Er rannte. Er wusste gar nicht wie schnell oder wie lange er rannte, nur dass die Schritte hinter ihm nicht langsamer wurden, nicht leiser wurden und er sie einfach nicht abschütteln konnte. Charlie rutschte um die nächste Ecke, kam gerade so wieder auf die Beine und rannte weiter. Da orne war ein Fluss, wenn man wusste wo man hintreten musste, war es ungefährlich ihn zu überqueren solange man nicht aus Zucker bestand. Charlie wusste wo er hintreten musste und baute einfach darauf das seine Verfolger es nicht wussten. Es platschte als er über die Steine sprang die flach unter der Wasseroberfläche saßen. Ein falscher Schritt und er würde abrutschen, ins Wasser stürzen und von den Stromschnellen davongetragen werden bis zum Wasserfall der keinen Kilometer weiter über die Klippen stürzte. Erst als er sicher auf der anderen Seite war drehte er sich um. Die Soldaten standen am Flussufer und gestikulierten wild in seine Richtung. Der junge Mann lachte, warf sich seine Beute über den Rücken und spazierte in den Wald. Ab jetzt war es unmöglich dass sie ihn erwischten, dass wusste er.
Etwas tiefer im Wald fand er seine Lieblingslichtung, setzte sich unter einen der großen Bäume und öffnete den Sack. Er hatte gute Beute gemacht heute. Einige Kupfermünzen, Silber, Gold... einige Wertvolle Gegenstände... alles was kostbar war, was ihm Geld brachte, was ihm Essen kaufen konnte im nächsten Dorf. Zufrieden schloss er den Beutel wieder und stand ächzend auf. Er war zwar jung, aber manchmal fühlte er sich als hätte er den Körper eines alten Mannes mit Knochen so morsch dass sie bald von allein brachen. Vor allem wenn er gerade vor gefühlt 50 Soldaten davon gelaufen war. Langsamer und etwas wackelig ging er weiter, während das Adrenalin seinen Körper verließ und er anfing zu zittern. Erst als er wirklich sicher war dass er weit genug weg war vom Dorf ließ er sich wieder fallen. Jetzt war er doch erschöpft und müde und ihm war kalt und überhaupt, warum tat er sich das an? Charlie schüttelte den Kopf. Er hatte jedesmal solche Gedanken und jedesmal brauchte er nur auf den Ring an seiner Hand schauen und es fiel ihm wieder ein. Wenn er seine Talente für sich selbst einsetzen würde, wäre er ein reicher Mann! Er könnte Leben wie ein König! Ach was er wäre ein König und ein mächtiger dazu! Aber ihm lag wenig an Reichtum oder Macht. Sie machten nicht glücklich. Er war einmal mächtig gewesen. Ohja er war sehr sehr mächtig gewesen...
Charlie erlaubte sich, sich ein wenig hin zu legen und bettete seinen müden Kopf auf einem Kissen weichen Mooses und schloss die Augen. Mit der Zeit hatte er gelernt genau einzuschätzen wann er wieder aufwachen musste und darauf verließ er sich auch diesmal. Und wirklich nach knapp eine halben Stunde wachte er wieder auf. Sein Körper fühlte sich besser an, er hatte keine Angst mehr gleich vornüber zu fallen wenn er lief und er hatte bessere Laune. Schlaf war wirklich ein Segen. Er raffte seine Beute ein und lief weiter. Tiefer in den Wald als sie ein normaler Mensch je trauen würde. Glücklicherweise war er ja kein normaler Mensch. Die kleinen Gestalten die ihm da jetzt entgegen kamen waren es jedoch und sie hatten sich anfangs sehr gefürchtet als er sie in den Wald geführt hatte. Aber kaum hatten sie verstanden das die Natur ihnen fast alles bot was sie brauchten und Charlie den Rest besorgte waren sie entspannter geworden. Sie halfen ihm eine Hütte zu bauen, groß genug für sie alle mit einem Zimmer für jeden und einem gemütlichen Bett darin, einem Kamin und Spielsachen und Bücher und alles was sich die kleinen wünschten. Er hatte es einfach nicht übers Herz gebracht ihnen irgendetwas ab zu schlagen und sie brauchten ein Heim, eine bleibe und Schutz! Es waren immerhin noch Kinder! Die älteste war noch keine 13 Jahre alt aber wenn Charlie weg war hatte sie das sagen und sie führte ein strengeres Regime als er es je für möglich gehalten hatte. Selbst wenn er zerstreut war und in seine Studien vertieft sorgte sie jeden Tag für saubere Sachen, ein warmes Essen und brachte die kleinsten zu Bett. Charlie war sehr dankbar für ihre Hilfe und stellte sicher dass sie nicht zu oft die Mutter sein musste. Er sah gerne zu wie sie über die Wiesen um ihre Hütte herum strich und Blumen pflückte und sie zu Kränzen band und an ihnen abzählte ob nicht einer der Jungs aus einem der Dörfer in sie verliebt war. Er wusste nicht so recht ob sie je damit erfolg gehabt hatte und ob ihm das gefallen würde aber er wusste, dass er sie eines Tages gehen lassen musste. Sie alle. Wenn sie erwachsen waren und ihr eigenes Leben hatten und eigene Familien gründeten würden ihn seine Kinder verlassen. Aber bis dahin war noch Zeit redete er sich ein. Er war wirklich wie ein alter Mann. Charlie lachte leise in sich hinein. Naja. Eigentlich war er ja auch schon alt. Er sah nur ziemlich jung aus.
