Anm.: Als kleine Fortsezung zu "Licht und Schatten"
Eine neue Chance
James‘ skeptischer Blicke begleitete ihn, dennoch setzte er zielsicher einen Fuß vor den anderen. „Hältst du das wirklich für eine gute Idee?“, hörte Nicholas seinen besten Freund schließlich
fragen. „Ich meine, sie haben dich erste vor ein paar Wochen dabei erwischt und …“
„Natürlich ist die Idee gut“, erwiderte er und setzte den Weg zu Wentworth Manor fort. Nachdem er das erste Mal bei Nacht hier gewesen war, ließ dieses Anwesen ihn einfach nicht los. Nicholas war ein paar Tage später erneut dort gewesen. Diesmal dann, wie er es geplant hatte, bei Tage und mit James. Sie hatten einiges an Material aufgenommen und mittlerweile kannte er das Anwesen so gut, als wäre es sein eigenes Haus.
Den Geist von Lady Lily hatte er übrigens, in all seinen Touren durch die zerfallenen Räume von Wentworth Manor, nie gesehen. Ermordet hin oder her. Er glaubte nicht, dass sie dort spukte. Auch wenn die Vorstellung einer Frau, die man im Keller einbetoniert hatte, schon was Gruseliges hatte. Aber er dachte dabei nicht an Geister. Eher machte Nicholas sich Sorgen, wie Menschen so krank sein konnten und auf so perfide Ideen kamen.
„Aber du hast doch schon so viele Aufnahmen von dem Haus“, warf James dazwischen. „Außerdem: Du willst doch nicht echt zu diesem Typen gehen?“
Ob er das wollte? Doch, eigentlich schon. Auch wenn ihm das selbst komisch vorkam, aber es war eben eine einmalige Chance. Für sie beide, wohlgemerkt.
„Findest du nicht, dass es eine Gelegenheit ist, die wir uns nicht entgehen lassen sollten?“, entgegnete Nicholas aufgeregt, über die neuen Aussichten in seinem Leben. „Und ich will besser Aufnahmen! Immerhin muss ich ihn beeindrucken, wenn wir eine Chance bei seinem Sender haben wollen!“
Als er vor drei Wochen bei einer neuen Tour direkt nach Betreten des Grundstückes von einem Wachmann entdeckt wurde, hatte ihn das im ersten Moment ernsthaft die Laune verdorben. Vor allem, weil er nicht schneller war als der Typ, der nach einigen Besuchen zu viel beim örtlichen Burgerrestaurant aussah. Die anschließende Fahrt im Polizeiwagen wäre ein interessantes Erlebnis gewesen, wenn er nicht die ganze Zeit an seinen Großvater gedacht hätte, der ihn Zuhause wohl mit der Bibel verprügeln würde. Was ihm fast schon lieber war, als sie zu lesen. Aber wenn er die Wahl hatte, konnte ihm beides gestohlen bleiben. Ganz schön Muffensausen hatte er daher, als er im Warteraum der Polizei saß und auf seine Vernehmung, sowie die Abholung von seinem Alten, wartete.
Und so wäre es auch geblieben, wenn da nicht dieser schräge Typ neben ihm gesessen hätte und ihm gar rosige Aussichten versprach.
„Ernsthaft, Nicholas“, motzte James weiter. „Ein fremder Typ, der verknackt wurde, weil er seinen Boss zu Brei gehauen hat, erzählt dir was von einem eigenen TV-Sender und du schaltest gleich dein Hirn ab?“
„Was heißt hier Hirn abschalten? Ich gehe dort hin, zeige ihm die Aufnahmen und dann wirst du schon sehen!“
James war vor ihn gerannt und versperrte jetzt ernsthaft noch den Weg. Seine Idee scheiße finden war eines, aber nun noch im Weg rumstehen? Aufgeregt schüttelte James den Kopf und dann Nicholas, der dringend neuen Verstand brauchte. „Da wirst du schon sehen?“, äffte James seinen besten Freund nach. „Ich glaube, ich werde dann sehen, dass du ermordet in nem Straßengraben liegst!“
„So ein Quatsch“, zischte Nicholas und schob sich an James vorbei. „Wenn du so besorgt um mich bist, komm doch mit. Ist ja sowieso unsere gemeinschaftliche Arbeit und ich will das auch nicht ohne dich durchziehen.“ Aufgeregt sprang er auf und ab und gestikulierte wild mit den Armen. „Das ist unsere große Chance, James. Unsere eigene Fernsehsendung! Ich sehe es schon vor uns: Wir nennen sie „Vergessen & Verloren““
James seufzte, aber an seiner Körperhaltung erkannte Nicholas, dass er gewonnen hatte.
„Also gut. Auch wenn ich befürchte, dass wir dann bald vergessen und verloren sind! Ernsthaft, wenn ich kuschelnd und tot neben dir im Straßengraben liege, kannst du was erleben!“
Jubelnd fiel er seinem besten Freund um den Hals und freute sich auf die kommenden Aufnahmen, die sein Leben endlich in die richtig Bahn lenken würden.