Durch ein plötzliches Geräusch, das ihn an die Schläge erinnerte, schnappte Mark nach Luft und riss die Augen auf. Wo war er? Was war passiert? Es dauerte einen Moment, bis er sich sammeln konnte, um zu erkennen, dass er sich in seinem Ferienhaus und nicht auf dem Hafenfest befand. Er fuhr sich fahrig durchs Gesicht und bemerkte seine feuchten Wangen. Hatte er im Schlaf etwa geweint? Oder geschwitzt? Er dachte an den Traum zurück und holte tief Luft, um diese Bilder aus seinem Kopf zu verbannen. Augenblicklich erschrak er und zuckte fürchterlich zusammen, als erneute Schläge die Stille durchbrachen. Woher kamen sie? Schnell fand er die Ursache und schaute zur Tür, gegen die ein gewisser Jemand nun trommelartig klopfte. Rasch glitt sein Blick zur Wanduhr, die bereits kurz vor neun Uhr anzeigte.
»Komme! Moment!« Daraufhin verstummte das Hämmern an der Tür. Als Mark sich von der Matratze erhob und in Richtung Tür schlurfte, ließ ihn sein Spiegelbild auf halber Strecke innehalten. Er betrachtete sich selbst. Was er sah, gefiel ihm ganz und gar nicht. Entschlossen und ohne lange Überlegungen entschied er sich für einen kurzen Abstecher ins Badezimmer. Dort schlug er sich kaltes Wasser ins Gesicht. Schnell trocknete er seine Haut und eilte danach zum Hauseingang, um seinen Gast nicht länger warten lassen zu müssen. Bevor er die Klinke niederdrückte, nahm er einen kräftigen Atemzug zur Beruhigung.
»Du siehst scheiße aus!«, sprangen ihm Davids Worte sogleich entgegen. Mit vor der Brust verschränkten Armen stand er auf der Schwelle und musterte Marks Gesicht eingehend.
Wie charmant. Dir auch einen guten Morgen!
Erleichtert darüber, David wohlauf vor sich stehen zu sehen, zog er ihn in eine feste Umarmung. Dabei stieg ihm dessen unverkennbarer Geruch in die Nase, den er unauffällig genoss und der ihm dieses unbeschreiblich schöne Kribbeln bescherte. Er konnte nicht genug davon bekommen und schalt sich selbst dafür, vergangene Nacht das andere Kissen, welches sein Gegenüber zuvor benutzt hatte, als Ersatz für David an sich gepresst zu haben.
»Danke, das hört man doch gerne«, gab Mark mit rauer Stimme von sich. Unweigerlich bildete sich ein Schmunzeln auf seinen Lippen und er schloss, den Moment genießend, die Augen.
»Was ist denn mit dir los? Hast du mich so vermisst, dass du mir gleich um den Hals fällst?«
Mark löste den Körperkontakt und sah beschämt zur Seite. Wie sollte er jetzt aus dieser Nummer wieder herauskommen? Ihm die Wahrheit sagen und von seinem Alptraum berichten? Wohl kaum. David würde ihn bestimmt auslachen und für kindisch halten.
»Sorry, ich bin noch nicht ganz wach«, murmelte Mark und gab sich bewusst verschlafen. Ob sein Schauspiel glaubhaft herüberkam, konnte er selbst nicht entscheiden, jedoch befürchtete er, dass David seinen schnellen Herzschlag bemerkt haben könnte. Dieses kleine verräterische Ding! »Kaffee?« Er ließ David eintreten und schloss die Tür hinter sich.
»Ich merke es. Schlechte Nacht gehabt?«
»Ach, nur schlecht gelegen.« Um seine Aussage glaubhaft zu untermalen, rieb Mark sich über den Nacken und ließ seine Schulter kreisen. »Und du? Hast du deinen Schlaf genießen können?«
»Geht so.« David lief an ihm vorbei, legte im Vorbeigehen eine Papiertüte auf den Tisch, die Mark erst jetzt bemerkte, und zog sodann die Vorhänge der Terrassentür zur Seite. Augenblicklich kniff Mark die Augen zusammen. Blinzelnd sah er, wie David sich zur Kochnische begab und sogleich den Wasserkocher füllte.
