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Datum: 1578 nach Bernstein
Nach dem Prompt „Nasenkröte“ der Gruppe „Crikey!“
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Die Sonne glühte über den Wellen. Sobald man den Schutz der Dschungel verließ, trat man wie in eine weiche Wand hinein. Die Hitze war erdrückend, der Wind des Ozeans konnte die stehende Luft kaum bewegen, geschweige denn abkühlen.
Ichoro schleppte sich trotzdem bis an die Wellen, die zwischen die Wurzeln der Mangroven spülten. Wachsam sah sie sich um, während sie ihren Wasserschlauch füllte. Das Salzwasser war zwar ungenießbar, doch sie konnte es behandeln - während die Wasserstellen im Dschungel von den Tieren frequentiert wurden. Und von den Ureinwohnern.
Sie konnte immer noch nicht wirklich fassen, dass die Horrorgeschichten der Wahrheit entsprachen. Es gab tatsächlich Wilde hier, die alle Fremden sofort angriffen. Niemand sonst konnte die Blasrohrpfeile auf sie gespuckt haben. Ichoro hatte sie nicht einmal gesehen ... Aber die fein gearbeiteten Geschosse hatte sie noch im Kanu liegen gehabt und die Wirkung des Giftes gespürt. Das war kein Tier gewesen.
Sie hob den Kopf, als sie ein leises Geräusch hörte. Eine Art Platschen, das im Flüstern des Windes in den Kronen beinahe untergegangen wäre. Die Forscherin drehte den Kopf, lauschte. Das Geräusch war von irgendeinem Tier erzeugt worden.
Nach einer Weile hörte sie es wieder. Ein weiches Platschen im schlammigen Ufer. Ichoro schob den gefüllten Wasserschlauch in den Gürtel und ergriff einen Stein aus dem Boden, dann schob sie sich leise zurück auf den Schutz des Dschungels zu. Ihr Haar, zu einem strengen Zopf hochgebunden, kitzelte sie nur im Nacken, was sich ignorieren ließ. Sie bewegte sich absolut lautlos, mit der gespannten Kraft eines Jägers, und suchte das Land vor sich mit dem Blick ab. Nichts entging ihrem Blick, kein Ast, kein Blatt, keine Muschel.
Eine Bewegung - Ichoros Kopf ruckte herum. Sie erblickte, noch im Flug, einen großen, graubraunen Frosch, der mit einem eher hilflosen Platscher auf der warmen Erde landete.
Die Forscherin atmete auf. Immerhin wusste sie jedoch, wo der Ursprung des Geräusches war. Sie näherte sich dem Tier dennoch vorsichtig.
Es war ein unauffällig gefärbter Frosch, vielleicht sogar eine Kröte. Der Körper war unförmiger als bei anderen Kröten und das Maul spitzer als Ichoro es kannte. Allein deshalb blieb sie wachsam. Das war keine der Frosch- und Krötenarten, die sie kannte. In diesem Urwald gab es auch giftige Pfeilgiftfrösche wie in Dhubayaana, sodass sie davon ausgehen musste, dass auch dieses Tier womöglich gefährlich war.
Sie sollte einen großen Bogen um den Frosch schlagen und in ihr Lager zurückkehren. Sie hatte die Vergiftung noch immer nicht völlig überwunden und sollte kein neues Risiko eingehen.
Aber ihre Forschernatur siegte und Ichoro betrachtete den Frosch länger. Dieser machte einen weiteren matten Satz und blieb dann auf der Erde kauern. Langsam senkte er den Kopf auf die Vorderbeine.
Ichoro zögerte. Das Tier hatte noch ein Stück vor sich, bevor es im Schatten des Dschungels wäre. Die Mangroven standen an dieser Stelle eher spärlich, weshalb Ichoro diesen Ort gewählt hatte. Hier konnte sich nicht so leicht etwas an sie heranschleichen. Für den Frosch war das Stück Sand jedoch sicherlich eine Wüste ...
"Ach, bei allen Göttern!" Ichoro knurrte, stand auf und marschierte in den Wald.
Sie wählte einen langen, herabgefallenen Ast und kehrte zum Frosch zurück. Vorsichtig stupste sie das Tier mit dem Stock an, bis der Frosch zurückwich.
"Keine Angst, Kleiner. Machen wir es so: Du vergiftest mich nicht, und dafür lasse ich dich nicht vertrocknen." Mit etwas Geschick konnte Ichoro den Ast unter den Frosch schieben. Dann den Ast auf Armlänge von sich gestreckt, trug die den kleinen Wanderer zum Schatten, um ihn im Schatten eines Farns auf die Erde zu setzen.
Der Frosch hüpfte in das feuchte Erdreich. Sobald man aus der Sonne heraus war, trat man wie in einer andere Welt. Eine Welt aus Feuchtigkeit, die zwar warm, aber nicht mehr heiß war.
Der Frosch rieb sich mehrmals über den Kopf, mit langsamen, schwerfälligen Bewegungen. Ichoro hockte fasziniert daneben und prägte sich jede Besonderheit des Tieres ein, um sie später nachzeichnen zu können. Einen Frosch wie diesen hatte sie noch nie gesehen. Vielleicht war dies bereits eine erste Entdeckung in diesem Land - eine freundlichere Entdeckung als die Leute mit den Giftpfeilen.
Schließlich hatte sich der Frosch mit feuchter Erde eingerieben und hüpfte weiter. Ichoro sah lächelnd zu, wie das Tier in den Schutz des Waldes sprang. Sie würde definitiv eine Zeichnung anfertigen müssen.