Die umgekehrte Halloweenparty
Skelett blickte in den Spiegel und was sie dort erblickte, reichte um ihr das nicht vorhandene Blut in den nicht vorhandenen Adern gefrieren zu lassen. Aber eines musste man ihr lassen: die Verkleidung war perfekt. Das Fleisch auf ihren Knochen gab ihr sinnliche Rundungen an genau den richtigen Stellen und das schwarze Kleid, welches sie gewählt hatte, betonte dies noch. Außerdem fiel ihr langes blondes Haar über die Schultern.
Ohja, die anderen würden sich zu Tode erschrecken vor ihr. Vielleicht würden einige sogar wieder spontan anfangen zu leben? Schlimm genug sah sie jedenfalls aus. Nun konnte Skelett es kaum noch erwarten auf die Halloweenparty ihres besten Freundes Herr von Totengräber zu kommen.
Für den Oberschock schnappte sie sich noch ihre Pumps und die fürchterlich, schicke Handtasche und stöckelte durch die nächtlichen Straßen. Die Blicke, die ihr dabei von den Menschen zugeworfen wurden, waren fast mehr als sie ertragen konnte. So viel Bewunderung und Wohlgefallen! Wo war die nackte Todesangst und das „Bitte, bitte, friss mich nicht!“? Sie vermisste das sehr und der Weg war wirklich kaum zu bewältigen. Aber zumindest erkannte sie in einigen Augen Neid wieder. Damit konnte sie schon mehr anfangen. Jedoch, angenehm war anders.
Daher war sie überglücklich, als sie wenige Straßen entfernt von ihrem Ziel auf ihren anderen Freund Leprechaun traf. Dieser grinste sie mit seinem üblichen selbstgefälligen Lächeln an, was aber nicht darüber hinweghelfen konnte, dass Skelett sich bis ins Knochenmark erschreckt hatte.
„Verdammt, was bist du denn?“, stieß sie entsetzt aus. Aber Leprechaun ließ nur ein leises Lachen hören, das in etwa klang wie hahazzzhahaazzz. Voller Abscheu und Bewunderung musterte Skelett ihren Freund etwas genauer. Er war klein, wie immer, aber seine Haut strahlte rosig und zu der schrecklich bunten Kleidung hatte er eine Mütze, mit einem kleinen Schirmchen vorne dran, auf.
„Ziie nennen ezz Kind!“, feixte er und entblößte dabei seine spitzen Zähne. Zum Glück waren die wie immer! Skelett schüttelte belustigt den Kopf. Nachdem der erste Schock erst mal vorbei war, war es einfach nur noch lustig.
Da sie nun so tolle Gesellschaft hatte, war der restliche Weg schnell geschafft und sie standen nun vor Herr von Totengräbers kleiner Hütte. Was er hier getan hatte, war aber einfach nur furchtbar. Alles war schrecklich sauber – blitzte und blinkte! Ja keine einzige Spinnenwebe war zu finden, der Rasen säuberlich geschnitten. So akkurat, dass er es mit einer Nagelschere getan haben musste. Oh, Herr von Totengräber hatte sich dieses Jahr selbst übertroffen!
„Bravo! Bravo!“, rief Skelett, als sie Herr von Totengräber erblickte. Er hatte sich seinem Haus vollends angepasst und trug einen Anzug! Oh mein Gott! Es musste Armani sein und seine Haare waren aufwendig zur Seite gegelt. Sein Anblick ließ Skelett fast den nicht vorhandenen Magen entleeren. Diese Abscheulichkeit!
„Aber, aber, Skelett! Du bist hier wohl der Hit! Ich meine diese Brüste! Grauenhaft! Das hast du wirklich toll hinbekommen. Geh doch ruhig an die Bar und hol dir was zu trinken“, gab er freudig zurück. Das ließ zumindest Leprechaun sich nicht zwei Mal sagen und stürmte zu dem Tisch, den Herr von Totengräber in seinem Größenwahn als Bar bezeichnet hatte. Skelett liebte es!