»Geht so? Ich dachte, jetzt käme ein fantastisch oder megagut von dir. Was ist passiert?«
»Nichts«, erwiderte David wie aus der Pistole geschossen. »Ich habe wohl zu lange gelesen. Aber hey … ich konnte mich dafür richtig ausbreiten. Und jetzt kommt dein erwartetes megagut.«
Als Marks Augen sich an die Helligkeit gewöhnt hatten und er unbedacht zum Bett hinübersah, stach ihm sofort der Roman wie eine wehende Fahne ins Auge. Noch bevor David es hätte sehen können, eilte er dorthin und ließ die Lektüre im Nachttisch verschwinden. »Freut mich. Wie heißt dein Buch eigentlich?«
»Mir fällt der Titel gerade nicht ein.«
»Ja, das kenne ich. Bei Filmen geht mir das auch immer so. Also, wie ist der Plan für heute?», rief er über seine Schulter und vergewisserte sich mit einem flüchtigen Blick, dass er unbemerkt das andere Kopfkissen zurück auf die linke Betthälfte legen konnte. Geschafft! Die Spuren der vergangenen Nacht waren beseitigt.
»Wir zwei Hübschen gehen nach dem Frühstück zum Strand. Und weißt du auch wieso?«
Mark machte kehrt und taxierte abwartend David, der sich zu ihm herumgedreht hatte. »Nein, aber du wirst es mir sicherlich jetzt verraten, oder?«
»Bingo! Ich habe für uns eine Tour mit der Banane gebucht. Hammer, oder?«
»Echt? Ich dachte wir fahren zum Hafenfest?«
»Mensch, Markiboy, das geht doch noch eine ganze Weile«, belehrte David ihn vorwurfsvoll und rollte mit den Augen. »Sieh es als Vorgeschmack auf heute Abend an.«
Mark lief zur Küchennische und lehnte sich an die Arbeitsplatte. »Fährt dort auch eine Banane durch den Hafen, oder warum?«, witzelte er.
»Quatsch. Aber laut den Bildern im Netz werden wir auf unsere Kosten kommen.« Vielsagend hob und senkte David seine Augenbrauen. »Und jetzt steh hier nicht so rum, du kannst schon mal draußen den Tisch decken, ist nämlich windstill und ich möchte in der Sonne sitzen.«
Mark kam der Aufforderung nach und bereitete auf der Terrasse für das Frühstück alles vor. Zufrieden betrachtete er nach getaner Arbeit den Tisch und lehnte sich danach an den Rahmen der Terrassentür. Gedankenverloren schweifte sein Blick über den Ozean, dabei entdeckte er einen Fischkutter, dessen in die Jahre gekommener Dieselmotor sich mit dem Meeresrauschen vermischte. Zahlreiche Möwen kreisten über dem Boot, als würden sie nach ihrer ersten Mahlzeit Ausschau halten und nur darauf warten, etwas stehlen zu können.
»Der Kaffee ist fertig«, hörte er David in sein Ohr flüstern, dabei spürte er dessen heißen Atem auf seine Haut. Blitzartig bildete sich eine Gänsehaut an der Stelle und er versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihn Davids plötzliche Nähe aus dem Konzept brachte. Es war ihm noch immer ein Rätsel, wie schnell sich die Dinge im Leben ändern konnten. Was hieß das nun für ihn? Schlummerte diese Seite, auch an Männern interessiert zu sein, schon immer in ihm, ohne dass er davon wusste?
»Schön, dann lass uns frühstücken.« Abrupt stieß sich Mark vom Holzrahmen ab und brachte mehr Distanz zwischen sich und David. Seinen schnellen Puls spürte er bis in seinen Hals. Da halfen auch keine anderen Gedanken mehr, um sich davon abzulenken, geschweige denn sich zu beruhigen.
Was machst du nur mit mir?
Während des Frühstücks verlor David zu Marks Verwunderung keine einzige Silbe über seinen Ausbruch am gestrigen Abend. Obwohl er jeden Augenblick damit rechnete.
