Meine Sporteinheit begann wie üblich mit Sonnenaufgang. Ich schlüpfte in die ausgeblichenen Stiefel, warf mir noch schnell den Mantel über und griff mir den Instrumentenkoffer, der wie immer auf dem Beistelltisch im Hausflur lag.
"Schatz, es wird heute spät werden. Warte nicht mit dem Essen auf mich!"
Aus der Küche kam keine Antwort, lediglich die Kaffeemaschine rödelte unbeirrt vor sich hin.
Draußen begrüßte mich die Kälte eines späten Februarmorgens, jenseits der Häuserreihen hielt sich hartnäckig dichter Nebel über den Feldern und Wiesen. Also wirds wohl ne kürzere Distanz werden, verdammt.
Den Koffer geschultert marschierte ich durch die Straßen, mein Blick wanderte über die schön gestalteten Giebel der Häuser, auch wenn ich für Ästhetik noch nie viel übrig hatte. Unweit des leicht schiefen Kirchturms fand ich schließlich, wonach ich suchte: ein Gebäude, das gerade saniert wurde. Das Baugerüst ragte an der Fassade gut fünfzehn Meter in die Höhe, perfekt für mein Vorhaben. Der Aufstieg war beschwerlich, aber noch machbar. Schnaufend lehnte ich den Instrumentenkoffer gegen die Balustrade, noch war an die letzte Übung nicht zu denken. Mein Puls beruhigte sich nur schleppend, aber das war normal, wenn man ersteinmal aus der Übung gekommen war. Fröstelnd fischte ich Zigarette und Feuerzeug aus meiner Manteltasche, es dauerte nicht lang bis eine feine Rauchfahne in den Himmel stieg.
Sobald meine Hände nicht mehr zitterten, öffnete ich den Koffer, um die darin enthaltenen Einzelteile mit akribischer Sorgfalt zusammenzusetzen. Nach einem Test der Windstärke holte noch einmal tief Luft, bevor ich mein Opfer durch das Zielfernrohr ins Visier nahm. Auf diese Distanz würde der Schuss schwierig werden, aber nicht unmöglich. Jetzt hieß nur noch Abwarten, bis die Gelegenheit günstig war; sobald er den Marktplatz betreten würde, müsste ich die Position wechseln, aber in dem Gebäude war die Wahrscheinlichkeit für Kollateralschäden zu groß und die Sicht eingeschränkt.
Was soll ich sagen, auch Mord ist eine Art von Sport.