Bobby hob den Kopf und schnüffelte. Irgendetwas roch komisch. Hatte eines der Kinder sich wieder in die Hose gepinkelt? Oder war dieser dämliche Eichelhäher doch hinterm Schrank verreckt?
Langsam stand er auf und schnüffelte sich durch die kleine Wohnung. Es gab hier eine Küche in der er besonders gerne war, weil es da immer so lecker roch, eine Wohnstube in der seine Decke lag, ein Bad und ein kleines Schlafzimmer, welches mit einem sehr schmalen, kurzen Flur mit der restlichen Wohnung verbunden war. Bobby lebte hier erst seit einigen Wochen und eigentlich war in der Wohnung nicht einmal genug Platz für sein neues Frauchen und ihre Enkel und diesen komischen Eichelhäher der in der Küche lebte und über die Seile lief die dort unter der Decke gespannt waren. Aber die alte Dame hatte ein gutes Herz und das wusste auch Bobby zu schätzen. Er war jetzt 1 1/2 Jahre alt und das war der der 4. Ort an dem er war und er wusste einfach dass er auch hier nicht lange bleiben würde. Vielleicht war das auch besser so. Die Wohnung war klein und er hatte kaum Bewegung, ihm war langweilig und nicht einmal die täglichen Spaziergänge bei denen er sich austoben konnte machten das auf Dauer Wett. Die Frage war nur: wo würde es als nächstes hingehen? Wo gab es einen Platz für einen Hund wie ihn?
Neugierig schnupperte er gerade hinter einem der Schränke. Der dämliche Vogel war natürlich nicht dahinter verreckt sondern saß auf dem Schrank über ihm und versuchte genau zu zielen um ihm auf den Kopf zu kacken. Nach einem misstrauischen Blick nach oben und nachdem er nicht gefunden hatte, kehrte er wieder zurück in die Wohnstube. Die alte Dame war einkaufen und die Kinder in der Schule, wie er gerade eben bemerkte. Er würde ja am liebsten etwas zerkauen aber alles was er hatte war sein altes Stofftier und das lag irgendwo am anderen Ende des Raumes. Er hob den Kopf, sah rüber und legte mit einem frustrierten seufzen den Kopf wieder auf die Pfoten. Dafür war eindeutig zu Faul.
So verliefen seine Tage immer und irgendwann kam die alte Dame nach Hause und sie gingen Gassi, dann bekam er irgendwas sehr leckeres zu essen und dann legte er sich wieder hin und versuchte irgendwie nicht vor Langeweile verrückt zu werden. Er konnte nicht sagen wie viel Zeit vergangen war bis sich das änderte.
Als es klingelte hob er erstaunt den Kopf. Meistens bekamen sie kein Besuch. Aufgeregt lief er zur Tür und wedelte mit dem Schwanz und fiepte und bellte! Warum brauchte Frauchen denn auch so lange die Tür auf zu machen! Da waren Gäste! Da war Abwechslung! Da war ein neues Paar Hände das ihn kraulen und streicheln und mit ihm spielen würde! Und als endlich die Tür auf war, sprang er dem Besuch entgegen und entdeckte noch im Flug, mit beiden Vorderpfoten erhoben dass es sogar 3 Leute waren! Das war der beste tag seines Lebens! Aufgeregt lief er um sie herum während sie irgendwie versuchten einen Weg in die Wohnung zu finden. Der Mann war nicht sehr groß und ziemlich rund und Haarlos zu sein, die Frau war auch ziemlich klein und schien sehr weich zu sein und dann war da auch noch eine andere Frau und die schien irgendwie jünger zu sein und.... Bobby verlor seinen Gedankengang als letztere ihn mit ziemlich geübten Fingern anfing am Bauch zu kraulen.
Noch hatte er nicht begriffen was hier gerade geschah. Nur dass sie alle zusammen spazieren gingen und sogar der Eichelhäher über ihre Köpfe glitt und von Baum zu Baum mit flog während Bobby ohne Leine vorne weg sprang, immer mal wieder umkehrtem auf seine Begleiter zuschoss, um sie herum rannte und wieder im lichten Wald verschwand. Er verstand nicht was sie redeten oder sich ausmachten oder ausdachten. Es interessierte ihn auch nicht. Die Luft war so voller Gerüche und alles war anders als gestern oder der tag davor oder der tag davor oder der Tag.... Eichhörnchen! Und schon war er wieder im Gebüsch verschwunden.
Leider mussten seine neuen Freunde schon viel zu Zeitig wieder gehen und Bobby sah ihnen traurig nach. Noch Stunden später lag er traurig vor der Tür und wartete ob sie bald wieder kamen... aber er sah sie in der Wohnung der alten Dame nie wieder.
