Er hatte ihrem Leben irgendwie wieder einen Sinn, eine Freude gegeben. Doch nun...sie musste erneut weinen, als sie daran dachte, dass der Leichnam des Paladins nun den wilden Fluss hinuntergetrieben wurde. Wie sein wohlgestalteter Körper zerschlagen wurde, von scharfem Felsgestein. Nein! Sie durfte nicht daran denken! Es ging ja um seine Seele und diese bekam das ja nicht mehr mit. Genauso...wie auch Dabogs Seele sich vermutlich nicht mehr um seinen untoten Körper scherte. Nun...darin war sie sich noch nicht ganz so sicher. Wenigstens blieb Dadga die Schmach des Untodes erspart.
Langsam begann es einzudunkeln und in der Hohepriesterin machte sich erneut tiefste Verzweiflung breit. Die Vorstellung die Nacht hier draussen zu verbringen, mit all ihren Gefahren, erschien ihr schrecklich. Hatte Dadga nicht von einem Stützpunkt der Allianz gesprochen, den es hier geben sollte? Doch dieser hätte ziemlich bald nach dem Thandolübergang kommen müssen. War sie schon vorbei? Die Sonne färbte sich nun langsam rot und ihr Licht ergoss sich über die grünen Hügel und schroffen Felsgrate. Alles bekam dadurch einen weichen Schimmer, die Farben wurden langsam unklar und die Dunkelheit erhob sich..., wie ein bedrohlicher Schatten.
Dann aber auf einmal entdeckte Lumnia einen Wegweiser auf der linken Seite der Strasse! Darauf stand: Bauernhof der Dabyries. Neue Hoffnung keimte in ihr auf und tatsächlich war dieser Hof ein Gestüt der Allianz. Sie wurde sofort freundlich aufgenommen und konnte die Nacht dort verbringen.
Am nächsten Tag wurde sie früh aus dem Schlaf geholt. Eine junge Frau mit dunklem langen Haar und braunen Augen teilte ihr mit: „Milady, da ist ein Pferd in der Nähe aufgefunden worden. Es ist vermutlich ihres, denn es ist ein wunderschöner Schimmel.“
Sofort erhob sich die Priesterin, zog sich rasch an und trat hinaus in den Hof. Tatsächlich dort stand ihr geliebtes Pferd . „Lightfire!“ rief sie und lief auf das Tier zu. Es hatte sie also gesucht und nun... war es wieder bei ihr! Voll tiefster Dankbarkeit, legte Lumnia die Arme um den edel geschwungenen Hals des Schimmels. Dieser schnaubte leise und schien sich auch über das Wiedersehen zu freuen. „Das war wirklich eine schreckliche Sache dort auf der Brücke,“ sprach die Priesterin leise zu Lightfire. „Du hast dich sehr erschreckt. Du bist ja auch kein Streitross, wie... Dadgas Pferd.“ Wieder schluchzte sie auf und das Tier, welches wohl ihren Kummer bemerkte, legte ihr seine Nüstern gegen den Hals und atmete sie mit seinem warmen Atem tröstend an. Das half der jungen Frau sehr.
Sie wischte sich dir Tränen aus den Augen und meinte dann in festem Ton: „Wenigstens sind wir jetzt wieder zusammen, so ist alles auch wieder leichter. Vielleicht erreichen wir heute noch den Thoradinswall, der in das Vorgebirge des Hügellands führt.“
Sie packte noch einige Vorräte ein und füllte ihre Wasserschläuche auf, dann verabschiedete sie sich mit innigen Worten des Dankes von den Dabyries und machte sich erneut auf den Weg.
Die Luft war wunderbar rein und roch nach Blumen und frischem Gras. Die Sonne ging über den nahe liegenden Bergen auf und ihr gelb oranges Licht machte den Anschein, als ob deren Spitzen glühen würden. Dann langsam wurde es heller und heller. Lumnia hatte sich noch bei den Dabyries nach dem weiteren Weg erkundigt und sie wusste nun genau, wie sie zu gehen hatte und wo der nächste Allianzstützpunkt- Süderstade, sich genau befand. Dort wollte sie die nächste Nacht verbringen und dann weitersehen.
Als die Sonne bereits wieder etwas niedriger stand, tauchte vor Lumnia dann schliesslich eine gewaltige Mauer aus Stein auf! Der Durchgang, einst von einem aus zugespitzten Holzstämmen gefertigten Tor verschlossen, war nun offen und kein Mensch war weit und breit zu sehen. Lumnia blickte sich mehrfach um, damit sie nicht in einen weiteren Hinterhalt geriet. Das Geklapper von Lightfires Hufen wiederhallte etwas unheimlich an den steinernen Pfeilern des Durchgangs. Die Überreste des Holztores, schwebten bedrohlich über ihr… Man musste es vor einiges Zeit zerstört haben. Lumnia durchquerte das Bogentor und kam in eine weitere, sehr grüne und hüglige Gegend. Allerdings gab es hier wieder viel mehr Bäume, als in Arathi. Es waren meist Tannen, deren Nadeln in gold, grün und purpur leuchteten. Sie hatte das Vorgebirge des Hügellands erreicht…!