Dort stand auch schon Vampir und hielt eine Tasse mit dampfender Flüssigkeit in der Hand. Das Leprechaun ihm auf die Füße stieg, damit er besser an den Tisch herankam, schien er gar nicht zu bemerken. Sein Blick ging starr auf die Tanzfläche und um seine Augen- und Mundwinkel zuckte es immer wieder.
„Hey Vampir“, begrüßte Skelett ihn und versuchte unauffällig in seine Tasse zu schielen.
„Hey hey ja ja!“, stieß Vampir aus. Dabei fiel Skelett aber noch etwas auf – außer dass Vampir in Jogginghose und Schlappershirt hier stand – seine Zähne!
„Mein Gott! Was ist mit deinen Zähnen los?“
„Falsch Zähne! Falsche Zähne! Einfach drauf! Fertig!“, stotterte Vampir etwas verwaschen, weil die Zahnprothese ihm einen fiesen Überbiss verpasst hatte. Aber er schien sich auch kaum Zeit zu lassen, um die Worte auszusprechen.
„Was trinkst du da?“, fragte Skelett schließlich, als sie ihre Neugier nicht mehr aushielt und Vampir nach einem weiteren Schluck mit den Füßen zu stampfen begann. „Heißes Blut?“
Die Vermutung lag doch nahe.
„Ka…Ka...ffee!“, brachte Vampir unter neuen Zuckungen hervor. „Gutes Zeug! Gutes Zeug!“
Mein Erstaunen über diese Party wurde noch einmal getoppt. Hier sah nicht nur alles authentisch schlimm aus, auch bei den Getränken und Speisen hatte Herr von Totengräber sich echt was einfallen lassen. War das da hinten etwa Kaviar? Und Pizza? Gummibärchen?
Oh Gott, Skeltett würde im nächsten Mc Morast haltmachen müssen! So ein Zeug bekam sie absolut nicht herunter. Aber der Wein war recht vielversprechend. Dummerweise machte er fiese Flecken auf ihrem Kleid!
„Das ist mein Liiiiied!“, schrie Vampir plötzlich. Erschrocken blickte Skelett Vampir hinterher, der die Kaffeetasse auf den Tisch geknallt hatte und sich jetzt zu einer Teufelssirene namens Britney Spears auf der Tanzfläche bewegte. Skelett schüttelte den Kopf. Diese Party schien wirklich in jedem das Allerschlimmste hervorzuholen. Dennoch war sie absolut fasziniert von den Tanzwütigen und besonders von Vampir, der ein paar echt heftige Bewegungen drauf hatte.
Jedoch kippte die ausgelassene Stimmung in den nächsten Minuten etwas. Schuld hatte natürlich die Teufelssirene und keinesfalls Vampir! Als diese nämlich sang: „Hit me baby one more time!“ war es um Vampir geschehen.
Voller Elan schlug er Werwolf seine flache Hand auf das Hinterteil. Dumm war nur, dass die beiden sich irgendwie nicht abkonnten. Also normalerweise. Deswegen war es auch so seltsam, dass Vampir das getan hatte. Aber so war es eben.
Vielleicht lag es daran wie Werwolf heute aussah. Eigentlich fast wie immer. Aber! Oh, mein Gott! Er hatte sich rasiert. Wirklich überall und dann hatte der Vollidiot gedacht, nur eine Unterhose würde ausreichen. Das war dann wohl zu viel für den armen, koffeinierten Vampir gewesen.
Die Party ging in einem kompletten Chaos unter, bis schließlich Gevatter Tod mit seiner kleinen Armee von Todesengeln vor Herr von Totengräbers Haus erschien und die ganze Party für beendet erklärte. Lachend und feixend lagen Vampir, Werwolf und Herr von Totengräber sich in den Armen und Leprechaun verspeiste die Reste vom Büffet.
„War die geilste Party seit langem!“, lachte auch Skelett ausgelassen und ließ endlich die Hüllen fallen.
- Ende -