"Charlieeee!" der kleinste sprang in seine Arme. Leon. Er war gerade erst 4 gewesen als er zu Charlie kam, jetzt war er schon 5, wie er ihm immer wieder stolz erklärte. Mit 5 war er immerhin schon ein großer Junge! Charlie lachte leise und hob ihn hoch. "Na, Leon? Hast du gut auf alle aufgepasst?" fragte er lächenld und der kleine nickte eifrig. "Ja, ich hab allen gesagt was sie zu tun haben und dann hab ich aufgepasst dass sie es auch tun und dann hab ich ihnen gesagt wie man es richtig macht und dann..." er ließ Leon weiter erzählen und nickte immer mal wieder bedächtig. Die anderen Kinder scharten sich jetzt um ihn und redeten auf ihn ein und fragtem ihm Löcher in den Bauch und augenblicklich wünschte Charlie sich dass sie immer so fröhlich bleiben würde. Vielleicht wurde ihm ja dieses mal ein Wunsch gewehrt? Hatte er in seinem vorherigen Leben nicht genug geleistet um wenigstens einen Wunsch geschenkt zu bekommen? Er setzt Leon vor der Haustür ab. "Warum gehst du nicht rein und wäscht die die Hände? Ich hab euch was zu essen mitgebracht" erklärte er dann sanft und schon huschte die Kinderschar ins Haus. Er hatte vergessen wie viele Kinder genau er aufgenommen hatte. Er kannte aber alle ihre Namen und ihre Gesichte rund ihre Geschichten. Ihre Geschichten waren fast alle gleich: Ihre Eltern waren der großen Säuberung zum Opfer gefallen oder sollten verhaftet werden oder noch schlimmer... die Kinder mussten mit ansehen wie ihre Eltern hingerichtet wurden, kurz bevor sie selbst das gleiche Schicksal erleidet hätten. Jedesmal konnte Charlie sie gerade so noch vor dem schlimmsten bewahren. Er konnte sie nicht alle retten und er konnte nicht alle bei sich behalten, manche waren kurz nach ihrer Ankunft in der Hütte spurlos im Wald verschwunden, aber er versuchte den Kindern bei sich das beste zu bieten was er hatte. "Du bist spät dran heute alter Mann." begrüßte Maya ihn aus der Küche. Er stellte den vollen Sack auf den Tisch "Entschuldige... Diese Soldaten rennen schneller als die anderen. Es hat länger gedauert sie loszuwerden" entschuldigte er sich mit einem Matten Lächeln. "Ich hab dir doch gesagt du sollst jemanden von uns schicken, wir können schneller rennen als du!" Charlie schüttelte nur den Kopf. "Wir haben das doch schon besprochen Maya... ihr seid vielleicht schneller aber nicht so geschickt und noch zu ungeübt. Die Soldaten würden euch sofort durchschauen und kurzen Prozess mit euch machen" er seufzte und ließ sich auf den Stuhl fallen bevor er die Brotlaibe und den Käse den er den Soldaten von ihren Rationen gestohlen hatte aus dem Beutel holte. Maya rollte mit den Augen und nahm ihm das Essen ab. "Jaja ich weiß ich weiß. Du bist groß und mächtig und soooo viel besser" grummelte sie vor sich hin während sie mit einem sehr großen, scharfen Messer herumfuchtelte. Charlie hatte genug große, scharfe Messer und Männer und Frauen mit Mordabsichten in seinem leben gesehen um keine Angst davor zu haben. "Das ist nicht was ich meine Maya. Ich bin nicht besser als ihr. Ihr braucht nur mehr Übung und du weißt ganz genau dass ich das meine. Du willst nur gerade streiten, weil ich spät dran bin, richtig?" sie warf ihm einen bösen Blick zu und wäre er irgendjemand anderes wäre er vermutlich Tod umgefallen aber er war ja nicht irgendjemand anderes sondern ihr Ziehvater. Deshalb blieb er unbeeindruckt. "Alter Klugscheißer" meckerte sie leise und begann das Brot aufzuschneiden und den Käse zu verteilen.