„Endlich haben wir es geschafft!“ sprach Lumnia zu ihrem Pferd und erneut verspürte sie einen Stich im Herzen, weil sie niemanden sonst hatte, mit dem sie darüber reden konnte. Eigentlich war sie ganz allein mit sich und sie spürte, dass sie gezwungen wurde, sich nach Innen zu wenden. Sie dachte daran, was sie bereits alles als Priesterin gelernt hatte und doch...kam es ihr irgendwie vor, als ob ihr Zugang zum Licht teilweise abgeschnitten sei. Sie fühlte sich sehr einsam und verlassen und machte sich irgendwie Vorwürfe, dass sie sich durch all diese Ereignisse so aus der Bahn werfen liess. War sie wirklich zur Priesterin geeignet? Denn sie hätte doch mehr Kraft im Glauben an das Licht finden sollen, auch ohne einen... Liebsten.
Ihre Gedanken wanderten zu dem was ihr noch bevorstand. Was würde sie wohl erwarten? Würde sie dieses Abenteuer überhaupt selbst überleben? Doch seltsamerweise hatte sie keinerlei Angst vor den Gefahren, die sie erwarteten. Es war mehr die Angst davor, erfolglos zu sein. Die Angst davor, dass Dabog nicht mit sich reden liess.
Lumnia stiess ihrem Pferd die Fersen in die Flanken und trieb es noch etwas mehr an. Sie wollte möglichst schnell nach Süderstade, damit sie wenigstens eine Bleibe hatte, denn schon bald wurde es wieder Abend und hier draussen war es sehr gefährlich. Sie wollte ja schliesslich nicht das Leben lassen, bevor sie Dabog getroffen hatte.
Als sie nur noch einige wenige Kilometer von der Abzweigung zum Allianzstützpunkt entfernt war, sah sie in der Ferne auf einmal eine Gruppe von sechs Männern auf sich zukommen. Sie hatten eine etwas gebückte Haltung und waren sehr hager. In Lumnia's Kopf begannen sofort die Alarmglocken zu läuten und sie trieb ihr Pferd von der Strasse weg, auf eine Gruppe von Bäumen zu, die in der Nähe standen. Dort stieg sie ab und versteckte sich. „Ganz still Lightfire!“ sprach sie und legte dem Tier ihre Hand auf die Nüstern. Dieses schien zu bemerken, dass etwas nicht in Ordnung war und verhielt sich von sich aus ganz ruhig. Lumnia's Blick wanderte wieder hinüber zur Strasse. Dort kamen sie: sechs Untote, die hier wohl auf Patrouille waren. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen, so dass sie glaubte, man müsse es auf weite Entfernung hören. Die Verlassenen waren unheimliche Gestalten mit hageren Körpern und teilweise ziemlich entstellten Gesichtern. Sie trugen violette Rüstungen mit Kapuzen auf dem Kopf. Ihre gebeugte Haltung, täuschte über ihre tatsächliche Kraft und Wendigkeit hinweg. Sie wirkten grässlich und beängstigend. Automatisch hielt Lumnia nach Dabog Ausschau, aber soweit sie sehen konnte, war er nicht dabei. Irgendwie erleichterte sie dass, denn so hätte sie unmöglich mit ihm sprechen können. Dennoch war sie aber auch traurig und wieder machte sich diese Hilflosigkeit in ihr breit. Es konnte Tage dauern, bis sie mit Dabog sprechen konnte, wenn er irgendwo an einem Ort diente, wo es viele Untote auf einem Haufen gab. Dennoch, sie würde nicht von hier weggehen, bevor sie mit ihm geredet hatte.
Auf einmal wurde ihre Aufmerksamkeit noch von etwas anderem in Anspruch genommen. Auf der Strasse entdeckte sie noch eine weitere Person. Es war einer der gelbhäutigen Goblins, von Gadgezan (Tanaris). Es gab sie an verschiedenen Orten in der Welt Azeroth. Sie waren ein neutrales Volk, das auf niemandes Seite stand. Dieser hier war wohl ein Händler. Er besass einen grossen, mechanischen Begleiter, aus bronzefarbenem Metall. Die Untoten begrüssten ihn mit einem Kopfnicken, nahmen aber sonst kaum Notiz von dem Goblin. Sie kannten ihn wohl bereits. Er ging nun weiter Richtung Westen. Genau dorthin, musste Lumnia auch. Plötzlich kam ihr eine Idee. Sie wartete, bis die Untoten- Patrouille vorbei war. Dann ritt sie, vorsichtig um sich blickend, zurück zur Strasse. Sie musste sich etwas beeilen, wenn sie den Händler einholen wollte, so trieb sie Lightfire zum Galopp an. Ziemlich bald sah sie ein Stück weiter nach Westen, den blau gekleideten Goblin mit dem schwarzen Lederwams. Er hatte senfgelbe Haut und, fledermausartige Ohren. Seine Nase war spitz und die dunklen Knopfaugen standen eng beisammen. Sie ritt sogleich zu ihm hin und der Goblin, begrüsste sie sogleich freundlich, mit den Worten: „Grüsse holde Dame, mein Name ist Zixil, was kann ich für euch tun?“ Ich bin auf der Durchreise und suche jemanden Bestimmten, “ sprach sie. „Wenn ich helfen kann, dann jederzeit, “ sprach der Goblin. „Ich bin ja auch da, um den Leuten hier stets das Neueste zu berichten und ihnen auch den Weg zu weisen, wenn es sein muss. „Das ist sehr gütig von euch,“ sprach Lumnia und warf ihm einige Münzen zu.
