Analen des Untergangs.
Gegen den Tod, ewig lebende Könige.
Sie war schon immer anders gewesen. Wenngleich man es nicht sofort gemerkt hätte, wenn man ihr auf offener Straße begegnet wäre.
Ihr Körper steckte in einer leuchtenden Rüstung, ihr Lächeln strahlte eine Selbstsicherheit aus, die über die dunkelsten Zeiten hinwegtäuschen konnte. Sie gab uns Kraft, wenn wir in den Kampf zogen, wusste sich im Umgang mit Schwert zu beweisen. Und der junge Hund, der sie begleitete, ließ sie offen und freundlich erscheinen.
Das Volk hat sie geliebt, ohne zu wissen, wer sie ist.
Als sie das erste Mal ihren Helm abnahm und wir mehr sahen, als nur ihr helles Lächeln und die blauen Augen, hätten wir bemerken müssen, dass etwas nicht stimmte: Ihr Haar war schneeweiß und fast krankhaft fahl. Die Hände, die stets unter dicken Plattenhandschuhen verborgen waren, waren blass, ja nahezu zierlich. Und dann war da dieser eigentümliche Geruch, der ihr folgte und den viele im Nachgang als unheimlich bezeichnen wollten. Moder und Tod! Sie roch danach, ihr Hund roch danach - ja ihr ganzes Wesen!
Wir waren verblendet, viel zu verblendet, um zu erkennen, wohin das führte.
Rückblickend hätten wir aufmerksam werden müssen und sie verjagen sollen, als ihr Hund von einem Marktkarren erwischt worden war und reglos liegen blieb. Er war Tod, da war ich mir sicher!
Der Platz war sofort von einer eigentümlichen Stille umhüllt, die einem unter die Haut ging und Frauen hielten erschrocken die Luft an, als das Jaulen verstummte.
Nur sie nicht. Sie hockte sich zu dem Tier, legte ihm eine Hand auf den Kopf und hauchte ihm auf die Nase, bis sich kleine Eiskristalle in seinem Fell bildeten - mitten im Sommer!
Das Tier sprang auf und huschte um ihre Beine, als wäre nichts gewesen. Nur sein Fell wirkte blasser als davor, die Augen abgestumpfter.
Nach diesem Vorfall war sie Gast in verschiedenen Adelshäusern. Beim alten König, von dem wir hinter vorgehaltener Hand hofften, ihn möge bald das zeitliche Segnen, weil er jedwedes Gespür zur Realität verloren hatte. Bei Lehnsherren diverser Bauern, die hofften, irgendwann der Knechtschaft zu entkommen, sobald einer der Prinzen den Thron bestiegen, die versprachen das System zu unseren Gunsten zu ändern.
Als Ärzte den pathologischen Tod des Königs erklärten und wir bereits aufatmen wollten, huschte ein Schatten durch den Eingang seines Anwesens, gefolgt von einem kleinen Hund. Nur wenig später stand der König wieder auf dem Balkon, strahlte seinem Volk entgegen und reckte das Zepter in die Höhe. "Auf ewig!" Sein Ruf und ein Sturm ging durch unsere Reihen.
Wir blieben gefangen und sie ein Schatten an seiner Seite, der wiederholte, was von uns ging. Es änderte sich nichts mehr. Und ich bin mir sicher, dass es auch für die Zukunft dunkel aussieht.
Der einzige Trost für uns an diesen fernen Tagen: Auch sie ward nie wieder mit ihrem lebhaften Lächeln gesehen, das einem die Ängste nahm und auch ihr Hund schlich mehr, als dass er fröhlich durch die Straßen hüpfte.
Was hatte sie getan? Was haben wir zugelassen?