Rating: P12
Datum: circa 1.000 vor Bernstein
Nach dem Prompt „Feldskorpion/Regenfälle“ der Gruppe „Crikey!“
--------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Besorgt beschattete die alte Assai ihre Augen mit der Hand und blickte auf das trockene, ausgedörrte Land hinaus, das sich vor ihr erstreckte. Die Halme des Weizens beugten sich bräunlich unter der unbarmherzigen Doppelsonne. Es war bereits die zweite Doppelsonnenzeit seit dem letzten Regen und das Flussland Shakdee lechzte nach Flüssigkeit.
"Was hast du vor?", fragte Amit ihn, als Keedh, ihr Mann, in die Türöffnung trat.
"Es gibt eine alte Legende, nach der der Gott des Regens drüben auf einem Feld jenseits des Flusses lebt", erklärte der Alte seiner Frau. "Ich werde gehen und ihn suchen."
Sie lachte auf, ehe ihr klar wurde, dass er es ernst meinte. "Das wirst du nicht tun, Keedh! Die Jinni werden dich holen, wenn du es versuchst."
"Der Nanati ist ausgetrocknet", widersprach er.
"Dann fressen dich die Sharrkodhis."
"Ich weiß, wie man ihnen ausweicht." Zum Beweis hob er einen langen, geraden Ast. Dann trat er zu seiner Frau und umfasste ihre Schultern. "Ich werde den Gott des Regens um Gnade anflehen, denn wir brauchen die Ernte."
"Und wenn er dich nicht erhört?" Tränen schimmerten in Amits Blick. "In drei Tagen kommen die Gesandten des Pharaos."
"Bestell nur weiter die Felder", wies er sie an. "Es wird Regen kommen und wir werden die Abgaben bezahlen können."
Da umklammerte sie ihn fest und wollte ihn gar nicht loslassen. "Der Gott des Regens", sprach sie traurig, "verlangt immer ein Opfer."
Schließlich aber löste sich Keedh von seiner Frau und nahm Abschied, und sie ließ ihn schweren Herzens ziehen, über den Fluss Nanati, der nur noch ein Rinnsal war, und weiter in die Ferne.
Drei Tage und Nächte harrte sie seiner Rückkehr, doch Keedh kehrte nicht zurück. Traurig bestellte Amit die Felder und schlief des nachts von Sorge bedrückt kaum ein. Zäh und endlos fühlte sich die Zeit an, doch die Tage verstrichen, und schließlich kamen die Gesandten des Pharaos und verlangten einen Karren voll Weizen als Abgabe. Aber Amit hatte kaum einen halben Karren voll geerntet, und von irgendwas würde ihre Familie noch leben müssen.
"Bitte, habt Gnade. Es war ein trockenes Jahr. Mehr gibt es nicht!"
Doch die Häscher schnaubten nur. "Dann musst du uns deinen Mann als Arbeiter mitgeben."
Amit seufzte schwer. Sie wollte das nicht, doch wenn Keedh nur ein Jahr arbeitete, könnte das ihren Hof retten. Also berichtete sie den Häschern, wie ihr Ehemann losgezogen war, um den Regengott zu finden.
Die Gesandten lachten über die Torheit ihres Mannes und einer scherzte gar, Keedh habe sich aus dem Staub gemacht.
"Das würde er niemals tun, er ist mir treu", widersprach Amit fest.
Die Gesandten hießen sie nun, sie zu Keedh zu führen. Amit schloss die Türe und befahl ihren Kindern, im Haus zu bleiben, und dann zog sie los. Sie ging an der Seite des Hauptmannes, gefolgt von seinen sechs Mannen. Stolz führte Amit sie durch das Flussbett, wo sie die lauernden Sharrkodhis mit langen Stöcken auf Abstand hielten. Dann gingen sie auf der anderen Flussseite weiter durch das trockene Land, bis sie gewellten Ackerboden betraten.
Dort erspähte sie Keedh, der auf dem Boden kniete, und atmete erleichtert auf. Denn halb hatte sie befürchtet, dass er geflohen oder gar tot wäre.
Als er sie kommen sah, sprang Keedh auf und eilte ihnen entgegen. "Oh weh! Ich schwöre dir, Liebste, ich habe den Gott des Regens Tag und Nacht beschworen, doch er wollte kein Opfer nehmen, das ich ihm bot. Selbst mein Leben hätte ich gegeben!"
"Sag nicht so etwas!", hauchte Amit entsetzt. Vor den Blicken der Gesandten fielen sie einander in die Arme.
Keedh schluchzte. "Ich habe alles getan. Doch ach, die Sonne sinkt ..."
"Ja", sagte der Hauptmann der Gardisten, "die Sonne sinkt, mein Freund! Nun musst du mit uns kommen, denn deine Frau konnte den Preis für den Hof nicht zahlen."
Keedh löste sich sanft von Amit und der Hauptmann trat vor, um den Mann zu ergreifen. Im nächsten Moment jedoch zuckte er zusammen und schrie auf. Amit, Keedh und die sechs Soldaten wichen zurück, als ein kleiner, gelber Skorpion vom Fuß des Hauptmanns zurückwich. Amit hatte das Tier in ihrem Lauf knapp verfehlt, doch der Hauptmann war ihm zu nah gekommen. Nun stürzte der stolze Gesandte auf die Erde, während der Skorpion unter einen Stein floh.
Noch bevor seine Männer bei ihm waren, war ihr Hauptmann tot. Und noch während alle wie erstarrt auf den Toten sahen, grollte Donner am Himmel und es wurde klar, dass die Regenzeit nahte.