Du hast ein Live-Video gestartet. Kurz vor Mitternacht.
Was ist los, geht es dir nicht gut? Für 12 Viewer schaust du für gewöhnlich nicht in die Kamera.
Na schön, 6. Die anderen Accounts verwalte ich.
Ich mache mir Sorgen. Dein Lippenstift ist verschmiert, der Lidschatten ungleichmäßig verteilt. Kein Sydney- oder Tokyofilter, nicht einmal Katzenohren trägst du. Was ist passiert?
Ist dein Freund schuld? Hat er dir Dinge geschrieben, die du nicht lesen wolltest? Oder Bilder verschickt, die dich verstören, an Personen, die du nicht kennst? Und nun drückt er deine Facetime-Anrufe weg, liest deine WhatsApps und reagiert nicht darauf.
Kein wütender Smiley 😡. Kein trauriger 😥. Und trotzdem ist dein Gesicht hochrot und deine Augen glänzen.
Du redest leise, wisperst beinahe, sodass ich den Sound aufdrehen muss. Denn ich will jedes deiner verschluchzten Worte hören. Wie niedergeschlagen du bist. Wie enttäuscht darüber, dass er per Chatnachricht mit dir Schluss gemacht hat.
Nein, wie schade.
Lass dich nicht kleinkriegen, mein Maikäfer. Er ist es nicht wert, um ihn zu trauern.
Er ist gar nichts wert.
Ich werde immer bei dir sein, wenn du dich einsam fühlst. Morgens, sobald du aufwachst und zum ersten Mal dein Display entsperrst, und spät nachts, wenn du nicht schlafen kannst und rastlos durch den Newsfeed scrollst. Ich werde dich mit gezielten Likes zum Lächeln bringen und dein neues Profilbild komplimentieren, sobald der Upload abgeschlossen ist. Wieder. Und wieder.
Bis du dich besser fühlst und dein Ausschnitt wieder eine angenehme Tiefe erreicht hat.
Das verspreche ich dir.