Der kleine Ort liegt verlassen im „Tal der Butterpinkerl“, schon lange lebt keiner mehr in den schmucken Häuschen, die um die kleine Kirche gebaut sind, doch das Rad der Mühle dreht sich immer noch und das Wasser des schmalen Baches plätschert im gleichen Takt wie vor fünfzig Jahren.
Alfred wandert jedes Jahr mindestens einmal hinauf in das kleine Dorf, wo seine Urgroßeltern gelebt haben, vieles kennt er nur mehr aus Erzählungen , denn die Erinnerung an die Zeit, in der er hier gelebt hatte ist schon verblasst, er war noch zu klein, doch an das Plätschern der Mühle, daran kann er sich noch genau erinnern, wie er mit seinem Großvater auf dem großen Stein neben dem Mühlrad gesessen ist und er wundervolle Geschichten erzählt hat, über das Tal, über das Dorf und über die Gegend. Alfred ist an der Mühle angekommen und setzt sich auf den besagten Stein, er setzt seinen Rucksack ab und holt eine leere Flasche und ein Wurstbrot heraus, er nimmt die Flasche und geht hinter die kleine Kirche, dort wo eine Quelle aus den Felsen sprudelt und füllt sich die Flasche an. Er geht zurück zur Mühle und setzt sich wieder auf den Stein, nimmt einen Schluck Wasser und als er die Flasche abstellen will, vernimmt er eine Leise Stimme, bitte rette das kleine Dorf vor dem Untergang, erschrocken springt er auf und schaut sich um, doch es ist niemand vor oder hinter ihm, Alfred ist verwirrt, hat die Flasche zu ihm gesprochen? Alfred steht auf und dreht sich im Kreis, ja dieser Platz ist wirklich wunderschön, die kleine Kirche, ein kleiner Friedhof, drei, noch immer schmucke Häuschen, eine Mühle und ein Bauernhaus und rundherum, Obstbäume in Gruppen und Wiesen und Wälder, eigentlich ein kleines Paradies stellt Alfred fest. Sogar einige Blumen blühen vor den Häusern, seltsam, es sieht gar nicht aus, als ob schon Jahre keiner mehr hier gelebt hat.
Alfred beißt bei seinem Wurstbrot ab und setzt die Wasserflasche an die Lippen, da ist sie wieder, diese Stimme, Alfred, du bist der Retter dieses Tales, er trinkt das Wasser in einem Zug aus, vielleicht hatte er einen Flüssigkeitsmangel? Alfred setzt sich wieder hin und isst sein Wurstbrot zu Ende, er ist nachdenklich geworden. Sein Blick gleitet wieder über das Tal und er ist fasziniert, von der Ruhe und von der Stille, die über diesem Tal ihre Flügel ausgebreitet hat. Nach einer Weile steht er wieder auf, um wieder die Flasche mit Wasser zu füllen, doch als er zur Quelle kommt, sieht er einen alten Mann im Gras neben der Quelle sitzen. Verwundert bleibt er stehen, er ist noch nie einem Menschen hier begegnet und Alfred blickt den alten Mann misstrauisch an. Ist dieser alte Mann vielleicht vorhin schon da gewesen und er hat ihn nicht gesehen? Da spricht ihn der alte Mann an „komm näher Alfred, ich kenne dich, du brauchst keine Angst zu haben“ und Alfred geht langsam auf ihn zu, in seinem Gehirn drehen sich die Räder, was geschieht hier eigentlich? „komm setz dich und hör mir zu“ spricht der alte Mann weiter und Alfred setzt sich neben ihn in die Wiese, nachdem er sich die Flasche mit Wasser gefüllt hat, „dein Großvater hat dir das Tal der Butterpinkerl vererbt, deshalb sollst DU hierher zurückkehren“ Alfred schüttelt den Kopf, davon hat er noch nie etwas gehört und der alte Mann kratzt sich im Bart, er wusste, was Alfred denkt und spricht weiter, „in deiner Stadt, gibt es ein großes Gebäude mit einem Archiv, da sollst du nachsehen, da liegen die Papiere, die du brauchst“ Alfred ist nachdenklich geworden, er legt sich zurück und schaut in den blauen Himmel, er denkt über sein Leben nach, er hat einen guten Job, er hat ein schmuckes Häuschen am Stadtrand, doch glücklich? Was ist „glücklich sein“ eigentlich? Hat er Zeit, um glücklich zu sein? Nein er ist zufrieden, doch glücklich? Jetzt ist er glücklich, hier in der Wiese zu liegen, in den blauen Himmel schauen zu können, ja das fühlt er, das ist Glück. Alfred setzt sich wieder auf und will den alten Mann fragen, wer er sei, doch als er sich zur Seite dreht, ist der alte Mann fort. Alfred lässt sich wieder in die Wiese zurückfallen, er ist müde, er schließt die Augen, er will sich die letzten Minuten noch einmal in Erinnerung rufen, doch ……..die Lieder werden ihm zu schwer.
