(Xantina ist eine junge Orc Frau, welche sich in Ogrimmar zur Assassinin- Schurkin, hat ausbilden lassen. Sie lebt noch bei ihrem Vater Thralliok in Ogrimmar, der Hauptstadt der Horde. Doch anders als sie selbst, ist ihr Vater ein treuer Anhänger, des edlen Kriegshäuptlings Thrall. Das führt immer wieder zu Differenzen und lässt Xantina dann auch einen düsteren Weg einschlagen. Als sie jedoch eines Tages einen besonderen Mordauftrag erhält, verändert sich ihr ganzes Leben)
Sie wartete in der Dunkelheit, im Schatten der Mördergasse, gleich neben dem Hauptquartier der „Schüler des Schattens“. Dort wurden Leute ausgebildet wie sie, nur dass es sich hier bei den Schülern, hauptsächlich um Blutelfen handelte. Sie war ja auch in Silbermond, der strahlenden Hauptstadt der Blutelfen-der Sin'Dorei. Es war Zufall, dass es sie gerade in diesen Teil der Stadt verschlagen hatte. Ihre Nachforschungen hatten sie hergebracht und nun wartete sie...wartete sie, einfach still in der Dunkelheit. Sie war kaum zu sehen, denn sie hatte den „Zauber der Verstohlenheit“ auf sich geworfen. Dieser liess sie beinahe ganz eins werden mit der Umgebung. Das Zwielicht dieser Gasse, half ihr noch dabei. Es machte sie praktisch unsichtbar und nur ein geschultes Auge, konnte sie wahrnehmen und dann auch meist nur, wenn sie sich bewegte. Doch sie regte sich kaum. Sie kauerte neben einem alten Wagen, den man hier einst abgestellt hatte. Von hier aus, hatte sie einen guten Blickt über die ganze Mördergasse. Auf der nördlichen Seite, führte sie durch ein knospenförmiges Tor, hinaus zum sogenannten Sonnenhof, welcher das Herzstück der Stadt Silbermond war. Dort gab es einen wunderschönen Brunnen, mit zwei Becken in dessem Zentrum sich eine glitzernde Fontäne mit drei eindrücklichen Elfenstatuen befand. Alles hier war sowieso sehr luxuriös, etwas zu luxuriös für ihren Geschmack. Da mochte sie ihre archaische Heimatstadt Ogrimmar doch einiges mehr. Dennoch eindrücklich war es allemal hier. Alles erstrahlte in den Farben rot-weiss- gold. Er gab hohe edel geschwungene Torbögen, leuchtende Banner, die blutrot im Wind wehten und reich verzierte, Gebäude. Dort wo sie wartete, machte die aus weissem Gestein bestehende Gasse, einen Knick abwärts, um dann rechter Hand durch ein grosses Tor, bewacht von einer gewaltigen Elfenstatue zur „Strasse der Urahnen“ zu führen. Links allerdings, führte die Gasse durch einen Hintereingang ins Gasthaus von Silbermond.
Dort würde er herkommen. Er ging immer diesen Weg. Hier würde sie ihn erwischen. Hier würde er seinen Tod, durch ihre Hände finden. Sie spürte keinerlei Reue oder Mitleid, denn er war ein Abtrünniger, einer der mit den Sehern von Shattrath, der grossen Stadt, jenseits des „Dunklen Portals“ sympathisierte. Diese Seher hatten sich einst gegen ihr Volk gestellt und nun hatte man ihr den Auftrag erteilt ihn zu beseitigen. Sie wusste kaum etwas über ihre Arbeitgeber, doch sie vermutete stark, dass sich hier einige der ehrenwerten Blutelfen, nicht die Hände schmutzig machen wollten. Ausserdem würde es schwierig sein herauszufinden, wer diesen Verräter umgebracht hatte, weil sie zum Volk der Orcs gehörte, die weit weg von hier lebten.
Endlich war es soweit, er kam! Scheinbar hatte er keinerlei Furcht und betrat die Mördergasse sehr selbstbewusst. Es war ein blonder Blutelf, mit kurzem Haar und einer lilafarbenen Robe bekleidet. Auf seinem Gesicht lag der übliche, leicht arrogante Ausdruck. Sie mochte diese Blutelfen sowieso nicht sonderlich. Einer weniger, konnte nicht schaden. Sie kauerte sich etwa mehr hinter den Wagen und wartete, bis er ein Stück an ihr vorbeigegangen war. Dann setzte sie sich lautlos wie eine Katze in Bewegung, einen, scharfen, gekrümmten, absolut todbringenden Dolch, in jeder Hand. Als sie ganz nahe hinter ihm stand, stiess sie zu! Sie spürte den Widerstand der Klingen, die in weiches Fleisch eindrangen..., wie warmes Blut über ihre Hände floss. Sie machte eine blitzschnelle Bewegung und schlitzte ihn seitlich auf. Er wollte schreien, doch Blut schäumte aus seinem Mund und nur ein ersticktes Röcheln war zu hören. Seine Lunge war verletzt. Aber schon hatte sie den einen Dolch wieder aus seiner Seite gezogen, und diesen in einem Schwung nach oben befördert. Sie überkreuzte die beiden Waffen und schnitt ihm damit die Kehle, blitzschnell durch. Das war ihr Geschäft als Assassine, der Bruderschaft der Schatten: Lautlos und schnell zu töten. Sie blickte sich vorsichtig um, dann wischte sie ihre blutverschmierten Waffen an der lilafarbenen Robe ihres Opfers ab. Sie warf noch einen letzten kurzen Blick auf ihn. Blut floss aus seiner Wunde am Hals und bildete, eine im Zwielicht seltsam schwärzlich rot schimmernde, Lache. Auch aus seiner Seite rann das Blut. Sie hätte ihn auch nur mit einem Stoss ins Herz töten können, oder qualvoll zugrunde gehen lassen, wenn sie ihn nach einem Lungenstoss, einfach hätte liegen lassen. Allerdings mochte sie unnötige Quälereien nicht so. Auch wenn man sowas auch schon von ihr gefordert hatte. Diesmal war es der Wunsch ihrer Auftraggeber gewesen, dass sie ihm die Kehle aufschlitzte und was man ihr auftrug das tat sie...sofern die Bezahlung stimmte.
Sie warf sich die Kapuze ihres dunklen Mantels über den Kopf und ging vorsichtig und unauffällig, hinüber zum Sonnenhof. Dort befand sich der Sonnenzornturm mit der rosafarbenen Teleportations- Kugel nach Unterstadt. Von dort konnte sie dann den Zeppelin zurück nach Ogrimmar nehmen. Es war der einfachste Weg. Die Zeppeline waren für weitere Entfernungen gedacht. Sie flogen über das grosse Meer, zurück in die geliebte Heimat und niemand würde sie des Mordes an dem Blutelfen überführen können.
Xantina war sehr zufrieden mit sich. Der Teleporter brachte sie in die aus düsteren Gewölben bestehenden Unterstadt, wo die Untoten lebten. Die Untoten waren vor kurzem ein Bündnis mit der Horde eingegangen, doch alle lebenden Wesen, darunter auch Xantina schauten mit Argwohn, teilweise gar Abscheu, auf die seelenlosen Verlassenen. Nicht dass die Orcin sich Sorgen um ihre Seele gemacht hätte. Aber so ein Dasein zu fristen, schien ihr auf jeden Fall das schrecklichste Los zu sein, das einem wiederfahren konnte. Dennoch bewunderte sie auch irgendwie die kühle Zielstrebigkeit, mit der die Untoten ihre Zwecke verfolgten. Es hatte auch etwas Gutes kein Gewissen zu haben...
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Die Orcin verliess Undercity durch zahlreiche, ausgestorbene Räume und Gänge. Sie machte einen grossen Bogen um die grässlichen, aus verschiedenen Körperteilen zusammengesetzten Wächter, deren Eingeweide ihr entgegen blitzten und trat hinaus in die Ruinen von Lordaeron. Ein grüner Himmel spannt sich über den dunkelgrauen Gemäuern und Gräbern. Dieser Ort war einst ein Ort pulsierenden Lebens gewesen. Elfen und Menschen hatten hier gelebt, doch dann zerstörte die Untoten Geissel fast alles Leben. Ausserdem gab es Gerüchte, dass unter diesem Land etwas Böses hauste, dass einem mit der Zeit den Verstand rauben konnte. Nun... die Untoten vertrugen das ja. Xantina lächelte etwas bitter vor sich hin und begab sich dann zur Zeppelinanlegestelle. Diese befand sich in einem hohen, oben spitz zulaufenden, Turm. Dieser war aus dunkelgrauem Gestein, wie das meiste hier in Tirisfal und um ihn herum. wand sich eine hölzerne Wendeltreppe. Es gab hier zwei Anlegestellen, die eine für das Schlingendorntal und die andere eben für Ogrimmar. Die Zeppeline wurden von den neutralen Goblins von Beutebucht betreut, die technisch sehr begabt waren. Sie hatten einst die Idee für die Zeppeline gehabt. Diese bestanden aus Holz und Haut und waren mit einem Art Leichtmetallgerüst verstärkt. Ein Propeller trieb die Luftschiffe, die vorne spitz zuliefen, an. Xantina reiste öfters mit diesen Zeppelinen, denn meist bekam sie viel Geld für ihre Aufträge. Das war mit ein Grund, warum sie diesen Beruf gewählt hatte.
Während sie am Heck der schiffsförmigen Passagiergondel stand, das grünlichschwarze Land unter sich vorbeiziehen sah und der Zeppelin fast vollkommen lautlos durch den smaragdgrünen Himmel schwebte, schienen Raum und Zeit auf einmal wie aufgehoben. Eine seltsame Nachdenklichkeit überkam Xantina. Plötzlich tauchte wieder das Gesicht ihres letzten Opfers, vor ihrem inneren Auge auf. Immer wenn sie einen ihrer schwachen Momente hatte und zum Glück hatte sie diese eher selten, begann sie sich über ihre Opfer Gedanken zu machen. Was hatten sie wohl für ein Leben geführt? Hatten sie Familie? Hatten sie den Tod überhaupt verdient? Doch dann schob sie diese Gedanken wieder von sich. Es lag nicht an ihr solche Fragen zu stellen. Sie wollte es auch gar nicht, denn sie erfüllte einfach ihren Job und beseitigte ja schliesslich die Feinde ihres Volkes. Auch dieser Blutelf war ein Feind ihres Volkes gewesen, denn er hatte sich von seinem eigenen Volk abgewandt und so auch von der Horde. Das forderte sein Blut. Auch wenn ihr Vater Thralliok sie immer wieder davon zu überzeugen suchte, dass nicht alles mit Blut vergolten werden musste. Sie war da anderer Ansicht. Ihr Vater war einfach schwach. Die neue Horde war schwach geworden.
Einst vor langer Zeit, war die Horde noch mächtig gewesen und hatte alle Widersacher, bis aufs Blut bekämpft. Da waren sie noch richtige Krieger gewesen. Heute waren sie nur noch darum bemüht, möglichst wenig Kriege zu führen. Doch davon hielt Xantina nichts. Sie war eine Verehrerin von Neeru Feuerklinge, der auch nicht viel von der neuen Horde hielt. Diesen hatte sie einst, während ihrer Ausbildung zum Assassinen, kennengelernt. Er hielt sich oft in der „Kluft der Schatten“ in Ogrimmar auf und er hatte ihre einst versprochen, dass wenn sie ihre Sache gut machte, er dafür sorgen würde, dass sie eines Tages eine wichtige Position an seiner Seite einnehmen würde. Er erzählte ihr oft von der Bruderschaft der Brennenden Klinge, die er anführte. Diese kämpften darum, die einstige Macht der Horde, wieder aufleben zu lassen. Feuerklinge war ein enger Vertrauter von Thrall, dem grossen Orc- Häuptling und so hatte er Einblick in vieles, was ihm von Nutzen war, um dessen Macht wo es ging, zu untergraben. Xantinas Vater war ein ergebener, loyaler Diener des Häuptlings und er unterstützte, als einer der wichtigen Schamanen seines Volkes nichts, was Thrall, den er sehr verehrte, schadete. Er wusste nicht, dass seine Tochter mit Neeru Feuerklinge und seiner Bruderschaft sympathisierte und er war auch gar nicht begeistert von ihrem Beruf als Schurkin. Die Schurken- oder Assassinen wurden beim Volk mit Argwohn betrachtet, ebenso wie die Hexenmeister, die ihr Quartier gleich neben den Schurken hatten. Beides besass einen Hauch von Bosheit und man wusste sie nicht richtig einzuschätzen. Bei den Schurken, die oft als Söldner dienten, wusste man, dass ihr Geschäft meist der Tod war. Doch man sprach nicht darüber und schliesslich dienten sie auf ihre Weise auch dem Volk. Ebenso die Hexenmeister, von denen Xantina eine Frau besonders gut kannte. Sie hiess Asurania und war schon länger die Geliebte von Xantinas Vater. Doch dieser hatte sich bisher nie durchringen können, die Hexenmeisterin zu seiner Gemahlin zu nehmen, obwohl diese sich nichts sehnlichster als das wünschte.