Zixil schien sehr erfreut und steckte das Geld ein. „Nun wen sucht ihr denn?“ fragte er. „Es geht um einen jungen Menschenmann, der...vermutlich gerade vor kurzem zu einem Verlassenen gemacht wurde...“ „Ojeh, eine traurige Geschichte, nehme ich an,“ sprach der Kobold. „Ja das kann man wohl sagen.“ „Handelt es sich dabei vielleicht um euren einstigen Liebsten?“ Lumnia sah Zixil erstaunt an. „Ist das jetzt wirklich so offensichtlich?“ fragte sie. „Tja, wenn man so viel herumreist wie ich, dann entwickelt man schon eine gewisse Menschenkenntnis. Ausserdem, was sollte denn eine junge, schöne Frau wie ihr sonst allein hier, in diese unwirtliche Gegend treiben?“ „Ich war... anfangs nicht allein. Ein Paladin namens Dadga hat mich noch bis vor kurzem begleitet, aber...er kam beim Thandolübergang um, als uns die Dunkeleisen- Zwerge überfielen. Er stürzte in die Schlucht...das kann er nicht überlebt haben. Und nun...bin ich allein unterwegs. Ich suche meinen einstigen Geliebten Dabog Goodheart. Habt ihr vielleicht schon mal von ihm gehört?“ Der Goblin runzelte seine ziemlich flache Stirn und dachte nach, während er den Namen mehrmals leise vor sich hinsagte. Dann auf einmal schien Erinnerung sein Gesicht aufzuhellen. „Ja...da war ein junger Mann mit diesem Namen!“ Lumnia konnte ihr Glück kaum fassen und fragte ungeduldig: „Wo habt ihr ihn gesehen? Wisst ihr wo er jetzt ist?“ Zixil sprach: „Da war ein Scharmützel zwischen einigen Menschenkriegern und einer Gruppe der Verlassenen, gar nicht weit von hier.
Die Untoten gingen als Sieger hervor und nahmen die Leichen der Menschen mit sich. Die Nekromanten erweckten sie wohl wieder zum Leben, auch euren Dabog. War er ein stattlicher Mann mit langem, schwarzen Haar und blauen Augen?“ „Ja genau das ist er!“ Lumnia konnte kaum glauben, dass sie diesmal soviel Glück hatte. Zixil schaute sie mitfühlend an und meinte: „Das tut mir wirklich sehr leid für euch. Euer Liebster wird nicht mehr derselbe sein. Immerhin ist er nun ...schon eine ganze Weile ein Verlassener. Das hinterlässt einfach gewisse Spuren. Die Untoten führen ein ganz anderes Leben als die Lebenden...“ „Wo ist Dabog denn jetzt?“ Soviel ich weiss, dient er in Tarrens Mühle. Ich bin gerade auf dem Weg dorthin. Wenn ihr mitkommen wollt...“ Die Priesterin war sehr dankbar über solche Freundlichkeit. „Aber...“ sprach der Goblina dann besorgt „Ihr solltet euch nicht allzu nahe heranwagen, die Untoten fackeln nicht lange, wenn sie Menschen sehen. Sie sehen sie als ihre Erzfeinde und die Menschen hassen und verabscheuen sie.