Alfred sitzt vor dem Bauernhaus und seine stolzen Blicke schweifen über die Felder, das Getreide ist reif, die Ähren biegen sich und schaukeln im leichten Wind, auf der naher Wiese gackern die Hühner und ein stolzer Hahn wacht über ihr Wohlbefinden, die Enten gehen im Gänsemarsch und verzehren die kleinen, fiesen Schnecken…. und ein kleiner Junge läuft auf ihn zu und ruft „Papa das Essen ist fertig“, er nimmt den Jungen bei der Hand und geht in die Stube hinein, der Tisch ist gedeckt mit allem was der Hof zu bieten hat und in der Tür erscheint, mit einem Krug Most, seine Frau Maria, wunderschöne schwarze Locken umrahmen das zarte Gesicht mit den strahlend braunen Augen. Alfred durchströmt ein unsagbares Glücksgefühl, er hat eine kleine gesunde Familie, er hat seinen Platz im Leben gefunden.
Die ersten Regentropfen fallen auf das Gesicht von Alfred und er wird abrupt aus seinen Träumen gerissen, er springt auf, nimmt seine Flasche und läuft zur Mühle, wo er seinen Rucksack hingestellt hatte, der Regen wird immer stärker und bis er beim Bauernhaus ankommt, sind die Kleider von Alfred schon total durchnässt. Er probiert, ob das Haus verschlossen ist, doch zu seiner Verblüffung geht die Türe auf, vorsichtig geht in hinein und sieht sich um. Die vielen Jahre sind zwar nicht spurlos an den Einrichtungsgegenständen vorübergegangen, jedoch könnte man alles noch verwenden, stellt er sachlich fest. Er geht in die Küche und macht am alten Tischherd Feuer, zieht seine nasse Kleidung aus und hängt sie zum Trocknen auf. Da er für alle Notfälle immer eine Notration im Rucksack mitführt, hatte er Tee und Kekse bei sich, er stellte Wasser für den Tee auf. Der Tee duftet herrlich und Alfred ist in diesem Augenblick wunschlos glücklich, nur in eine Decke gehüllt genießt er die Kekse und den Tee, jedoch , er denkt über die Begegnung mit dem alten Mann immer wieder nach, wo ist er hergekommen und wohin ist er gegangen, er hat noch nie in diesem Tal Menschen getroffen, er denkt angestrengt nach, doch…. im Vorjahr, als er auch bei der Mühle gesessen ist, hat er in der Ferne eine Gestalt entdeckt und an einen Wanderer gedacht, der sich verlaufen hat, beim Pilze suchen, der hat sogar noch freundlich gewinkt und er hat auch die Hand gehoben. Vielleicht war das damals schon der alte Mann? Alfred hat den Tee ausgetrunken und wollte sich gerade noch einmal die Tasse füllen, als es an der Tür pocht. Er wickelt sich die Decke fester an seinen Körper und geht an die Tür, öffnet sie und erstarrt. Draußen im Regen steht eine Frau, die schwarzen Haare klebten an ihrem Kopf, doch die braunen Augen leuchten und in Alfred explodiert ein Feuerwerk, dass die Funken bis ins Herz sprühen. „Kann ich mich ein wenig trocknen, das Gewitter hat mich total durchnässt“ meint sie, „ich heiße Maria“ und sie hält Alfred die Hand hin. Immer noch ist Alfred sprachlos, befindet er sich in der Wirklichkeit, oder träumt er immer noch? Er schüttelt ihre Hand, ja er ist in der Realität. Maria trocknet auch ihre Kleidung und nun sitzen beide, in Decken gewickelt am Tisch und jeder erzählt dem Anderen SEINE Geschichte. Alfred hat den Teil bewusst ausgelassen, an dem der alte Mann ihm begegnet ist, doch als Maria erzählt, dass ein alter Mann ihr den Weg gezeigt hat, wo es die schönsten Pilze gibt, muss er lachen. Hat das Leben nicht hier, im Butterpinkerltal Schicksal gespielt?
Alfred und Maria leben nun schon zehn Jahre in diesem Tal, es gibt nicht nur einen Sohn, sondern auch noch zwei Töchter und in der Mühle wird wieder Getreide gemahlen und in den drei Häusern leben kleine Familien. Jeden Sonntag treffen sich alle aus dem Dorf in der kleinen Kirche und danken Gott für dieses kleine Paradies auf dieser Welt.