Thralliok aber, konnte sich auch nie mit ihrem Beruf als Hexenmeisterin anfreunden, da sie ständig mit dämonischen Mächten zu tun hatte und es einst auch ein Hexenmeister gewesen war, der die Orc's ins Verderben stürzte und der die einst tief spirituelle, schamanische Kultur selbiger, tilgen wollte. Es hatte sich dabei um den einstigen Schamanen Gul' dan gehandelt, der vom Dämonen Kil'Jaeden und seiner Brennenden Legion dazu verführt wurde, sich den schwarzen Künsten zu verschreiben und den sogenannten „Schattenrat“ zu gründen, der es sich zum Ziel machte die Dämonenmagie unter dem Volk zu verbreiten. Immer mehr Orcs übten dann diese Künste aus und mit der Zeit, vernichteten sie dadurch ihre einstige Heimatwelt Draenor ( die Scherbenwelt), fast gänzlich. Durch den verderblichen Einfluss des Bösen, verführte Guld'dan sein Volk die Orcs dazu, sich in blutrünstige Monster zu verwandeln.
Das Ganze fand seinen Höhepunkt, als der Hexenmeister alle grossen Klanshäuptlinge der Orcs, ausser Durotan- Thrall's Vater (nach dem das Land Durotar auch benannt war) dazu brachte, das tosende Blut des Dämonen, „Mannoroth des Zerstörers“ zu trinken. Dieses verlieh den Orc's unnatürliche Macht, Kraft und Unverwundbarkeit. So kam es, dass der verderbliche Kampfesrausch sie vollkommen übermannte. Gul'dan sah seine Chance gekommen und vereinte alle Klans zu einer, unaufhaltbaren Horde. Schwarzfaust der Zerstörer, war Anführer dieser Horde. Mit erbitterter Grausamkeit, ging diese Horde nun gegen die sanftmütigen, friedlichen Draenei vor und rottete sie fast gänzlich aus. Nur einige wenige von selbigen überlebten und fanden eine neue Heimat auf dem Planeten Azeroth. Das Dunkle Portal, durch das sie flohen, war einst von den Orc's mit Hilfe des, damals besessenen Medivhs, geöffnet worden. Auch Durotan und sein Frostwolfklan, gelangten durch dieses Portal in die andere Welt und blieben dort im Exil. Später dann wurde Durotan und fast dessen ganze Familie ,von Gul'dan's Handlangern, ermordet. Nur ein Baby namens Go’el- später Thrall, überlebte den Mordanschlag und wurde dann von einem Menschen als Sklave zu sich genommen. Thrall wuchs zu einem starken, scharfsinnigen Orc heran, der sich schliesslich aus der Sklaverei befreite und sich auf die Suche nach seinem Ursprung machte. Er fand heraus, dass er der Sohn des grossen Häuptlings Durotan war, der sich damals als Einziger gegen die Brennende Legion gestellt hatte. Thrall erlernte den Schamanismus und befreite, unterstützt von den Elementen, sein Volk. Er half diesem bei seiner spirituellen Heilung, denn alle Orc's waren ja einst am Bösen erkrankt. Doch noch immer gab es jene, die sich von ihrem Kampfesrausch übermannen liessen. Darunter auch einer der einst wichtigsten Kriegshäuptlinge der Horde: Grom Höllschrei. Dieser verriet die Horde sogar, um seinen niedrigen Instinkten zu folgen. Schliesslich aber stellte er seine Ehre wieder her, indem er Thrall half den Dämonen Mannoroth zu töten. Dies hob dann den Blutfluch der Orcs endgültig auf. Noch heute befand sich die gewaltige, gehörnte Rüstung des Dämonen im „Tal der Weisheit“ in Ogrimmar. Thrall führte die Orcs in ein neues Zeitalter und die „Neue Horde“ entstand, die nicht mehr die blutrünstige, grausame Horde von einst war.
Im letzten Krieg, wo die Brennende Legion den Weltenbaum zerstören wollte, taten sich die Orcs sogar mit den Menschen zusammen, die einst ihre erbittertsten Feinde gewesen waren. Bei einigen des Volkes, stiess diese Allianz auf wenig Begeisterung und es bildeten sich gewisse extremistische Gruppierungen, wie eben z.B. die Bruderschaft der „Brennenden Klinge“, welche die alte Macht der Horde, wiederaufleben lassen wollten. Zwar wollten sie keine Sklaven der Brennenden Legion mehr sein, aber sie wollten mehr Macht und Einfluss in der Welt und sie waren keine Anhänger des grossen, weisen Kriegshäuptlings Thrall.
Die Gefühle im Bezug auf Thrall, waren im Volk gemischt. Zwar sahen ihn die meisten als Retter der Orcs und verehrten ihn zutiefst. Aber es gab eben auch die anderen, die ihn als schwach ansahen, weil er so sehr um ein friedliches Miteinander bemüht war. Diese wollten ihm seine einstige Zusammenarbeit mit der Allianz, einfach nicht verzeihen. Zwar waren neue Spannungen zwischen Menschen und Orcs entstanden und es herrschte noch immer Krieg zwischen Allianz und Horde, aber Thrall und seine Anhänger, sahen jetzt in der Brennenden Legion die Hauptgefahr, darunter auch im Schattenrat, der noch immer auf irgendeine Weise in den extremistischen Gruppen weiterlebte und die neue Ordnung gefährdete. Die neue Horde war nicht mehr hauptsächlich auf Eroberungen aus, sondern war darum bemüht, das Böse zu bekämpfen und sah auch die Allianz immer weniger als Hauptfeind an. Alle Völker hatten durch ihre Erfahrungen dazugelernt, darunter auch die Orcs.
Xantina allerdings hielt nicht viel von dieser Thrall- Verehrung. Neeru Feuerklinge hatte ihr erzählt, dass der grosse Kriegshäuptling unfähig war, das Volk der Orcs richtig zu führen. Durch seine charismatische, idealistische Art, welche stets die gewaltige Kraft und Macht der alten Horde pries, schlug er die noch junge, unerfahrene Orcin, in seinen Bann.
Dazu kam noch, dass sie auch Asurania, die Geliebte ihres Vaters, sehr mochte. Diese schwärmte auch stets von der einstigen Macht der orcischen Hexenmeister, die heutzutage stets ein Schattendasein fristen mussten und von keinem so richtig geschätzt wurden. Ebenso war es ja auch mit den Assassinen und das verband die beiden Frauen. Xantina hatte damit einen gänzlich anderen Weg eingeschlagen, als ihr Vater. Alles was sie tat, widersprach sich völlig mit seiner Philosophie. Asurania unterstützte und achtete sie. Sie hatte das schon immer gemacht und durch sie war sie auch erst mit der „Bruderschaft der Schatten“ in Berührung gekommen und hatte die Lust am Töten entdeckt. Sie glaubte fest, ihrem Volk mit ihren Morden etwas Gutes zu tun, denn man gab ihr stets Aufträge, die der inneren Sicherheit dienten. Neeru Feuerklinge lobte Xantina ständig für ihre Leistungen und hatte ihr auch schon selbst gewisse Aufträge erteilt, die auch nicht selten die Brennenden Klinge betrafen. Bald würde sie ein festes Mitglied dieser Bruderschaft werden und dann konnte der Kampf gegen die Feinde der Orcs- vornehmlich der Allianz, in aller Härte beginnen.
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Xantina wusste nicht, dass sie durch das Paktieren mit den orcischen Extremisten immer mehr in einen Sumpf der Bosheit und Verderbnis geriet. Dass sie damit das tat, was sie eigentlich immer glaubte zu vermeiden: sich der Brennenden Legion zu verschreiben- dem Bösen, aus dem der Schattenrat einst entstanden war. Denn die Brennende Klinge tat genau das, was der Schattenrat einst getan hatte: sie infiltrierte die Gesellschaft und brachte Verderben über ihr Volk. Xantina durchschaute nicht, welcher Gefahr sie sich eigentlich aussetzte und dass sie drauf und dran war ihre Seele zu verlieren...
Ihr Vater war durch seine spirituelle, friedfertige Haltung, die auch dem Kriegshäuptling Thrall eigen war, noch die einzige Stimme, die ihr Gewissen teilweise berührte. Zwar lehnte sie sich immer dagegen auf, aber etwas wirkte in ihr. Etwas das sich gegen die Bosheit und Grausamkeit auflehnte und erkannte, dass sie auf den falschen Pfad gelangt war. Zwar drang diese Stimme noch nicht gänzlich an ihr Bewusstsein, aber immer, wenn Xantina ihre nachdenklichen Momente hatte, dann war sie da.
So nun auch wieder, als die junge Schurkin mit dem gewaltigen Zeppelin über das Land Tirsifal und schliesslich über das grosse Meer flog, das sich endlos unter ihr auszubreiten schien. Auf einmal glaubte sie aus dieser blauen Tiefe unter sich Stimmen zu vernehmen. Nein es waren nicht nur Stimmen, es waren Schreie- die Schreie ihrer zahllosen Opfer: Die hörbaren und unhörbaren. Das alles wurden zu einem gewaltigen Getöse, wie eine Sturmflut erhob es sich aus den glitzernden Fluten. Es waren die Geister der Toten, sie fragten sie, warum sie das getan hatte, fragten sie, ob sie eigentlich gewusst habe, warum sie alle den Tod finden mussten. Sie fragten sie, ob sie sich eigentlich bewusst sei, wie es um ihre Seele bestellt war. So laut wurde das Getöse in ihrem Kopf auf einmal, dass Xantina auf die Kniee sank und sich die Ohren zuhielt, nur um nichts mehr zu hören. Sie wiegte hin und her, ein schmerzhaftes Stöhnen entrang sich ihrer Brust. Sie hatte das Gefühl in einen dunklen Strudel hineingesogen zu werden, der sie gänzlich zu verschlingen drohte. Und überall diese Stimmen, sie widerhallten endlos, wollten einfach nicht weichen. Und dann hörte sie die Stimme ihres Vaters über all dieses Getöse hinweg: „Die Geister der Elemente sehen alles und ihre Blicke dringen tief in deine Seele. Sie wissen wer du bist, sie wissen, was in deinem Herzen ist. Sie sehen die Dunkelheit und Finsternis und sie sehen auch das Licht und das Strahlen! Sie sind immer gegenwärtig und sie können dich heilen oder verderben, ganz nach dem, wie du lebst und wer du bist! Nichts Böses kann für immer bestehen. Es wird einst aufgelöst und Das Gute wird obsiegen. Doch das Böse ist oft gut verhüllt, es kann dich täuschen und es kann im Gewand der Tugend auftreten. So gut kann es dich täuschen, dass du es gar nicht merkst. Nur wenn dein Herz selbst tugendhaft ist und du wahrlich dem Licht dienst, wirst du es richtig entlarven.
Solange du gefangen bist in Machtgier, Grausamkeit und Hass aber, wird das Böse immer weiter auf dich wirken und es wird dich einst...verwandeln und verderben.“
Verderben...dieses Wort klag in Xantina nach, wie ein endloses, nie enden wollendes, Echo. Doch dann riss sie sich aus diesen Gedanken heraus. Sie erhob sich und sprach: „Nein! Lasst mich in Ruhe! Ich diene meinem Volk und ich will meinem Volk helfen, sich aus der Schwäche und Lethargie zu erheben! Ich erfülle einen wichtigen Auftrag und alle die ich getötet habe, haben es verdient!“ Jemand muss handeln und ich handle richtig!“ Immer wieder redete sie sich das ein und langsam kehrte wieder etwas Ruhe, in ihrem Kopf ein. Als sie schliesslich das Ufer von Durotar vor sich auftauchen sah, schämte sie sich schon wieder ihrer Schwäche und war wieder...die alte Xantina...
