"Erzählst du mir von eurem Fest zum Weltenbrandt?"
Sharral verzog das Gesicht zu einer Grimasse, die irgendwo zwischen freundlichem Lächeln und Missbiligung hängen geblieben war. In ihren Ohren klang diese Frage aus dem Mund eines Menschen so unverhohlen falsch. Und das Interesse, das in diesem Satz mitschwang, wirkte auf sie seltsam deplatziert. Trotzdem merkte die Elfe, dass es ihm ernst war. Seine ganze Haltung strahlte neugier aus, die selbst seine blinden Augen für einen Moment glänzen ließen.
Sharral lehnte sich in dem Stuhl zurück und presste die Lippen zu einem schmalen Strich. Ihre Finger spielten mit dem Henkel ihrer Tasse, und sie spürte die Wärme auf ihrer Haut.
Sie wusste nicht ganz, woher Saels Interesse plötzlich rührte, noch weniger, wie sie von ihrem Gespräch über die mögliche Existenz von Drachen - es gab so viele Beweise, dass es mehr als nur Fabelwesen waren! - hier angelangt waren. Es war ihr schlicht schleierhaft.
Die meisten Menschen waren ihr mit Verachtung begegnet, erwähnte sie auch nur, dass das Erheben den Phönix aus seinem Aschehaufen für die Elfen des Flusslandes den Beginn einer ausgelassenen Festivität darstellte, die ihren Höhepunkt fand, wenn alles um sie herum brannte und erst endete, wenn außerhalb ihrer schützenden Kuppel nichts als Asche zurückgbelieben war.
In ihren Augen war es barbarisch, für die Elfen der Beginn eines neuen Jahreszyklusses.
Abgesehen davon hatte Sharral aber auch erst eine dieser Zeremonien miterlebt, bevor sie die Flüsse zu verlassen hatte. Sie wusste nicht sicher, ob alle gleich abliefen oder ständigen Veränderungen unterlagen. Und bis sich der Phönix das nächste Mal erhob und nichts als Asche zurück ließ, würden auch noch viele Menschenjahre ins Land ziehen. Sael hätte keine Chance, es jemals mitzuerleben, und irgendwie stimmte Sharral gerade das traurig. Sie mochte diesen Menschen einfach viel zu sehr.
"Nicht heute, ein andermal", gab sie zurück. Es fiel ihr nicht leicht, seine Bitte abzuschlagen. Aber die Erzählung war lang und traurig und irgendwie stand Sharral nicht der Sinn danach, sie hier und jetzt zu erzählen. Sie barg viel zu viele Erinnerungen an gute, alte Zeiten, an Freunde und Weggefährten, die sie nie wieder sehen würde.
Sharrals Finger schlossen sich fest um die Tasse und sie nahm einen kräftigen Schluck des Tees. Die Wärme rann ihren Hals hinab und schwemmte das frostige Gefühl in ihrem Inneren hinfort. Zurück blieb nur ein dumpfer Druck, eine ferne Erinnerung.
"Deine Gedanken hängen noch bei den Drachen?", fragte Sael. Er legte den Kopf schief und sein Fuß strich über den sandigen Boden. Es knirschte leise.
Sharral nickte kurz, ehe sie ihm die Antwort gab. Manchmal vergaß sie vollkommen, dass er blind war. Seine Mimik und Gestik verhielt sich kaum anders als die von anderen...
"Verstehe", setzte er nach und die linke Hand der Elfe ballte sich unwillkürlich zu einer Faust, als sie eine Spur Traurigkeit in seiner Stimme erkannte, die die dunkle Farbe erzittern ließ.
"Versprochen", lächelte sie und berührte kurz seinen arm.
Sael reagierte darauf nicht.