Vielleicht sollte ich Dabog erstmal allein von eurer Ankunft unterrichten. Die Verlassenen haben zwar keinerlei Gefühl mehr, aber sie erinnern sich schon noch an einige Dinge der Vergangenheit, besonders wenn sie so kurz zurückliegen. Er wird euch noch kennen, aber... ob er wirklich mit sich reden lässt...Es kann auch sein, dass er euch tötet.“ „Dieses Risiko nehme ich auf mich“, sprach die Hohepriesterin. „Eine wirklich mutige, junge Frau seid ihr,“ meinte der Goblin bewundernd. „Und ihr seid sehr gütig und hilfsbereit.“ „Nun, ich finde diese vielen Kriege in unserer schönen Welt sehr bedauerlich. Denn man könnte in Frieden miteinander leben, wenn jeder die Eigenart des anderen annehmen und respektieren könnte, aber so viele Dinge sind schon geschehen und es wurde allen Völkern schon sehr viel Unrecht angetan.“ Lumnia nickte und erwiderte: „Ja, ich würde mir auch den Frieden zwischen allen Völkern wünschen. Das ist mit ein Grund, warum ich Dabog unbedingt sprechen will. Ich kann wirklich mit euch kommen?“ „Ja, denn wie gesagt, gehe ich gerade zu Tarrens Mühle. Ich werde dann versuchen euren Dabog zu euch zu schicken. Es wird schon bald dunkel. Bedenkt aber, dass die Untoten auch dann noch sehr gut sehen können!“
Die Priesterin nickte und stieg von ihrem Pferd, um neben dem Händler herzugehen. Als dieser sich wieder in Bewegung setzte, tat sein gewaltiger mechanischer Begleiter dasselbe. Ein rasselndes Geräusch entstand dabei. „Das ist mein metallener Beschützer,“ erklärte Zixil, als sie das seltsame Ding erstaunt näher betrachtete. „Für unsereins ist es auch nicht ganz ungefährlich hier. Viele wilde Tiere und auch diese...Syndikats- Räuber, schrecken vor nichts zurück.“ „Aber sonst bewegt ihr euch völlig gefahrlos zwischen Untoten und Menschen hin und her?“ „Ja. Das ist ja das Schöne. Alle kennen mich. Ich handle mit beiden Völkern und fungiere auch oft als ein Art Bote, der Nachrichten von den verschiedensten Orten überbringt. Das ist der Vorteil meiner Neutralität.“
Während die Schatten des Abends sich langsam über das Land breiteten, erreichten Lumnia und der fliegende Händler schliesslich die Abzweigung, welche rechter Hand zu Tarrens Mühle führte. Die junge Frau sah in der Ferne einige düstere Gebäude aufragen. Sie erkannte, dass sie aus grauem Gestein bestanden, welcher aber schon an vielen Stellen einen sehr verwitterten Eindruck machte. Die Verlassenen legten keinen Wert mehr auf Gepflegtheit. Zixil gebot Lumnia nun im Flüsterton hierzubleiben. „Ich werde schauen, wo euer einstiger Geliebter sich gerade aufhält. Bleibt ihr hier und verhaltet euch ganz still! Vor allem bleibt weg von der Strasse, damit ihr nicht von der nächsten Patrouille, oder von anderen Anhängern der Horde erwischt werdet! Es würde mir sehr leid tun um euch.“ Die Hohepriesterin nickte mit klopfendem Herzen und schaute dem Goblin zu, der nun mit einer Fackel in der Hand, die bereits ziemlich dunkle Strasse, zu Tarrens Mühle hinab ging. Konnte sie ihm auch vertrauen? Ja bestimmt, diese Goblins waren wirklich neutral, sie waren auf niemandes Seite. Es berührte sie deshalb sehr, dass Zixil ihr auf diese Art half. Der Himmel hatte ihn geschickt.
Es dauerte dennoch eine ganze Weile, bis sich etwas tat. Lumnia hielt sich abseits der Strasse, im nun tiefdunklen Schatten einer Tannengruppe versteckt und beobachtete von weitem das Treiben bei Tarrens Mühle. Im Zentrum befand sich eine alte, halbzerfallene Kirche, mit einem Schindeldach. Soldaten in dunklen Rüstungen, hielten überall Wache. Sie sah ihre gelben Augenpaare im Dunkeln leuchten. Das alles machte einen unheimlichen, gespenstischen Eindruck. Sie war so aufgeregt, dass sie manchmal glaubte, diese Augen würden sie direkt anstarren, aber ihre Phantasie spielte ihr wohl einen Streich.
Umso mehr zuckte sie zusammen, als auf einmal ganz nahe neben ihr, eine schleppende Stimme sie ansprach: „Du bist also hierher gekommen, nicht gerade klug von dir Lumnia.“ Sie fuhr herum und blickte in das gelbglühende Augenpaar eines Verlassenen. Es war als müsse ihr das Herz stillstehen. Sie sah nur noch seine Umrisse, der Kobold stand hinter ihm und seine Fackel erleuchtete nun für kurze Zeit dessen Antlitz, dann zog Zixil sich leise zurück und das Licht verschwand fast gänzlich aus der Umgebung. Doch die Hohepriesterin hatte genug gesehen, um ein entsetztes Keuchen auszustossen. Wie sehr hatte sich Dabog verändert! Er war jetzt ganz hager und sein Gesicht leichenfahl. Zwar erkannte man seine Züge noch, doch diese waren durch mehrere Narben hässlich entstellt. Einige Narben zogen sich über seine Stirn und je eine, seine beiden Wangen hinab. Sein Haar war noch immer lang, aber hatte jeglichen Glanz verloren. Es war ihm auch zum Teil schon ausgefallen und nur noch ein, mit einem Lederband zusammengehaltener, schmaler Pferdeschwanz ragt ihm hinten aus seinem totenkopfähnlichen Schädel. Sie erkannte ihn vor allem an seinen Lippen und seiner Nase wieder, ansonsten war alles an ihm verzerrt und unnatürlich kantig geworden.
