Zusammengekauert blickte Elana in den besprenkelten Sternenhimmel, dessen Leuchten die einzige Lichtquelle in der Finsternis war. Unter der schmutzigen Decke, die sie von einem Karren im letzten Dorf gestohlen hatte, hielt sie das Baby an ihrer Brust, dass mit seiner gleichmäßigen Atmung vor sich hinschlummerte. Den übrigen Deckenzipfel hatte sich Amylanda neben ihnen übergeworfen. Auch sie war nach langem Wimmern und Schluchzen letztlich eingeschlafen. Das schimmernde Licht, das sie umgab, war in den Tagen der Flucht noch sprunghafter geworden. Wie ein erlöschender Stern flimmerte es unstet auf und ab, wurde mal stärker, mal schwächer. Nur im Schlaf schien es sich zusammen mit ihrer Tochter zu beruhigen. Selbst wenn der kleine Hain, den sie sich für die Nachtruhe ausgesucht hatten, keine ausreichende Erholung versprach. Doch hier, abseits der Menschen, war es sicher. Und solange es nicht regnete, würden Elana an ihrem Plan draußen zu Nächtigen festhalten. Abseits der gesicherten Wege, abseits der Dörfer und Städte. Zu groß war die Gefahr, von Marek oder den Dämonen dort aufgegriffen zu werden, und zweifelsohne war der unkontrollierte Ausbruch ihres Lichts in Stoweser schon seit Tagen in aller Munde. Bei dem Gedanken daran wurde sie erneut unruhig. Wer um Tausendwasser wusste bereits, dass das Licht der Sonnenlande in diesem Gebiet gesichtet wurde? Sie mussten schleunigst nach Kalsa kommen. Aber mit den zwei Kindern war es nicht leicht, Amylanda war für einen längeren Marsch zu jung und die winzige Lana bereitete beim Tragen zwar weniger Schwierigkeiten, musste allerdings häufig gefüttert und gewickelt werden, um mit ihrem Gekreische nicht die Aufmerksamkeit neugieriger Augen zu erregen. Lange würden sie diese Strapazen nicht aushalten. Elana konnte nur hoffen, dass sie bald die Küste erreichten, die ihnen einen Weg nach Kalsa offenbaren würde. Wie sie auf die Insel selbst kommen sollten, würde sie sich überlegen, wenn es soweit war. Vielleicht würde sich eine gute Seele finden, die sie zusammen mit den Kindern auf einem der unzähligen Handelsschiffe verstecken könnte. Vielleicht aber würde man von ihr auch eine Gegenleistung verlangen, die für einen Mann sonst nur für Geld zu bekommen war. Wie es auch kommen mochte, sie war auf alles gefasst und bereit, den Preis für ihre und die Sicherheit ihrer Kinder zu zahlen. Wieder blickte sie zur schlafenden Amylanda. Ihre Augen waren von der Weinerei des Tages noch immer ganz verquollen. Den Verlust von Finchen - der zarten Fee, die sich tapfer zwischen ihr und Marek geworfen hatte - hatte sie längst nicht überwunden. Und auch Marek vermisste sie, das gab sie Elana oft genug zu verstehen. Was nicht verwunderlich war, denn obwohl Marek ihnen diese schrecklichen Dinge angetan hatte, so war das Band zwischen Amylanda und ihrem Vater immer stärker gewesen als das ihre. Zudem konnte der Geist des Kindes die Lage nicht gänzlich erfassen, sie verstand es schlicht nicht. Verstand nicht, dass Marek verrückt geworden war, einen Menschen getötet und sie bedroht hatte. Verstand nicht, warum sie auf der Flucht waren und warum der Himmel über Kalsa sicherer war, als der über Tausendwasser. Aber irgendwann würde sie es einsehen, nicht in dieser Nacht, nicht in der Nächsten. Viele Sterne würde sie noch sehen, bevor sie begreifen würde, weshalb ihr friedliches Leben ein für alle Mal vorbei war.