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Es war früher Morgen. Der Himmel hier im Land der Orc's war viel heller und klarer, als in Tirisfal. Rosafarbene Wolken, zogen über ihn hin und die Sonne tauchte bereits rotgolden über dem glasklaren Meer auf, welches das bunte Farbenspiel des Himmels zurückwarf. Durotar war eine sehr heisse, wüstenähnliche Gegend mit rotem Sand und einzigartigen, korallenfarbigen, oft mit kalkweissen Streifen durchzogenen, Felsgebilden.
Der Zeppelin schwebte beinahe lautlos über das Land und warf seinen Schatten auf die trockene Erde, die besonders im Abendlicht aussah, als sei sie mit Blut durchtränkt. Eine seltsame Majestät und Stille, ging von diesem Land aus. Man hörte den Wind, der durch die Schluchten und über die weiten Ebenen wehte, oft entstand dadurch ein seltsames Pfeifen, das wie die Stimme aus einer anderen Welt klang. Xantina horchte oft auf diesen Wind, wenn sie allein in ihrem schlicht konstruierten, mit Fellen belegten, Bett lag und die Gesichter ihrer zahlreichen Opfer an ihrem inneren Auge vorbeihuschten. Es war dann manchmal, als würden die Geister des Windes zu ihr sprechen. Sie hasste diese Stimmen der Elemente, denn sie weckten in ihr seltsame Gefühle der Schuld wach. Meist brachte sie es fertig, sich gegen die Stimmen zu wehren, aber manchmal übermannten sie sie auch, wie gerade eben, als sie über das Meer geflogen war. Dann lag sie oft stundenlang wach, dachte über tausend Dinge nach und war auf einmal nicht mehr ganz sicher, ob sie auf dem richtigen Weg war. Nicht selten, geriet sie dann ganz nahe an den Abgrund des Wahnsinns, der sie immer irgendwie zu bedrohen schien. Es war vor allem in diesen Momenten so, als würde sie auf einem Kraterrand entlanggehen und jeden Moment das Gleichgewicht verlieren, um von den endlosen Tiefen unter ihr, verschlugen zu werden. Doch dann riss sie sich wieder in die Wirklichkeit zurück, dachte an die, ihr Gleichgesinnten, von welchen es doch noch ein paar in Ogrimmar gab und dann schlief sie voller Stolz, über ihre wichtige Rolle in diesem Spiel ein.
Doch auch dann noch...liessen die Toten sie nicht wirklich in Ruhe. Ihr Wispern und Stöhnen war Bestandteil von Xantinas Leben und sie hatte sich damit abgefunden, zumindest redete sie sich das immer ein.
Das Luftschiff legte nun an einer grossen Plattform an, die sich auf einem weiteren, hohen Turm befand. Dieser hier aber sah etwas anders aus, als der hohe, schlanke Turm in Tirisfal. Er war etwas massiger, bestand aus einem Gerüst aus groben Holzstämmen. Der Turm war zweistöckig und hatte mit Lehm verputzte Wände. Alles im Land der Orcs war viel ursprünglicher und einfacher, als im Land der Blutelfen, wo alles mit Magie erbaut worden war. Hier hatten kräftige Männer und auch Frauenhände noch alles selbst errichtet, ohne ständigem Einfluss von Magie. Zwar beherrschten die Orcs auch Magie, doch ihre Magie war ebenfalls eher ursprünglich, in Verbindung mit der Natur. Dieses Volk besass eine ausgeprägte Schmanenkultur. Nur die Hexenmeister gebrauchten die arkane Magie hier noch und sie war eher verpönt. Sogar Assassinen wie Xantina, hatten gewisse magische Fähigkeiten, dazu gehörte eben der Verstohlenheitszauber, oder Zauber, die die Angriffe des Schurken noch verstärkten, oder ihn etwas schneller machten. Ansonsten jedoch, konnten hier eindeutig die Schamanen, die stärksten Zauber wirken. Xantina's Vater war eben ein Schamane, was vermutlich auch erklärte, warum die junge Orcin immer mal wieder selbst die Stimme der Elemente vernahm, nur...waren diese im Bezug auf sie, eher nicht so schmeichelhaft. Manchmal beneidete sie ihren Vater dann doch irgendwie für seine enge und liebevolle Beziehung zu den Elementen.
Ogrimmar, war eine eindrucksvolle Stadt. Durch ein mächtiges steinernes Tor, das mit zwei hölzernen Wehrtürmen flankiert wurde, an dem die blutroten Banner der Horde flatterten, gelangte sie zum „Tal der Stärke“. Dies war das eigentliche Zentrum der Stadt, wo sich alle wichtigen Geschäfte, das Gasthaus, die Bank und das Auktionshaus befanden. Alles war geschickt in ein Schluchtenlabyrinth hineingebaut. Die meistern Häuser, waren doppelstöckig. Sie waren untern schmaler und wurden nach oben erst etwas breiter und dann wieder schmaler. Ihre ziemlich flachen Dächer waren mit roten Ziegeln bedeckt. Die Orcs waren ein ursprüngliches, stolzes und kämpferisches Volk. Noch immer hatten sie eine grosse Kriegskultur. Allerdings waren in den letzten Jahren einige Dinge verändert worden, und man begann mehr mit den anderen Völkern zu kooperieren. Heute wurden zwar alter Traditionen noch gerne bewahrt, aber man war fortschrittlicher und ethischer geworden.
Vom Tal der Stärke aus, gelangte man in „Die Gasse“. Dies ware ein verschlungener Pfad, der durch eine dunkle Schlucht führte. Auch in dieser Schlucht gab es noch einige Händler und Wohnhäuser. Durch diese Gasse gelangte man in jeden anderen Teil der Stadt: in das „Tal der Geister“, mit seinem kleinen blauen See, wo sich die Magier niedergelassen hatten, in das „Tal der Weisheit“, wo Thrall und die Schamanen ihren Sitz hatten und ins ganz nordöstlich liegende „Tal der Ehre“, wo die besten Krieger ausgebildet wurden. Die düstere Gasse mündete auch in die finstere „Kluft der Schatten“, wo die Schüler des Schattens, zu denen auch Xantina gehörte, ihr Quartier hatten.
Ihr Wohnhaus aber befand sich im „Tal der Stärke“, dass sie nun betrat. Sie wandte sich sogleich nach dem Tor nach links und folgte einem Pfad, der auf eine Art zweite Ebene der Stadt führte. Von hier aus, hatte man einen schönen Blick auf das Zentrum von Orgimmar, das in einem Art Kessel lag. Die roten Dächer der Häuser, leuchteten im Morgenlicht wie Korallen und Blut. Wie gut das alles doch in dieses wunderschöne Land passte! Manchmal, wenn Xantina von ihrem Haus, das aussah wie die meisten hier, hinabblickte auf ihre Heimatstadt, spürte sie eine seltsame Liebe und Stolz in ihrem Herzen, für all das, was ihr Volk geschaffen hatte. Sie war selten sentimental, doch wenn, dann in diesen Augenblicken.
Ihr Vater lebte auch noch hier, allerdings kam er meist erst spät nach Hause und sie sahen sich kaum, weil auch Xantina oft in der Nacht unterwegs war. Sie lebte im unteren Stock des Gebäudes und ihr Vater im oberen. Das war ihr ganz recht so, denn so bekam er es nicht immer mit, wenn sie sich zu unmöglichsten Zeiten aus dem Haus stahl, um ihre Aufträge zu erfüllen. Eigentlich lebten die beiden sehr nebeneinander her. Ihr Vater bedauerte das manchmal und er forderte seine Tochter immer wieder auf, etwas mehr mit ihm zu unternehmen, auch wenn beide kaum Zeit dafür zur Verfügung hatten. „Es sind nur einfache Dinge, die eine Familie teilen kann,“ sprach er dann „und sei es nur mal ein gemeinsames Frühstück, oder etwas zusammensitzen am Feierabend.“ Doch Xantina wollte davon nichts wissen. Sie lebte lieber ihr eigenes Leben und fragte sich manchmal, warum sie eigentlich nicht längst ausgezogen war. Doch irgendwas hielt sie noch hier. Sie konnte nicht genau sagen was, aber irgendwie hing sie doch auf seltsame Weise an ihrem Vater. Vermutlich, weil er noch der einzige war, der sie...vor diesem drohenden Abgrund in ihr, bewahrte. Doch das war ihr natürlich nicht bewusst.
Xantinas Mutter, so hatte man ihr erzählt, war schon längst verstorben. Sie sei im letzten grossen Krieg gefallen. Manchmal vermisste die junge Orcin schon eine Mutter, doch Asurania, die Geliebte ihres Vaters, war im Laufe der Zeit, ein Art Mutterersatz für sie geworden.
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Xantina betrat das stille Haus und wollte gerade ihre privaten Räumlichkeiten betreten, als sie vom Stockwerk über sich, eine tiefe Stimme vernahm. Ein grosser, muskulöser Orc mit grüner Haut, spitzen Hauern und braunroten Augen, kam den Aufgang herab, der vom Obergeschoss ins untere führte. Er besass dunkelrotes, langes Haar wie seine Tochter, und einen langen Bart. Beides hatte er zu gepflegten Zöpfen geflochten. Er trug eine schlichte Robe aus hellbraunem Leder. Wie alle, vor allem männlichen Orc's, wirkte er auf den ersten Blick ziemlich furchterregend. Doch in seinen Augen lag ein gütiger, weiser Ausdruck, wenn man genauer hinschaute. Sein Wesen war auch sehr gütig und weise. Wegen seiner charakterlichen Stärken war er einer der wichtigsten Schamanen in der Thrall- Ära geworden.
„Du warst wieder lange weg,“ sprach er, allerdings mehr besorgt als vorwurfvoll. „Ich hatte noch einen Auftrag zu erfüllen Vater,“ erwiderte Xantina etwas unterkühlt. „Ein weiterer Mordauftrag vielleicht?“ „Du weisst, dass ich darüber nicht reden kann,“ erwiderte sie. „Ja, so ist das wohl,“ gab ihr Vater etwas betrübt zurück. „Was hast denn du so gemacht?“ fragte die junge Orcin, um etwas von sich abzulenken. „Hatte auch einige Aufträge zu erfüllen. Ich musste dazu nach Sen'Jiin. Es geht um das Problem mit den Hexern von Zalazane. Sie sind vollkommen dem Bösen verfallen. So ist es, wenn man sich mit den dunklen Mächten zu sehr einlässt.“ Er schaute seine Tochter ernst an, doch Xantina tat, als ob sie es nicht bemerkt hätte. „Ja,“ sprach sie „die Trolle hatten ja früher schon einen Hang zu dunklen Gottheiten, wie Al Hakkar z.B.“ „Man kann das nicht so verallgemeinern,“ verteidigte ihr Vater die Trolle. „Die meisten haben sich schliesslich gegen die dunklen Götter aufgelehnt. Nein...es ist eine andere Gefahr, die uns bedroht, uns alle bedroht und das ist die Brennende Legion. Unser Volk war einst ein Diener der Brennenden Legion und noch heute müssen wir gegen gewisse Abgründe in uns kämpfen, damit es uns nicht einst so ergeht, wie den Trollen von Zalazane. Besonders die Hexenmeister müssen da aufpassen und...noch ein paar andere.“ Er schaute seine Tochter vielsagend an und Xantina wurde sogleich ungehalten. „Ich weiss, dass du denkst Asurania und ich sind auf einem Irrweg!“ sprach sie wütend. „Aber eins würde ich dann doch gern wissen...Vater: Warum ist Asurania denn überhaupt deine Geliebte, wenn du ja doch so gegen Hexenmeister bist? Sie würde sich so sehr wünschen, dass du sie heiratest und auch ich mag sie sehr.“ „Das ist es ja, was mich beunruhigt. Ihr beide verfolgt einen sehr ähnlichen Kurs in eurem Denken. Dennoch liebe ich euch beide und...möchte doch nur, dass ihr euch der Gefahren, in die ihr euch ständig hineinbegebt, bewusst seid.“ „Wir können schon auf uns selbst aufpassen Vater. Woher willst du denn wissen, dass der Kurs den du verfolgst, der Richtige ist?“ „Weil ich im Einklang bin mit der Welt. Ich spüre tief in meinem Innern, dass den Orcs ihre Blutschuld vergeben werden kann, wenn wir uns nur bemühen im Einklang mit allem zu sein. Liebe und Frieden, sind nie falsch.“ „Aber es gebiert so manchen Schwächling,“ erwiderte Xantina mit beissendem Sarkasmus in der Stimme. Thralliok wurde durch ihre Worte verletzt, dennoch blieb er ruhig. „Man kann von den Leuten, die den neuen Kurs des Friedens und des Einklanges verfolgen, alles Mögliche sagen. Aber ihr Gewissen ist bestimmt reiner als das jener, die noch immer an Altem haften.“ „Ist denn dein Gewissen rein, Tochter?“ Er schaute sie an und seine rotbraunen Augen, drangen bis auf den Grund ihrer Seele. „Ich tue einfach, was getan werden muss,“ sprach sie. „Das tue ich auch, aber ich mache es im Einklang mit meinem Gewissen.“ Xantina kochte vor Wut, aber sie schwieg, denn irgendwas in ihrem Innern meldete sich und liess sie erneut zweifeln. Ihr Vater schaffte es immer wieder, sie zu verunsichern.