Morgen würde er mit ihr und den anderen Kindern die mitkommen wollten in ein anderes Dorf gehen und alles verhökern was er heute bekommen hatte und sie davon mindestens noch eine Woche lang versorgen können. Manchmal fand er auf seinen Exkursionen andere Kinder die wie seine Adoptivkinder waren und nahm sie auf und mit zu sich in den Wald. Manchmal konnte er aber auch nur noch zusehen wie jede Hilfe zu spät kam und seine Kinder von dem traurigen Schauspiel wegführen. Diesmal war es hoffentlich anders. Seufzend lehnte er sich im Stuhl zurück und beobachtete Maya beim Arbeiten. Sie war geschickt mit ihren Fingern, das kam vermutlich daher dass sie ihr Leben lang gearbeitet hatte. Sie konnte ja auch ziemlich gut nähen und manchmal fand sie ein schönen Stoff auf dem Markt den Charlie ihr kaufte und aus dem sie dann etwas noch schöneres nähte. Viele ihrer Kunstwerke konnten sie noch teurer als seine geklauten schätze auf dem markt verkaufen, wenn sie sie nicht selber behielt. "Gehen wir morgen nach Ealdor" fragte sie nach einer weile wie beiläufig. Erstaunt sah er auf. "Was? Nein... du weißt dass wir da nicht hingehen..." Sie drehte sich zu ihm um und ihre Augen waren traurig. "Wir schon. nur DU nicht" sagte sie betont und Charlie wich ihrem Blick aus. Er hatte sein Heimatdorf schon lange nicht mehr besucht. Schon seit seine Mutter vor langer zeit gestorben war. Seitdem hatte sich soviel verändert aber die Häuser und die Mentalität war immer noch dieselbe und er wusste... wenn er jetzt hin ginge... er würde nie wieder kehren. Er würde in das Haus seiner Kindheit ziehen, sich einigeln und einfach nie wieder rauskommen. Aber er konnte nicht. Sie brauchten ihn hier und jetzt sonst waren sie alle verloren. Dieses Argument hatte ihn so oft und so lange über Wasser gehalten... damals... "Maya, ich versteh dich ja aber... nein... ich... nein..." Er seufzte leise und fuhr sich durch die immer noch pechschwarzen Haare. Andere in seinem Alter hatten lange graue Haare und einen Bart. Wenn sie überhaupt noch lebten... Charlie sah keinen Tag älter als 22 aus.
Maya wollte zu einer, ohne Zweifel sehr intelligenten und gewitzten Antwort ansetzen als die Tür auf sprang und irgendwer hereinkam. Sofort war er auf den Beinen und seine Hand fuhr an seine Seite wo ein großes Messer hing statt des Schwertes dass er oft getragen hatte. Ein junger Mann kam in die Küche gestolpert. "Wasser" krächzte er. "Wass....Wass...er" dann brach er zusammen und lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Holzfußboden. Maya starrte ihn nur mit offenem Mund an und auch er brauchte einen Moment um wieder zu sich zu kommen. Er musste nicht mal das Gesicht des Eindringlings sehen um zu wissen wer da vor ihm lag. in einem roten Oberteil mit dem goldenen Löwen, dem Kettenhemd, den blonden Haaren.
"Unmöglich" flüsterte er leise und stürzte an Maya vorbei, nahm einen Krug Wasser und kniete sich neben den reglosen Mann. Er drückte den Krug gegen dessen Lippen und Charlies Hände zitterten als er ihm langsam und stetig das Wasser einflößte bis der andere endlich wieder die Augen aufschlug. Seine Augen wurden klarer und langsam blinzelte er. Dann blinzelte er nochmal. "Me.... Merlin?" fragte er mit unsicherer, zittriger Stimme.
Jahrelang war Merlin unter dem namen Charlie durchs Land gezogen nachdem er den toten Arthur im Arm gehalten hatte. Er hatte seine Zauberkräfte eingesetzt um sich durchs Leben zu bringen, um Kinder zu retten und um sich ein kleines beschiedenes Leben auf zu bauen und alle dachten er wäre nichts weiter als ein alter Scharlatan, wenn er Geschichten von früher erzählte. Er erzählte von seinen Kämpfen an Arthurs Seite als der König von Camelot war und die Leute lachten und klopften ihn auf die Schulter und nannten ihn Scharlatan und dann gingen sie ihrer Wege und Merlin kehrte in sein Heim zurück.
Der jetzt alte Zauberer nickte langsam. "Hallo Arthur" sagte er mit fast tränen erstickter Stimme. Es war so lange her dass er seine Freund gesehen hatte.