Es schien wieder eine Ewigkeit zu vergehen bevor sich erneut etwas regte. Diesmal wollte sie mit ihm etwas weiter weg. Auf ihrem komischen 2 Rad. Fahrrad nannte sie es. Bobby hasste es. Ständig kamen ihm die Räder ins Gehege und er musste an der Leine bleiben. Außerdem war sie damit viel zu schnell und er musste den ganzen Weg rennen... Wer machte sowas schon freiwillig? Doch als sie diesmal an ihrem Ziel ankamen, war er froh, dass er mitgekommen war. Die beiden Frauen vom letzten Besuch standen da und die jüngere ging gleich in die Hocke und nahm die Leine und kraulte ihn ausgiebig. Himmel, so musste das Leben sein! Das Gebäude in des sie gingen gefiel ihm allerdings nicht. Alles roch so... sauber. Und er musste sich auf son kaltes Ding stellen und ein Mann machte allerlei Dinge mit ihm und schaute ihm in die Augen und untersuchte seine Ohren... Bobby war wirklich nicht gern dort aber... er bekam Leckerlies wenn er brav war, also hielt er still. Meistens. Manchmal... Na gut, einmal, aber immerhin! Diesmal musste er noch mit seinem Frauchen mit nach Hause und wieder war ihm das überhaupt nicht recht. Er hatte die anderen beiden schon in sein Herz geschlossen und als er an der Leine hinter diesem entsetzlichen Zweirad herlief drehte er sich immer wieder zu ihnen um.
Zum Glück dauerte es dieses mal nur sehr kurz bis er die Frauen wieder sah und diesmal war auch der Mann wieder mit dabei! Sein Frauchen übergab ihnen die Leine und sie wollten ihn in eines dieser Monstermaschienen stecken mit denen sich die Menschen fortbewegten aber Bobby weigerte sich und sie schafften es einfach nicht. Er spürte das die 3 resignierten und irgendwie machte ihn das auch traurig doch so richtig aufgegeben hatten sie nicht. Die beiden älteren setzten sich jeweils in eines der Monsterdinger und fuhren davon während die jüngere die Leine nahm, ihm sanft über den Kopf strich und mit der Leckerlitüte in ihrer Jackentasche knisterte. Bobby wollte eigentlich zu seinem alten Frauchen, er wusste nicht was hier los war! Warum kam sie denn nicht mit? Warum sah sie so traurig aus? Er drehte den Kopf als die Tüte knisterte und schnappte sich gierig das Leckerli aus der Hand. Und dann noch eines und noch eines und dabei ging er mit ihr vorwärts. Als er sich wieder umdrehte war er bereits zu weit weg von seinem zu Hause um etwas zu sehen. Aber er hatte ja die Frau neben sich und sie roch auch gar nicht schlecht. Neugierig begann er sich also seinen Weg zu erschnüffeln und sie zeigte ihm ganz neue aufregende Wege und er war noch nie in seinem Leben so weit gelaufen!
Irgendwann, als der Mann zurückgekommen war und das spazieren gehen übernommen hatte, wurde er müde und müder doch es ging immer noch weiter und keiner machte Anstalten um zu drehen und nach Hause zu gehen bis vor ihnen ein kleines Haus auftauchte. Ein angemessen großer Garten mit einem hohen Zaun umgab das Häuschen und er und der Mann traten ein, stiegen eine kleine Treppe zu einer Tür hoch und als sie über die Schwelle traten, löste er endlich die Leine von Bobbys Hals. Neugierig sah er sich überall um. Es roch nach Katze und nach Essen und Holz? Er drehte einige Runden, erkundete jeden Winkel und fand die Küche und die andere Frau und alle 3 beobachteten ihn. Sie sagten immer wieder seinen Namen und hielten ihm sein altes Stofftier hin.
In dieser Nacht schlief Bobby schlecht. Er lag in seinem neuen Hundebett, etwas dass er noch nie vorher gehabt hatte und wimmerte leise vor sich hin. Er vermisste sein Frauchen und die Kinder und sogar diesen doofen Vogel. Irgendwann ging oben auf der Treppe eine Tür auf und Schritte kamen herunter. Sofort verstummte sein Wimmern. Menschen hatten es nicht gern wenn er jammerte. Meistens bekam er dann eins mit einem Schuh drüber den er vor Langeweile angefressen hatte. Aber diesmal war es nur die junge Frau. Mit einer Decke und einem Buch setzte sie sich einfach in sein neues Hundebett ganz dicht neben ihn, deckte sich zu, legte eine Hand auf seinen Kopf und fing mit der anderen an zu lesen. Ihre Finger zogen kleine beruhigende Kreise auf seinem Fell und irgendwann legte er seinen Kopf neben ihre Beine und beruhigte sich. Hier war er nicht allein und niemand tat ihm weh. Das wusste er jetzt. Und erst als er ganz ruhig war, stand sie wieder auf und kraulte ihn nochmal bevor sie selbst in ihr Bett ging und sich schlafen legte.
Bobby schlief endlich ein.
Und am nächsten Morgen, erwachte Ares.
Und Ares verstand endlich was geschehen war. Er hatte eine zweite Chance bekommen. Nachdem er von seinen Eltern getrennt, seiner Schwester weggenommen, von einer grässlichen Hexe geschlagen und von seinem alten Frauchen in einer kleinen Wohnung gehalten wurde, hatte er endlich eine zweite Chance bekommen. Mit einem Haus und einem Garten der er bewachen konnte, einer Familie die mit ihm Gassi ging und ihn streichelte und einem Hundebett und Hundefutter und Knochen und Leckerli und... Eichhörnchen!
Und da hatten sich Ares Gedanken schon wieder verloren und er versuchte sich einen Weg unter dem Zaun durch zu suchen um auch die nähere Umgebung zu erkunden.
Es würde seiner neuen Familie viele Nerven und Zeit rauben, bis sie den Zaun wirklich 100% ausbruchssicher hatten aber das...
ist wieder eine andere Geschichte.