Um wieder etwas von sich abzulenken, sprach sie: „Dann findest du also auch Asurania haftet noch zu sehr am Alten und hat keine reines Gewissen? Heiratest du sie deshalb nicht?“ „Es beunruhigt mich in der Tat, dass Asurania sich ständig mit dämonischen Mächten abgibt. Diese Art der Magie, ist sehr gefährlich. Die bösen Mächte können einem übermannen. Manchmal denke ich, es ist schon so weit, wenn ich sie von der glorreichen Zeit der einstigen Orc- Hexenmeister von Draenor schwärmen höre. Diese Zeit, war eine der dunkelsten überhaupt, in der Geschichte unseres Volkes. Gul'dan hat damals, getrieben von der Brennenden Legion, alle zu dieser Dämonenmagie verführt, obgleich unsere Kultur eine ausgeprägte Schamanenkultur war, die im Einklang war mit allem Leben. Die damaligen Hexenmeister, haben sogar ihren eigenen Heimatplaneten mit ihrer schwarzen Magie zerstört und dann wollten sie auch noch die Macht über Azeroth an sich reissen. Das alles ist wenig rühmlich für unser Volk. Darum versteh ich nicht, weshalb Asurania diese Zeiten so glorifiziert.“ „Vermutlich, weil die heutige Hexenmeister Gesellschaft ein zahnloser Löwe geworden ist, ebenso wie unser ganzes Volk.“ „Man muss nicht ständig Krieg führen und Eroberungszüge unternehmen, um respektiert zu werden. Im Gegenteil! Die neue, friedliche Politik von Thrall, schafft uns eher Freunde als Feinde, in der Welt Azeroth. Viele Tradionen bestehen ja nach wie vor weiter, ebenso wie bei den Tauren. Doch man muss deswegen niemanden unterjochen, oder beherrschen.“ „Das ist es ja eben!“ rief Xantina aus: „Man will mit allen gut Freund sein, auch mit den ärgsten Feinden, unter denen die Orcs einst litten, vornehmlich die Menschen. Wir brauchen keine Freundschaft mit den Menschen!“ „Es ist als ob ich Asurania reden hörte,“ gab Thralliok zurück. „Das ist es ja, was mich beunruhigt.“ „Bist du sicher, dass sie nicht meine Mutter ist?“ fragte Xantina ironisch. „Nein...sie...ist ganz bestimmt nicht deine Mutter,“ sprach ihr Vater und seine Stimme klang auf einmal seltsam.
„Asurania...ist ganz anders...als es deine Mutter war. Deine Mutter, hat meine Einstellung in allem geteilt. Ich vermisse sie manchmal sehr!“ „Heiratest du Asurania auch deshalb nicht?“ fragte Xantina und sie war auf einmal auch seltsam berührt, als sie so von ihrer Mutter sprachen. „Ja...es kann sein. Ach, ich weiss auch nicht! Doch wie auch immer,“ wechselte er das Thema: „Du und Asurania solltet nicht so negativ gegenüber den Menschen eingestellt sein. Die Welt von Azeroth wurde einst von uns Orcs schwer bedroht, damals als wir besessen waren, von Mannoroht dem Dämonen. Die Menschen haben einfach ihre Welt verteidigt. Sie mussten handeln und uns Einhalt gebieten. Es gib damals ums nackte Überleben. Die Menschen sind nicht so schlecht, wenn man sie etwas kennt. Sie haben erstaunliche Fähigkeiten und wir dürfen ihnen ruhig etwas Respekt zollen.“ „Respekt!“ rief Xantina aus. „Dafür, dass sie unser Volk einfach in diese Gefängnisse eingeschlossen, ihnen ihre ganze Würde genommen haben und hunderte von Leben zerstörten?! Also wirklich Vater! Ich verstehe dich einfach nicht! Ich habe so genug von diesem Gerede! Ich gehe etwas spazieren!“
So müde Xantina auch war, sie musste hier raus. Sie packte ihren Waffengürtel, den sie schon auf den kleinen hölzernen Tisch in ihrem Haus gelegt hatte und verliess das Gebäude wutschnaubend. Ihr Vater sah ihr kopfschüttelnd nach. Auch er konnte seine Tochter immer weniger verstehen und das...stimmte ihn sehr traurig.
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Xantina war ausser sich und lief immer weiter. Sie liess das rege Treiben des Tales der Stärke hinter sich und flüchtete in die stille, dunkle Gasse. Diese war durch einige überhängende Felswände entstanden, die eine Schlucht bildeten. Es zog die junge Orcin zu Gleichgesinnten. Was ihr Vater da gesagt hatte, war pure Plasphemie! Die Menschen respektieren?! Sowas Unmögliches hatte sie noch nie zuvor gehört! Es war wirklich höchste Zeit, dass die Brennende Klinge sich gegen dieses Gedankengut zur Wehr setzte!
„Die Gasse“ wirkte ziemlich unheimlich, besonders jetzt da es Nacht wurde. Man wusste nie genau, was einem hier zustossen konnte. Zwar war alles immer gut bewacht, aber es gab doch den einen oder andern Mörder oder Räuber, der einem hier überfallen konnte. Allerdings waren die meisten Orcs, auch die weiblichen, sehr kampferprobt und nicht so leicht zu überwältigen. Xantina war in ihrem Job als Assassine herausragend. Sie sah und hörte beinahe alles. Es war so gut wie unmöglich, sie zu überwältigen und wenn es doch mal einer wagte, dann spiesste sie ihn mit ihren Dolchen schneller auf, als er mit der Wimper zucken konnte. Ihre Dolche waren von den besten Schmieden im Land gefertigt worden. Sie waren etwas eine Elle lang, leicht gebogen, sehr spitz und überaus scharf. Fleisch und Sehnen durchdrangen sie mühelos.
Xantina selbst war sehr muskulös, doch eher gedrungen gebaut, wie für ihre Rasse üblich. Sie trug zur Zeit einen blauen Lederwams und dazu passende Hosen. Ihre Haut war erstaunlich hell und farblos für eine Orcin. Sie hatte eher einen gelblichen, als einen grünlichen Ton. Das hob Xantina von den meisten ihrer Art ab. Ihre Augen waren braun, mit einem ganz minimen rötlichen Schimmer. Ihr Haar hatte dir Farbe von dunkelroten Pflaumen und sie trug es offen und schulterlang. Die spitzen, fast elfenähnlichen Ohren, waren mit je zwei goldenen Ringen geschmückt. Xantina besass sehr kleine Hauer und einen eher kleinen Mund. Ihr schmales Gesicht wirkte hübsch, aber distanziert. In den Tiefen ihrer Augen funkelte ein Feuer, das einem ziemliche Furch einflössen konnte.
Nachdem Xantina eine Weile gegangen war und sich ihr kochendes Blut wieder etwas beruhigt hatte, sah sie einige Meter vor sich eine Abzweigung, die in die Kluft der Schatten führte. Ein lilafarbenes Licht strömte ihr hier auf einmal entgegen und ihr kam es in diesem Augenblick vor, als wäre es das Licht der Götter. Der Pfad begann sich nun langsam zu neigen und Xantina betrat einen Felstunnel, dessen Wände das seltsame, magische Licht gespenstisch zurückwarfen. Schliesslich lag vor ihr ein Art Felsgewölbe und hier befanden sich einige Zelte, die durch oben spitz zulaufende Stämme, gestützt wurden. Dunkle Gestalten, einige mit Lederrüstung, andere mit rot-violetten Roben, tummelten sich hier. Mächtige Lohen mit bläulichem, magischem Feuer sorgten für spärliche Beleuchtung. Rechts vom Niedergang, wo Xantina hergekommen war, befand sich die „Dunkelfeuerenklave“, der Sitz der Hexenmeisterlehrer und über einen Aufgang gegenüber, gelangte man zu den Schurkenlehrern, der „Bruderschaft der Schattenläufer“. Es gab hier auch einige Gifte und andere nützliche Dinge zu kaufen. Die Kluft der Schatten war eindeutig der zwielichtigste Teil, der sonst von gleissendem Licht und Leben pulsierenden, Stadt Ogrimmar.
„Xantina!“ rief plötzlich eine, ihre wohlbekannte, Stimme. „Schön das wir uns treffen!“ Eine Hexenmeisterin mit einer roten, aufreizenden, recht tief dekolletierten Korsage und einem dazu passenden Rock, kam auf sie zu. Sie wirkte noch recht jung, wohl ein Ergebnis der Verjüngungsmagie, die sie gerne anwandte. Doch sie war etwa im selben Alter wie Xantina's Vater. Ihr Haar trug sie so wie Xantina, allerdings war ihres mehr violett, als rot. Auch ihre Augen funkelten in einem eigenartigen Violett, was bei den Hexenmeistern oft der Fall war. Es wies auf grosses, arkanes Potenzial hin. Ihre Haut war ziemlich grün, wenn auch nicht ganz so grün wie jene von Thralliok. Man hätte sie unter ihrer Rasse, als schön bezeichnen können, auch wenn ihr Mund ein Stück breiter war, als das der jüngeren Orcin und sie auch etwas grössere Hauer besass. Durch die Nase von Asurania hatte man einen Ring geführt. Sie trug ebenfalls vier Ohrringe. Ihr Körper war durchtrainiert, wie bei den meisten Orcs und ihr Ausdruck hatte etwas Undurchschaubares.