„Beim Lichte, Dabog!“ flüsterte Lumnia und sie musste sich beherrschen, nicht in Tränen auszubrechen. Dabogs Stimme war kalt und ohne Gefühl als er sarkastisch meinte: „Ich weiss, ich bin kein schöner Anblick mehr, für das Auge einer Lebenden. Du hingegen hast dich gut gehalten, muss ich sagen.“ Seine gelben Augen blitzten kurz auf und sie wusste nicht, ob er mit dem Gedanken spielte, ihr Gewalt anzutun und sie auch noch zu einer Untoten zu machen. „Das alles tut mir so schrecklich leid Dabog!“ sprach sie und nun liefen ihr doch Tränen über die Wangen. Sie wollte ihn instinktiv berühren, aber er zuckte ob ihrer Berührung zurück. „Fass mich nicht an!“ zischte er. „Aber Dabog, wir...“ „Es gibt kein Wir mehr, schon seit einiger Zeit nicht mehr. Ich gehöre nun zu ihnen.“ Er machte eine Handbewegung in Richtung der Siedlung. „Aber, hast du denn alles vergessen was wir hatten? Wir haben uns doch mal geliebt, so sehr geliebt.“ „Liebe gibt es für mich nicht mehr“, sprach Dabog tonlos. „Ich erinnere mich zwar an dich, auch an uns, aber ich kann keine Gefühle mehr dabei empfinden.“ „Weil du deine Seele verloren hast, aber vielleicht können wir ja etwas dagegen tun, vielleicht können wir deine Seele ja wiederfinden.
Deine Seele ist mir in einem Traum erschienen, wo sie mir gesagt hat, dass ich des Smaragdgrünen Traumes gedenken soll, um sie zu finden. Wollen wir nicht zusammen auf die Suche nach deiner Seele gehen? Vielleicht kriegst du sie mit Hilfe der Götter zurück.“ Der Untote lachte auf: „Du bist ja eine mächtige Idealistin, warst du ja schon immer! Aber ich will meine Seele gar nicht zurück. Es ist jetzt alles viel einfacher und die Verlassenen sind nun mein Volk, nicht mehr... die Menschen!“ „Aber es ist ein schreckliches Dasein dass ihr fristet!“ rief Lumnia aus. Bei diesen Worten blitzten Dabogs Augen erneut auf. „Wie kannst du dir anmassen so über die meinen zu sprechen! Ihr Menschen seid wirklich so schrecklich eingebildet. Wir haben genauso das Recht zu existieren wie ihr!“ „Aber du gehörst doch an meine Seite Dabog!“ rief Lumnia verzweifelt. „Was wir hatten war so einzigartig, so wunderbar! Man kann das doch nicht einfach alles so aufgeben! Wenn du deine Seele wieder hättest, würdest du verstehen, wie wundervoll es ist zu... leben!“ „Ich habe kein Interesse daran. Ich will mein Dasein nicht ändern. Ausserdem ist das was du willst, sowieso aussichtslos. Man kann eine Seele nicht einfach so zurück holen.
Aber wenn auch, dann wäre ich keiner von denen, der das will. Ich bin jetzt viel stärker, viel mächtiger. Es gibt keine Gefühle mehr die mich hindern, das Richtige zu tun.“ „Aber du warst doch einst so voller Liebe und Gefühl!“ „Ich bin nicht mehr dein Dabog, schon lange nicht mehr. Ich empfinde nichts mehr und will das auch nicht.
Eigentlich sollte ich dich töten, da es mein Auftrag wäre, aber der Vergangenheit zuliebe lasse ich dich gehen, auch wenn ich nur noch Bruchteile dieser Vergangenheit in Erinnerung habe.“ Lumnia war es schrecklich zu Mute, als die Kälte seiner Worte, sie wie ein eisiger Hauch traf. Und dann auf einmal war sie sich unsicher darüber, ob sie richtig gehandelt hatte, als sie herkam. Wie konnte sie nur annehmen, dass ein Untoter sich zu so etwas überreden liess? Er war nur noch eine leere Hülle mit der sie hier sprach, eine Hülle nur noch gefüllt mit einem schrecklichen, nekromantischen Geist, einem Verstand und dem Willen zu überleben. Der lebendige, liebevolle und von Licht erfüllte Kern, gab es hier nicht mehr, das sah sie in den Augen von Dabog- dem Verlassenen.
Dennoch versuchte sie ihn jetzt auch noch über den Verstand zu erreichen: „Wenn du eine Seele hättest, wärst du noch viel mächtiger und besser gewappnet gegen das Böse, weil dann das Licht wieder an deiner Seite wäre. Es würde dir einen Nutzen bringen.“ „Das glaube ich kaum“, gab Dabog kühl zurück. „Geh jetzt lieber Lumnia, bevor ich es mir noch anders überlege und dich doch noch umbringe.“ Sie schaute ihn an und sie merkte, dass er dazu imstande gewesen wäre.