Nach der Mahlzeit machten sie sich gegen halb elf in Schwimmhose und T-Shirt bekleidet auf den Weg zum Treffpunkt. Kräftig schien die Sonne auf sie herab und trieb mit ihrer Hitze Schweißperlen auf Marks Gesicht. Gefühlt waren es bereits knapp dreißig Grad, während der Sand wie glühende Kohlen unter seinen Füßen brannte. Aber gleich gehörte das alles der Vergangenheit an, wenn er mit David und ein paar weiteren Touristen über die Wellen rauschen würde.
»Sag mal, willst du vor mir oder hinter mir sitzen?«
Das war eine gute Frage. Darüber hatte Mark sich noch keine Gedanken gemacht. Sollte er sich einfach zwischen andere Leute setzen, oder käme das David dann merkwürdig vor? Obwohl ihm nach dem Albtraum Davids Nähe plötzlich wichtiger erschien als zuvor, wollte er kein unnötiges Risiko eingehen und sich gegebenenfalls verraten, was seine momentane Gefühlslage betraf. Wie würde David wohl darauf reagieren, wenn der von Marks Gefühlen Wind bekäme?
»Wo möchtest du denn sitzen?«, gab er die Frage retour.
»Ist mir ehrlich gesagt Wurst, aber du hast mich letztens vor dem Fahrradfahrer gerettet, also kannst du besser zupacken als ich und hinten sitzen. Deal?«
»Deal. Aber zappel nicht so viel rum, sonst gehen wir beide noch über Bord.«
»Das wäre dann meine Gelegenheit, dich zu retten und mir deinen Bungalow unter den Nagel zu reißen«, witzelte David, dabei streckte er Mark die Zunge heraus.
»Ach, daher weht der Wind. Gut zu wissen. Hast du bei allem was du tust einen Hintergedanken?«
»Ich bin Mister Hintergedanke persönlich. Wirst schon sehen…«
Amüsiert schüttelte Mark kaum merklich den Kopf. Vor sich erkannte er eine kleine Gruppe junger Leute, die an einem Holzpfahl standen, an dem eine blaue Fahne schlaff herunterhing. Das musste wohl der Treffpunkt sein, denn alle Personen trugen eine Schwimmweste. Zwei von denen zeigten aufs Gewässer, wo die eigentliche Attraktion ruhte. Die Banane. Davor stand ein junger Mann, dessen offene Weste seinen freien Oberkörper nur teilweise bedeckte. Er sah von dem Klemmbrett in seinen Händen auf, als Mark und David vor ihm stehenblieben.
»Hallo ihr zwei. Ich bin Ilias. Seid ihr mit von der Partie?«, fragte er lächelnd, dabei deutete er auf die Liste.
»Jip, sind wir. Ich hab uns gestern angemeldet. Schau mal unter David Kortmann.«
Ilias überflog die Tabelle, bis er mit seinem orangefarbenen Kugelschreiber einen Haken setzte. »Schön, dann sind wir komplett. Habt ihr das schon mal gemacht?«
»Ja, vor zwei Jahren«, teilte David mit.
Mark verneinte und bekam daraufhin eine kurze Einweisung. Sie würden also paarweise hintereinander sitzen, weil es immer nur einen Haltegriff für zwei Personen gab. Die Erkenntnis, was dies für Mark bedeutete, traf ihn wie einen Schlag. Er müsse sich an David klammern. Auch wenn er sich umentscheiden würde, bliebe der enge Kontakt zum anderen bestehen.
Ilias drückte ihm und David eine Rettungsweste in die Hand, die sie sogleich anzogen.
»So Leute, es kann losgehen!«, rief Ilias enthusiastisch in die Runde. »Angsthasen bitte ich jetzt inständig zu gehen, alle anderen folgen mir bitte!« Mit diesen Worten trat er auf das Wasser zu, die anderen folgten.
»Das wird so mega«, sagte David an Mark gewandt. In seinem Blick lag eindeutig Vorfreude, aber auch etwas Kindliches schimmerte hindurch. »Auf Rhodos war das der Hammer. Vor allem Manus Abgang war der Brüller. Du hättest sie mal sehen sollen … grandios. Die hat geschrien ohne Ende.« Er lachte auf. »Frag sie besser nicht danach, sonst bin ich wieder die Petze. Oder weißt du was? Frag sie doch.«
»Sicher? Ich möchte keinen Streit verursachen.«
»Mach dich locker und frag sie einfach, wirst schon sehen, wie sie reagiert«, erwiderte David.