„Hallo Asurania!“ sprach Xantina erfreut. „Es tut gut dich zu sehen!“ „Du wirkst etwas aufgeregt,“ meinte die Hexenmeisterin. „Ja, bin ich auch. Ich habe mich wieder schrecklich über Vater geärgert.“ „Was hat er dir denn jetzt schon wieder für eine Predigt gehalten?“ fragte Asurania. Xantina erzählte alles und auch die Augen der Hexenmeisterin funkelten ärgerlich. „Respekt vor den Menschen?“ schnaubte sie. „So ein Unsinn! Sie hatten auch keinen Respekt vor uns und noch heute haben sie keinen. Warum sollten wir welchen haben? Thrall und diese Lady Prachtmeer von Theramore, mögen einst eine Allianz geschmiedet haben, um sich gegen die Brennende Legion zu wehren, aber das war doch eine Zweckgemeinschaft. Thrall ist naiv, wenn er glaubt, er könne sich auf das Wort der Menschen verlassen. Sie würden uns jederzeit wieder gern in Sklaverei sehen und sie gönnen uns nichts, was wir uns hier auf dieser Welt erarbeitet haben. Sie wollen uns am liebsten loswerden und das wird sich niemals ändern. Thralliok ist verblendet, wenn er denkt, dass dies jemals anders sein würde.“ Ja, das glaube ich auch. Ich kann einfach nicht verstehen, warum er das nicht einsieht.“ „Er ist eben wie gesagt zu naiv, genau wie der Kriegshäuptling. Irgendwann aber werden ihm die Augen schon noch geöffnet werden! Wir werden dafür sorgen, mit Hilfe der „Brennenden Klinge“! Übrigens, apropos! Man hat beschlossen dir einen wichtigen Auftrag zu erteilen. Du kannst dadurch beweisen, dass du es wert bist, ein Mitglied des Ordens zu werden. Wenn du ihn gut erfüllst, dann wird dich Neeru endgültig in die Gemeinschaft aufnehmen, wie einst...mich.“
Xantina's Herz klopfte zum Zerspringen. „Man will mir einen Auftrag geben, sozusagen eine Aufnahmeprüfung?!“ „Ja genau!“ Asurania lächelte. „Ist das nicht wundervoll?! Du musst nach Klingenhügel, dort wird man dir alle Informationen dazu geben. Näheres weiss ich auch nicht, aber das ist deine Chance!! Bald wirst du ein Mitglied der Brennenden Klinge sein!“
„Und wann muss ich dorthin? „Morgen gleich nach Sonnenuntergang. Du triffst deinen Auftraggeber, ausserhalb des Walls, wo der Weg Richtung Süden zum „Tal der Prüfungen“ führt. Dort steht links vom Weg ein mächtiger, alter Baum. Das Codewort lautet: Terkybelia. Sei pünktlich!“ „Ja, aber natürlich!“ rief Xantina, begeistert aus „Wie könnte ich so eine Chance verpassen! Wenn Vater wüsste.“ „Noch ist es besser, wenn er nichts weiss,“ erwiderte Asurania in verschwörerischem Tone. „Es müssen ihm erst noch die Augen geöffnet werden.“ „Und wie bewerkstelligen wir das?“ „Das kann ich dir noch nicht sagen, aber ich arbeite daran. Es wäre natürlich schön, wenn er sich mal dazu entschliessen könnte, mich zu seiner Frau zu nehmen, dann würden die Chancen sicher besser stehen, dass er es mal einsieht. Aber zu Zeit ist es schwierig.“ Ihre Stimme klang betrübt und Xantina verspürte Mitleid. „Ich würde es sehr gerne sehen, wenn er dich heiraten würde Asurania, doch er ist einfach so blind. Irgendwann jedoch, wird er schon merken, was er an dir hat und dass wir beide auf dem richtigen Weg sind.“ Asurania lächelte etwas gequält. „Ja irgendwann bestimmt. Nun solltest du aber bald wieder nach Hause gehen, damit er nicht noch ein Suchkommando nach dir schickt.“ „Das wird er nicht tun. Ich lebe mein eigenes Leben, schon seit längerer Zeit, auch wenn wir noch unter demselben Dach wohnen.“ „Vielleicht kann es uns ja noch von Nutzen sein, wenn du wenigstens bei Thralliok lebst,“ sprach Asurania, mit einem unergründlichen Ton in der Stimme. Irgendwie berührte diese Aussage Xantina, etwas unangenehm, auch wenn sie nicht recht deuten konnte warum. Doch sogleich schaltete sich wieder ihr Verstand ein und sie sprach: „Ja, ich weiss, was du meinst. Irgendwann wird Vater auch dich ganz zu sich nehmen.“ „Das hoffe ich... ja das hoffe ich sehr. Aber irgendwie bin ich zuversichtlich.“ „Das freut mich. So nun gehe ich aber nach Hause. Morgen Abend nach Sonnenuntergang, sagst du?“ „Ja. Ich wünsche dir viel Erfolg, mein Kind. Bis bald!“ „Ja bis bald.“ Xantina hob ihre Hand zum Abschiedsgruss, dann kaufte sie noch einige Utensilien bei den Händlern in der „Kluft der Schatten“ ein. Sie wollte gut vorbereitet sein, wenn sie den vielleicht wichtigsten Auftrag ihres Lebens erhielt der sie...zu einem endgültigen Mitglied der „Brennenden Klinge“ machte.
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Nach einer unruhigen Nacht, in der sie kaum schlief und einem unerträglich langen Tag, machte sie sich gegen Abend auf den Weg nach „Klingenhügel“. Dies war ein kleines Dorf, südlich von Ogrimmar. Es war nicht weit, besonders mit einem Reittier war es ein Katzensprung. Xantina hatte gerade vor Kurzem einen Reitwolf gekauft. Es war ein sogenannter „Terrorwolf“. Es gab auch andere Arten von Reitwölfen in allen Farben. Jener von Xantina war grau mit einem schwarzen Nackenfell und einem schwarzen Streifen über der Nasenkuppe. Seine Fangzähne waren lang und spitz und seine Augen leuchteten in einem unheimlichen Grün. Solche Wölfe konnten sehr wild und gefährlich sein, doch die Orcs verstanden es meisterhaft sie zu zuverlässigen Reittieren auszubilden.
Wenn Xantina ihren Wolf den sie „Black Shadow“ nannte nicht brauchte, gab sie ihn in die Obhut eines Zwingermeisters, der genug Platz und Erfahrung hatte, um sich zuverlässig um die Tiere zu kümmern. Die Wenigsten hatten genug Platz für so einen Wolf zu Hause, darum war Zwingermeister ein lukrativer Job im Reich der Orcs.
Xantina schwang sich in den roten, mit einem hellen Fell unterlegten, Sattel und der Wolf setzte sich mit samtweichen Schritten, in Bewegung. Xantina liebte das Reiten und trieb Black Shadow zur vollen Geschwindigkeit an. Der Wind pfiff ihr um die Ohren und es kam ihr vor, als sässe sie in einem Schaukelstuhl, so weich war der Gang des Tieres.
Ein unbändiges Glücksgefühl durchströmte sie, auch im Hinblick auf die wichtige Aufgabe, die sie erwartete.
Sie ritt durch die, vom Abendrot durchtränkte, trockene Ebene von Durotar. Durchquerte eine eindrückliche Schlucht, mit überhängenden, pilzförmigen Felsen und erblickte schliesslich in der Ferne die Gebäude von Klingenhügel. Dies Ort bestand aus zwei grossen Hauptgebäuden gebaut aus Stein, Haut und Holz und einigen kleineren Häusern, im selben Stil gebaut.
Sie durchquerte das Dorf, das eher einem Weiler glich und durchquerte das südliche Tor, in dem aus groben Holzstämmen gezimmerten, Wall. Die Landschaft veränderte sich hier etwas, sie wurde flacher und es hatte weniger Berge. Xantina dachte an die Worte von Asurania: Das Treffen ist bei einem mächtigen Baum, links von der Strasse, die nach Süden führt. Tatsächlich war der Baum schnell gefunden. Er hatte einen hellen, skelettartigen Stamm und eine hellgrüne, flache Krone.
Xantina schaute in den Himmel. Gerade versank die Sonne wie ein feuriger Ball in der Ferne.
Das Herz der junge Orcin, klopfte zum Zerspringen. Sie ritt zu dem Baum und stieg ab. Dann setzte sie sich am Fusse des Baumes nieder und wartete...
Gerade als die Sonne ganz verschwunden war und nur noch ein purpurnes Licht, den Himmel über der nun schattigen Ebene erhellte, näherten sich aus Richtung Süden, Schritte. Xantina erhob sich, spähte in die Dunkelheit und sah, wie sich ihr ein Mann, in einer dunklen Kutte näherte. Die meisten ihrer Auftraggeber trugen solche Kutten, um unerkannt zu bleiben. Doch einige Merkmale liessen manchmal erkennen, zu welcher Rasse jemand gehörte. Aus dem etwas gebeugten Gang und den Silhouetten von Hauern, die unter der Kapuze kaum zu verbergen waren, schloss sie, dass es sich hier wohl um einen Troll handeln musste. Auch er erblickte sie nun und sprach leise: „Das Codewort?“ „Terkybelia!“ sprach Xantina und ihr Herz klopfte noch heftiger. „Alles klar. Dann seid ihr also der Assassine, der mir empfohlen wurde?“ Die Stimme des Mannes hatte den üblichen trollischen, etwas schleppenden Klang, doch man merkte, dass es sich wohl um eine etwas jüngere Person handelte. Das erstaunte Xantina etwas, denn sonst wirkten ihre Auftraggeber, meist etwas älter.
„Ja, das bin ich. Wie lautet euer Auftrag?“ fragte sie. Der Troll reichte ihr ein Paket mit Geld und einige Utensilien, die ihr nähere Informationen über ihren Auftrag und ihre Reiseroute, geben sollten. So konnte sie immer wieder nachschauen, was zu tun war. Der Auftraggeber begann nun mit seinen Erklärungen: „Euer Auftrag wird es sein, eine Menschenpriesterin zu töten.“ „Eine Priesterin? Das ist aber ein hartes Stück Arbeit!“ sprach Xantina. „Ich hoffe die Bezahlung ist entsprechend.“ „Alles hier drin. Die eine Hälfte jetzt, die andere, wenn ihr den Auftrag, zu unserer Zufriedenheit, erledigt habt.“ Xantina schaute nach und pfiff durch die Zähne, als sie das viele Geld sah, dass man ihr gegeben hatte. „Okay, das sollte vorerst reichen. Wohin soll es gehen?“ In die Düstermarschen, in die Nähe von Theramore.“ „Theramore!? Das ist vorwiegend Allianzgebiet! Noch ein schweres Stück Arbeit, es wimmelt dort nur so, von menschlichen Stützpunkten. Nun gut..., wenn die Bezahlung stimmt...Wie heisst diese Priesterin und wo genau lebt sie?“ „Ihr Name ist Kybelia. Sie lebt zur Zeit in einem Haus, gleich nördlich, vor den Stadtmauern von Theramore, an der Schreckensmoorküste. Lasst euch nur nicht von den vielen, menschlichen Soldaten erwischen! Wenn ihr erfolgreich seid, wisst ihr, was eure Belohnung sein wird, neben... dem vielen Geld, das ihr bekommt: Ihr werdet ein Mitglied der Brennenden Klinge sein!“ „Das allein ist es mir allemal wert!“ sprach Xantina stolz. „Was ist das Vergehen dieser...Menschfrau?“ „Sie ist eine Abgesandte der Hohepriester von Sturmwind, lebt aber schon lange in Theramore. Sie hat dort eine wichtige Position bei Lady Prachtmeer's Bastion inne und es sich zum Auftrag gemacht, die Brennende Klinge und ähnliche Gemeinschaften, bis aufs Blut zu bekämpfen. Sie hat schon einiges dazu beigetragen, dass unsere Abgesandten entlarvt und teilweise auch hingerichtet wurden. Alles... übrigens mit Thralls Segen!“ „Thrall verfolgt die Brennende Klinge so vehement?“ „Ja, allerdings. Er hält sie für Abkömmlinge des Schattenrates, der einst verantwortlich für den Niedergang der Orcwelt war.“ „Aber das stimmt nicht!“ ereiferte sich Xantina „die Brennende Klinge will doch nur das Beste für das Volk der Orcs und hat doch nichts mit diesem...verderblichen Schattenrat zu tun?“ „Ihr und ich wissen das auch, aber da gibt es andere Meinungen. Jedenfalls ist diese Kybelia eine grosse Gefahr für uns und darum... muss sie beseitigt werden!!“ „Wie soll sie sterben?“ Der Auftraggeber schien einen Augenblick lang zu zögern, als überlege er, was er dazu sagen sollte. Das erschien der jungen Orcin etwas seltsam. Die Brennende Klinge will eigentlich, dass sie leidet, aber es liegt schlussendlich bei euch, wie ihr das handhaben wollt.“ „Nun ich sehe, was sich machen lässt,“ sprach Xantina kühl. „Überlasst das getrost mir. Ich werde euch und die Brennende Klinge bestimmt nicht enttäuschen.“ „Und noch etwas,“ fügte der Auftraggeber hinzu „nehmt der Priesterin den Ring ab, den sie trägt. Es ist ein goldener Ring, mit einem blauen Diamanten. Bringt ihn mir, als Zeichen eures Erfolges!“ Wenn es erledigt ist, meldet euch bei mir, mit dem Runenstein, der sich in den Unterlagen befindet, dann machen wir die Übergabe.“ „Alles klar! Dann werde ich mich also schnellstmöglich auf den Weg machen.“ Viel Erfolg!“ „Ich danke euch!“ erwiderte Xantina, dann schwang sie sich wieder auf ihren Wolf, Black Shadow und ritt zurück nach Ogrimmar. Dort bereitete sie alles für ihre Reise in die Düstermarschen vor.