„Dann nimm wenigstens das!“ Sie holte einen Art milchigen Kristall aus ihrer Tasche und reichte ihm diesen. „Das hier ist ein magischer Stein, der mit meinem Geist verbunden ist. Wenn du es dir doch noch überlegen solltest, dann nimm ihn einfach in die rechte Hand und sag meinen Namen, dann werde ich dir antworten.“ „Ich denke nicht, dass ich ihn brauchen werde.“ „Wer weiss, auch die Verlassenen können vielleicht mal ihre Meinung ändern“, sprach die Hohepriesterin.
Dabog starrte sie mit funkelnden Augen an und dann auf einmal packte er ihre Hand und drehte sie, bis die junge Frau den Stein schmerzerfüllt fallen liess. „Lass mich in Ruhe!“ zischte Dabog und verstärkte immer mehr seinen Griff. Lumnia begann langsam Panik zu kriegen und wollte sich aus dem eisernen Griff befreien. Doch Dabog spielt mit ihr, wie eine Katze mit der Maus und dabei musterte er sie mit einem unheimlichen Blick.
Lumnias Herz schlug vor rasender Furcht und schliesslich griff sie zu einem Mittel, dass sie sonst nie anwandte. Sie wirkte den „Zauber der Gedankenkontrolle“ auf den Verlassenen. Dessen Blick wurde auf einmal leer und sie sagte zu ihm mit bestimmter Stimme: „Lass mich augenblicklich los!“
Dabogs liess sie los, sein Kopf schmerzte. Sein Körper entzog sich seiner Kontrolle und auf einmal, durchströmten ihn tausende von Gefühlen. Es war als würde er mit dem Bewusstsein der Priesterin für kurze Zeit verschmelzen. Plötzlich spürte er Angst, Wut, Trauer, Hass- alles zur selben Zeit. Bilder tauchten auf, die ihm tiefste Einblicke in ihre Seele gewährten.
In diesem kurzen Augenblick war es, als wäre er sie. Er spürte das Entsetzen über das Verhalten, dass er selbst an den Tag gelegt hatte, das Entsetzen darüber, was die Verlassenen mit den dunklen Mächten der Nekromantie anstellten. Alle Gefühle der Menschen, welche sie in Bezug auf die Verlassenen verspürten, standen plötzlich klar vor ihm und er konnte nicht mehr genau unterscheiden was Teil von ihm war und was nicht.
Er sah Erinnerungen, Erinnerungen an die gemeinsame Zeit, die er und Lumnia verbrachten, als er… noch lebte. Er spürte ihre innige Liebe, die sie für in empfunden hatte und die jetzt langsam zu schwinden begann, immer weiter seinem Blick entrückt... und auf einmal erfasste ihn Trauer und ein Gefühl von Schuld...
„Was tust du da!?“ vernahm Lumnia auf einmal eine laute Stimme hinter sich. Sie fuhr herum und für einen Augenblick lang, verlor sie die Kontrolle über Dabog. Dieser keuchte und fiel zu Boden. Vor Lumnia standen drei weitere Untote, sie mussten mitbekommen haben, dass eine Menschenpriesterin nach Tarrens Mühle gekommen war. Kalter Schrecken erfasste Lumnia. Aus den Augenwinkeln sah sie, dass Dabog sich langsam von ihrem ersten Zauber befreite. Er wirkte noch immer etwas benommen. Sie errichtete sofort ihren Schutzschild um sich, bevor sie der erste Schwerthieb eines der Untoten sie treffen konnte. Sie krümmte leicht ihre Hand und goldene, magische Fesseln, legten sich um ihren einstigen Liebsten. Für eine Weile war dieser nun ausser Gefecht gesetzt. Doch nun stürmte bereits der erst, der anderen Verlassenen, auf sie ein. Der Schild hielt auch seinen Hieb ab und auch den des nächsten. Noch einmal hob sie ihre Hand und fesselte einen von ihnen. Der Nächste welcher sie angriff, sah für einen Untoten noch erstaunlich gut aus, mit langen schwarzen Haaren. Sein Gesicht wirkte fast schön, er musste einst ein Elf gewesen sein. Jedenfalls war er noch etwas besser erhalten als Dabog. Sie wirkte nun auch auf ihn denselben Zauber, den sie schon auf Dabog geworfen hatte, den Zauber der Gedankenkontrolle. „Hilf mir!“ befahl sie ihm, als er verwirrt in seinem Angriff innehielt. „Töte alle die mich angreifen, ausser den da!“ Sie deutete auf Dabog. Sogleich, stiess er einen unheimlichen Kriegsschrei aus und durch ihren Willen gelenkt, stürzte er sich auf seine Kumpane. Er führte seine Machete wie ein Profi. Er musste ein sehr erfahrener Krieger sein, denn die Schläge seiner Waffe waren absolut präzise und elegant. Lumnia staunte über die Behändigkeit dieses... Untoten, der ihr nun, wenn auch gegen seinen Willen, das Leben rettete. Ein Angreifer nach dem anderen, wurde wie ein Baum gefällt und schliesslich lagen alle zerstückelt und nun absolut tot, auf dem Boden.