»Ihr zwei …« Ob stetiges Zanken unter Geschwistern immer so war? Gerne hätte er die Erfahrung gemacht, aber außer ihm war kein weiterer Nachwuchs in Planung gewesen.
Als sie das Meer erreichten, stand Ilias längst neben dem gelben Gefährt und winkte auffordernd die Touristen zu sich. »Die Gesundheitsministerin sagte einmal, Obst sei sehr gesund. Also: Rauf auf die Banane und los geht’s.« Sogleich wandte er sich an David. »Möchtest du bei mir ganz vorne sitzen? Da macht es am meisten Spaß.« Er zwinkerte und deutete mit dem Daumen hinter sich.
Was war das bitte? Grub der Typ gerade David an? Mark traute seinen Augen nicht. Missmutig musterte er den Sunnyboy und versuchte krampfhaft etwas dagegen zu unternehmen. »David sitzt bei mir, tut mir leid.«
Perplex wandte sich Ilias an ihn. »Oh, ich bitte um Entschuldigung. Kein Problem.« Er kehrte ihm den Rücken zu und half in der nächsten Sekunde einer jungen Frau beim Aufstieg.
»Was war das denn eben?«
Mark fühlte sich von Davids Frage auf eine unbekannte Art ertappt. Hatte er überreagiert? Aber er war doch freundlich geblieben und nicht ausfallend geworden, oder?
»Wir haben abgemacht, wie wir sitzen. Ich sitze bestimmt nicht allein zwischen irgendwelchen fremden Leuten, die sich womöglich noch auf meinem Leib erbrechen.«
»Hey, was ist denn mit dir los? Gestern warst du auch schon so aufbrausend. Ist es wegen der Sache, die dir momentan durch den Kopf geht?«
»Nein, das ist es nicht«, erwiderte Mark und sah hektisch nach links und rechts. »Tut mir leid. Ich schätze, ich brauche noch ein paar Tage, bis ich im Urlaub richtig angekommen bin.«
»Hey ihr zwei!«, unterbrach Ilias laut rufend ihre Konversation. »Wenn ihr mitfahren wollt, dann wird es jetzt Zeit. Oder seid ihr etwa Angsthasen?« Mark sah auf. Was erlaubte der Typ sich bitte? Er und ein Drückeberger? Ganz sicher nicht.
»Jip, wir kommen«, teilte David mit. Er trat ins Wasser und ließ sich von Ilias aufhelfen.
Mark beobachtete das Geschehen aus nächster Nähe. Irgendetwas störte ihn daran, aber er kam nicht darauf, was es war. Seine Gedanken wurden von Ilias unterbrochen, der Mark ebenfalls seine Hilfe anbot, jedoch lehnte er dankend ab. Nach dem dritten Anlauf gelang es ihm, hinter David Platz zu nehmen.
»So, dann kann es mit dem Abenteuer losgehen«, kündigte Ilias an. »Ich sage es noch einmal: Wem schlecht wird oder wer sich nicht mehr halten kann, lässt sich einfach ins Wasser fallen und benutzt dann bitte sofort die Trillerpfeife. Es ist wichtig, dass jeder von euch auf seinen Sitznachbarn achtet und sofort Bescheid gibt, wenn etwas passiert. Benutzt auch ihr dazu eure Pfeifen.« Er kletterte auf den vorderen freien Sitz, hob die Hand und rief: »Carlos, es kann losgehen!«
Der Fahrer des Schnellbootes streckte seinen Daumen nach oben und ließ sogleich den Motor aufheulen. Es vergingen höchstens zwei Atemzüge, dann ging ein kräftiger Ruck durch Marks Körper. Er klammerte sich instinktiv mit beiden Händen an David. Als sich das mäßige Tempo schlagartig erhöhte, drohten sein Hände abzurutschen. Dieses Mal war es David, der schnell reagierte und Marks Handgelenk packte und zurück auf seinem Bauch legte.
»Du musst dich schon richtig festhalten!«, tadelte ihn David.