Da die Flugreittiere von Ogrimmar- grosse, geflügelte Löwen, nur bis nach Brackenwall flogen und sie dann doch noch ein weites Stück durch die Düstermarschen hätte reisen müssen, um nach Theramore zu kommen, beschloss sie diesmal, den Weg mit ihrem Reit- Wolf, zurückzulegen. Die Grenze zu den Düstermarschen lag nicht sehr weit von Durotar entfernt. Sie musste erst Richtung Westen ins Brachland zum neutralen Hafenort „Ratchet“, das von den Goblins beherrscht wurde. Von dort aus, führte der Weg weiter, an der sogenannten „Händlerküste“ entlang, bis zu den Düstermarschen. Brackenwall war zu weit von ihrem eigentlichen Ziel entfernt und so beschloss sie gar nicht erst dorthin zu gehen.
Es war eine Zweitagesreise, wenn sie in normalem Tempo ritt. Sie wollte nur kurze Pausen machen und einmal noch irgendwo übernachten. Alles musste bestens geplant und durchdacht sein. Eine Priesterin war schwer zu besiegen, da sie sehr mächtige Zauber wirken konnten und auch die Kraft des Heilens besass. Besonders bei solch zauberkundigen Gegnern, war Xantina, die nur ein sehr geringes, magisches Potenzial besass, auf das Überraschungsmoment und den Hinterhalt angewiesen. Sie musste verhindern, dass diese Kybelia überhaupt zum Zaubern kam. So war es auch etwas schwierig, sie leiden zu lassen, weil Priester immer noch zaubern konnten, auch wenn sie schwer verletzt waren. Sie konnten einen Schutzschild aufbauen und sich dann immer wieder heilen. Es war eigentlich seltsam, dass man keinen zauberkundigeren Assassinen für diese Auftrag ausgewählt hatte, doch andererseits machte es Xantina auch sehr stolz. Das zeigte, dass die Brennende Klinge Vertrauen in sie setzte.
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So also, machte sie sich Tags darauf, als die Sonne gerade aufging, auf den Weg ins Brachland. Ihr Vater machte sich erneut Sorgen um sie, besonders nach ihrem Ausbruch gestern, schien er sehr verunsichert. Ob er wohl ahnte, in welchen Kreisen seine Tochter verkehrte? Er sprach es nie direkt aus, aber manchmal hatte sie einfach das Gefühl, er wisse mehr. Er hatte auch eine ausgeprägte Intuition, das hatten die Schamanen so an sich. Doch sie wollte sich jetzt keine unnötigen Sorgen machen. „Ich bin bald zurück,“ sprach sie zu Thralliok um ihn etwas zu beruhigen. „Die Geister mögen dich beschützen!“ erwiderte er, als ob er wüsste in welche Gefahr sie sich begab. „Ja dich auch Vater. Bis bald!“
Sie bestieg ihren Wolf und ritt hinaus aus der grosse Stadt... hinein in das karge, rote Wüstenland von Durotar...
Erneut musste sie nach Klingenhügel und dann dort die westliche Strasse nehmen.
Nach einer Weile tauchte vor ihr eine gewaltige, Brücke auf. Sie war ganz im orcischen Stil gebaut, aus einem dunkelbraunen Holzgerüst und einem, mit roter Haut bespannten, Dach. Dieses erinnerte in seiner Form stark an den, mit scharfen Spitzen bewehren Rückenkamm, eines Drachen. Die Brücke führte über den, im heller werdenden Morgenlicht, silbern blau glitzernden, Südstrohm, welcher zugleich die Grenze zwischen Durotar und dem Brachland bildete. Die Palmen, die seinem Ufer entlang wuchsen, neigten sich sanft im Wind.
Es war eindrücklich zu beobachten, wie sich die Landschaft nun plötzlich veränderte: Der ausgeprägte rote Ton von Durotar mit seinen hohen, schmalen Bergen und den von pilzartigen Steingebilden überschatteten Schluchten, wich einer, hauptsächlich von Goldtönen beherrschten, Umgebung. Das Brachland war etwas fruchtbarer als die Heimat der Orc's, doch immer noch sehr karg. Der heisse Wind, trocknete das Steppenland manchmal vollkommen aus und es gab nur wenig wirklich grüne Flecken, ausser dort wo es auch etwas Wasser gab. Bäume hatte es hier mehr, als in Durotar, dessen Landschaft oft nur von hohen Kakteen beherrscht wurde. Es waren meist sehr mächtige Bäume, mit hellen Stämmen und mehrfachen, flachen Kronen, deren Blätter in den Schattierungen von Grün und Gold variierten.
Nachdenklich ritt Xantina durch die weite, flache Landschaft, aus der ab und zu elfenbeinfarbene Berggruppen emporwuchsen, die oft durchzogen waren, mit braunen und lachsfarbenen Strukturen.
Xantina lauschte auf die leisen, ausdauernden Schritte ihres Reittieres, das sich bisher, ohne grosse Müdigkeitserscheinungen, fortbewegte. Der warme Wind wehte ihr ins Gesicht und... in seinem Rauschen, glaubte sie erneut die Stimmen der Geister zu vernehmen! Doch diesmal hörte sie nicht auf sie, sie wollte es einfach nicht. Es war nicht der richtige Zeitpunkt jetzt die Kontrolle zu verlieren. „Schweigt still!“ rief sie. „Ich kann eure Einflüsterungen jetzt nicht gebrauchen! Dieser Auftrag ist überaus wichtig für mich und ich lasse es nicht zu, dass ihr mich davon abhaltet, effizient zu handeln!“
So wurden die Stimmen des Windes wieder leiser und Xantina versuchte ihre ganze Konzentration dem zu widmen, was ihr noch bevorstand. Irgendwie aber liess sie das beklemmende Gefühl einfach nicht los, welches sie schon, als sie den Auftrag erhalten hatte, verspürte. Sie glaubte diesmal wirklich einer grossen Prüfung entgegen zu sehen...
Sie nahm beim Hordenstützpunkt des Wegekreuzes, die Strasse nach Osten und schon bald erblickte sie unter sich, die tiefblaue Küstenlinie, des grossen Meeres. Der Pfad machte nun einen Knick abwärts und dann tauchten vor ihr, die ersten mit gelbbraunen Ziegel bedeckten, hellen Holzhäuser von Ratschet auf. Dieser Ort war ein Angelpunkt für Horde und Allianz. Es gab hier ein grosses Schiff, das nach Beutebucht im Schlingendorntal fuhr. Diese Stadt befand sich in den „Östlichen Königreichen“ und war ebenfalls neutral. Xantina war schon mal dort gewesen, aber diesmal würde sie in Kalimdor bleiben. Sie suchte das Gasthaus in Ratschet auf und beschloss sich hier einzuquartieren, denn der Abend brach schon langsam herein...
Und während sie bereits tief schlief, kam ein anderer Reiter im Gasthof an. Er ritt auf einem eindrucksvollen, violetten Raptor, mit intensiv blauen Streifen. Das Tier besass gelbe, stechende Reptilienaugen und hatte ein dunkles Horn auf der Stirn. Der Reiter selbst trug eine lilafarbene Kutte. „Ein Zimmer bitte!“ sprach er zum Gastwirt der Goblins, mit der grünen Haut und den langen, spitzen Ohren. Er würde hier übernachten, denn man hatte ihm den Auftrag gegeben, die junge Orcin nicht aus den Augen zu lassen...
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Xantina ahnte nichts von allem und machte sich gleich im Morgengrauen wieder auf den Weg. Lange hatte sie nicht einschlafen können, dennoch fühlte sie sich wieder frisch und ausgeruht. Sie liess Ratschet, das im Morgenlicht weiss- golden strahlte, hinter sich und wandte sich nach Norden, wo das blaue Band des grossen Meeres, sich mit der kargen, braun und rot gesprenkelten, Händlerküste vereinigte. Das angenehme, stetige Rauschen der Wellen hatte eine angenehm beruhigende Wirkung. Bei Xantina allerdings, verhielt sich das etwas anders, denn sie glaubte in allen Geräuschen der Natur, immer wieder die unangenehmen, tadelnden Worte der Geister zu vernehmen. Manchmal sehnte sie sich danach, die Schönheit der Natur einfach nur so zu geniessen, ohne dieses ständige Gefühl der Beklommenheit dabei zu empfinden.
Die Küstenlinie war ziemlich hügelig und überall gab es wunderschöne Palmenhaine. Xantina ritt und ritt, ohne zu merken, dass ihr schon lange jemand folgte. Das war für sie unüblich, denn meist merkte sie es sofort, wenn sie verfolgt wurde, doch die Geister der Natur schienen ihren Verfolger zu schützen, dämpften die Schritte seines Raptors, liessen ihn sich fast lautlos fortbewegen.
Xantina vermutete auch nicht, dass sie verfolgt wurde, wozu auch? Ausserdem war sie ganz eingenommen von ihrer bevorstehenden Aufgabe. So ritt sie und ritt sie, über Stock und Stein.
Schliesslich erblickte sie vor sich eine grau-weisse Festung. Es war die Festung Nordwatch, ein weiterer Stützpunkt der Menschen, um den sie lieber einen weiten Bogen machte.
Bald erreichte sie eine Gegend, wo es sehr viele kleine und grosse Inseln, im Meer gab. Palmen wehten auch hier in grosser Zahl und das glasklare Wasser der Lagunen, schwappte gegen die zahllosen Ufer.
Weit weg war sie nicht mehr von den Düstermarschen, die Inselgruppe kündigte an, dass sie schon bald ihr Ziel erreicht hatte.
Mit der Zeit veränderte sich die Gegend immer mehr, sie wurde richtig trostlos. Die braunschwarze Erde wirkte irgendwie verbrannt, viele Bäume hatten kaum Blätter, sahen aus wie dunkle Skelette, die ihre Zweige in einen dunstigen, gräulichen Himmel reckten. Von den Bäumen, die noch olivgrünes Blattwerk trugen, hingen schmutziggraue, moosartige Pflanzen. Xantina war noch nie hier gewesen, doch sie wusste, dass die Düstermarschen eine riesiges Moorgebiet, mit hunderten von kleinen Seen waren. Man hatte ihr eine genaue Karte von der Gegend gegeben und das Haus bezeichnet, in dem ihr Opfer Kybelia wohnte. Sie musste nur weiter der Schreckensmoorküste entlang, bis fast vor die Mauern von Theramore.
Das Haus der Priesterin sah aus, wie die meisten Menschenhäuser, gebaut aus Stein und mit einem braunen Schindeldach. Es war leicht zu finde, da es das einzige Haus in der Gegend war. Wieder verspürte die Orcin Aufregung, wenn sie an diesen Aufgabe dachte. Black Shadows samtweiche Schritte, waren im Sand der Küste kaum zu vernehmen. Ab und zu kreuzten gewaltige Schildkröten ihren Weg. Sie hatten einen türkisblauen, violett umrahmter Panzer. Man nannte sie Schlammpanzer- Schildkröten. Sie waren harmlos, solange man sie in Ruhe liess. Xantina machten auch eher die menschliche Patrouillen Sorgen und den Informationen, über die Schreckensmoorküste, hatte sie auch entnommen, dass es oft auch Räuber und Piraten in der Gegend gab. So war sie sehr auf der Hut.
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Schliesslich dann, tauchten in der Ferne erneut gewaltige, weissgräuliche Festungsmauern auf. Sie waren aus riesigen Steinquadern gefertigt, mit mehreren eindrücklichen Türmen. Es war die Menschenstadt Theramore! Xantina war beeindruckt. Die Menschen verstanden es wirklich, gute Städte zu bauen. Diese Mauern waren kaum zu durchdringen, wenn die massiven Holztore geschlossen wurden. Man konnte hier, unter Umständen, tagelangen Belagerungen standhalten.
Die Orcin fand sowieso, dass der Baustil einiges über ein Volk aussagte. Die Orcs bauten wieder etwas anders, aber sie waren auch sehr selbstsicher und den Menschen körperlich sicher überlegen. Die Menschen legte darum sehr viel Wert auf eine massive Bauweise, die ihre eher schwachen Körper gut schützte. Die körperlich geringere Kraft, machten sie aber mit Heldenmut und Geschicklichkeit wieder wett. So sagte es zumindest Xantinas Vater immer. Irgendwie hatte er einen Narren an den Menschen gefressen, keine Ahnung weshalb. Xantinas Blut begann jedes Mal zu kochen, wenn sie daran dachte, das dieses Volk die Orcs einst besiegt und sie lange als Sklaven gehalten hatten. Das schrie nach Rache!
Mit Kybelia's Tod, kam sie dieser Rache nun ein Stück näher.