„Was tust du da Aeternias!“ rief Dabog entsetzt und wollte den durch Lumnia gelenkten Aeternias davon abhalten, sich auch noch auf die anderen zu stürzen, welche nun vom Zentrum des Stützpunktes auf sie zuliefen, da sie auf den Lärm aufmerksam geworden waren. Die Priesterin nutzte die Zeit, die ihr das Handgemenge verschafft hatte, lief zu ihrem Pferd und ritt so schnell sie konnte davon. Noch während sie so dahinpreschte, zog sie ihren Zauber zurück und Aeternias, der Verlassene, der ihr wenn auch gegen seinen Willen, geholfen hatte, sackte in sich zusammen. Was weiter geschah, das sah sie nicht mehr, denn sie musste schnellstens nach Süderstade gelangen, dort würde sie sicher sein. Während sie davonritt, merkte sie jedoch nicht, dass ein weiterer, weisslicher Kristall aus ihrer Tasche gefallen war, der es dem Finder ermöglichen würde, jederzeit mit ihr Verbindung aufzunehmen…
**********
Lumnia trieb ihr Pferd zu vollem Galopp an, während sie nun anfing heftig zu weinen. Der kühle Nachtwind wehte ihr ins Gesicht und es war ihr, als wäre alles in ihr zu Eis erstarrt. Neben der Furcht, die sie gerade ausgestanden hatte, war sie zutiefst entsetzt darüber, was aus ihrem Liebsten geworden war. Er hätte sie ohne Wimpernzucken getötet...
Lumnia achtete gar nicht mehr auf mögliche Gefahren, während sie so dahinpreschte. Ihr einziges Ziel war es, baldmöglichst Süderstade zu erreichen, um wenigstens wieder ein paar lebendige Menschen zu sehen, wieder Wärme und Leben zu spüren, auch wenn sie niemanden dort kannte.
Zum Glück war der Allianzstützpunkt nicht allzu weit von Tarrens Mühle entfernt, nur noch etwas mehr nach Süden, an der Küste. Schon ziemlich bald erreichte sie ihr Ziel. Süderstade war eine eher einfache Stadt, die immer wieder von Unruhen zwischen Untoten und Menschen heimgesucht wurde. Man hatte die schlichten Häuser aus Holz gebaut und die meisten mit Strohdächern bedeckt. Sogleich ging sie zum Gasthaus herüber. Es hatte zum Glück noch Zimmer frei.
Lumnia war überglücklich wieder unter Lebenden zu weilen. Sie bestellte einen grossen Krug Met, um ihren Kummer etwas zu vergessen, danach liess sie sich in das schmale, hölzerne Bett mit den, doch erstaunlich sauberen Laken und blauen Kissen, fallen. Der Alkohol betäubte etwas ihre Sinne und so konnte sie dann doch ziemlich bald einschlafen. Bevor sie jedoch ganz in die Traumwelt hinüberglitt, flehte sie instinktiv die Mächte des Lichts um Trost und Beistand an...
Und...ein weiterer Traum wurde ihr zuteil! Wieder sah sie sich durch den „Smaragdgrünen Traum“ wandeln. Alles um sie leuchtete in einem grünen, verzauberten Schein. Sogar die Sonne hatte ein grünliches Gelb und es gab überall wundervolle Pflanzen und Blumen. Und dann sah sie ihn erneut: Dabog, so wie er immer gewesen war: „Gib mich nicht zu schnell auf!“ sprach er. Ich werde meinen Weg finden!" Dann war er auf einmal wieder verschwunden und ein gleissend helles Licht erschien nun an derselben Stelle, welches alles um sie herum in einen himmlischen Schein hüllte. Sie wusste, es waren die göttlichen Mächte die zu ihr sprachen und diese Erkenntnis erfüllte sie mit Zuversicht und grosser Freude. „Verliere deine Hoffnung nicht, Hohepriesterin von Sturmwind! Vertraue darauf, dass alles sich zum Guten wendet, doch nicht immer geschieht es so, wie man sich es sich im Augenblick vielleicht vorstellt…!“
Als Lumnia am nächsten Tag erwachte, fühlte sie sich wieder neu gestärkt und auf einmal spürte sie Sehnsucht nach zu Hause. Mehr konnte sie für Dabog nicht tun, aber sie musste einfach wieder Vertrauen fassen.