»Ich versuch es ja!«
Marks eigene Schreie vermischten sich mit denen der anderen, als sie über eine Welle rasten und damit kurzzeitig abhoben. Nach einem Bruchteil einer Sekunde trafen sie mit einem lauten Klatschen auf der Wasseroberfläche auf. Das Boot machte einen Schlenker und Mark versuchte krampfhaft mit beiden Beinen einen Halt zu finden. Instinktiv verstärkte er seinen Griff um den Vordermann, der im selben Moment den Kopf nach hinten neigte und rief: »Hammergeil, oder?«
»Ja!«, schrie Mark euphorisch und genoss das Adrenalin, das jede Blutbahn seines Körpers erreicht hatte. Warum war er selbst nie auf so eine Idee gekommen?
Erneut wechselte unvorhergesehen die Richtung, dabei schwappten ihm kalte Wassertropfen ins Gesicht.
»Die filmen uns übrigens, also immer hübsch lächeln, Markiboy!«
»Ernsthaft? Das sagst du mir erst jetzt?« Sein lauter Schrei verwandelte sich schnell in ein ausgelassenes Lachen und mitgerissen von der Stimmung begann er lauthals zu johlen.
»Jip, das Video muss ich haben!«
»Ich auch!«
Dann steuerte das Boot direkt auf eine Woge zu und Mark sah sich in Gedanken bereits ins Wasser fallen. Auch wenn er sich an Davids Weste festzuklammern versuchte, war die Oberfläche von der Nässe zu rutschig geworden, um sicheren Halt zu gewährleisten.
»Halt dich richtig fest«, forderte David. »Hab keine Lust, dich doch noch aus dem Wasser ziehen zu müssen.«
»Witzbold!«
»Rück näher an mich heran, dann geht es besser.«
Mark setzte genau das um. Als wäre er an ihm festgewachsen, meisterte er von nun an alle unvorhergesehenen Wogen und Schlenker.
»So Leute! Jetzt kommt der Endspurt! Und noch einmal gut festhalten, jetzt wird es brisant!«, rief Ilias, hob erneut seine Hand, mit der er dem Bootfahrer erneut ein Zeichen gab.
Dieser erhöhte das Tempo und sorgte sogleich mit einem Slalom für viele Freudenschreie, in die Mark ausgelassen mit einstimmte. Sein Beschluss, die Fahrt zu wiederholen, stand fest. Wie in einem Rausch, gab er sich dem Erlebnis hin. Gab es eine Steigerung von Euphorie? Für Mark war es der blanke Wahnsinn.
»David?«
»Ja?«
»Danke!«
»Gefällt es dir?«
»Um es mit deinen Worten zu sagen: Es ist hammer-mega-geil!« Als er das sagte, drückte er David fest und legte kurzzeitig seinen Kopf an dessen Rücken.
David lachte auf. »Wiederholung?«
»Unbedingt!«
Unerwartet wurde Mark zur Seite gedrückt, als das Gefährt eine sehr brisante Kurve fuhr. Wasserfontänen spritzten in die Höhe, die seine Fußsohlen kitzelnd streiften.
»Zappel nicht so rum«, mahnte David und ließ seinen Kopf auf Marks Schulter fallen. »Oder ich lasse los!«
Ich werde dich auffangen und halten.
»Wehe!«, schrie Mark lachend. »Ich will kein Fischfutter werden!«
»Wäre auch zu schade um dich.«
Davids Aussage ließ Marks Herzschlag unermesslich in die Höhe schnellen. Sein Blick schweifte über Davids Gesicht und blieb an dessen Lippen hängen. Es waren nur wenige Zentimeter, die er zu überbrücken gebraucht hätte, um sie mit seinen zu berühren. Schluckend riss er sich von dem Anblick los. »Um uns!«, verbesserte er David mit heiserer Stimme und räusperte sich mehrmals.
»Volle Kraft voraus! Und jetzt streckt eure rechte Hand nach oben.« Ilias blickte über seine Schulter nach hinten. »Hey! Ich will eure Hände sehen!«
Wie geheißen folgten einige Mitfahrer der Aufforderung, so auch David.
»Markiboy, du musst schon mitmachen.«
»Ich kann nicht!« Mark fiel es ohnehin bereits schwer, mit beiden Händen sich sicher zu halten. Wie sollte er das mit nur einer Hand schaffen? Waren die alle Lebensmüde?