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Noch während Xantina ganz in düsteren Gedanken versunken war, tauchte rechts auf dem Hügel auf einmal ein kleines Häuschen auf. Es war wie es in den Unterlagen stand aus dunkelgrauen Steinen gefertigt und mit einem Schindeldach gedeckt.
Xantina atmete tief auf und band ihren Wolf, ein gutes Stück abseits, fest. Dann legte sie den Zauber der Verstohlenheit auf sich und schlich sich näher an das Haus heran. Es sah aus, als wäre niemand da. Sie blickte durch die Fenster in ein geräumiges Wohnzimmer, mit hölzernen, rustikalen Möbeln, einem einfachen Bett mit blitzsauberen Laken und einer Feuerstelle. Nicht bewegte sich. Die Priesterin war wohl gerade ausser Haus. Xantina machte sich an dem einfachen Türschloss zu schaffen. Die Schurken waren Meister im Schlösser knacken. Sie hatte eine lange Ausbildungsreihe absolviert, um so gut zu werden, wie sie jetzt war. Beinahe geräuschlos schwang die Türe auf und ebenso geräuschlos, schlich die Orcin hinein. Sie blickte sich nach einem Platz um, der es ihr ermöglichte einen guten Hinterhalt zu legen. Akribisch ging sie alles durch, was sie tun würde, um die Priesterin von hinten, möglichst schnell unschädlich zu machen. Mit Quälereien würde wohl nichts werden, denn diese Gegnerin war zu stark. Sie musste sie schnellstmöglich töten. Niemand konnte dem Assassinen nachweisen, ob er alle Wünsche genau einhielt. Sie konnte der Priesterin auch nachträglich noch einige unschöne Wunden beibringen, die auch nach Leiden aussahen. Darauf verstand sie sich. Ausserdem musste sie ja selbst entscheiden, wie sie vorging. Ihr Auftraggeber hatte ihr das ja auch gesagt. Immerhin hing ja auch ihr eigenes Leben davon ab und die Brennende Klinge wollte die Priesterin in erster Linie tot sehen. Also tat sie, was sie für richtig hielt und so wartete sie...wartete sie geduldig, in der Unsichtbarkeit, bis ihr Opfer zurückkehrte.
Die Wartezeit war erstaunlich kurz. Denn schon eine knappe halbe Stunde später, vernahm sie draussen vor dem Haus Geräusche. Sie hielt den Atem an und blieb vollkommen regungslos im Schatten stehen. Die Tür schwang auf und eine, in eine einfache, blau-weisse Robe gekleidete Frau, trat ein. Sie hatte ein schöne, ebenmässiges, wenn auch etwas herbes Gesicht, einen vollen Mund, braune Mandelaugen und beinahe dieselbe Haarfarbe wie Xantina, wenn auch etwas mehr ins Braune. Ihr Haar reichte knapp über die Wange und seine Spitzen hatte man nach innen frisiert, so dass sie das edle Gesicht sanft umrahmten. Kybelia trug ausserdem im linken Nasenflügel einen kleinen Ring und auch einen durch die linke Augenbraue, was ihr irgendwie einen etwas rebellischen Ausdruck verlieh. Xantina war seltsam gefesselt von ihrem Anblick und einen Augenblick lang, vergass sie beinahe, wozu sie hier war. Dieser Moment währte jedoch nur kurz und machte einem kaltblütigen, strategischen Denken Platz. Noch immer verhielt sie sich ganz still. Sie wartete den richtigen Moment ab, bis ihr die Priesterin den Rücken kehrte, dann würde sie zuschlagen.
Kybelia zögerte einen Moment, bevor sie eintrat und ging dann zur Feuerstelle herüber. Es war ziemlich kühl heute und vermutlich wollte sie ein Feuer entfachen. Nur noch einen Schritt, einen kleinen Schritt und Xantina konnte zustossen, schnell wie ein Schatten, unbemerkt und tödlich!
Dann endlich war es so weit! Die Priesterin stand genau richtig und...Xantina, welche durch Magie ihr Tempo etwas verschnellerte, schlug zu um... gleich darauf, von einer unsichtbaren Mauer zurück geschleudert zu werden!
Benommen schüttelte sie ihren Kopf. Sie lag auf dem Rücken, auf dem harten Holzboden, die Priesterin ragte über ihr auf. Sie hatte ihren Schutzschild aktiviert, der sie wie ein goldenes Leuchten umgab. Xantina war vollkommen fassungslos. Jahrelang war sie nun schon als Assasine tätig und die Todesrate ihrer Opfer war 100%. Dies war das erste Mal, dass jemand ihren Angriff auf diese Weise vorausgesehen hatte. Sie schaute an der Menschenfrau empor, die für ihre Rasse ziemlich hochgewachsen war und erwartete deren ersten Angriff. Doch Kybelia tat nichts. Sie blickte nur auf sie herab, mit einer Mischung aus Trauer und Mitleid und dann sprach sie diese Worte, die das Leben von Xantina für immer verändern würde: „Ich wusste dass du kommst. Es ist wirklich sehr...schade, dass wir uns das erste Mal auf diese Weise begegnen müssen, meine Tochter...“
Die Orcin konnte kaum glauben, was sie das vernahm und in ihrem Kopf begann sich alles wild zu drehen. „Tochter?“ stiess sie hervor. „Was...meinst du mit Tochter?“ „Sie ist deine Mutter,“ vernahm sie auf einmal eine wohlbekannte Stimme bei der Tür. Sie sprang auf die Füsse und schaute in das Gesicht eines blauhäutigen Trolls mit halblangem, violettem, fransigem Haar und gelbbraunen Augen. Er besass lange Hauer, die aus seinem grossen Mund herausragten. Seine Ohren waren etwas breiter als die der Orc's und ziemlich spitz. Man munkelte sogar, dass die Trolle evtl. Von den Elfen abstammten. Allerdings waren die Elfen dieser Idee gar nicht angetan, denn für sie waren die meisten Völker der Horde potthässlich. Die Orcin hatte einen etwas anderen Begriff von Schönheit und für sie sah dieser Troll gar nicht übel aus. Er trug einen lilafarbenen, mit goldenen Stickereien verzierten Umhang und darunter eine schlichte, mattblaue Robe, mit lilafarbenen Zierrändern. „Dich...kenne ich doch! Du bist...mein Auftraggeber!“ rief Xantina aus. „Ich erkenne dich an der Stimme wieder! Was...wird hier gespielt? Hast du mich in eine Falle gelockt?“ „Nein, ich arbeite tatsächlich mit der Brennenden Klinge zusammen. Ich sollte angeblich mit dem Auftrag, den ich dir erteilte, meine Loyalität ihr gegenüber unter Beweis zu stellen. Aber...als ich erfuhr, dass die Frau die du töten sollst deine Mutter ist, da...konnte ich das einfach nicht zulassen. Ich wollte dich von einem grossen Fehler bewahren, denn Elternmord ist eine schreckliche Tat. Es widerspricht sich mit allen Ehrenkodexen der Horde und auch...der Allianz.“ „Diese Frau...soll meine Mutter sein!“ stiess Xantina hervor und es war ihr, als würde der Boden unter ihr wanken. Sie musste sich an einem Stuhl festhalten. „Gib mir bitte erst deine Dolche, dann reden wir weiter,“ sprach der Troll. Xantina reichte ihm die Klingen wutschnaubend. „Du elender Mistkerl, das wirst du irgendwann büssen!“ „Das glaube ich nicht, mein Kind,“ mischte sich nun die Priesterin ins Gespräch. „Cromnios sagt die Warheit. Ich bin...tatsächlich deine Mutter! Du kannst deinen Vater Thralliok fragen. Er...hat mir einst diesen Ring geschenkt.“ Sie zeigte Xantina einen goldenen Ring, mit einem runden, hellblauen Diamanten. „Das...ist der Ring...den ich dir hätte abnehmen sollen, als Beweis deines Todes...“ sprach Xantina tonlos. Sie wusste nicht mehr wo ihr der Kopf stand und durchbohrte den Troll mit ihrem Blick. „Was wird hier gespielt?! Du sagtest mir, dass ich dir diesen Ring bringen soll. Warum, wenn der Ring tatsächlich von meinem Vater sein soll? Wie passt das alles überhaupt zusammen, ein Sympathisant der Brennenden Klinge paktiert mit Menschen!“ Sie spukte angewidert aus. „Wir beide...wurden betrogen,“ sprach der Troll, ohne auf ihre abschätzige Handlung einzugehen. Asurania hat das alles geplant, die Brennende Klinge hat diesen Auftrag nicht selbst erteilt. Nicht mal die Bruderschaft wusste, dass du hierhergeschickt wirst, um...deine Mutter umzubringen, denn das widerspricht sich, wie gesagt, mit jeglichem Ehrenkodex. Jemand der seine Eltern ermordet zieht einen Fluch auf sich. Das ist z.B. in Lordaeron geschehen, wo der Todesritter Arthas seinen Vater ermordet hat. Ich wollte auf keinen Fall, dass du diese Schuld auf dich lädst, schon...weil du, einen so ehrenwerten Vater hast.“
Asurania soll das alles inszeniert haben!? Das glaube ich nicht! Das würde sie nie tun! Sie würde mich nicht zu so einer Tat treiben!“ „Doch, mein Kind...das würde sie,“ sprach Kybelia betrübt. „Sie hasst mich, schon jahrelang hasst sie mich. Sie hasste mich schon, als ich deinen Vater kennen und wir uns liebe gelernt haben. Sie wollte ihn immer für sich und sie glaubte...“ „Sie glaubte, sie würde es durch den Tod deiner wahren Mutter, endlich schaffen, Thralliok ganz für sich zu gewinnen,“ vollendete Cromnios den Satz. „Ich wusste das alles nicht. Ich dachte erst es handle sich um einen ganz normalen Mordauftrag, denn man liess auch mich in diesem Irrglauben, Kybelia sei einfach ein Feind der Bruderschaft. Aber dann habe ich zufällig ein Gespräch von Asurania belauscht und erst da wurde mir die Tragweite des Ganzen bewusst. Ich wusste nun, dass die Brennende Klinge sich diesen Auftrag nicht ausgedacht hatte. Asurania hatte die anderen einfach glauben lassen, dass der Mord an Kybelia nötig ist und du so deine Fähigkeiten unter Beweis stellen könntest.“
„Aber...das glaube ich einfach nicht! Ich hätte nicht nur sterben können dabei, ich hätte auch meine Seele vollkommen verlieren können, wenn ich die Tat vollendet habe. Und dass nur...wegen Eifersucht, Neid, Missgunst, wegen der Beziehung meines Vaters zu...dir?“ Xantina wandte sich an ihre Mutter. Dieser erwiderte: „Ja das ist richtig, Cromnios hat das mitbekommen und ich würde es Asurania zutrauen. Thralliok und ich sind zwar nicht zusammengeblieben, wir waren einfach zu verschieden, aber wir haben uns sehr geliebt und diese Liebe...besteht immer noch.“ „Er sagte mir, dass er Kybelia immer noch nicht vergessen hat und...er darum keine andere Frau heiraten konnte,“ sprach der Troll nachdenklich. „Du hast also auch mit ihm gesprochen?“ „Ja, als ich das mit Asurania erfuhr. Er bat mich dann auch dir zu folgen und dich...von diesem schrecklichen Fehler zu bewahren. Ich quartierte mich dann wie du in Ratschet ein und folgte dir den ganzen Weg.“ „Aber warum habe ich das nicht bemerkt, ich bemerke das sonst immer?“ „Ich glaube dein Vater hatte da auch etwas seine Hände im Spiel. Er...sagte mir auch..., dass er immer irgendwie an deiner Seite ist, wohin du auch immer gehst. Er beschützt dich, die Elemente beschützen dich, doch...sie ermahnen dich auch, einen anderen Weg einzuschlagen, nicht wahr?“
Xantina fröstelte auf einmal etwas und es wurde ihr plötzlich mit aller Deutlichkeit bewusst, dass Cromnios die Wahrheit sagte. Die Elemente beschützten sie, ihr Vater beschützte sie. Ihr Vater...liebte eine Menschenfrau...