Während sie ihren Ritt durch das weite Hügelland mit den sanften Auen und den vielen Tannen fortsetzte, wuchs in ihr ein weiterer Entschluss: Unmittelbar vor dem Tandolübergang, würde sie nochmals den Weg zur Küste einschlagen. Sie wollte sich mal etwas umhorchen, ob irgendjemand Dadgas Leichnahm geborgen hatte. Sie sehnte sich auf einmal schrecklich nach dem Paladin und dieses Sehnen übertönte seltsamerweise die Sehnsucht nach ihrem einstigen Liebsten Dabog.
Sie ritt bis in den Vorabend hinein und schliesslich rastete sie in der Nähe eines kleinen Teichs, der von einem Wasserfall gespeist wurde. Sie richtete ihr Nachtlager ein und liess ihren Blick über die wundervolle, fruchtbare, mit Bergen und Felsbrocken durchbrochene Landschaft, schweifen. Und dann… auf einmal erblickte sie eine Gestalt, welche in schnellem Tempo den Weg entlang geritten kam!
Sein Pferd hatte ein furchsfarbenes Fell und die Rüstung des Reiters leuchtete im abendlichen Licht, magisch auf. Er kam näher und näher und auf einmal… erkannte sie ihn! Ungläubig ging sie ihm entgegen.
„Dadga!“ rief sie laut und auf einmal schossen ihr Tränen der Freude in die Augen. „Lumnia!“ rief er mit seiner wohlklingenden Stimme, zügelte sein Pferd und sprang aus dem Sattel. „Aber...das kann doch nicht sein!“ Die Priesterin lief wie ein kleines Mädchen auf den Paladin zu, dessen goldglänzendes Haar das Licht des leuchtenden Himmels einfing. Noch nie zuvor hatte sie sich so glücklich und erleichtert gefühlt, wie jetzt.
Auch Dadga lief auf Lumnia zu. Die beiden fielen sich in die Arme und dann... küssten sie sich, ganz spontan..., ohne darüber nachzudenken. Seine weichen Lippen, erschienen Lumnia die schönsten zu sein, die sie je geküsst hatte. In diesem Augenblick dachte sie an nichts mehr, nicht mal an Dabog. Es gab nur noch sie beide und die weiche Wärme seines Körpers, die sie ganz umfing. Er drückte sie ganz fest an sich und sein Kuss wurde immer leidenschaftlicher. Doch dann beherrschte er sich und riss sich in die Wirklichkeit zurück. Etwas verlegen, trat auch Lumnia einen Schritt zurück und erst jetzt nahm sie die Bandage wahr, die er um seine Brust trug.
„Du...du lebst...!“ hauchte sie „aber wie kann das sein? Du bist in diese schrecklich tiefe Schlucht gestürzt.“ „Zum Glück wurde mein Fall gedämpft. Das hatte ich meinem magischen Schutzschild zu verdanken, der zusätzlich unterstützt wurde durch jenen, den du kurz vorher auf mich gelegt hattest. Das rettete mir das Leben. Zwar wurde ich ohnmächtig und trieb noch ein Stück den Fluss hinunter, bis man mich kurz vor der Küste fand und mich zu den Heilern des Dorfes brachte. Dort wurde ich so gut als möglich zusammengeflickt. Daher stammt auch diese Bandage, denn ich habe mir ein paar Rippen gebrochen. Sofort als ich wieder einigermassen fit war, machte ich mich auf die Suche nach dir. Zum Glück hat mein Pferd Red Flame ebenfalls zu mir zurück gefunden. Von diesem Kobold- Händler erfuhr ich dann, dass du Tarrens Mühle besucht hast, Dabog allerdings kein offenes Ohr für dich hatte...“ Er senkte den Blick „Es... tut mir wirklich sehr leid für dich Lumnia!“ Er meinte es vollkommen aufrichtig. „Ich hätte auch gehofft, dass Dabog auf dich hört und sich entschliesst mit dir zu gehen. Aber...es ist schwierig mit den Untoten, sehr schwierig.“ „Dennoch bin ich zuversichtlich, “ sprach Lumnia. „Was ist dir wiederfahren, erzähl mir alles!“ forderte er sie auf und führte sie an der Hand zum Teich zurück.
Während er ein kleines Feuer entfachte, berichtete sie ihm alles. Dadga wirkte verstört, als er hörte wie Dabog reagiert hatte. „Bei den Göttern, so viele schlimme Dinge hast du erlebt und... ich konnte dir nicht zur Seite stehen“, meinte er zutiefst zerknirscht. „Aber ich habe mich wirklich so sehr beeilt, wie ich konnte.“ „Das weiss ich,“ antwortete die Priesterin liebevoll. „Du bist jetzt da und... du lebst, das ist das grösste Geschenk. Ich will jetzt einfach nur nach Hause, sobald Morgen die Sonne aufgeht.“
Sie schmiegte sich an ihn und eine wohlige Wärme durchströmte ihr Herz. Sie wollte nirgend wo anders mehr sein, als bei ihm und sie erkannte, dass sie Dadga lieben gelernt hatte...