»Doch!«
Unerwartet wurde sein Hand umklammert und nach oben gestreckt.
»David! Ich falle!«
»Nein, noch nicht«, giggelte sein Vordermann.
»Und jetzt will ich alle eure Hände sehen! Hoch mit den Flossen und winkt den faulen Urlaubern am Strand zu. Zeigt ihnen, was Spaß bedeutet! Hey, ihr da hinten, ich kann eure Hände nicht sehen. Hopp, hopp!«
»Ist der Typ wahnsinnig?« Mark glaubte sich verhört zu haben. Wenn er jetzt losließe, dann dauerte es höchstens ein Wimpernschlag, bis er zusammen mit David über Bord ginge.
»Nö!», erwiderte David. »Vertrau mir einfach.«
Noch hielt das Motorboot geradewegs auf den Strand zu, doch dann musste Mark entsetzt feststellen, wie es scharf rechts abbog. Ungläubig riss er weit die Augen auf.
Im selben Moment wurde ihm auch der letzte Halt genommen, als David seine andere Hand ergriff und nach oben streckte.
»DAVID! NEEIIN!«
»Schling deine Beine um mich. JETZT!«
Panisch folgte Mark der Anweisung. »OH NEIIIIIN«
»OH DOCH!«
Dann gab es einen kräftigen Ruck, als die Banane von jetzt auf gleich die Richtung änderte. Mark konnte sich nicht mehr halten und schrie um sein Leben, als er mit David zusammen seitlich über das Gefährt rutschte und mit den Händen rudernd ins Wasser eintauchte. Er unterbrach sofort den Körperkontakt und strampelte an die Oberfläche. Kaum war er dort angekommen, schnappte er gierig nach Luft und sah sich hektisch um.
»Mensch Mark! Ich hab doch gesagt, du sollst dich an mir festhalten. Jetzt werden wir doch gleich Fischfutter«, gab David gespielt tadelnd von sich. Plötzlich lag pure Angst in seinem Gesicht. Panisch rief er: »Ist das eine Haiflosse da hinten?«
Mark fuhr augenblicklich mit dem Kopf herum. »Was? Wo?«
»Na, da«, sagte David, der im selben Moment seine flache Hand aus dem Wasser auftauchen ließ. Dabei summte er die Titelmusik aus dem Film Der weiße Hai.
»Na warte …« Angriffslustig schwamm Mark auf David zu, der augenblicklich laut lachend die Flucht ergriff und wenig später, noch bevor Mark ihn hätte erreichen können, aus dem Wasser rannte und sich kurz darauf rücklinks in den Sand fallen ließ.
»Erbitte um Gnade«, schnaufte David, während sein Brustkorb sich schnell auf und ab bewegte. »Ich kann nicht mehr.«
»Ich auch nicht.« Als Mark das sagte, kniete er sich neben David. »Und was machen wir als nächstes? Paragliding? Eine Runde Jetski?«
»So langsam gefällst du mir«, lobte David ihn. Er setzte sich auf und befreite sich von der Weste. »Komm, lass uns die Dinger wegbringen und dann gönnen wir uns bei Maria ein Eis. Hast du Lust?«
Mark stimmte zu. Mit David zusammen trat er sogleich den Weg zum vorherigen Treffpunkt an und erkannte Ilias, der angeregt mit dem Bootsführer sprach. Carlos blickte auf, sagte etwas zu seinem Kollegen, der sich sofort herumdrehte. Mark streckte seine Weste unaufgefordert dem Sunnyboy entgegen, noch bevor der etwas sagen konnte. David tat es ihm gleich, allerdings wechselte der ein paar Worte mit Ilias und lobte ihn, wie toll die Fahrt gewesen sei und dass er die Tour noch einmal buchen würde.
Das erfreute Grinsen, das Ilias wie ins Gesicht gepflastert schien, und der Blick, mit dem er David ansah, blieben Mark nicht verborgen. Ein Stich ging durch seine Brust, weshalb er sich von den Männern abwandte und stattdessen das Strandcafé, auf dessen Außenterrasse er Maria ausmachte, widmete. Was war nur los mit ihm? Er überlegte, kam jedoch zu keinem Ergebnis seiner selbst.