Auf einmal wurde die junge Orcin müde und matt und setzte sich auf den Stuhl, auf dem sie sich gerade abgestützt hatte. Sie schaute Cromnios an, dessen Ausdruck Aufrichtigkeit und Mitgefühl ausdrückte, dann schaute sie rüber zu Kybelia...ihrer Mutter. Und auf einmal glaubte sie tatsächlich eine Ähnlichkeit zwischen ihr und sich zu bemerken. Kybelia hatte beinahe dieselbe Haarfarbe wie sie, die beinahe selbe Augenfarbe. Sie besass sogar eine etwas gelbliche Haut. Es konnte gut sein, dass sie- Xantina, eine Halbmenschfrau war. Sie war schon immer etwas aussergewöhnlich gewesen.
„Aber...wie kann das zugehen? Eine Menschenfrau, die ein Kind zeugt mit einem Orc?“ fragte sie dennoch. „Eure Rasse findet unsere doch furchterregend und hässlich?“ Auch dass ein Orc sich in eine Menschenfrau verliebt, ist schwer vorstellbar. Ausserdem seid ihr unsere ärgsten Feinde!“ „Das ist deine Ansicht Xantina. Doch wir sind nicht die grössten Feinde der Orcs. Wir haben sogar in gewisser Weise eine Allianz geschmiedet mit euch. Lady Prachtmeer, welcher ich diene hält grosse Stücke auf Thrall und auch die Orcs. Doch leider gibt es auf beiden Seiten solche die das nicht gerne sehen und immer wieder Zwietracht säen, was dann wieder Streitigkeiten zur Folge hat. Die grössten Feinde sind die Dämonen, die noch immer durch die Welt streifen. Diese müssen wir bekämpfen.“ „Ja,“ sprach der Troll „mir ist das auch bewusst geworden, durch alles was geschah. Ich muss dir leider sagen, Xantina, dass Asurania sich wohl auch mit einem Dämon verbündet hat. Er...war es, mit dem sie sprach, als ich sie belauschte. Asurania dient dem Schattenrat!“
„Was?! Nein das glaube ich nicht! Asurania verbündet sich nicht mit Dämonen, sie unterwirft sie. Es kann nicht sein, dass sie etwas mit dem verderblichen Schattenrat zu tun hat!“ „Es ist aber so, ich kann vor dem Angesicht der Götter schwören, dass ich die Wahrheit spreche!“ Cromnios Stimme klang fest entschlossen, als er das sagte und Xantina kannte die Trolle gut genug, um zu wissen, dass sie keinen leeren Schwur sprachen. „Ja,“ fügte Kybelia hinzu „und ich schwöre dir beim Licht, dass ich deine Mutter bin und dass die Menschen, jedenfalls die Menschen, die zur Zeit an der Macht sind, nur das Beste für alle Völker Azeroth wollen. Ich habe dich zur Welt gebracht mein Kind. Ich habe dich neun Monate unter dem Herzen getragen und dich dann geboren. Du warst ein grosses Kind, die Geburt war nicht einfach, aber ich habe es geschafft. Ich wollte es schaffen, weil ich dich und deinen Vater von Herzen liebe. Ich habe Thralliok nie ganz vergessen. Ich weiss es klingt unglaublich, dass sich eine Menschenfrau in einen Orc verlieben kann, aber es ist geschehen. Das Wesen deines Vaters hat mich einfach in seinen Bann geschlagen. Er ist so edel und so gut und auch so leidenschaftlich. Ja und damals am Mondfest, wurde auch meine Leidenschaft für ihn geweckt. Wir hatten nur diese eine Nacht... damals auf der Mondlichtung, im Schatten der gewaltigen, heiligen Bäume und im Schein der hundert Irrlichter, die uns umschwebten. Warme Feuer brannten damals, alle Völker gingen ganz natürlich miteinander um. Es war wie im Paradies und diese Atmosphäre hat uns einfach übermannt. Wir verliebten uns ineinander. Es ist einfach so passiert, wie... Magie. Es ist schwer zu beschreiben. Es reichte, um dich zu zeugen. Doch schon bald erkannte ich, dass du es schwer haben würdest in meiner Welt, du hast einfach zu sehr wie eine Orcin ausgesehen und es gab doch einige, die dich und auch mich, die ich mich mit einem Orc eingelassen hatte, verachteten und schlecht behandelten. Schliessliche entschied ich schweren Herzens, dich nach Ogrimmar in die Obhut deines Vaters zu geben. Ich dachte es sei das Richtige, aber ich hätte nie gedacht, dass du einst in die Fänge des Schattenrats gerätst.
Dein Vater und ich schreiben uns noch oft. Wir haben uns aus verschiedenen Gründen wieder getrennt. Doch ich weiss, dass auch er sich grosse Sorgen um dich macht. Er macht sich auch oft Vorwürfe, weil du unter schlechten Einfluss geraten bist. Warum nur, ist es so weit gekommen? Was haben wir falsch gemacht, meine Tochter? Was nur?“ „Ihr...habt nichts falsch gemacht!“ entfuhr es Xantina, auch wenn sie eigentlich anders hätte reagieren wollen. „Es war... Asurania. Sie hat mich mit den Assassinen zusammengebracht und auch...mit der Brennenden Klinge.“ Gerade als sie das sagte, wurde ihr plötzlich mit aller Deutlichkeit bewusst, dass sie vermutlich die ganze Zeit nur ein Instrument gewesen war. Ein Instrument, das einst Asurania helfen sollte, ihre Ziele zu erreichen. Aus irgendeinem Grund, hatte Xantina Vertrauen in Kybelia und den Troll. Sie glaubte nicht, dass diese sie anlogen. Ausserdem liessen sich deren Worte ja überprüfen, es reichte, wenn Xantina mit ihrem Vater sprach. Doch diese ganzen Erkenntnisse trafen sie wie ein kalter Schlag. Sie hatte auch Asurania vertraut, nur um jetzt herauszufinden, dass sie sie immer nur benutzt hatte. Und der Gedanke, dass ihre Stiefmutter in Spe auch noch mit Dämonen paktierte, war schrecklich. Sie musste dieser Sache unbedingt auf den Grund gehen. Wenn Asurania wirklich eine Dienerin des verderblichen Schattenrats war, dann wollte sie nichts mehr mit ihr zu tun haben. Und auch die Brennende Klinge verlor immer mehr an Faszination, jetzt dass sie die ganze Wahrheit kannte. Auch Cromnios hatte nach seinem Gewissen gehandelt und nun hatte er sich sogar mit einer Menschenfrau verbündet, einer Menschenfrau, die dazu noch Xantinas Mutter war. Sie schaute Kybelia an und auf einmal bewegten sie seltsame Gefühle. Es war, als ob irgendwas in ihr zerbrechen würde. Doch es war ein angenehmes Gefühl. Es war, als ob das Eis um ihr Herz schmelzen würde- jenes Eis, dass ständig diese Kälte und Beklemmung in ihr erzeugt hatte. Es war eine seltsame Befreiung. Sie wusste, dass sie bisher immer von unsichtbaren Mächten beschützt und geleitet worden war. Asurania hatte sie betrogen, Asurania der sie so vertraut, die sie so bewundert hatte. Xantina hatte darüber hinaus vergessen, wer es wirklich gut mit ihr meinte. Sie wurde von ihrem Vater geliebt und sie wurde auch von ihrer Mutter geliebt, das las sie in deren Augen. Es war ein anderer Ausdruck in ihren Augen, als in den Augen von Asurania und ihre Mutter strahlte etwas aus, dass sie tief in ihrem Herzen anrührte. Sie hatte die Menschen immer gehasst, sie verachtet. Dabei... hatte sie selbst menschliches Blut. Konnte man sein eigenes Fleisch und Blut hassen? Es fiel ihr nun immer schwerer.
Sie blickte aus dem Fenster des Hauses, in dem ihre leibliche Mutter lebte. Es war ein wunderschöner Ausblick. Mittlerweile war es Abend geworden und der Himmel über den Düstermarschen und der, nun wie ein weiss-roter Diamant, leuchtenden Stadt Theramore, hatte eine rote Färbung angenommen. Es sah irgendwie aus, als würde das Firmament in Flammen stehen. Als würde alles Alte sterben, um am nächsten Morgen wie Phönix aus der Asche wiedeaufzuerstehen. Xantina hatte auf einmal das Gefühl, dass diese äussere Welt, ihr Innerstes wiederspiegelte. Das weite Meer war auch von dem Fenster aus zu sehen, glasklar, so klar, dass man jede Unebenheit des Grundes sehen konnte. Es war weit, so weit dieses Meer, so weit und klar. Sollte nicht auch Xantinas Leben so sein: Weit und klar, ohne ständige Schatten, ohne verstorbene Seelen, die sie Tag und Nacht heimsuchten?
Jetzt da sie hier war, bei ihrer Mutter, an diesem friedvollen Ort, da war es, als bekäme die junge Halborc- Frau ein Stück ihrer selbst zurück.
Kybelia trat zu ihr und legte den Arm um sie, während sie zusammen die Abendstimmung genossen. Cromnios hatte sich diskret zurückgezogen. Die Berührung ihrer Mutter war so voller Liebe, so voller Wärme und Geborgenheit. Xantina hatte das noch nie erlebt. Auf einmal erfasste sie Trauer, Trauer darüber, dass sie bisher das Leben und all die Menschen, die sie wahrlich liebten, nicht richtig geschätzt, nicht richtig erkannt hatte. Sie war nur ihrem eigenen Weg gefolgt, getrieben von Hass, Gier und Mordlust. All das wollte sie nun am liebsten hinter sich lassen, um endlich befreit zu werden.
„Bleib noch ein Bisschen bei mir!“ bat sie ihre Mutter. „Ich möchte dir meine Welt zeigen. Es ist eine gute Welt, wenn auch keine perfekte. Ich möchte dir Theramore zeigen, ich möchte dich meiner Lady Prachtmeer vorstellen und ich möchte, dass du, dein Vater und ich wenigstens so gut als möglich, eine Familie werden können. Ich weiss, es ist nicht so einfach, aber wir haben uns. Du bist jetzt zu mir zurückgekehrt und ich wünsche mir so sehr, dass du glücklich wirst. Orientiere dich nicht länger an Gemeinschaften, die den Unfrieden wollen, setze dich vielmehr mit mir und deinem Vater für den Frieden ein.“ „Ich weiss nicht, ob das so einfach geht Mutter,“ erwiderter Xantina nachdenklich. „Ich habe jetzt schon so lange diesen Weg verfolgt und grosse Lasten auf mich geladen.“ „Aber du kannst dein Leben ändern, wenn du nur willst. Ich weiss es.“ „Ich... werde es versuchen. Es gibt noch einige Dinge zu klären, ich muss mich der Brennenden Klinge und vor allem Asurania stellen und... mein Leben wird sich sowieso grundlegend verändern, denn ich weiss jetzt so viele Dinge, die ich bisher nicht wusste.“ „Wir werden dir immer zur Seite stehen. Ich weiss du hast eine wichtige Bestimmung, ich spüre das tief im Innern. Wie ein strahlendes verborgenes Juwel erscheint es mir, dass erst noch frei gelegt werden muss, um es richtig leuchten zu lassen.“
„Ich weiss nicht, es gibt noch sehr viel Dunkelheit in mir, ich weiss nicht, ob ich diese Dunkelheit je erhellen kann. Es ist... schwierig...“ „Bleib noch etwas hier, alles was du sehen wirst, wird dir dabei helfen, zum Licht zurückzufinden. Ich werde mir dir Erlaubnis von Lady Prachtmeer persönlich holen, damit du in menschliches Gebiet kannst, ohne in Gefahr zu geraten.“ „Nun gut... ich versuche es.“
Die kommenden Tage, veränderten Xantina's Leben. Sie erlebte dabei eine Liebe und Freundlichkeit, die sie noch kaum bisher erfahren hatte. Sie erfuhr mehr über die Menschen, über ihre Geschichte und ihr Hass auf selbige, erwies sich immer mehr als unnötig. Es hatte viele Konflikte zwischen Orcs und Menschen gegeben, aber heute war eine andere Zeit. Frieden würde möglich sein, wenn alle sich darum bemühten. Xantina erkannte, dass es wohl eine göttliche Fügung sein musste, dass das Blut beider Völker in ihren Adern floss. Sie hatte eine Aufgabe und sie wollte dieser Aufgabe auf den Grund gehen und das Böse bekämpfen. Denn...sie war eine Halborc- Frau! Und sie lernte jetzt immer mehr, darauf stolz zu sein!